Protocol of the Session on September 10, 2008

(Beifall bei der FDP)

Diese Politik der Landesregierung ist konzeptionslos, sie ist falsch, und sie ist schlecht für das Land. Dann darf sich diese Regierung nicht wundern, wenn sie dadurch immer mehr das Vertrauen der Menschen verspielt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Alte Kamellen! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber sie ist konse- quent!)

- Herr Müntemeier, ich habe noch gut die Aussage des SPD-Vorsitzenden Ralf Stegner am Abend der Kommunalwahl im Ohr, bei der die SPD geradezu ein Wahldebakel erlitten hat. Er sagte, der SPD müsse es jetzt darum gehen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Sehr geehrter Herr Kollege Stegner, mit diesem Haushalt können Sie das Vertrauen der Menschen in Schleswig-Holstein nicht zurückgewinnen.

Wie wollen Sie eigentlich den Lehrern, den Feuerwehrmännern und den Krankenschwestern erklären, dass sie weiterhin kein Weihnachts- und Urlaubsgeld bekommen, aber auf der anderen Seite ein dreistelliger Millionenbetrag in die HSH Nordbank gepumpt wird, weil auf den Weltfinanzmärkten Monopoly gespielt wurde?

(Beifall bei der FDP)

Wie wollen Sie eigentlich den Polizeivollzugsbeamten dieses Landes erklären, dass ihnen nun auch noch die Ausgleichszulage für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst gestrichen wird, obwohl Sie in Wahlkampfreden immer wieder versichert haben, Herr Kollege Stegner, bei der Polizei werde nicht mehr gespart? Es reicht sicher nicht, dass Sie bei Ihrem Rücktritt als Innenminister nur Ihre eigene Pension im Auge hatten.

Wie wollen Sie eigentlich den Kommunen erklären, dass ihnen im Kommunalen Finanzausgleich weiterhin jedes Jahr 120 Millionen € fehlen, obwohl die Landesregierung mit Steuermehreinnahmen von 879 Millionen € in 2009 und 303 Millionen € in 2010 rechnet?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es fehlt schlicht und ergreifend eine Strategie. Mit diesem Haushalt werden Sie kein Vertrauen zurückgewinnen. Es fehlt eine Strategie zur strukturellen Einnahmeverbesserung, zur Steigerung des wirtschaftlichen Wachstums und zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Ziel muss es doch sein, Steuergelder

(Wolfgang Kubicki)

effizient dort einzusetzen, wo sie private Investitionen auslösen, regionales Wirtschaftswachstum generieren und so die Einnahmebasis des Landes erhöhen. Aber es fehlt genauso ein strukturelles Konzept zur Haushaltssanierung, ein Konzept zur Modernisierung und Straffung des Verwaltungshandelns. Sie schaffen keine Verwaltungsreform, keine Privatisierungen, keinen Abbau von Verwaltungsvorschriften, keine aktive Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der FDP)

Stattdessen bröseln Sie den öffentlichen Dienst durch die natürliche Fluktuation ab, ohne im Rahmen einer Aufgabenkritik das Verwaltungshandeln auf die Kernaufgaben zu reduzieren. Das Ergebnis ist eine Mängelverwaltung zulasten der Bürger und der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Der Finanzminister hätte in der guten konjunkturellen Lage die Chance nutzen müssen, um ein strukturelles Konsolidierungskonzept vorzulegen - ein Konzept, das die Kernaufgaben staatlichen Handelns definiert, eine umfassende Verwaltungsstrukturreform verpflichtet und ein Personalentwicklungskonzept beinhaltet.

Herr Kollege Wadephul, ich habe immer noch Ihre Aussage im Ohr - das ist noch gar nicht so lange her - , dass ein solches Personalentwicklungskonzept vorgelegt wird, das dazu führt, dass wir die strukturelle Schieflage des Haushaltes längerfristig tatsächlich bewältigen können.

