Protocol of the Session on May 28, 2008

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 1998 festgestellt, dass die damals geltende Alimentation für Beamte mit drei und mehr Kindern nicht mehr angemessen war. Der damals noch zuständige Bundesgesetzgeber - darauf haben Sie hingewiesen - hatte auf Grundlage der Eckpunkte dieser Entscheidung 1999 das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz verabschiedet und die Beamtenbesoldung angepasst. Der Familienzuschlag für die Jahre 1999 und 2000 wurde entsprechend für das dritte und jedes weitere Kind um circa 100 € erhöht. Dieser Betrag wurde in den Folgejahren dynamisiert.

Das reicht aber bei Weitem nicht aus, wie Sie selbst wissen. Wie Sie in einem Schreiben an ver.di, das uns vorliegt, noch im April 2008 ausführten, ist auch Ihnen bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht den Instanzgerichten einen eigenständigen Rechtsweg zur Alimentation von kinderreichen Beamten gewiesen hat. Im Ergebnis fordert eine verfassungskonforme Alimentation für das dritte und jedes weitere Kind einen monatlichen Zuschlag, der einen fünfzehnprozentigen Abstand von den entsprechenden durchschnittlichen kindbezogenen Sozialhilfeleistungen beinhaltet. Das ist die Bezugsgröße, also 115 % dieser Leistungen. Zieht man nur einmal den bundesweit einheitlichen Regelsatz nach § 28 SGB XII für Kinder, die jünger als 14 Jahre sind, heran, kommt man bereits auf einen Betrag von circa 238 €, die jedem Beamten ab dem dritten Kind pro Monat zustünden. Das ist mehr als das Doppelte des Betrags, der heute in SchleswigHolstein an diese Beamtinnen und Beamten ausgezahlt wird.

Dass diese Botschaft mittlerweile bei den Beamtinnen und Beamten angekommen ist, wird daran deutlich, dass allein bis Mitte März 2008 über 140 Anträge auf Neufestsetzungen der Besoldung von Beamtinnen und Beamten gestellt wurden, nachdem es 2006 ganze elf Anträge dazu gegeben hat. Das ist doch eine deutliche Steigerung. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.

(Minister Rainer Wiegard)

Herr Minister, da genügt es nicht, die Entscheidung der Gerichte abzuwarten, deren Ausgang heute schon feststeht. Wie Sie wissen, haben Sie alle erstinstanzlichen Entscheidungen verloren, mit doch bemerkenswerten Begründungen. Ich sage, dass Sie auch die Verfahren am OVG verlieren werden. Was Sie im Moment wollen, ist Zeit zu schinden, Zeit auf Kosten der betroffenen Mitarbeiter der öffentlichen Hand.

(Beifall bei der FDP)

Das ist etwas, was ich in der Tat für unglaublich halte. Es bedarf nach unserer Auffassung einer aktiven Gestaltung der Landesregierung und des Parlaments, liebe Kolleginnen und Kollegen. Andere Landesregierungen und Parlamente - wie beispielsweise Niedersachsen - haben hier bereits Regelungen getroffen. Es handelt sich hier nicht um einen Bonus für kinderreiche Beamte - das muss ausdrücklich festgestellt werden -, sondern um einen Anspruch gegenüber dem Dienstherrn, den dieser zu erfüllen hat.

(Beifall bei der FDP)

Eine Lehre aus den letzten Kommunalwahlen sollte für CDU und SPD sein, dass der Wettbewerb der Marktschreierei um die beste Kinderbetreuung und Familienpolitik nichts bringt, wenn man auf seinem Marktstand keine entsprechende Ware anzubieten hat. Das Mindeste, das man aber vor dem Versprechen neuer Wohltaten machen sollte, ist, seine bestehenden Pflichten zu erfüllen. Nicht einmal das ist bisher geschehen. Aber wir erwarten hier schnellstmöglich Abhilfe.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Kubicki und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Peter Sönnichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Frage der Beamtenbesoldung hat für den betroffenen Personenkreis nicht zuletzt etwas mit Gerechtigkeit zu tun. Deshalb verbietet sich meines Erachtens eine parteipolitisch motivierte Behandlung des Themas. Dies gilt auch und gerade dann, wenn Fragen des Lastenausgleichs zugunsten kinderreicher Familien betroffen sind.

