Protocol of the Session on June 19, 2008

Die Nord- und die Ostsee sind für die SchleswigHolsteiner seit jeher eine Quelle für Nahrungsmittel und Energie, sind Weg für Handel und Verkehr und haben erheblichen Erholungs- und Landschaftswert für den Tourismus. 28 % des deutschen Außenhandels werden über die deutschen Seehäfen verfrachtet. Das Volumen der in schleswig-holsteinischen Häfen abgefertigten Güter wird sich bis 2010 um 4,5 % pro Jahr erhöhen. Die deutsche Schiffsbauindustrie ist Nummer eins in Europa und Nummer vier in der Welt. Mit HDW und Lindenau sind allein in der Landeshauptstadt Kiel zwei Werften von Weltrang beheimatet.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Darauf kann Schleswig-Holstein stolz sein. Die Palette unserer Wirtschaftstätigkeiten, die sich die Küsten von Nord- und Ostsee zunutze machen, wie auch unsere Freizeitaktivitäten am Meer nimmt rapide zu. Für die Zukunft zeichnet sich ab, dass wir zusätzliche maritime Ressourcen erschließen werden.

Gleichzeitig ist insbesondere die schleswig-holsteinische Westküste durch Sturmfluten und steigende Meeresspiegel besonders gefährdet. Deshalb finde ich es richtig und wichtig, dass der Bericht über den „Maritimen Aktionsplan Schleswig-Holstein“ bereits auf Seite zwei sehr deutlich auf das eingeht, worum es bei der integrierten Meerespolitik der EU aus Sicht der FDP-Fraktion gehen muss. Ich zitiere aus dem Bericht:

„Denn wenn wir das Meer auch als Ressource für die Wirtschaft dynamisch nutzen wollen, müssen wir auch für einen nachhaltigen Schutz des Ökosystems Meer sorgen. Nur so schaffen und erhalten wir Arbeitsplätze, nur so steigern wir die Lebensqualität in Schleswig-Holstein.“

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Anette Langner [SPD])

Uns muss es also zum einen um die Nutzbarmachung des Meeres für wirtschaftliche Aktivität, die Entwicklung des Meeres als eine der entscheidenden Lebensadern des Landes gehen. Zum anderen ist es aber genauso wichtig, auch den künftigen Generationen die Nutzbarmachung des Meeres zu ermöglichen. Dies kann nur durch ausreichenden Schutz des Ökosystems Meer geschehen.

Bereits jetzt gibt es politische Maßnahmen, die einzelne maritime Wirtschaftstätigkeiten regeln. Die Aufsplitterung in unterschiedliche Politikfelder macht es allerdings äußerst schwierig, die potenziellen Auswirkungen des einen Bereichs von Wirtschaftstätigkeiten auf die anderen Bereiche oder mögliche Interessenkonflikte im Voraus abzuschätzen. Daher begrüßen wir es, dass das bisherige, aufgesplitterte Vorgehen durch einen integrierten Ansatz der Zusammenarbeit ersetzt werden soll. Wir brauchen eine Politik, die integriert, die die verschiedenen Bereiche der Meerespolitik zusammenfasst und gleichzeitig die europäische Politik koordiniert. Bisher isoliert betrachtete Bereiche wie Fischerei, Schifffahrt, Meeresschutz, Offshore-Energie und Entwicklung der Küstenbereiche müssen zusammenhängend betrachtet werden.

(Anette Langner)

Außerdem brauchen wir eine Politik, die den großen ökonomischen Wert von Schifffahrt und Meer auch für die Zukunft schützt.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen eine Politik, die den Wert des Meeres für die nachfolgenden Generationen erhält. Die weitere Vertiefung des Themas sollte in den Ausschussberatungen geschehen.

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die Landesregierung für den Bericht. Vielen Dank auch an Herrn Professor Herzig, den Direktor von IFM-GEOMAR, für seine federführende Arbeit.

Dieser Bericht macht deutlich, wir vielfältig die Meereslandschaft ist. Es liegen wissenschaftlichtechnologische Chancen dicht neben wirtschaftlichen und industriellen Begehrlichkeiten und neben der großen Aufgabe, empfindliche Ökosysteme in Nord- und Ostsee zu schützen und zu erhalten. Der Bericht sagt es einmal mehr: Vor unserer Haustür liegt eine der letzten Wildnisse Europas, ein einmaliges Naturgebiet, das Jahr für Jahr 2 Millionen Urlauber und 14 Millionen Tagesgäste anlockt.

