Protocol of the Session on May 29, 2008

(Johannes Callsen)

Bei der Anzahl der Neugründungen von Unternehmen liegen wir im Vergleich aller Bundesländer auf dem dritten Platz: Der Aufbruch ist in Schleswig-Holstein nicht nur angekommen, er macht sich nun auch auf dem Arbeitsmarkt endlich deutlich bemerkbar.

Im vergangenen Jahr gab es einen Rekord, über den ich mich persönlich sehr gefreut habe: Mit rund 22.000 Ausbildungsverträgen konnte das beste Ausbildungsplatzergebnis seit 1992, also seit 15 Jahren, erzielt werden. Bei den Neuverträgen gab es einen Zuwachs von 7,5 %. Wir werden im Kreis Pinneberg nächste Woche die sechste Ausbildungsplatzkampagne starten. Das ist eine regionale, erfolgreiche Angelegenheit, die vielleicht auch in anderen Regionen durchgeführt werden sollte.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Insgesamt ist dieses Ergebnis ein großer Erfolg aller Partner im „Bündnis für Ausbildung“. Es gilt eben, diesen Partnern Dank für ihre langjährigen Bemühungen im Interesse einer zukunftsfähigen Ausbildung der jungen Menschen zu sagen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Leider gibt es weiterhin Probleme mit der Ausbildungsfähigkeit und der Ausbildungsreife vieler junger Menschen. Ich begrüße es daher sehr, dass dieser Personenkreis im Mittelpunkt des „Zukunftsprogramms Arbeit“ steht. Hier gab und gibt es vielfältige Projekte, von der Ausbildung und Integration von Migranten über eine regionale Ausbildungsbetreuung bis hin zum Handlungskonzept „Schule und Arbeitswelt“.

Das Land zwischen den Meeren wird immer mehr zu einem Wissenschaftsland. Ab 2013 werden wir ein zweites Fraunhofer-Institut haben. Bei Patenten und Innovationen liegen wir schon jetzt über dem deutschen Durchschnitt. Für den Zeitraum 2007 bis 2013 steht im „Zukunftsprogramm Wirtschaft“ ein Fördervolumen von mehr als 700 Millionen € zur Verfügung. Bei den Schwerpunkten für die Mittelaufteilung setzen wir besonders auf die Stärkung von Wissen und Information und auf den Ausbau der Infrastruktur.

Die Ertragslage und Eigenkapitalsituation der Unternehmen hat sich erfreulich entwickelt. Auch die Finanzierungsmöglichkeiten vieler kleiner und mittlerer Unternehmen in Schleswig-Holstein haben sich verbessert. Bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung gab es im vergangenen Jahr ein besonderes Engagement. 99 überwiegend mittelständische Unternehmen erhielten Zuschüsse über

rund 27,8 Millionen €. Damit wurden Investitionen in Höhe von 191,5 Millionen € angeschoben, fast 1.000 Arbeitsplätze geschaffen und über 2.400 Arbeitsplätze abgesichert.

Erfolgreich auch der Bereich Ansiedlungsförderung und Standortmarketing. Es konnten 182 Unternehmen neu angesiedelt werden und damit rund 3.400 Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Das ist das bisher beste Ansiedlungsergebnis in SchleswigHolstein.

Der zügige Ausbau der Verkehrsanbindungen hat nicht nur für Schleswig-Holstein, sondern auch für die gesamte Metropolregion Hamburg höchste Priorität. Ich will die einzelnen Maßnahmen nicht aufführen. Wir haben in den vergangenen Debatten und auch gestern im Rahmen der Fehmarnbelt-Diskussion darüber gesprochen.

