Protocol of the Session on May 28, 2008

(Beifall bei der SPD)

Ich habe immer mehr den Eindruck, Sie machen hier Politik aufgrund von Kleinen Anfragen und von irgendwelchen Konflikten, die Sie zu provozieren meinen. Sie machen Politik aufgrund von Meldungen von einzelnen Lehrern, Schulen oder Schicksalen. Ich finde, in dieses Parlament gehören Grundsatzdebatten.

(Beifall bei der SPD - Günter Neugebauer [SPD]: Sehr richtig!)

Das betrifft auch diesen Punkt. Ich habe das bei Ihnen vermisst. Ich lasse mich gern für noch nicht fertige Konzepte oder für eine Phase der Unsicherheit und der Umstellung kritisieren, die bei einer solchen Sache nicht zu vermeiden ist. Die Schulen haben drei Jahre Zeit. Jetzt stellt sich hier jemand hin und sagt, die Lehrer seien noch nicht abschließend dafür fortgebildet. Ich sage dazu: Ja, das ist ein Prozess, der seit einem Jahr läuft.

(Anke Spoorendonk)

Die Kreise sind in dieser Beziehung auch unterschiedlich weit. Ich habe zum Beispiel gerade den Kreis Lauenburg besucht. Das dortige Schulamt hat ein hervorragendes Konzept der regionalen Fortbildung entwickelt. Dort gibt es eine MultiplikatorenAusbildung und die Ausbildung von Grundschulund Förderlehrern mit regionalen Fachdaten. Darüber hinaus gibt es die Fortbildung durch das IQSH und vieles mehr. So etwas braucht aber Zeit. Wenn die Schulen jetzt sagen, sie könnten das noch nicht leisten, dann sage ich: Gut, lasst euch Zeit. Ihr habt drei Jahre Zeit.

Noch eine Bemerkung zum Sinn und zum Zweck der ganzen Geschichte: In welcher Bibel oder wo immer steht geschrieben, dass Kinder, die gerade einmal sechs Jahre oder fast sieben Jahre alt sind, dass Kinder, die heute mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule kommen, wobei einige Kinder schon lesen können, andere noch nicht einmal ihren Stift halten können, von Anfang an im Gleichschritt lernen sollen? Das ist pädagogisch nicht sinnvoll. Ich hoffe, dass sich diese Unterschiede im Zuge des Bildungsauftrags der Kindertagesstätten in einigen Jahren verbessern werden. Noch aber bestehen diese Unterschiede, davon kann jede Grundschullehrerin ein Lied singen.

Ich stelle einen Vergleich zu anderen bildungspolitischen Debatten her: Wir haben neulich über die Begabtenförderung geredet. Gerade diese Kinder, die mit so viel Vorwissen und mit so vielen Kenntnissen in die Grundschule kommen, dürfen sich nicht schon im ersten Schuljahr nach vier Wochen langweilen, weil das, was sie können, nicht berücksichtigt werden kann. Dort muss in Zukunft flexibel im Umgang mit Alter, Stufen und Kompetenzen unterrichtet werden.

Das ist der tiefere Sinn von § 41 des Schulgesetzes, in dem es wörtlich heißt:

„Die Jahrgangsstufen eins und zwei bilden als Eingangsphase eine pädagogische Einheit …“

Auch in der Grundschulverordnung nehmen wir darauf Bezug und sagen, dass das berücksichtigt werden soll, und zwar dem pädagogischen Konzept der einzelnen Schule entsprechend.

Von den Schulen, die sich schon auf den Weg gemacht haben - da gibt es einige, die mutig vorangegangen sind, nicht nur diejenigen, die das aufgrund ihrer Größe schon immer gemacht und übrigens gute Erfahrungen damit gemacht haben, die gar nicht anders konnten, als Klasse eins und zwei zusammen zu unterrichten, und entsprechend Konzepte

entwickelt haben -, lernen wir heute, aber auch von den Schulen, die es freiwillig, aufgrund guter Konzepte und einer Innovationskraft an den Schulen schon seit Jahren tun. Die dienen jetzt als Referenzschulen, werden besucht, halten Vorträge und so weiter.

Jahrgangsübergreifendes Lernen ist das Herzstück der Eingangsphase. Es ist nicht das einzige; neue Unterrichtsmethoden, Wochenplanarbeit, binnendifferenziertes Gruppenlernen, all das gehört dazu. Das ist deswegen das Herzstück, weil sonst das Verweilen von einem oder drei Jahren nichts anderes wäre als Sitzenbleiben oder Überspringen eines Jahrganges.