Kinderreichtum trifft man in unserer Gesellschaft leider viel zu selten an. So kommt es, dass heute bereits Familien ab drei Kindern als kinderreich gelten. Diese Familien leisten einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für unsere Gesellschaft.

Auf diese Tatsache verweist auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung. Daher hat es am 24. November 1998 ein Urteil verkündet, das eine Aufstockung der Alimentation von Beamten mit mehr als zwei Kindern um entsprechende familienbezogene Komponenten einfordert.

Der Staat ist im Gefolge dieses Urteils keineswegs untätig geblieben. Hier kann ich mir die Aufzählung der Daten, der D-Mark- und €-Beträge deshalb schenken, weil der Minister sie bereits genannt hat.

Unter Würdigung dieser Maßnahmen hat das Bundesverwaltungsgericht gleichwohl die Verwaltungsgerichte ermächtigt, Dienstherren eines Beamten mit mehr als zwei Kindern zu höheren Alimentationsleistungen zu verurteilen, wenn die gesetzlich festgelegte Besoldung nicht den Vorgaben des BVG-Urteils entspricht. Darum geht es und um nichts anderes.

Schleswig-Holstein hat hieraus eindeutige Konsequenzen gezogen. Auch das hat der Minister gesagt. Im Rahmen des Sonderzahlungsgesetzes hat das Land die Leistungen für seine Beamten mit Kindern deutlich verbessert. Die im Sonderzahlungsgesetz festgesetzten Zahlungen in Höhe von 400 € je zu berücksichtigendem Kind sind nicht Bestandteile der Alimentation. Allerdings sind sie im Rahmen des durch die Gerichte zugrunde gelegten Berechnungsschema Sonderzahlungen, die bei der Ermittlung von Anspruchsberechtigungen zu berücksichtigen sind. Diese Rechtsauffassung der Landesregierung wird durch die CDU-Landtagsfraktion geteilt.

Auch diesbezüglich wird es aber eine Klärung durch die Gerichte geben. Wir sollten die letztinstanzliche Beurteilung der rechtlichen Situation abwarten, bevor wir eine weitergehende Neuregelung schaffen. Diese Herangehensweise dient insofern den Interessen der betroffenen Beamtinnen und Beamten, als ihnen auf diese Weise Rechtssicherheit verschafft wird. Es geht nicht darum, unseren Beamtinnen und Beamten zu verweigern, was ihnen rechtmäßig zusteht. Das Land Schleswig-Holstein ist seiner Beamtenschaft und ihren Familien verpflichtet. Wir sollten an dieser Stelle keinen Vertrauensbruch zwischen unseren Beamten und dem Land Schleswig-Holstein herbeireden, Herr Kollege Kubicki.

(Wolfgang Kubicki)

Das Ziel der Sanierung des Landeshaushalts kann nicht allein dadurch erreicht werden, dass wir Opfer von unseren Landesbediensteten erwarten. Diese Opfer haben wir zwar erwartet, aber wir gehen die Haushaltskonsolidierung auch von anderen Seiten her an. Als nächstes Etappenziel haben die Koalitionsfraktionen einen bereits in der Aufstellung verfassungskonformen Doppelhaushalt für 2009 und 2010 verabredet. An dieser Vereinbarung werden wir uns messen lassen.

Wenn es einen Rechtsanspruch auf eine Verbesserung der Alimentation kinderreicher Beamter gibt, werden wir diesem Anspruch auch gerecht werden. Wir brauchen diesbezüglich jedoch zunächst Klarheit, die durch die Gerichtsbarkeit hoffentlich bald herbeigeführt wird. Bereits 1998 ist auf die entsprechenden Urteile reagiert worden. Wir werden auch auf die Urteile im Hinblick auf die sieben neuen Klagen reagieren. Sie, Herr Kollege Kubicki, haben gefordert, dass ernsthafte Probleme auch ernsthaft angegangen werden. Die Bereitschaft dazu ist selbstverständlich vorhanden. Allerdings brauchen wir zunächst eine vernünftige Entscheidungsgrundlage und nicht nur quartalsweise Wiedervorlagen vonseiten der FDP. - Auf die Ausschussberatungen freue ich mich.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die SPD-Fraktion erhält der Herr Abgeordnete Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion hat mit ihrem Antrag ein berechtigtes Anliegen vieler Beamtinnen und Beamter aufgegriffen. Wir vertreten allerdings die Auffassung, dass wir diesem berechtigten Anliegen mit der Kinderweihnachtsgeldzahlung in Höhe von 400 € bereits nachgekommen sind. Aber letzte Gewissheit werden wir natürlich erst nach den Verwaltungsgerichtsentscheidungen in Bezug auf diese Fragen haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die haben wir schon durch das Bundesverwaltungsgericht!)

