Protocol of the Session on April 25, 2008

Ich danke Frau Abgeordneter Angelika Birk. - Für den SSW im Landtag hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heutzutage ist es nicht mehr so, dass man an der Grabstätte eines Menschen dessen Vermögensverhältnisse ablesen könnte. Das ist auch gut so. Immer mehr Bundesbürger, unter ihnen nicht wenige vermögende Bürger, entscheiden sich für ein anonymes Urnenbegräbnis, das soziale Unterschiede einebnet. Doch der Weg dahin, nämlich die Bestattungsfeier, markiert auch heutzutage noch die soziale Herkunft. Blumenschmuck, ein schöner Sarg und eine Beerdingsfeier können im Handum

drehen Kosten im fünfstelligen Bereich entstehen lassen. Das können sich nur die wenigsten leisten.

Ein würdevoller Abschied ist allerdings ein Herzenswunsch vieler älterer Menschen, dessen Erfüllung sie durch Pflegebedürftigkeit und die damit verbundenen Kosten bedroht sehen. Das Problem des Schonvermögens, zu dem die Beerdigungskosten nicht zählen, haben wir bereits angesprochen. Der SSW möchte sich bei der Landesregierung ausdrücklich dafür bedanken, dass sie bei der gesetzlichen Absicherung des Schonvermögens auf Bundesebene hartnäckig bleibt. Eine bundesgesetzliche Regelung würde endlich Schluss machen mit der derzeitigen Willkürpraxis. Das schafft Rechtsicherheit und entspricht dem Wunsch vieler älterer Menschen.

Wer seine Rücklagen durch Pflegekosten langsam dahinschmelzen sieht, möchte zumindest Kinder und andere Angehörige nicht noch mit den Beerdigungskosten belasten. 3.000 € Schonvermögen zur Sicherung einer einfachen Bestattung wären wünschenswert. Entsprechende Klauseln sollte auch die Sterbeversicherung abdecken. Der SSW hofft, dass im Jahr 2008 - nach drei Jahren - in Berlin endlich eine einvernehmliche Regelung zustande kommt, um die Beerdigungskosten als Schonvermögen anzuerkennen.

Die Landesregierung hat mit ihrem Bericht die Situation der Sozialbestattung dargelegt. Ich möchte sagen, sie hat sie geradegerückt. Die Situation ist nicht so dramatisch, wie wenige Einzelfälle es glauben machen. Die Wege sind kurz. Wie ich in Husum erfahren habe, sind die Verfahren unbürokratisch, und die Bestattungen sind angemessen. Wir sollten alles daran setzen, dass zwischen Sterbetag und Beerdigungstag keine unnötige Wartezeit vergeht, weil sich die Kostenträger nicht einigen können. Die Sozialämter verfügen offensichtlich landesweit über eine Routine, die sie im Sinne der Verstorbenen und deren Angehörigen zügig anwenden. Eine Standardisierung der Verfahren im Sinne einer Beschleunigung und Vereinfachung ist natürlich anzustreben. Erste Abstimmungsprozesse wurden bereits angeschoben. Hier dürfen wir als Parlamentarier gern mithelfen.

Das ist sehr zu begrüßen, weil man auch bei den Sozialbestattungen nicht immer das Rad neu erfinden muss. Bestatter, Friedhofsverwaltungen und Steinmetze haben in den letzten Jahren zwar kein Netzwerk, aber doch eine ständige Zusammenarbeit entwickelt. In diese Zusammenarbeit sind auch die Sozialämter einbezogen. Es ist aber darüber hinaus zu überlegen, wie die Information der Bürgerinnen

(Angelika Birk)

und Bürger vonstatten gehen sollte, denn das Hauptproblem bei den Sozialbestattungen besteht darin, dass zu viele Gerüchte kursieren. Wir als Politiker sind gehalten, bestehende Ängste abzubauen. Ich denke, dass der Bericht dafür ausgesprochen geeignet ist.

(Beifall bei SSW und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/1842 (neu), zur abschließenden Beratung an den Sozialausschuss überweisen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist so geschehen.

Es gibt wieder eine gute Nachricht. Die Geschäftsführer haben sich darauf geeinigt, Tagesordnungspunkt 63, Organspenden, auf die Mai-Tagung zu vertagen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Föderalismuskommission II darf nicht scheitern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1972

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/2029

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Frau Heinold bat mich darum, die Rednerfolge zu ändern. Deshalb bitte ich den Herrn Landtagspräsident Martin Kayenburg um den Bericht.

Martin Kayenburg, Landtagspräsident:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn wir die Begründung des Kollegen Hentschel noch nicht gehört haben, will ich feststellen, dass der Antrag gerade zur rechten Zeit kommt. Ich begrüße es sehr, dass die Grünen den Antrag zur Föderalismusreform gestellt haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nach dem gestrigen Tag müssen wir feststellen, dass die Reform in einer kritischen Phase ist, denn die Arbeitsgruppe Haushaltsanalyse der Länder Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein hat festgestellt, dass wir - den entsprechenden politischen

Willen vorausgesetzt - eigentlich in der Lage wären, unsere Haushaltsprobleme bis zum Jahr 2019 aus eigener Kraft und selbstständig zu lösen. Vor allem sei zu erwähnen, dass das Land SchleswigHolstein besser aufgestellt sei als die anderen Bundesländer. Das wurde durch Vertreter des Bunds und durch die Vertreter aus Bayern und Berlin festgestellt. Die Vertreter aus Rheinland-Pfalz haben im Grunde eine gleiche Position eingenommen, diese aber etwas anders begründet.