Dieses Gebiet soll nun aufgrund eines Beschlusses, den wir gemeinsam gefasst haben, zum Weltnaturerbe werden. Wir sind uns der Verantwortung für das sensible Ökosystem Wattenmeer bewusst. Es hat hohe Bedeutung sowohl für die Natur als auch für die Wirtschaft. Außerdem gibt es zum Beispiel 250 Tierarten, die nur auf den Salzwiesen des Wattenmeeres vorkommen und nirgendwo sonst. Das Wattenmeer ist eine Drehscheibe für jährlich über 2 Millionen Zugvögel und beheimatet etwa 100.000 Brutpaare. Es ist zudem die Kinderstube von Schollen, Hering, Seezungen sowie die Heimat von Seehunden, Kegelrobben und Schweinswalen. Der Nationalpark Wattenmeer wirkt weit über Europa hinaus.

Aber auch die wirtschaftliche Bedeutung beider schleswig-holsteinischer Meere ist groß. Dabei ist der Tourismus als unser wichtigster Wirtschaftsfak

tor natürlich an erster Stelle zu nennen. Das Weltnaturerbe Wattenmeer wird hoffentlich einmal von den Niederlanden bis nach Esbjerg reichen. Mit der Anmeldung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe betonen wir einmal mehr die international herausragende Bedeutung des Wattenmeeres und machen noch deutlicher, welcher Wert diesem Stück Wildnis zukommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anette Langner [SPD])

Dagegen steht - vergleichbar mit der sprichwörtlichen Frittenbude im Kölner Dom - die Erdölförderung, und zwar sowohl in Gestalt der schon vorhandenen Bohrplattform Mittelplate als auch im Hinblick auf die Begehrlichkeiten, weitere Bereiche zu explorieren. Dies läuft allen Schmutzbemühungen zuwider, wir haben dieses Thema hier ausführlich diskutiert. Aus unserer Sicht ist die Ölförderung ein Schandfleck im Wattenmeer. Ihre Ausweitung gefährdet nicht nur das Ökosystem, sondern auch die Lebensader der Region, den Tourismus.

Wie es der Zufall will, hat die DEA für das Gebiet, in dem sie die Ausweitung der Ölförderung anstrebt, auch seismische Erprobungen beantragt, um das Gebiet auf mögliche Speicherstätten für CO2 hin zu erkunden. Abgesehen davon, dass dies nur ein Alibi sein könnte, um weitere Erdölvorkommen zu erforschen, und auf interessierter Seite als Argument dienen könnte, die Klimafolgen von Kohlekraftwerken kleinzureden, birgt diese Technologie aus unserer Sicht heute noch nicht absehbare Risiken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind für Forschung im Bereich der CCS-Technik.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aha!)

- Ja, wir sind dafür. Es ist aber die Frage, was das Ziel dieser Forschung sein soll. Aus unserer Sicht kann es nicht das Ziel sein, CO2 aus der Verbrennung fossiler Energiequellen dauerhaft zu lagern. Wir sehen in der CCS-Technik zusammen mit der Nutzung nachwachsender Biomasse die Chance, eine echte Senkung des CO2-Ausstoßes zu erreichen. Diese sollten wir kommenden Generationen nicht verbauen. Das gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass wir für die Stromerzeugung in Zukunft keine fossilen Brennstoffe oder Atomenergie brauchen. Die Umwandlung der Sonnenenergie genügt, um genügend Strom zu produzieren. Lediglich bei

(Dr. Heiner Garg)

der Mobilität und beim Lastverkehr haben wir eine Lücke zu füllen. Das ist allerdings sehr schwierig.

Meine Damen und Herren, die Schifffahrtstechnologie ist eine zentrale Wirtschaftssäule, wenn wir von maritimer Wirtschaft reden. Hier gibt es Firmen im Land, die bereits heute Leichtbauschiffe bauen. Die haben nur noch die Hälfte des Brennstoffverbrauchs und damit entsprechend weniger CO2-Emissionen.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit!

Ja, ich komme zum Schluss. - Hier in Kiel werden sogenannte Flettner-Rotoren, Skysails und so weiter gebaut, also Schiffe, die auf Windantrieb setzen. Wir haben die Landanschlussdiskussion. Wir wollen uns auch mit der Gaspendelung beim Bebunkern von Schiffen mit Kraftstoff beschäftigen. Das jedenfalls ist Zukunft made in Schleswig-Holstein.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Maritime Technologie steht für uns ganz oben an.

Herr Abgeordneter, Ihnen fehlt der Kooperationspartner in Sachen Zeit. Vielleicht kommt er jetzt. Das Wort für den SSW erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Kooperation ist noch möglich.

