genau mit dem selben Problem zu kämpfen haben, dass sie keine ausreichende schulische Ausbildung bekommen, um den Erfordernissen der Unternehmen tatsächlich gerecht zu werden, dann schieben wir dieses Problem die nächsten vier Jahre vor uns her. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann es doch nicht ernsthaft sein!
Bei allen erfreulichen Zahlen, die hier genannt wurden, denke ich, ist das ein ganz gravierendes Problem für die Chancengleichheit junger Menschen, die heute noch auf die Hauptschulen gehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was die vielen Sonder- und Einzelmaßnahmen anbelangt, bin ich skeptischer als meine Vorredner. Aus meiner Sicht hat ein Arbeitgeber relativ wenig von den 6.000 € staatlichen Förderungen, wenn er einen Lehrling einstellt, der nicht in der Lage ist, die einfachsten Rechenoperationen durchzuführen oder der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Auch die Nachqualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit, die die Beitragszahler im Übrigen allein im Jahre 2007 fast 350 Millionen € gekostet haben, können die Defizite, die in der Schule durch nicht ausreichende schulische Bildung erzeugt wurden, nicht beseitigen. Diese fast 350 Millionen € hätte ich dann lieber an die Schulen gegeben. Da wären sie deutlich besser investiert gewesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht sollte man sich - jedenfalls der eine oder die andere auch einmal darüber Gedanken machen: Wer permanent Zielstrebigkeit und Leistungsbereitschaft als Tugenden abqualifiziert oder sich darüber lustig macht, der darf sich natürlich auch nicht darüber wundern, dass es einige wenige junge Menschen gibt, die auch dort Defizite haben, was die Ausbildungsbereitschaft und die Ausbildungsfähigkeit anbelangt.
- Ach, Frau Langner, Sie zwar nicht, aber Sie wissen doch auch, dass es im Rahmen der Schuldebatte Töne gab, einen Grundtenor, der Zielstrebigkeit und Leistungsfähigkeit als Tugenden ernsthaft infrage gestellt hat. Sie sprechen doch mindestens so häufig wie ich mit Betrieben. Auch darauf legen Betriebe schlicht und ergreifend wert. Ich glaube auch nicht, dass das Tugenden sind, die man einfach unter den Tisch kehren sollte.
In unserer Gesellschaft wird nicht nur der materielle Wohlstand durch den Erfolg in der Erwerbsarbeit bestimmt, sondern auch Selbstwertgefühl und Anerkennung durch andere. Eine solide Berufsausbildung ist für die meisten Menschen einer der entscheidenden Schritte auf dem Weg in ein erfolgreiches Berufsleben. Genau diese Chance müssen wir den jungen Menschen geben.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel.
Verehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass wenigstens Herr Garg ein bisschen kritisches Wasser in den Wein gekippt hat; denn was wir hier vonseiten des Ministeriums an Zahlen vorliegen haben, spiegelt die Realität in keiner Weise wider.
Wir haben gerade den Nationalen Bildungsberichtbekommen. Der Nationale Bildungsbericht sagt, dass der Übergang von der Schule in das Berufsbildungssystem in Deutschland das größte Problem unseres Bildungssystems ist. Es ist nicht so, dass Schleswig-Holstein besonders gut abschneidet. In Schleswig-Holstein sind im letzten Jahr - ich rede jetzt vom letzten Jahr - 42,8 % der Jugendlichen nicht in eine Ausbildung gekommen, sondern sind in das Übergangssystem gekommen. Das Übergangssystem mit Warteschleifen ist im Grunde ein System, in dem keine Qualifikationen erworben werden. Diese Übergangssystem kostet bundesweit 3 Milliarden €. Zurzeit sind 500.000 Jugendliche in der Bundesrepublik im Übergangssystem; in Schleswig-Holstein überproportional viele. Das sagt der Nationale Bildungsbericht.
Die Integration der Jugendlichen in die Berufsausbildung klappt nicht. Das ist die Aufgabe überhaupt, die uns der Nationale Bildungsbericht, den
die Bundesregierung vorgestellt hat - Frau Schavan -, gestellt hat, damit wir damit fertig werden. Es nützt überhaupt nichts, wenn wir uns bei 42,8 %, die im letzten Jahr nicht untergekommen sind, darüber freuen, dass es in diesem Jahr 1,4 % in Schleswig-Holstein mehr sind. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Realität wird meiner Ansicht nach von einem großen Teil der Politiker an dieser Stelle nicht wahrgenommen.