Diese Einschätzung haben wir natürlich nicht akzeptiert. Im Gegenteil, der Ministerpräsident hat dem sehr widersprochen. Wir haben noch einmal begründet, warum wir zurzeit nicht in der Lage sind, bis zum Jahr 2019 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, jedenfalls nicht aus eigener Kraft. Die Modelle, die die Prüfgruppe zugrunde gelegt hat, sind mathematisch sauber. Das kann man nicht anders sagen. Den Modellen liegen aber falsche Voraussetzungen zugrunde. Sie haben vor allem nicht berücksichtigt, wie die Struktur unserer Situation im Haushalt insgesamt ist.

Herr Steinbrück war der Meinung, dass wir falsch argumentieren, da wir unsere Position nur mit dem Gesamtdurchschnitt der westdeutschen Bundesländer vergleichen. Wir dürften uns aber zum Beispiel nur mit Rheinland-Pfalz und Niedersachsen vergleichen. Das seien unsere Referenzländer. Ich muss sagen, dabei übersieht Herr Steinbrück vollständig, dass wir eine völlig andere Ausgabenstruktur haben und dass die Struktur maßgeblich dafür sein wird, ob man einen ausgeglichenen Haushalt erreichen kann oder nicht. Insofern ist so eine Benchmark zwar hilfreich, sie kann aber nicht in absoluten Zahlen einem Vergleich zugrunde gelegt werden. Dies gilt vor allem dann nicht, wenn man eine völlig andere Einnahme- und Ausgabestrukturen hat.

Die gegensätzlichen Auffassungen sind in der Kommission aufeinandergeprallt. Ich denke, wir sind uns auch vor dem Hintergrund des Antrages von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN grundsätzlich darin einig, dass der Landtag die Föderalismuskommission darin unterstützen soll, engagiert am Erfolg der Reform weiterzuarbeiten. Ich will aber betonen, dass dies nicht um den Preis der Aufgabe eigener Rechte geschehen darf.

(Beifall beim SSW)

Im Gegenteil. Wenn wir mitwirken, dann wollen wir wissen, dass unsere Rechte erhalten bleiben. Wir sind uns mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch darin einig, dass die Föderalismuskommission

(Lars Harms)

- wenn sie überhaupt erfolgreich sein will - nicht nur die Frage der Begrenzung der Neuverschuldung wirksam lösen muss. Vielmehr muss es auch Regelungen für die Schulden geben. Diese Regelungen müssen von zwei weiteren Maßnahmen begleitet werden. Wir brauchen eine sachgerechte Lösung der Altschuldenproblematik.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen eine zukunftsfähige Finanzausstattung der Länder.

Wenn wir das haben, können wir in der Tat auch unseren Haushalt wieder auf eine sachgerechte Basis stellen und unser Land wieder zukunftsfähig machen. Wenn sich allerdings der Kollege Steinbrück von der SPD und die Kollegin Antje Tillmann von der CDU strikt gegen einen Altschuldenfonds wehren und eine Unterstützung durch den Bund auf keinen Fall akzeptieren wollen, kann man bei einer solchen apodiktischen Ablehnung unserer Vorstellungen nur sagen, dass wir auf diese Weise mit Sicherheit keine Schuldenregelung hinbekommen können. Wir würden dann nämlich einen Teil unseres Königsrechts, nämlich das Budgetrecht, einschränken lassen, ohne dass wir eine Chance hätten, später wieder teilzunehmen. Dies darf nach meiner Auffassung nicht geschehen.

(Beifall im ganzen Haus)

Nun zum Thema Bundessteuerverwaltung. Dies ist ein Punkt, über den man immerhin hätte reden können. Herr Steinbrück hat diesen Punkt gestern gewissermaßen wieder eingesammelt. Er ist nun der Meinung, dass man auch ohne eine Bundessteuerverwaltung auskommen könne, wie Sie heute im Übrigen auch der Presse entnehmen können. Allerdings hat er nun ein Papier „Effiziente Steuerverwaltung - Effektiver und gleichmäßiger Steuervollzug“ vorgelegt. Wenn man sich das einmal ganz genau anschaut, ergibt sich, dass es dabei um die Einführung der Bundessteuerverwaltung durch die Hintertür geht. Er will mit entsprechenden Weisungsrechten - er vergleicht dies mit der Straßenbauverwaltung - auf die Steuerverwaltungen einwirken und diese von Berlin aus steuern. Auch bei diesem Weg durch die Hintertür wird er unsere Zustimmung nicht bekommen. Ich bin sicher, dass wir dann, wenn es keine sachgerechte Lösung für die Altschuldenproblematik, und zwar mit einer Schuldenhilfe oder mit einer Zinshilfe, die uns aus dem Dilemma herausführt, und mit einer fairen Ausgangsbasis für alle betroffenen Länder gibt, in verschiedenen Parlamenten die erforderlichen verfas

sungsändernden Mehrheiten nicht zustande bekommen werden.

