Dazu gehört es auch, bestehende Rechtspositionen zu verändern oder aufzuheben. Die wesentliche Schranke dabei bildet das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete sogenannte Rückwirkungsverbot.
Diese Schranke kommt vorliegend allerdings nicht zum Tragen. Das Vorschaltgesetz betrifft keinen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt, sondern entfaltet ausschließlich Wirkung für die Zukunft. Darüber hinaus ist auch ein für die Zukunft wirkendes schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Direktwahl nicht ersichtlich. Dem Gesetzgeber ist auch unter diesem Gesichtspunkt eine Neuregelung des Wahlverfahrens für Landrätinnen und Landräte nicht verwehrt.
Der zweite rechtliche Aspekt ist die Frage, welche Auswirkungen das Vorschaltgesetz auf die bereits getroffenen Wahlvorbereitungen in den Kreisen Pinneberg und Steinburg haben wird. In beiden Kreisen haben die Wahlausschüsse den Wahltag bereits bestimmt. Von einer Ausschreibung der Landratsstelle wurde aber mit Blick auf die aktuelle Diskussion zunächst abgesehen.
Mit dem Inkrafttreten des Vorschaltgesetzes wird die Rechtsgrundlage für die Durchführung der Landratswahlen entfallen. Damit wären die für die Durchführung der Direktwahlen bereits eingeleiteten Maßnahmen obsolet. Alle weiteren Wahlvorbereitungen wären ab diesem Zeitpunkt einzustellen. Erst mit der Neuregelung des Wahlverfahrens und der Aufhebung des Vorschaltgesetzes könnten die Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung der Landratswahlen unter den dann geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen wieder aufgenommen werden.
Das Vorschaltgesetz stellt nach alledem eine vernünftige Lösung dar, um die Wiedereinführung der mittelbaren Wahl zügig einzuleiten und zugleich ausreichend Zeit zu schaffen, um die konkrete Ausgestaltung der zukünftigen Regelung zur Wahl und zur Rechtsstellung der Landrätinnen und Landräte mit der gebotenen Sorgfalt zu diskutieren.
Erstens. Was die Stärkung des Ehrenamtes betrifft: Man sollte die Stärkung des Ehrenamtes erst dann feststellen, wenn man erste Erfahrungen mit einer Maßnahme gemacht hat. Ich habe zu oft erlebt, dass von einer Stärkung des Ehrenamtes gesprochen wurde - auch hier in diesem Hohen Haus und es ist leider nichts dabei herausgekommen.
Zweitens. Was den Kreis Segeberg betrifft, so ist ein Verfahren anhängig. Warten wir erst einmal das entsprechende Urteil ab, bevor wir uns hier in Spekulationen ergehen.
Die dritte Bemerkung: Frau Kollegin Heinold, ich habe bei Direktwahlen Überraschungen erlebt, ich habe aber auch beim alten Wahlverfahren Überraschungen in geheimen Abstimmungen in Kreistagen und Ratsversammlungen erlebt. Es sind wie immer geheime Abstimmungen, und da ist man vor Überraschungen nie sicher: 17. März 2005!
Ich danke dem Herrn Innenminister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2358 dem Innen- und Rechtssausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir eine geschäftsleitende Bemerkung: Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, den Tagesordnungspunkt 18 auf Donnerstag, und zwar Beratung nach dem Tagesordnungspunkt 26, zu verlegen.
Ich erteile dem Berichterstatter des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Werner Kalinka, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innen- und Rechtssausschuss hat sich mit dem ihm durch Plenarbeschluss vom 29. Mai 2008 überwiesenen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in mehreren Sitzungen befasst, zuletzt am 26. November 2008. Mit den Stimmen von CDU und SPD gegen die Stimmen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfiehlt er dem Landtag die Ablehnung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Deutschland braucht kein FBI: BKA-Gesetz im Bundesrat ablehnen!, Drucksache 16/2053.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Monika Heinold.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits im Mai 2008 haben wir Grünen mit unserem Landtagsantrag deutlich gemacht: Das BKA-Gesetz muss im Bundesrat abgelehnt werden. Die Erweiterung der Kompetenzen im geheimdienstlichen Bereich dürfen wir nicht zulassen.
Erfreulicherweise gehörte auch der schleswig-holsteinische Innenminister zu den Kritikern des BKAGesetzes - bis zur Abstimmung im Bundesrat, wo er total umfiel.
Eine Enthaltung, Herr Hay, wäre angesichts der harten Position der CDU noch verständlich gewesen. Aber die Zustimmung Schleswig-Holsteins zum BKA-Gesetz ist schlicht eine Katastrophe und beschädigt die Glaubwürdigkeit von Ihnen, Herr Innenminister.