Deswegen enthält die Verordnung auch eine Sollbestimmung. Damit besteht eine grundsätzliche Verpflichtung, von der nur im Ausnahmefall abgewichen werden kann. Das heißt aber nicht, dass jetzt alle Schulen komplette jahrgangsübergreifende Gruppen und einen entsprechenden Unterricht machen müssen. Die Schulen haben vielmehr die Möglichkeit, eigene Konzepte zu entwickeln, die auch die unterschiedlichen Bedingungen der Schulen berücksichtigen.

Es ist den Schulen immer wieder gesagt worden: Lasst euch Zeit, wenn ihr noch nicht so weit seid, wenn ihr euch damit noch nicht beschäftigt habt, wenn Wochenplanarbeit bei euch noch nicht zum Handwerkszeug gehört, und bereitet das sehr gut vor. Dazu gibt es nicht nur die von mir erwähnten Fortbildungen, sondern es gibt einen Leitfaden. Ich bitte Sie, noch einmal da rein zu gucken. In dem Leitfaden werden Sie unterschiedliche Modelle finden, die eingesetzt werden können, von einem kompletten jahrgangsübergreifenden Unterricht bis hin zu Jahrgangsklassen mit jahrgangsübergreifenden Einzelstunden oder Unterrichtsprojekten. So weit reicht das Spektrum, und dieses Spektrum kann von den Schulen so ausgefüllt werden.

Das ist bei uns anders als in Berlin. Herr Dr. Klug, man muss schon einmal genauer hingucken, bevor man solche Behauptungen aufstellt. Wir haben auch hier von anderen Bundesländern gelernt, die das übereilt, komplett und verpflichtend für alle Klassen von heute auf morgen eingeführt haben. Das machen wir eben gerade nicht; wir lassen den Schulen drei Jahre Zeit. Dieser Prozess läuft, und ich bin sicher, dass der in drei Jahren so abgeschlossen ist, dass jede Schule ihr Konzept gefunden und umgesetzt haben wird.

(Beifall bei SPD und CDU)

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/2075 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Einschränkung der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte rückgängig machen

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/2077

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2090

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Frank Sauter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von den Arbeitnehmern wird heute viel erwartet. Die Begriffe Mobilität und Flexibilität sind in aller Munde. Wir erwarten, dass Menschen vieles in Kauf nehmen, um einer geregelten Arbeit nachzugehen. Arbeitsstätten finden sich oft nicht in unmittelbarer Nähe zum Wohnort. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen nicht selten weite Wege in Kauf nehmen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen.

- Ja, Sie sind allerdings kein Arbeitnehmer, Herr Abgeordneter. Das wollen wir auch gar nicht sein, Herr Kollege.

(Günter Neugebauer [SPD]: Vielleicht mal wieder! - Zurufe)

- Die Wahlergebnisse haben gezeigt, dass man als Abgeordneter persönlich sehr flexibel reagieren muss, Kollege Neugebauer.

(Vereinzelter Beifall - Zurufe)

Die Gesellschaft erwartet auch angesichts der demografischen Entwicklung von denen, die im arbeitsfähigen Alter sind, dass sie Initiative und Leistungsbereitschaft zeigen. Unser Gemeinwesen braucht diese Leistungsbereitschaft, weil der Staat nur so diejenigen Steuereinnahmen erzielen kann,

die notwendig sind, um ökonomische Infrastruktur und soziale Sicherheit aufrechterhalten zu können. Deshalb muss diesen Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern die besondere Aufmerksamkeit der Politik gelten.

Weite Wege zur Arbeit sind für eine große Zahl von Arbeitnehmern heute der Normalfall. Dies gilt nicht nur, aber vor allem auch im ländlichen Raum. Es ist Ausdruck unserer Vorstellung von Familie und Heimat, dass wir es den Menschen möglich machen wollen, nicht gleich aus ihrer heimatlichen Umgebung wegziehen zu müssen, wenn sie andernorts eine Arbeit finden. Wir fordern Mobilität bezogen auf den Arbeitsplatz. Zugleich müssen wir Menschen die Möglichkeit geben, an ihrem Wohnort Wurzeln zu schlagen.

Neben denen, die eine längere Strecke zur Arbeit fahren, gibt es aber in großer Zahl auch diejenigen, die weniger als 20 km zur Arbeit fahren. Das sind laut aktueller Statistik fast 80 % der arbeitenden Bevölkerung. Diese große Personengruppe wird durch die aktuell geltende gesetzliche Regelung zur Entfernungspauschale überhaupt nicht erfasst.

Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, wenn wir sehenden Auges in eine Diskussion hineinlaufen, in der sich diejenigen, die arbeiten und Steuern zahlen, benachteiligt fühlen, weil sich die Politik um ihre Belange nicht mehr ausreichend zu kümmern scheint. Darüber hinaus ist es ein wichtiges Signal, in Zeiten ständig steigender Energiepreise vonseiten des Gesetzgebers für die sogenannten Normalpendler Entlastungen zu schaffen.

Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema steht noch aus. Rechtsexperten gelangen zu unterschiedlichen Einschätzungen, wie das anhängige Verfahren ausgehen könnte. Meine Auffassung ist, dass sich das Bundesverfassungsgericht an dem alten Rechtsprinzip orientieren wird, nach dem nur das zu besteuern ist, was nach Abzug von Werbungskosten tatsächlich verdient wird. Das nennt man Nettoprinzip. Mit diesem Prinzip lassen sich Besteuerungsgrundsätze wie Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit am ehesten verwirklichen. Nach diesem Nettoprinzip sollten auch wir als Parlament unsere Entscheidung treffen.

Die Politik darf nicht den Eindruck erwecken, sie nehme verfassungsrechtliche Bedenken gegen Gesetze in Kauf und schiebe politische Entscheidungen in die Zuständigkeit von Gerichten. Gerichte, auch Verfassungsgerichte, sind keine Ersatzparlamente oder Ersatzgesetzgeber. Die Parlamente dürfen Entscheidungen nicht ohne Not aus der Hand

geben, sondern müssen das Heft des Handelns in der Hand behalten. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt und werden ihn hier heute zur Abstimmung stellen. Ich bitte Sie, dem Antrag der Regierungsfraktionen von CDU und SPD zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die den Änderungsantrag eingebracht hat, erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich noch an die Beschlüssen der Großen Koalition in Berlin? Die Mehrwertsteuer wurde um 3 % auf 19 % erhöht, die Eigenheimzulage wurde abgeschafft, die Pendlerpauschale deutlich gekürzt, die Versicherungsteuer erhöht und anderes. Die Menschen im Lande wurden erheblich belastet, die reale Kaufkraft vermindert. Der größte Fehler war allerdings, dass die Lohnnebenkosten nicht in gleicher Höhe sanken, wie die Mehrwertsteuer erhöht wurde. Damit ist tatsächlich eine große Möglichkeit der Entlastung der Bürger und Bürgerinnen verschenkt worden. Die SPD scheint das erkannt zu haben und baut jetzt in ihr neues Steuerkonzept diese notwendige Senkung ein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Meine Damen und Herren, kein Wunder also, dass die Große Koalition nun die Unzufriedenheit der Bürger und Bürgerinnen zu spüren bekommt, welche zunehmend Probleme haben, mit ihrem Nettoeinkommen die hohen täglichen Ausgaben zu finanzieren. So ist jetzt auch plötzlich ein kaum noch zu überbietender Wettbewerb um das größte Steuersenkungsversprechen ausgebrochen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, nein!)

Dass es eher um neue Wahlversprechen als um reale Politik geht, zeigt der Antrag der Großen Koalition zur Pendlerpauschale, der heute auf dem Tisch liegt. Zehn Tage vor der Kommunalwahl wollten CDU und SPD schnell noch einmal mit einem Steuergeschenk punkten. Das Wahlergebnis von Sonntag zeigt aber, dass sich die Bürgerinnen und Bürger von solchen virtuellen Geschenken nicht mehr beeindrucken lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Frank Sauter [CDU]: Das ist die falsche In- terpretation!)

Inzwischen haben auch sowohl Herr Steinbrück als auch Frau Merkel sehr deutlich gemacht, dass es zu sofortigen Entlastungen, also zu einem Steuerminus im Haushalt, nicht kommen wird.

Der Antrag von CDU und SPD ist auch deshalb unseriös - und wir haben einen Änderungsantrag gestellt, um ihn zu ergänzen -, weil er die entscheidende Frage ausspart. Die Frage ist doch: Soll es zu einem Steuerminus in Höhe von 2,5 Milliarden € kommen oder soll die Pendlerpauschale pro Kilometer, der abgesetzt werden kann, in der Höhe abgesenkt werden? Soll es eine Aufkommensneutralität für die Haushalte geben, ja oder nein? Dieser Änderungsantrag von uns liegt vor. Wir sagen ganz klar: Kein Steuerminus! Für Schleswig-Holstein wären das 30 bis 40 Millionen €. Das können wir uns schlicht nicht leisten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bitte die Große Koalition in aller Freundlichkeit, unserem Antrag zuzustimmen. Ich sage Ihnen eins: Wenn Sie unserem Antrag nicht zustimmen, werden Sie uns an dieser Stelle nie wieder den Vorwurf machen dürfen, wir hätten Anträge nicht finanziert. Es geht hier eben mal um 40 Millionen €, die Ihr Antrag das Land kostet, wenn Sie ihn nicht um unseren Satz ergänzen.