Wenn wir ähnliche Verhältnisse an den Gymnasien oder ähnliche Verhältnisse an Universitäten hätten, würden wir einen Aufschrei in der Gesellschaft haben. Dann würde die gesamte Mittelschicht protestieren. Aber in der Berufsausbildung nimmt man das so hin und redet es noch schön und sagt, es werden ja jetzt mehr Lehrstellen angeboten als im letzten Jahr, es kommt ja hin, wir werden jedem etwas anbieten. Aber so, wie die Zahlen aussehen, wird auch in diesem Jahr mehr als ein Drittel aller Jugendlichen aus Schleswig-Holstein entweder von der Schule oder, weil sie schon vorher in der Warteschleife waren, erneut in der Warteschleife landen. Das kann doch nicht wunderbar sein. Das kann man doch nicht schönreden, sondern das ist eine Katastrophe, mit der wir es zu tun haben.
Meine Damen und Herren, es ist dringend notwendig - das sagt der Nationale Bildungsbericht -, dass wir endlich diese Schnittstelle systematisch anpacken. Das Problem besteht darin, dass wir mittlerweile über ein Drittel der Jugendlichen für unfähig erklären, eine Ausbildung zu beginnen. Das liegt natürlich daran, dass viele Jugendliche, wenn sie von der Schule kommen, nicht die Qualifikationen, die erwartet werden, haben, zumindest nicht die Qualifikationen, die man sich vorstellt. Das ist ein Problem, aber da müssen wir uns aufeinander zubewegen und müssen gucken, wie wir damit umgehen.
Ich bin der Überzeugung, dass es absolut unsinnig ist, heute noch Hauptschüler nach der 9. Klasse in Konkurrenz um Lehrstellen zu schicken mit Realschülern, die zehn Klassen hinter sich haben, die aber nicht die Schwächeren sind - man könnte ja meinen, die kriegen ein Jahr mehr, weil sie die Schwächeren sind, aber sie kriegen ein Jahr mehr, obwohl sie die Stärkeren sind -, oder in Konkurrenz mit Gymnasiasten, die sich um Lehrstellen bewerben, zum Beispiel auch im Handwerk - Installa
teur oder Zimmermann beispielsweise, wo es ja auch durchaus Abiturienten gibt -; die sind mittlerweile vier Jahre länger zur Schule gegangen. Das ganze System ist völlig verrückt.
Der Nationale Bildungsbericht sagt auch: Wir müssen endlich dahin kommen, weil wir gar keine Arbeitsplätze mehr für Unqualifizierte in Deutschland haben - wir haben wirklich kaum noch solche Arbeitsplätze -, was in den OECD-Staaten überall angestrebt wird, dass alle Jugendliche eine berufliche Ausbildung bekommen.
Wir von den Grünen haben Anfang dieses Jahres einen Handlungsplan dazu vorgeschlagen. Der ist hier im Landtag abgelehnt worden; er ist nicht einmal an den Ausschuss überwiesen worden. Ich werde ihn noch einmal einbringen, weil ich glaube, dass es dringend notwendig ist, dass wir uns mit dieser Frage intensiver beschäftigen.
Ich bin der Überzeugung: Wir müssen die Schulpflicht verlängern. Die Schulpflicht muss so lang sein, bis man entweder ein Abitur oder eine Berufsausbildung hat. Es kann nicht sein, dass immerhin 15 % der Jugendlichen in Deutschland überhaupt keine Ausbildung machen, nicht einmal eine Kurzausbildung. Wir müssen an diesem Punkt etwas ändern.
Wir müssen auch die Kontrolle verbessern. Es kann nicht sein, dass eine ganze Reihe von Jugendlichen verschwindet und niemand merkt überhaupt, dass sie die Schulpflicht gar nicht wahrnehmen.