Abschließend will ich kurz darauf hinweisen, dass Herr Koch, der Ministerpräsident des Landes Hessen, gestern ein Modell vorgelegt hat, das dem unseren relativ nahekommt. Ich glaube, dies ist eine Linie, über die man noch einmal nachdenken muss. Sie bedeutet gewissermaßen einen Kompromiss zwischen den beiden unterschiedlichen Richtungen. Wenn wir uns damit auseinandergesetzt haben, sollten wir hier in einer etwas längeren Debatte noch einmal über die Föderalismusreform reden.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke dem Herrn Landtagspräsidenten. - Da der Antragsteller wieder anwesend ist, erteile ich jetzt dem Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Entschuldigung, dass ich eben nicht anwesend war. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der vorhergehende Tagesordnungspunkt so schnell abgehandelt wird.

Es ist selten, dass die Opposition einen Antrag stellt, der in zwei wesentlichen Punkten die Politik des Finanzministers unterstützt. Wir tun das, weil dieses Land in einer finanziellen Lage ist, die es aus eigener Kraft nicht bewältigen kann. Ich bin froh, dass die CDU an der Regierung beteiligt ist - das muss ich wirklich sagen -, weil dies dazu geführt hat, dass jetzt auch die CDU die von uns schon vor langer Zeit gewonnene Erkenntnis mitträgt. Mir war bereits in meiner ersten Legislaturperiode hier im Landtag im Jahre 2000 klar, was los ist. Wir haben damals bereits angefangen, über einschlägige Fragen zu reden. Ich freue mich, dass die CDU die Dinge jetzt ebenso sieht wie wir. Ich glaube, das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir einheitlich handeln können. Nur bei einheitlichem Handeln werden wir die Dinge durchstehen können.

Das Land zahlt seit vielen Jahren mehr Geld für Zinsen als für Lehrer. Das strukturelle Defizit beträgt weit über 600 Millionen €. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hätten uns natürlich noch jahrzehntelang vorhalten können, welche Regierung die

(Landtagspräsident Martin Kayenburg)

meiste Schuld an der Malaise hat. Wenn man sich anschaut, wann die großen Ausweitungen von Stellen stattgefunden haben, wann zahlreiche neue Stellen geschaffen worden sind, ergibt sich, dass dies lange zurückliegt. Seit 1996 haben wir ständig Stellen abgebaut, und zwar jedes Jahr. Eine Explosion von Stellen fand unter Ministerpräsidenten statt, die Stoltenberg und Engholm hießen. Das ist lange her. Darüber brauchen wir nicht mehr zu reden. Das würde uns überhaupt nichts nutzen. Ich glaube, Schuldzuweisungen führen uns nicht weiter. Wir müssen nach vorn blicken.

Mit der Föderalismuskommission II ergibt sich die einmalige Chance, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen. Dieses Vorhaben muss gelingen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Nach meiner Einschätzung wird es vor 2020 keine weitere Chance dieser Art geben. Wenn wir jetzt nicht zu einer Regelung kommen, würde das bedeuten, dass Schleswig-Holstein für ein weiteres Jahrzehnt handlungsunfähig wäre. Deswegen unterstützen wir den Vorschlag des Finanzministers zum Altschuldenfonds. Wir haben diesen aber nicht in unseren Antrag aufgenommen, weil wir auch für andere Regelungen offen sind, wenn sie zum gleichen Ergebnis führen. Es kommt nicht auf das Modell an, sondern darauf, dass wir zu einer Lösung kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir wollen eine Schuldenbremse bei der strukturellen Neuverschuldung. Darüber besteht, wie ich glaube, Konsens bei allen. Wir unterstützen auch die Haltung des Ministerpräsidenten, die er gestern dargelegt hat, keine Lösung zu akzeptieren, die eine Entschuldung von Schleswig-Holstein nicht möglich macht. Ich unterstütze auch die Haltung der Vertreter der Landtage. Herr Kayenburg ist eben ja darauf eingegangen. Das Haushaltsrecht ist das ureigenste Recht der Landesparlamente. Eine Schuldenbremse kann nur von den Landesparlamenten beschlossen werden. Die Landesparlamente müssen das Recht haben, über die Höhe der Steuern bestimmen zu können und Einnahmen zu behalten. Wir haben vorgestern gerade über die Grunderwerbsteuer geredet. Wenn wir die Möglichkeit haben, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen, die Mehreinnahmen dann aber im Rahmen des Landesfinanzausgleiches angerechnet werden, so ist das eine absurde Veranstaltung. Das würde bedeuten,

dass wir unseren Steuerzahlern mehr Geld wegnehmen, wobei die Bayern im Ergebnis dann mehr profitieren als wir selber. Diese Art von Föderalismus ist eine unsinnige Veranstaltung. Hier muss dringend etwas geändert werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)