Denn nicht nur eine aktivierende Wirtschaftspolitik sorgt für Wachstum, sondern auch die Haushaltskonsolidierung - und das mindestens in zweifacher Hinsicht: Zum einen mehren die steigenden Ersparnisse der öffentlichen Hand die für Investitionen zur Verfügung stehenden Mittel. Zum anderen verringert sich durch eine konsequente Haushaltspolitik die öffentliche Verschuldung, was wiederum die Kosten für den Schuldendienst drückt.

Herr Wiegard, wir unterstützen Sie voll und ganz bei der Frage der Altschuldenregulierung. Allerdings muss ich mir immer wieder vorhalten lassen, dass die Bundesländer - dazu gehört auch Schleswig-Holstein - ihre Hausaufgaben erst einmal selbst erledigen müssen. Wir können nicht auf Kosten der anderen Bundesländer darauf verzichten, unsere Hausaufgaben zu erledigen. Mit diesem Haushalt verhalten sich CDU und SPD eher wie Lottogewinner. Der warme Geldregen verhindert Eigenanstrengungen. Aber wenig später sind die Mehreinnahmen weg, die Probleme allerdings geblieben oder sogar größer geworden.

Nun komme ich zu den Problemen. Das erste große Problem - da muss ich gar kein großer Prophet sein - steht so sicher vor der Tür wie das Amen in der Kirche: die Verfassungswidrigkeit des Haushalts. Nach den Plänen der Landesregierung ist die Verfassungsmäßigkeit des Haushaltes am Tag des Inkrafttretens des Haushaltsgesetzes gesichert. Nach dem Haushaltsentwurf wird die Grenze der Verfassungsmäßigkeit um sagenhafte 6,5 Millionen € unterschritten - bei einem Haushaltsvolumen von mehr als 12 Milliarden €.

Nur, leider ist dieser Entwurf schon nicht mehr das Papier wert, auf dem er steht. Denn seitdem das Finanzministerium, Herr Kollege Wiegard, die Eckzahlen des Haushalts aufgestellt hat - das war im April -, sind der Sechs-Monats-Zins von 4,4 % auf 5,15 % und der Zehn-Jahres-Zinssatz von 4,3% auf 4,6% gestiegen. Allein diese Zinsänderung - und das sind keine Zahlen, die ich mir ausdenke, sondern offizielle Zahlen aus dem Referat VI 25 des Finanzministeriums - bewirkt eine Mehrausgabe von 40 Millionen € in 2009 und von 50 Millionen € in 2010 für die zu zahlenden Zinsen.

Lieber Herr Wiegard, Ihre immer wieder beschworene Verfassungsmäßigkeit des Haushaltes ist weg, noch bevor der Haushalt in Kraft tritt. Und was machen Sie eigentlich, wenn die Herbst-Steuerschätzung nicht so gut ausfällt, wie Sie sich und wir uns das wünschen? - Dann bricht Ihr haushaltspolitisches Kartenhaus noch weiter in sich zusammen.

Aber damit nicht genug. Ich komme zu den Risiken in den Einzelplänen. Sie haben in diesem Haushaltsentwurf fast in jedem Einzelplan Risiken in Millionenhöhe.

Schauen wir uns einmal den Einzelplan des Innenministers an! Der Innenminister hat mit einem Beschluss des Bundesrats zu kämpfen. Der Bundesrat hat am 4. Juli 2008 beschlossen, das Wohngeld um 60 % zu erhöhen. Ab dem 1. Januar 2009 sollen anstatt 90 € nun 140 € pro Monat gezahlt werden. Im Jahr 2007 hat das Land 38,577 Millionen € Wohngeld geleistet.

Geht man von einer gleichbleibenden Zahl der Empfänger aus - es ist ja nicht ersichtlich, warum es sich verändert haben sollte -, dann müssten im Jahr 2009 aufgrund der 60-prozentigen Steigerung 61,7 Millionen € geleistet werden. Im Ansatz für 2009 sind aber nur 53 Millionen € enthalten. Dies bedeutet eine Unterdeckung von 8,7 Millionen €, für die wir zumindest zur Hälfte einzustehen haben. Sehr geehrter Herr Innenminister, wie soll diese Lücke geschlossen werden?