Ich möchte an dieser Stelle ein Wort der Kritik anbringen. Wir haben uns in diesem Haus fast alle gegen Lohndumping ausgesprochen und mit großer Mehrheit ein Tariftreuegesetz nicht nur auf den Weg gebracht, sondern es auch verlängert und um den Bereich der Busfahrerinnen und Busfahrer ergänzt. Darüber, dass wir aufgrund des aktuellen Urteils des Europäischen Gerichtshofs Schwierigkeiten haben, haben wir hier diskutiert. Zurzeit läuft eine Überprüfung durch die Landesregierung. Ich bin der Meinung, dass die Initiative der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Bremen und Berlin die konsequente Fortsetzung dessen ist, was wir erreichen wollen, nämlich die Vermeidung von Lohndumping und die Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass sie für ihre Arbeit einen gerechten Lohn erhalten und mit dem Lohn für ihre Arbeit ihre Familien ernähren können. Das muss nach wie vor unser Ansinnen sein.

Konsequent wäre - das sage ich von dieser Stelle aus ganz bewusst -: Wenn europäische gesetzliche Rahmenbedingungen das nicht hergeben, haben wir die verdammte Verpflichtung, alles dafür zu tun, dass diese Gesetzgebung so auf den Weg gebracht wird, dass die Grundlagen für das, was wir hier gemeinsam beschlossen haben, gelegt werden und wir nicht in eine rechtsunsichere Lage geraten.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und Beifall beim SSW)

Herr Kollege Schröder, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Bernd Schröder)

Ich komme gleich zum Schluss.

Nicht gleich, sofort, bitte!

Allein diese Bekenntnisse werden nicht ausreichend sein. Ob es dem einen oder anderen passt - wir werden nach wie vor eine Diskussion über Tariftreuereglungen haben. Lesen Sie die Mitteilung des ÖPNV, die uns gestern erreicht hat. Wir müssen uns damit beschäftigen. Weil die Situation so ist, werden wir auch weiterhin über das Thema Mindestlohn diskutieren müssen.

Ich bedanke mich für den Wirtschaftsbericht und freue mich über die positive Aussicht, die wir hier in Schleswig-Holstein haben. Das sollten wir gemeinsam weiter verfolgen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zehn Minuten Redezeit beantragt, weil wir der Auffassung sind, dass es dieser Bericht wert ist, entsprechend debattiert zu werden, und wir ihn nicht innerhalb von fünf Minuten durch den Plenarsaal in den Wirtschaftsausschuss passieren lassen sollten.

Sehr geehrter Herr Minister Austermann, ich hoffe, Sie haben Ihren Bericht tatsächlich einmal gelesen, bevor Sie Ihre Unterschrift darunter gesetzt haben. Und ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, Sie glauben nicht wirklich alles, was in diesem Bericht steht.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

Das wäre schade. Ich habe den Eindruck dass sich der Wirtschaftsbericht jedes Jahr mehr von der wirtschaftlichen Realität in diesem Land entfernt. Dies ist nach 2006 und 2007 der dritte Wirtschaftsbericht des Landes. Das Jahr 2006 stand bei Wirtschaftsminister Austermann unter dem Motto „Aufbruch im Norden“. Im Jahr 2007 wurde der Leitgedanke „Mehr Wissen. Mehr Wirtschaft“ ausgegeben. Glaube ich der Einleitung des Wirtschaftsmini

sters im Wirtschaftsbericht 2008, dann ist der Leitgedanke für dieses Jahr „Land im Aufbruch“. Wenn wir bereits 2006 aufgebrochen sind und dieses Jahr schon wieder aufbrechen, dann frage ich mich, wann es denn nun endlich einmal losgeht, Herr Minister.

Am 6. Februar 2008 hat der Wirtschaftsminister in einer bemerkenswerten Pressemitteilung verkündet, im Jahr 2007 sei Schleswig-Holstein mit 1,4 % Wirtschaftswachstum trauriges Schlusslicht aller Bundesländer gewesen. In keinem anderen Bundesland wuchs die Wirtschaft langsamer als in Schleswig-Holstein.

Die Arbeitslosenquote ist von April 2007 bis April 2008 um 11,2 % zurückgegangen. Damit erreicht Schleswig-Holstein bundesweit den 13. Platz und ist damit schlechtestes Flächenland überhaupt. In der heute veröffentlichten Mai-Statistik rutscht Schleswig-Holstein auf den Platz 14 ab. Der Abstand zu den übrigen Bundesländern wird immer größer.