(Lars Harms [SSW]: Selbstverständlich! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber er redet meist länger als kürzer!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem „Maritimen Aktionsplan für Schleswig-Holstein“ hat die Landesregierung die zentralen Leitlinien erarbeitet, mit denen die innovative und integrative Meerespolitik umgesetzt werden soll. Damit ergreift die Landesregierung die Chance und nimmt das Heft in die Hand, um die erste Region Europas zu sein, die einen eigenen Aktionsplan vorlegt. Das begrüßen wir, denn damit können wir die Vorreiterrolle übernehmen und anderen maritimen Regionen die Idee der integrierten Meerespolitik vorleben.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Darüber hinaus wird damit deutlich, dass Schleswig-Holstein eine überregionale maritime Kompetenz hat.

Dem Bericht ist zu entnehmen, dass die ressortübergreifende Projektgruppe „Zukunft Meer“ die operative Basis für die Landesinitiative bildet. Eine Arbeitsgruppe aus Staatssekretären bestimmt unter Federführung des Wirtschaftsministeriums die inhaltlichen Schwerpunkte. Damit werden alle betroffenen Politikfelder nachhaltig in die Prozesse eingebunden, und alle sind gleichberechtigt in einem Boot.

Um den Aktionsplan Meer mit Leben zu erfüllen, wurden von der Projektgruppe „Zukunft Meer“ die zentralen Leitlinien entwickelt, für die ich mich wie schon meine Vorredner - auch im Namen des SSW bedanken möchte.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Es wird wieder einmal deutlich, wie umfangreich sich das Thema Maritimer Aktionsplan gestaltet. Der Bericht gibt hierzu einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Bereiche, die nebeneinander laufen und miteinander verzahnt werden. Viele der Aktionen sind bereits angestoßen und werden von der Landesregierung gefördert. Viele dieser einzelnen Aktionen sind auch von den Vorrednern beschrieben worden.

Exemplarisch möchte ich trotzdem einen Punkt hervorheben, den der SSW immer wieder hervorhebt, über den ich mich auch gewundert habe. So wird unter der Leitlinie „Aufmerksamkeit für die Meere steigern“ das Science Center in Kiel genannt, das Anfang 2011 fertiggestellt sein soll und mit Landes- und EU-Mitteln bis zu maximal 17,25 Millionen € gefördert werden soll. Laut Bericht soll das zukünftige Science Center in seiner landesinternen und -externen Wirkung eine Leuchtturmfunktion ausüben und einen starken Alleinstellungscharakter sowie einen authentischen Bezug zum Land haben. Wenn die Landesregierung meint, ein Science Center in Kiel zu bauen, darf dies nur geschehen, wenn auch die Maßnahmen für die Phänomenta in Flensburg getroffen werden. Das Konzept des Science Centers - ich betone: landesintern - darf nicht mit der Phänomenta konkurrieren, und die Existenz der Phänomenta darf nicht gefährdet werden. Dies möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich hervorheben.

(Detlef Matthiessen)

(Beifall beim SSW)

Sie wissen, pädagogisches Prinzip ist ständige Wiederholung. Bei der Phänomenta müssen wir wirklich darauf achten, dass sie nicht hinten runterfällt. Generell bleibt aber fest zuhalten, dass die einzelnen Leitlinien und die damit zusammenhängenden Aktionen und Maßnahmen deutlich machen, wie umfangreich sich die Landesregierung für die maritimen Belange einsetzt.

Die Weiterentwicklung des Maritimen Aktionsplanes, wie es die Landesregierung plant, ist aus Sicht des SSW durchaus ein weiträumiges und richtiges Unterfangen. Die Maßnahmen und Aktionen auch auf Bundes- und EU-Ebene weiter zu verzahnen, ist durchaus sinnvoll. Wenn die Verzahnung von Maßnahmen und Aktionen auf EU-Ebene geschehen soll, kommt auf uns in Schleswig-Holstein eine weitere wichtige Aufgabe zu. Dabei hat SchleswigHolstein im Zusammenhang mit der Ostseeregion eine wichtige Position. Das wissen wir auch alle.

Wenn die Ostseeregion eine maritime Modellregion werden soll - so ist es gewollt -, dann muss Schleswig-Holstein auf allen politischen Ebenen aktiv dafür werben. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir der Primus Motor der modernen Meerespolitik gerade im Ostseeraum sind, und der Maritime Aktionsplan des Landes ist die Anleitung, wie dies umgesetzt werden kann. Daher ist der Aktionsplan auch zum Erfolg verdammt. Ich bin mir sicher, dass wir diesen Erfolg haben werden. - Ich hatte zumindest Erfolg darin, eineinhalb Minuten einzusparen und die Zeit, die der Kollege Detlef Matthiessen mehr gebraucht hat, wieder reinzuholen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Interessante Kooperation, für die das Präsidium dankt. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/2113, federführend dem Wirtschaftsausschuss und mitberatend dem Europaausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - So beschlossen!