Nein, das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 24. November 1998 festgestellt, dass die Alimentation kinderreicher Beamtenfamilien im Hinblick auf das dritte und jedes weitere Kind nicht mehr amtsangemessen ist. Soweit sind wir alle uns auch einig. Wir sind uns auch einig

darin, dass der Bundesgesetzgeber - darauf hat Minister Wiegard schon hingewiesen - mit verschiedenen Besoldungsänderungen bereits versucht hat, dem Anspruch des Bundesverfassungsgerichtsurteils Rechnung zu tragen. Allerdings hat Wolfgang Kubicki mit seinem Hinweis auf das Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 17. Juni 2004 ebenfalls recht. In diesem Urteil ist festgestellt worden, dass Bund und Länder ihrer Verpflichtung nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sind. Im gleichen Zuge sind die Landesverwaltungsgerichte ermächtigt worden, entsprechende Urteile zu fällen, soweit das jeweilige Bundesland seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist.

Mittlerweile gibt es verschiedene Landesverwaltungsgerichtsentscheidungen, aber - soweit ich weiß - nur eine Landesregelung, die diesem Anspruch gerecht wird. Nach meinem Kenntnisstand hat nur die Freie und Hansestadt Hamburg die Alimentation über den Familienzuschlag um 50 € für das dritte und jedes weitere Kind monatlich erhöht und damit zumindest die Gewerkschaften zufriedengestellt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: In Niedersachsen auch!)

Ob das auch für die Familien gilt, weiß ich nicht. Die Freie und Hansestadt hat somit einen eigenen Besoldungstatbestand geschaffen, bevor das angestrebte norddeutsche Besoldungsrecht in Kraft tritt.

Niedersachsen hat nach meinem Kenntnisstand nur eine Nachzahlungsregelung für die Jahre 2002 bis 2006 getroffen. Dies entspricht zwar dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, aber es gibt noch keine abschließende Regelung, die an der aktuellen Situation etwas ändert.

Es besteht gegenwärtig die absurde Situation, dass die seit 1998 bestehenden Ansprüche einzuklagen sind. Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes bieten bereits entsprechende standardisierte Unterstützung im Klageverfahren an; die Betroffenen müssen lediglich einen Vordruck ausfüllen. Diese Situation ist rechtlich so vorgegeben, aber - wie so viele Dinge im Beamtenrecht - doch sehr absurd. Dennoch sind die Ergebnisse aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die aus den daraus folgenden verschiedenen Urteilen der Verwaltungsgerichte abzuwarten. Das ist zum einen erforderlich, um bestehende Ansprüche zu ermitteln und dann natürlich auch zu befriedigen. Zum anderen ist es erforderlich, um einen Ausweg aus dem umständlichen Berechnungsmodus, den das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, zu finden. Denn

(Peter Sönnichsen)

es sollen ja die darin genannten 115 % des jeweiligen Sozialhilferegelsatzes ab dem dritten Kind zugrunde gelegt werden. Man kann aus den Verwaltungsgerichtsentscheidungen ersehen, dass dieser Betrag von Fall zu Fall variiert, da das Einkommen sowie die anrechenbaren Ausgaben für die Sozialhilfe von Ort zu Ort verschieden sind. Denn es sind verschiedene Dinge wie Miete und Energiekosten in die Berechnung einzubeziehen. Deswegen ist es sehr sinnvoll, die schleswig-holsteinische Rechtsprechung zu diesem Thema abzuwarten.

Unsere Regelung in Bezug auf die Sonderzahlung von 400 € bereits für das erste Kind betrifft zwar eine andere Baustelle, die mit dem Familienzuschlag zumindest rein rechtlich nichts zu tun hat und steht außerhalb der sogenannten Alimentation, kann aber trotzdem zur Erfüllung der Forderungen des Bundesverfassungsgerichts herangezogen werden. Das ist auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP deutlich geworden. Gleichwohl hat das Beamtenrecht natürlich seine Tücken und Widersprüchlichkeiten.

