Protocol of the Session on July 16, 2008

Wir dürfen doch nicht länger einen Transport von 80 kg Mensch und 2,1 t Blech, die wir durch die Gegend schieben, verbinden. Wir brauchen hoch effiziente Fahrzeuge, die 2 l oder weniger auf 100 km verbrauchen. Biogas reicht - wie gesagt quantitativ nicht. Wir müssen auf der Verbrauchsseite abrüsten.

Meine Damen und Herren, ich habe die Flächenproduktivität in Schleswig-Holstein verglichen: Wie viel Energie hole ich von einem Hektar, der mit Photovoltaikpanelen bestückt ist, und wie viel Energie ernte ich von einer Rapsfläche? - Das Ergebnis lautet: Im Solarpark Rodenäs - im Nordwesten unseres Landes, an der dänischen Grenze - ernte ich 16-mal so viel Energie wie auf einem benachbarten Rapsfeld.

Rechnet man über einen längeren Zeitraum und berücksichtigt dabei die sogenannte graue Energie, das, was der Solarpark zu seiner Errichtung an Energie verbraucht, was der Bauer auf dem Rapsfeld an Betriebsmitteln aufwendet, wird die Rechnung recht extrem.

(Minister Dr. Christian von Boetticher: Sie müssen daran denken, was es kostet, die So- laranlagen zu erstellen!)

- Auch darüber rede ich gern mit Ihnen, Herr Minister. Ich möchte jetzt die physikalische Betrachtung fortsetzen.

Durch die physikalische Nutzung der Sonnenkraft können wir circa 50-mal mehr aus derselben Fläche Land holen als mit der biologischen Erschließung

der Sonnenkraft. Das muss man wissen, wenn man die Biomasse-Debatte führt.

Wir haben daher auf dem Parteitag der Grünen schon vor zwei Jahren beschlossen, dass bei der Biomassenutzung die Rest- und Abfallstoffe Vorrang genießen sollen und der Anbau von Biomasse, insbesondere der von Mais, nicht weiterentwickelt werden soll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das deckt sich übrigens mit den Vorschlägen, die wir mit dem Agrarausschuss der Landjugend diskutiert haben, als wir neulich beim Landtagspräsidenten zusammengesessen haben, Herr Ehlers. Auch die haben ähnliche Vorschläge gemacht.

Wir sind deswegen unzufrieden mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Wir kritisieren scharf, dass sich die CDU da durchgesetzt hat. Richtig wäre es gewesen, den Bonus für nachwachsende Rohstoffe, den sogenannten NawaRo-Zuschlag, zu senken und den Kraft-WärmeKopplungs-Zuschlag zu erhöhen. Leider ist das Ergebnis eine Erhöhung des Bonus für nachwachsende Rohstoffe um 1 ct/kWh. Das ist das Gegenteil dessen, was notwendig ist. Damit schreibt die CDU die Flächenkonkurrenz zwischen Bioenergie und Nahrungsmitteln fort. Weiter steigende Pachtpreise sind die Folge. Eine weitere Verödung der Agrarlandschaft mit Bioenergie-Monokulturen ist die Folge. Gülle-Bonus und Erhöhung des KWK-Bonus sind zwar auch erhöht worden, insgesamt ist jedoch ein sehr widersprüchliches und inkonsequentes Gesetzeswerk dabei herausgekommen mit der deutlichen Handschrift der Agrarlobby.

Ich zitiere:

„Durch die gesamten Vergütungsanpassungen und Erweiterungen werden gute Perspektiven für einen nachhaltigen und klimafreundlichen Ausbau der Bioenergie in der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung gesetzt.“

So Helmut Lamp, Vorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie.

Zehn Minuten sind um, Herr Kollege.

Ja, ich komme zum Schluss, meine verehrte Präsidentin.

(Detlef Matthiessen)

(Zurufe von der CDU)

Positiv bewerten die Bioverbände und Landwirtschaftsverbände das neue Gesetz. Es wird Gas gegeben, statt vorsichtig auf die Bremse zu drücken, wie wir es politisch empfehlen. Damit bleiben die Worte des Ministerpräsidenten, der auf den Widerspruch zwischen Nahrungserzeugung und Biomasseerzeugung hingewiesen hat, hohl und wohlfeil. Er scheint jedenfalls in Berlin kein Gehör gefunden zu finden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

(Minister Dr. Christian von Boetticher: Be- grüßen Sie das EEG?)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der SSW hat bereits in früheren Debatten immer darauf hingewiesen, dass sich die Landwirtschaft in einem Strukturwandel befindet und dass es notwendig ist, neben der Nahrungsmittelproduktion künftig auch weitere Standbeine zu entwickeln. Hierbei haben wir schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass insbesondere der Bereich der Energiegewinnung aus Biomasse eine größere Rolle spielen wird als bisher, und damit hatten wir natürlich auch recht.