(Wolfgang Kubicki)

Schauen wir uns einmal den Einzelplan des Wirtschafts- und Wissenschaftsministers an! Das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft hat mit einem Prozess um die Fachhochschule Westküste in Heide zu kämpfen. Sollte das OLG Schleswig das Land verpflichten - es sieht momentan nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs danach aus -, dem Kläger die tatsächlich entgangenen Mieteinnahmen zu zahlen, dann drohen Ausgaben in Höhe von bis zu 7,5 Millionen €, für die im Haushalt keine Vorsorge getroffen ist. Sehr geehrter Herr Wissenschaftsminister, wie wollen Sie diese Lücke schließen?

Schauen wir uns den Einzelplan des Justizministers an! Das Justizministerium ist mit einer Klage der Richterschaft konfrontiert. Im Februar 2008 hat der Schleswig-Holsteinische Richterverband vor dem Verwaltungsgericht Schleswig eine Musterklage gegen das Land erhoben. Begründung: Die Dienstbezüge der schleswig-holsteinischen Richter und Staatsanwälte würden sich nicht mehr im Rahmen der verfassungsrechtlich vorgegebenen Alimentation bewegen. - Dieser Auffassung haben sich übrigens auch Richterverbände anderer Länder und die nicht ganz unbedeutende Vereinigung der Verwaltungsrichter auf Bundesebene angeschlossen. Sehr geehrter Herr Justizminister, was machen Sie eigentlich, wenn der Klage der Richterschaft stattgegeben wird? Wie wollen Sie diese Lücke schließen?

Schauen wir uns einmal den Einzelplan der Bildungsministerin an! Für 2009 ist eine globale Minderausgabe in Höhe von 2,5 Millionen € und für 2010 eine in Höhe von 6 Millionen € vorgesehen. Aufgelöst werden sollen diese, indem die Lehrer zu einem späteren Zeitpunkt die ihnen zustehende Unterrichtsermäßigung gebündelt in Anspruch nehmen. Dass damit aber logischerweise Stellen unbesetzt bleiben, das erwähnen Sie nicht. Allein im Jahr 2010 müssen zur Erwirtschaftung der 6 Millionen € rund 285 Lehrerstellen unbesetzt bleiben. Die Ankündigung ,,1.000 neue Lehrer“ ist damit eine reine Mogelpackung.

Frau Ministerin Erdsiek-Rave, das Bildungsministerium könnte noch ein ganz anderes Problem bekommen. Ein von uns in Auftrag gegebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes kommt zu dem Ergebnis, dass für die Investitionen der Kommunen für die neuen Regional- und Gemeinschaftsschulen unmittelbar das Konnexitätsprinzip gilt, also das Geld vom Land kommen muss. Die spannende Frage ist nicht beantwortet, Her Finanzminister. Was machen Sie eigentlich, wenn die Kommen darauf bestehen, dass es ausge

glichen wird? - Kollege Wadephul, man kann mit den Schultern zucken und sagen, dass man das im Griff hat. Ich warne allerdings davor, das zu unterschätzen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Ich habe gleich Gelegenheit, dazu etwas zu sagen!)

Die Tatsache, dass Sie hier im Haus eine Zweidrittelmehrheit haben, bedeutet nicht, dass Sie alles machen können, was Sie wollen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben dankenswerterweise eine Rechtsprechung, die Machtmissbrauch verhindern kann.

Sehr geehrter Herr Finanzminister, wir kommen heute Nachmittag noch zu diesem Thema, aber ich möchte jetzt schon sagen, dass ich es nicht für sehr intelligent halte, die Probleme der HSH Nordbank im Parlament zu diskutieren.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was machen Sie eigentlich, wenn die ambitionierten Pläne der HSH Nordbank nicht aufgehen - und ich erinnere daran, dass die Halbwertzeit der optimistischen Äußerungen des Vorstands der Bank in Wochen gemessen werden kann -, ein dividendenfähiges Jahresergebnis von 400 Millionen € zu erreichen? Woher nehmen Sie dann die fehlenden zweistelligen Millionenbeträge?