Es wäre jedoch sinnvoll, wenn die Alimentation kinderreicher Beamtenfamilien Gegenstand der Vereinbarung der norddeutschen Länder für ein neues, möglichst einheitliches Besoldungsrecht wäre. Wenn die Gerichtsentscheidungen noch in diesem Jahr fallen, kann das Ganze bereits für das nächste Jahr umgesetzt werden. Zurzeit können wir den Antrag nur in den Finanz- und in den Rechtsausschuss überweisen und müssen die Rechtsprechung abwarten.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Monika Heinold für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Finanzminister, vielen Dank für Ihren Beitrag. Er hat sehr deutlich gemacht, wo Sie noch Gestaltungsspielraum sehen. Sie haben sehr genau beschrieben, wie sich die Rechtsprechung im Hinblick auf Sonderzahlungsmaßnahmen des Landes noch ändern könnte.

Meine Fraktion ist dafür, die endgültige Klärung abzuwarten. Diesbezüglich schließe ich mich meinen Vorrednern an. Es wird sich dann zeigen, ob die 400 € Weihnachtsgeld angerechnet werden kön

nen. In der Summe hat das Land mit den 400 € pro Kind sehr viel mehr geleistet, als diese Sonderregelung bringen würde. Die Sonderregelung - so hat es der Beamtenbund ausgerechnet - wird das Land ungefähr 1,6 Millionen € kosten. Die Weihnachtsgeldregelung hat dazu geführt, dass die Kinder von zusätzlichen 11,8 Millionen € profitieren. Das ist ein beträchtlicher Unterschied.

Außerdem ist die Weihnachtsgeldregelung deutlich gerechter, als die Sonderregelung es wäre. Deshalb haben wir die Weihnachtsgeldregelung auch mitgetragen. Mit dieser wird zum ersten Mal das Prinzip des Beamtenrechts durchbrochen, dass Kinder von Besserverdienenden in stärkerem Maße profitieren. Alle Kinder profitieren von der Weihnachtsgeldregelung in gleichem Maße. Das finde ich ausgesprochen gut. Das ist ein Weg, den wir perspektivisch noch viel häufiger einschlagen sollten. Von dem, was Sie, Herr Kubicki, jetzt fordern möglicherweise gebietet es aber auch das Recht selbst; das muss man abwarten -, profitieren Kinder von Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 7 von zusätzlich ungefähr 260 bis 280 €, während Kinder von Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 13 von zusätzlich fast 400 € profitieren. Das ist eine Ungleichbehandlung, die wir nicht wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Dies macht deutlich, dass wir zu einem einheitlichen Dienstrecht kommen müssen. Die Bundesländer und der Bund sind diesbezüglich leider auf halbem Wege stecken geblieben. Wir waren bei diesem Thema schon einmal recht weit gekommen. Es gab Gutachten und entsprechende Anträge, die wir noch unter Rot-Grün formuliert haben. In Berlin scheint sich bei diesem Thema leider überhaupt nichts zu tun. Das ist bitter. Ich hätte von der Großen Koalition erwartet, dass wir das alte Beamtenrecht ein Stück weit aufbrechen und zu einem einheitlichen Dienstrecht kommen.

Wir sollten eine Kindergrundsicherung für alle anstreben. Denn das Prinzip von Kindergeld auf der einen Seite und Steuerfreibeträgen, von denen Besserverdienende mehr profitieren als Niedrigverdiener, sowie der Alimentation, die diese Ungleichbehandlung fortschreibt, auf der anderen Seite muss dringend durchbrochen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

(Thomas Rother)

Wir brauchen eine einheitliche Kindergrundsicherung. Dabei müssen alle diese Punkte berücksichtigt werden. Dann wäre das Problem gelöst.

Nichtsdestotrotz können wir nichts anderes tun, als die endgültige gerichtliche Entscheidung abzuwarten. Sollte sie so ausfallen, dass zusätzlich gezahlt werden muss, dann müssen diese eineinhalb oder mehr Millionen € in den Haushalt eingeplant und selbstverständlich gezahlt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold und erteile für den SSW Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk das Wort.