Bei der Berechnung der Innovationsfähigkeit der Bundesländer des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts liegt Schleswig-Holstein 2007 nur noch auf Platz 14 der Bundesländer. Wir haben übrigens 16, falls das jemandem entgangen sein sollte.

Im Jahr 2007 sind laut Statistischem Landesamt 6 % weniger Gewerbeanmeldungen in SchleswigHolstein vorgenommen worden als im Jahr 2006. In absoluten Zahlen wird damit der schlechteste Wert seit 2002 erreicht.

Die „Wirtschaftwoche“ veröffentlicht jedes Jahr einen Vergleich der Bundesländer miteinander. Im Dynamik-Ranking des Jahres 2007, wobei gemessen wird, wie positiv sich einzelne ökonomische Indikatoren in den einzelnen Ländern verändern, rutscht Schleswig-Holstein vom 8. auf den 12. Platz ab.

Nehmen wir mal nicht die Driftmann-Noten für die Landesregierung, sondern die Beratungsgesellschaft Ernst & Young, die Ende März 2008 - lieber Kollege Callsen, auch so viel zur Aktualität ihr jährliches Mittelstandsbarometer veröffentlicht. Danach sind nur noch 62 % der schleswigholsteinischen Mittelständler mit den Standortbedingungen im nördlichsten Bundesland zufrieden. Damit stürzt Schleswig-Holstein auf den 13. Platz von 16 Bundesländern ab.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Das wird bedauerlicherweise bei Ernst & Young nicht mit abgefragt.

Bei der Frage der regionalen Förderpolitik landet Schleswig-Holstein bei eben diesem Mittelstandsbarometer nur noch auf Platz 14. Zudem bewerten in keinem anderen Bundesland die Mittelständler die vorhandene Infrastruktur schlechter als in Schleswig-Holstein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese aktuellen Zahlen sind die bittere Realität und nicht die Schönrederei in diesem Wirtschaftsbericht. Die Zahlen zeigen, dass wir derzeit ziemlich weit davon entfernt sind, ein Zugpferd der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland zu sein. Die politischen und administrativen Rahmenbedingungen engen Kreativität und Dynamik in unserem Land ein. Die Große Koalition sieht das natürlich anders. Sie beteuert ständig, Schleswig-Holstein sei überall vorn, immer nach der Devise: Wo wir sind, ist vorne, und wenn wir hinten sind, dann ist hinten eben vorne. Mir persönlich zeigt dieses Verhalten, dass die Landesregierung den Ernst der Lage nicht erkennen will. Wenn man nicht weiß, wo man hin will und die eigene Position nicht kennt, dann stellt sich eben auch kein Erfolg ein.

Genau das ist das Problem der Wirtschaftspolitik der Großen Koalition in Kiel und in Berlin. CDU und SPD fehlt schlicht das Konzept. In der Wirtschaftspolitik der Regierung ist keine klare Linie erkennbar, man wurstelt sich eben mal so durch. Die Landesregierung weiß zwar nicht, wo sie hin will, aber auf jeden Fall will sie als Erste da sein. Und das wird regelmäßig lauthals verkündet. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik macht die Koalition aus CDU und SPD mit Sicherheit nicht.

In der Einleitung zum Wirtschaftsbericht zitiert der Wirtschaftsminister den altrömischen Philosophen Seneca, der sagte: „Wenn man nicht weiß, in welchen Hafen mal will, ist kein Wind günstig“, um dann für die Landesregierung zu konstatieren: „Die Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein hat klare Vorstellungen, wohin die Reise geht: Mehr Wachstum und mehr Beschäftigung sind unser Ziel.“ Doch es wird leider im ganzen Bericht nicht klar, wie dieses Ziel eigentlich erreicht werden soll. Erfolgreich wird man, wenn man ein klares Ziel vor Augen hat, seine Grenzen realistisch einschätzt und sich dann auf seine Stärken und seine Kernkompetenzen konzentriert.