Das Potenzial an Biomasse ist gewaltig. Theoretisch könnte Biomasse - laut einer WWF-Studie den Weltenergiebedarf je nach Effizienz der Nutzung zehn- bis 20-mal decken, und bis 2020 könnten in den Industrieländern etwa 100 Millionen Haushalte mit Biomassestrom versorgt und 400 Kohlekraftwerke zusammen ersetzt werden. Das jedenfalls sagt der WWF.

Wohlgemerkt ist dies so in der Theorie machbar, aber die Zahlen machen deutlich, was für ein schlummernder Riese in der Biomasse steckt. Dieser Riese wird jetzt langsam geweckt. Die Begrenztheit fossiler Energieträger, steigende Energiepreise und Förderkulissen, die den Anbau und die Nutzung von Biomasse schmackhaft machen, sind hierfür die Hauptursachen. Neben den genannten Marktmechanismen sind es insbesondere die rechtlichen Voraussetzungen, die diesen Wandel in Gang gesetzt haben. Die Biomasseverordnung, das EEG und nicht zuletzt die Änderung der landwirt

schaftlichen Förderkulisse machen es den Landwirten künftig möglich, sich weitere wirtschaftliche Standbeine zu erschließen. Diese Entwicklung unterstützt auch der SSW, denn wir sind der Auffassung, dass die bisherige Landwirtschaft mit einer produktionsgebundenen Förderkulisse am Markt vorbei produziert.

Nun könnte man natürlich sagen, dass Steuerungselemente wie EEG und Biomasseverordnung auch nur eine Förderkulisse wie jede andere darstellen und dass die Gefahr besteht, am Markt vorbei zu produzieren. Hierbei ist aber ausschlaggebend, dass der politische Wille vorsieht, die Biomasse bei der Produktion von Strom, Wärme und Biokraftstoffen mehr in den Vordergrund zu rücken, um die deutschen und europäischen Klimaschutzziele zu erreichen. Es geht aber auch darum, die Voraussetzungen für Bioenergie so zu gestalten, dass neben den bestehenden auch andere Energieträger überhaupt eine Chance haben. Daher unterstützen wird wir diese Art der Förderung.

Biomasse bietet insbesondere für ein landwirtschaftlich geprägtes Land wie Schleswig-Holstein eine große Chance, weil wir hier das notwendige Potenzial haben. Wenn wir dieses Potenzial ausschöpfen, kann Schleswig-Holstein einen enormen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Denn mehr Strom aus Biomasse senkt den CO2-Ausstoß und verringert die globale Erwärmung.

(Beifall bei SSW)

Wenn wir diese Potenziale ausschöpfen wollen, dann muss dies aber entsprechend gesteuert werden. Momentan herrscht auf dem Biomassesektor geradezu eine Goldgräberstimmung, die den Anschein erweckt, dass nahezu überall im Land auf die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen gesetzt wird. Vergleichbar mit der Anfangszeit der Windenergie, wo es zu Beginn einen unkontrollierten Bau von Windkraftanlagen gegeben hat, bis man vonseiten der Regionalplanung entsprechende Eignungsflächen ausgewiesen hat, um eine Verspargelung der Landschaft zu vermeiden. Wenn wir im Zusammenhang mit der Biomasse keine entsprechenden rechtlichen und steuernden Grundlagen schaffen, dann droht uns die Bioenergie aus den Fugen zu geraten, mit entsprechenden negativen Konsequenzen für Natur und Landschaft.

Daher brauchen wir dringend Steuerungselemente. Die Landesregierung sieht dies leider Gottes anders. So geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von mir vom Oktober letzten Jahres hervor, dass die Landesregierung keinen

(Detlef Matthiessen)

Ansatz zu steuernden Eingriffen beim Bau von Biogasanlagen durch landesplanerische Vorgaben oder das Baurecht sieht. Was bei den Windkraftanlagen möglich ist, muss auch für Biogasanlagen machbar sein. Denn ansonsten sehe ich die Gefahr, dass die Wertschöpfung durch die Biogasnutzung für die Bevölkerung verloren geht.

Es ist allerdings auch niemandem mehr klarzumachen, warum derartige Anlagen vorteilhaft für das Klima und die Umwelt sein sollen, wenn der Energiemais Lkw-weise durch das Land gefahren wird, nur um eine Anlage zu versorgen. Hier stecken wir also in einem Dilemma.

Die derzeitige Förderkulisse für Biomasseanlagen setzt auf sogenannte NawaRo-Anlagen, soll heißen: auf die Produktion von Bioenergie aus nachwachsenden Rohstoffen. Nun ist der Begriff „nachwachsende Rohstoffe“ sehr umfassend. Eine Vielzahl von Pflanzen kommt hierfür infrage. Wir müssen aber erkennen, dass insbesondere die Produktion von Energiemais bei uns eine dominierende Rolle eingenommen hat. Diese Entwicklung birgt Gefahren in sich. Sie hat erhebliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt und birgt ökologische Risiken.