Der einzige Kreis, der in dieser Hinsicht vorbildlich ein Überwachsungssystem aufgebaut hat, ist der Kreis Schleswig-Flensburg. Den möchte ich ausdrücklich loben. Das ist wirklich ein großer Fortschritt in Schleswig-Holstein.
Ich meine, wir werden noch viel zu tun haben. Leider kann ich das jetzt nicht weiter ausführen. Aber wir werden auf das Thema zurückkommen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland kommt, so wie in anderen europäischen Ländern auch, eine Ausbildung einer Grundlage für die Zukunft gleich. Ohne Ausbildung steigt das Risiko der Arbeitslosigkeit auf 18 %, mit liegt sie dabei nur bei 4 %. Nicht ohne Grund gibt es so viele Anstrengungen, deshalb jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen.
Mittlerweile allerdings erscheint die Schwelle, einen Ausbildungsplatz zu bekommen und tatsächlich mit einer Ausbildung beginnen zu können, ziemlich niedrig. In einigen Bereichen gibt es sogar Ausbildungsplätze, die nicht besetzt werden können. Schauen wir uns im Bericht den Bereich der Bankfachleute an - ein Ausbildungsberuf, der gut bezahlt ist, Aufstiegschancen verspricht und zudem keine körperliche Anstrengung erfordert. Hier stehen laut Tabelle Nr. 2 im Bericht 194 Bewerber 585 Stellen gegenüber. Da kann eigentlich irgendetwas nicht stimmen. Sind die Anforderungen zu hoch oder die Bewerberprofile unzureichend? Liegt eine regionale Fehlallokation vor? Oder gibt es möglicherweise nicht genügend Männer oder genügend Frauen, die so etwas machen wollen?
Das sind nur die Fragen, die sich angesichts einer Tabellenzeile stellen! Ich könnte problemlos noch mehr Fragen anführen, die sich aus diesen Tabellen ergeben. Der Bericht wirft bedauerlicherweise mehr Fragen auf, als er tatsächlich beantwortet. Er legt weder regionale, qualifikationsgewertete, noch geschlechtsbezogene Zahlen vor, sodass wir als Landtagspolitiker weiterhin im Dunkel tappen, warum es trotz Lehrstellenproblem offene Stellen gibt.
Aus diesem Bericht können keine politischen Maßnahmen entwickelt werden, dazu bedarf es einer vertieften und qualifizierten Betrachtung. Diese fehlt in dem Bericht.
Ausschlaggebend ist letztlich, wie viel SchleswigHolsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen ihre Ausbildung erfolgreich absolvieren. Wir lügen uns doch in die Tasche, wenn wir denken, dass mit der
Unterschrift unter dem Ausbildungsvertrag bereits die berufliche Zukunft gesichert ist. Fast jeder vierte Ausbildungsvertrag wird vor Ende der Ausbildung aufgelöst.
Schauen wir also auf die Wirklichkeit hinter den Statistiken. Allein das Konstrukt des gemeldeten Bewerbers zeigt die ganze Problematik des Ausbildungsstellenberichts. Gemeldete Bewerber sind mitnichten alle Bewerber, die sich auf eine offene Stelle bewerben, sondern diejenigen, die sich vorher bei einer Arbeitsagentur des Landes angemeldet haben. Alle anderen werden statistisch nicht erfasst. Somit ergibt sich eine Statistik, die eigentlich zu gar nichts taugt.
Ich will mich nicht damit abfinden, dass wir sehr viele, gute Ausbildungsplätze haben, die nicht an den geeigneten Bewerber vermittelt werden können, das kann ich weder als sozial engagierter Mensch noch als arbeitsmarktpolitischer Sprecher des SSW.
Gern möchte ich Maßnahmen empfehlen, um diesem Missstand beizukommen. Doch dieser Bericht versetzt mich nicht in die Lage dazu. Ich hätte mir qualifizierte Zahlen über die sogenannten Altbewerber gewünscht, also Schulabgänger aus den vergangenen Jahren. Wie sieht es mit den Schulabschlüssen aus? Drängen mehr oder weniger Abiturienten auf den Ausbildungsmarkt? Bewerben sich inzwischen noch Hauptschüler, obwohl sie wissen, dass sie kaum eine Chance haben, überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden? Der Bericht sagt nichts dazu.