Wo liegen die Kernkompetenzen Schleswig-Holsteins? In Schleswig-Holstein ist und bleibt der Mittelstand das Rückgrat der Wirtschaft. 99,7 %

der Unternehmen in Schleswig-Holstein gehören zum Mittelstand. Dort arbeiten 77,2 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Dort lernen mehr als vier Fünftel aller Auszubildenden. Und im Mittelstand werden fast 55 % des Gesamtumsatzes in Schleswig-Holstein erwirtschaftet. Insbesondere für Schleswig-Holstein gilt, dass der Mittelstand noch wichtiger ist als in anderen Bundesländern, weil der Anteil der Großunternehmen hier kleiner ist.

Für die Wirtschaftspolitik folgt daraus selbstverständlich: Wenn die Politik die wirtschaftliche Entwicklung unterstützen und fördern will, dann muss sie die Bedingungen für den Mittelstand verbessern. Im Klartext heißt das, die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen des Mittelstands zu lockern, damit unser Mittelstand dynamischer agieren kann.

Doch die Realität sieht anders aus. Im Auftrag der „Wirtschaftswoche“ hat das Consulting-Unternehmen IW Consult Anfang 2007 rund 2.500 Unternehmen nach ihren Erfahrungen mit Wirtschaftsförderern und Behörden befragt. Es wollte wissen: Erstens. Wo werden Genehmigungsverfahren zügig abgewickelt? Zweitens. Wo ist die Verwaltung serviceorientiert eingestellt und arbeitet wirtschaftlich? Drittens. Wo werden Existenzgründer und Investoren kräftig unterstützt? Das Resultat, lieber Kollege Callsen, dieser aktuellen und nicht alten Umfrage lautet: Am unternehmensfreundlichsten ist Niedersachsen, am unternehmensunfreundlichsten ist Schleswig-Holstein. Das ist die Realität, und nicht die seitenlange Lobhudelei im Wirtschaftsbericht 2008.

Wir brauchen endlich bessere Rahmenbedingungen insbesondere für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden. Die Mittelständler müssen von der unsäglichen Bürokratie befreit werden. Außer Klaus Schlie gab es bisher keinen Beitrag zum Bürokratieabbau. Dass ein Extrastaatssekretär für Bürokratieabbau ein Beitrag zum Bürokratieabbau ist, habe ich bis heute auch nicht wirklich verstanden.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Stegner, ich glaube, am Sonntag wurde Ihnen auch nicht besonders applaudiert, auch wenn Sie heute wieder König der Kehlköpfe sind.

Die Mittelständler brauchen keine Unternehmensteuerreform, die unter dem Strich zu einer Verschlechterung führt. Die Mittelständler brauchen

(Dr. Heiner Garg)

keine Erbschaftsteuerreform, die dazu führt, dass eine Reihe von Betrieben schlicht nicht an die kommende Generation vererbt werden kann. Wir brauchen keine Unternehmer, die sich einen Großteil ihrer Arbeitszeit auf Behördenfluren wiederfinden oder irgendwelche Formulare ausfüllen und Statistiken erstellen müssen!

Was wir brauchen, ist endlich ein umfassender Bürokratieabbau. Wir müssen die Wirtschaft von den bürokratischen Fesseln befreien, um der Schaffenskraft risikobereiter Unternehmerinnen und Unternehmer endlich mehr Raum zu geben. Die Verwaltung muss weitgehend entbürokratisiert werden, und ein großer Teil der Verwaltungsvorschriften muss abgebaut werden. Genehmigungsverfahren sind soweit wie möglich in Anzeigeverfahren umzuwandeln, und weitestgehend kann eine Genehmigungsfiktion eintreten, wenn die Verwaltung nicht innerhalb vorzugebender Fristen über Anträge von Bürgern und Unternehmen entscheidet. Das wäre ein echter Beitrag zur Wirtschaftsförderung in diesem Land.