Der Naturschutzbund Deutschland weist darauf hin, dass festzustellen ist, dass im Einzugsgebiet von Biogasanlagen vermehrt Grünland- und Stilllegungsflächen zu Maisäckern umgewandelt werden. Dieser Trend zur Monokultur führt zu einer erhöhten Bodenerosion, zur Grundwasserbelastung sowie zu einem Verlust von wertvollen Lebensräumen. Damit würden wir dem Klimaschutz einseitig Vorrang vor Umwelt- und Artenschutz einräumen. Eine solche Entwicklung kann nicht gewollt sein. Wir müssen vielmehr alle Seiten betrachten. Sonst wäre es nicht tragbar.

In der Debatte um nachwachsende Rohstoffe kommen wir aber auch schnell auf die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen. Die Industrie versucht, den Landwirten und Verbrauchern über diese Schiene die Gentechnik schmackhaft zu machen. Egal, ob Pflanzen zur Lebensmittel- und Futtermittelproduktion oder als nachwachsende Rohstoffe genutzt werden: Die strengen Auflagen in Bezug auf gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen auf keinen Fall durch die kalte Küche aufgeweicht werden.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Ein wesentlicher Faktor im Zusammenhang mit nachwachsenden Rohstoffen ist auch die Diskussion über die Preisentwicklung von Nahrungsmitteln.

In den vergangenen Jahrzehnten sind die Preise stabil, manchmal auch rückläufig gewesen. Die wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln, Tierfutter und Kraftstoffen hat dem aber ein Ende gesetzt. Insbesondere die Menschen in den ärmeren Ländern werden diese Preise irgendwann nicht mehr bezahlen können. Das Internationale Institut für Ernährungspolitik geht davon aus, dass Grundnahrungsmittel wie Mais und Ölsaaten bis zum Jahr 2020, also in 12 Jahren, um bis zu 72 % teurer werden.

Die Ursachen für den erwarteten Anstieg liegen in der Klimaveränderung, steigenden Energiepreisen, dem geänderten Konsumverhalten in den Entwicklungs- und Schwellenländern, der steigenden Nachfrage nach Biokraftstoffen und selbstverständlich auch in der Bevölkerungsexplosion. Die steigende Nachfrage nach Biokraftstoffen ist auf die Entwicklung auf dem ehrgeizigen Bioenergiesektor in Europa und den USA zurückzuführen. Angesichts dieser Problematik können die genannten Probleme nur global gelöst werden. Wir wissen, dass die Nahrungsmittelkrise auch auf dem G8-Gipfel thematisiert wurde und dass man sich dort einig wurde, ein ,,globales Netzwerk" zu schaffen, in dem Wissenschaftler Erkenntnisse für die weltweite Agrarwirtschaft und über den künftigen Bedarf an Lebensmitteln zusammentragen sollen. Mit anderen Worten: Man hat dort nichts Konkretes beschlossen.

Die Lösung des ethisch-moralischen Problems, wie wir bei uns mit Lebensmitteln, Futtermitteln und nachwachsenden Rohstoffen umgehen, nimmt uns niemand ab. Hier sind wir in Schleswig-Holstein selbst gefragt, wie wir die Entwicklung weiter steuern wollen.

Für uns als SSW steht fest, dass wir keine Maismonokulturen haben wollen, deren Erträge in großen Behältern vergoren werden, um Wärme und Strom zu produzieren. Der weitere Ausbau der Bioenergie darf nur unter bestimmten Voraussetzungen vorangebracht werden. Bei der Produktion von nachwachsenden Rohstoffen muss mehr auf die Gesamtbilanz geachtet werden. Das soll heißen: Lebensmittel- und Futtermittelproduktion, Umweltschutz, Biodiversität, Erholung sowie jegliche weitere Nutzung müssen stärker in die Gesamtbetrachtung einfließen.

Weiterhin muss dafür gesorgt werden, dass die Nutzung von Abfallbiomasse stärker ausgebaut wird, der Anteil von Mais in den NawaRo-Anlagen stärker begrenzt wird und Alternativen zum Mais genutzt werden.

(Lars Harms)

Die Nutzungseffizienz von Biogasanlagen muss verbessert werden, damit unter dem Strich auch wirklich eine positive Klimabilanz zu verzeichnen ist, und Steuerungselemente in der Raumplanung müssen den Wildwuchs von Biogasanlagen verhindern. Nur wenn wir solche Punkte stärker berücksichtigen, erreichen wir die Wertschöpfung und Umweltvorteile durch die Energieproduktion aus Biomasse, die wir uns wünschen. Nur dann können wir das enorme Potenzial für den ländlichen Raum nachhaltig und sinnvoll nutzen. Wenn man die Entwicklung nur dem Markt überlassen würde, so wäre das, wie ich glaube, der falsche Weg.

(Beifall bei SSW und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Der Antrag ist durch den Bericht erledigt. Ich weise darauf hin, dass wir mündliche Berichte nicht mehr überweisen und die Ausschüsse im Rahmen der Selbstbefassung ein Thema jederzeit aufgreifen können. Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sparkassengesetzes für das Land Schleswig-Holstein

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1936