Und ist es nicht bitter - das frage ich die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen -, dass dieses Haus vor zehn Wochen einer Kapitalerhöhung von mehreren Hundert Millionen Euro aus Steuermitteln seine Zustimmung erteilt hat und heute im Gegenzug 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allein in Kiel ihren Arbeitsplatz verlieren? Was ist mit deren Mindestlohn, Herr Kollege Stegner?

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt beinhaltet so viele Risiken, dass heute schon feststeht, dass die Verfassungsmäßigkeit nicht gegeben sein wird. Herr Minister, ich sage ausdrücklich: Man kann Ihnen persönlich daraus den geringsten Vorwurf machen.

Dies gilt sowohl für die Aufstellung als auch für den Vollzug. Das ist Ihnen sehr wohl bewusst. Sie wissen, dass dieser Haushalt nicht den Ansprüchen der Verfassung genügt. Denn Sie schaffen - Sie haben gestern gesagt, das sei Quark; darüber diskutie

(Wolfgang Kubicki)

ren wir vielleicht noch - mit dem Haushaltsstrukturgesetz eine zutiefst fragwürdige Regelung.

In § 10 Haushaltsstrukturgesetz heißt es, „innerhalb desselben Aufgabenbereichs (Kapitels) sind die Ausgaben der Hauptgruppen 5 bis 8 gegenseitig deckungsfähig.“ - Was bedeutet das konkret? - Es heißt nichts anderes, als dass innerhalb eines jeweiligen Kapitels sämtliche konsumtiven Ausgaben mit den Investitionen gegenseitig deckungsfähig sind. Bisher gab es nur eine einseitige Deckungsfähigkeit der Hauptgruppen 5 bis 7 in Richtung 8 und nicht umgekehrt. Das wiederum heißt, dass Gelder, die das Parlament dem jeweiligen Ministerium als Investitionen bewilligt hat, im Haushaltsvollzug vom Ministerium auch für eine beliebige konsumtive Ausgabe verwendet werden können.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Dass das so sein wird, liegt auf der Hand. Denn an den ausgewiesenen konsumtiven Ausgaben kann nicht mehr gespart werden. Auf diese Weise, liebe Kolleginnen und Kollegen, macht man jeden Haushalt verfassungsgemäß. Sie nehmen Kredite bis zur Höhe der Investitionen auf, die von vornherein keine sind beziehungsweise sein sollen, um so konsumtive Ausgaben zu finanzieren. Dieses Verfahren verstößt gegen sämtliche Grundsätze der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und stellt einen klaren Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung dar. Auf dieses Verfahren, Herr Finanzminister Wiegard, ist noch nicht einmal der Kollege Stegner gekommen, und der war schon sehr kreativ bei seiner Haushaltsbuchführung.

Ganz nebenbei entmachtet die Große Koalition dabei das Parlament, da nun den Ministerien ein Freibrief erteilt wird, wofür sie Gelder in welcher Höhe ausgeben. Weder parlamentarische Kontrolle noch Transparenz sind damit zukünftig gewährleistet. Ich fordere die Fraktionen von CDU und SPD eindringlich auf, diese Selbstentmachtung nicht hinzunehmen. Ansonsten können wir uns die gesamte Haushaltsberatung sparen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Entwurf des Doppelhaushalts 2009/2010 zeigt, dass der Landesregierung die Finanzen des Landes aus dem Ruder laufen. Der Landesregierung fehlt ein strukturelles

haushaltspolitisches Konzept, das zum einen die Einnahmeseite durch eine aktivierende Wirtschaftspolitik stärkt und zum anderen die Handlungsspielräume durch eine konsequente Konsolidierung der Ausgabeseite erweitert.