Das neue BKA-Gesetz belebt alte Ängste. Nach 1945 hatten die Alliierten der Bundesrepublik aufgegeben, ihre Polizei föderal zu organisieren und eine klare Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst vorzunehmen. Eine geheime Staatspolizei sollte es nicht wieder geben.
60 Jahre später verabschiedet der deutsche Gesetzgeber nun höchstwahrscheinlich ein Gesetz, in dem eine zentrale Polizeibehörde umfassende geheimdienstliche Befugnisse erhält und damit die sinnvolle Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik zerstört.
Die neuen Befugnisse des BKA sind ein Selbstbedienungskatalog, ein Best-off aller deutschen Polizeigesetze: Rasterfahndung, Lausch- und Spähangriffe in Privatwohnungen, das Abhören von Telefongesprächen, Mitlesen von elektronischer Kommunikation, die heimliche Online-Durchsuchung und vieles mehr. Das Berufsgeheimnis von Ärzten, Journalisten und Rechtsanwälten wird ausgehöhlt. Sie sind gezwungen, Informationen über ihre Quellen, Mandanten und Patienten preiszugeben. Das Zeugnisverweigerungsrecht gilt für sie nicht mehr, sie sind vor Ausspähung nicht geschützt. Damit geht auch ein Stück Pressefreiheit verloren. Und das alles, obwohl die abschreckenden Beispiele von Großbritannien und den USA - die diesen Weg ein Stückchen bereits gegangen sind - zeigen, dass das rechtliche und technische Aufrüsten des Sicherheitsapparates nicht automatisch mehr Sicherheit schafft.
In dieser Situation spielt Innenminister Hay vor Ort den großen Helden und Kämpfer für Bürgerrechte, um dann in Berlin einem Kompromiss zuzustimmen, der nur minimale kosmetische Veränderungen enthält, wie die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern, die Streichung der Eilregelung einer Rasterfahndung ohne Richter und minimale
Verbesserungen bei der Onlinedurchsuchung. Herr Hay, wie konnten Sie sich damit zufriedengeben? Durch diese Änderung ist das BKA-Gesetz doch nicht weniger bürgerrechts- und verfassungsfeindlich geworden.
Statt Kosmetik und Schönfärberei hätte die Landesregierung das Gesetz stoppen müssen. Die massive Zentralisierung, die Schaffung einer Polizei mit geheimdienstlichen Instrumenten, die Schaffung einer ressourcenstarken, umfassend zuständigen Behörde und befähigten Gefahrenabwehrbehörde, der tiefe Eingriff in Bürgerrechte aufgrund sehr niedrigschwelliger Verdachts- und Vermutungsstufen und der massive Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung durch die Onlinedurchsuchung all das ist nach wie vor Bestandteil des Gesetzes.
Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, damit tragen Sie Mitverantwortung dafür, dass unser Staat zu einem Schnüffelstaat umgebaut wird.
Da hilft auch kein Rausreden damit, dass es sich ja nur um eine Erprobungszeit des Gesetzes bis 2020 handelt. Gemeinsam mit der CDU opfern Sie unsere Freiheitsrechte auf dem Altar der Terrorismusbekämpfung. Nun muss das Bundesverfassungsgericht wieder ran und unsere Grund- und Bürgerrechte gegen die Angriffe der Großen Koalition verteidigen - so wie es das Gericht schon bei der Vorratsdatenspeicherung, beim Kfz-KennzeichenScanning, bei der Rasterfahndung, der präventiven Telekommunikationsüberwachung und beim großen Lauschangriff gemacht hat.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um die Diskussion im Zusammenhang mit der geplanten Änderung des BKA-Gesetzes besser nach
vollziehen zu können, erlauben Sie mir, zunächst einige Fakten zur aktuellen Bedrohungslage durch Terroristen mit islamistischem Hindergrund darzulegen.
In Deutschland konnten seit dem Jahr 2000 sieben Anschläge zum Teil nur mit großem Glück verhindert werden. Das Bundeskriminalamt und die Länderpolizeien ermittelten in dieser Zeit in rund 200 Ermittlungsverfahren mit islamistisch-terroristischem Hintergrund. Deutsche Gerichte haben seit dem 11. September 2001 in mehr als einem Dutzend großer Strafverfahren Urteile gefällt.
Erst gestern wurde der sogenannte Kofferbomber, der Kieler Student El Hajdib, wegen vielfachen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Er hatte zusammen mit seinen Komplizen im Juli 2006 auf dem Kölner Hauptbahnhof zwei Kofferbomben in den Regionalzügen nach Hamm und Koblenz deponiert, die aber nicht explodierten. Der Vorsitzende Richter sagte in seiner Urteilsbegründung:
„Dass es nicht zu einem verheerenden Blutbad mit einer Vielzahl von Toten gekommen ist, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass der Angeklagte und sein Mittäter einem Irrtum beim Bau der Sprengsätze unterlegen sind.“