Beispielsweise gibt es seit 2004 im bedauernswerterweise rot-rot-regierten Berlin ein Konzept zur Förderung hochbegabter Schülerinnen und Schüler. Bayern hat seit 1983 ein Begabtenförderungsgesetz. Mittlerweile gibt es dort Hochbegabtenklassen. Das Land Hessen ist seit 2002 sehr aktiv. In Rheinland-Pfalz gibt es in Kaiserslautern eine Schule für Hochbegabte.
In Thüringen gibt es nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung Spezialgymnasien bis hin zum Internat oder zumindest Gymnasien mit Spezialklassen. Baden-Württemberg hat seit 1984 ein Programm zur Förderung besonders befähigter Schülerinnen und Schüler. In Niedersachsen wurde in den Jahren 2002 bis 2007 die schulische Begabtenförderung stufenweise an bestimmten Standorten intensiviert und ein flächendeckendes Schulangebot für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Begabungen aufgebaut. Gleichwohl sagen Fachleute insgesamt für Deutschland, dass die Hochbegabtenförderung noch in den Kinderschuhen steckt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es zeigt nur für Schleswig-Holstein, dass wir es uns nicht leisten können, an dieser Stelle so weit zurückzubleiben. Deshalb hält meine Fraktion es für erforderlich, gerade bei der Hochbegabtenerkennung und -förderung deutlich mehr zu tun als bisher.
Denn die Schicksale der hochbegabten Kinder sind schwierig und zum Teil beklagenswert. So berichtet der NDR im vergangenen Jahr über den zehnjährigen Marvin aus dem Kreis Schleswig-Flensburg, der mittlerweile ein Internat in Thüringen besucht.
Gute Bildungspolitik wird in Zeiten des Wettbewerbs um die besten Köpfe zum Standortfaktor. Wir müssen jedes Kind seiner Begabung entsprechend fördern. Das bedeutet nicht nur, kein Kind zurückzulassen. Das bedeutet auch, kein Kind aufzuhalten. Denn wenn wir dieses durch die Unterlassung optimaler Fördermöglichkeiten tun, dann verlassen uns die besonders begabten Schülerinnen und Schüler. Ich halte diese Verhaltensweise gegenüber den Kindern, die dann häufig in sozial und persönlich besonders schwierigen Situationen lan
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hochbegabung bedeutet nicht automatisch Hochleistung. Denn der Begriff der Hochbegabung beschreibt lediglich eine im Vergleich zu den Fähigkeiten normal begabter Menschen außergewöhnlich logische Denkfähigkeit und Denkgeschwindigkeit. Ob sich aus der jeweiligen Hochbegabung auch eine Hochleistung entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. Entscheidend ist, dass die Hochbegabung früh erkannt wird und dann die Kinder optimal gefördert und auch gefordert werden.
Das frühe Erkennen der Hochbegabung scheint dabei am wichtigsten zu sein. Fachleute schätzen, dass 80 % der Hochbegabten überhaupt nicht erkannt werden. An dieser Stelle gilt es mit einem immer noch weit verbreiteten Vorurteil aufzuräumen. Es lautet: Wer eine außergewöhnliche Begabung hat und nicht ausreichend gefördert wird, der schafft eben nur eine durchschnittliche und keine außergewöhnliche Leistung. Aber ein Ausdruck der Hochbegabung kann sein, dass die Kinder sich dem normalen Anspruchsniveau völlig verweigern. Dann kommt es zum Schulversagen und nicht selten zu Schlimmerem.
Hochbegabte Kinder gibt es bei Weitem nicht nur in sogenannten bildungsnahen Familien. In letzteren wird die Hochbegabung sicherlich häufiger erkannt und gefördert als in ersteren. Wo das öffentliche Bildungswesen kein adäquates Angebot vorhält, übernehmen Familien und private Initiativen mit hohem persönlichen Engagement die Förderung der Kinder. Ich begrüße an dieser Stelle auf der Tribüne ganz herzlich Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind und freue mich, dass Sie dieser Debatte beiwohnen.
Aber es gibt auch in den sogenannten bildungsfernen Familien hochbegabte Kinder, die nicht erkannt werden, und Verhaltensweisen, die durchaus auf Hochbegabung schließen lassen. Sie werden dann von Eltern und Lehrern als Zeichen einer schweren Erziehbarkeit gedeutet.
Häufig sind es also gerade diese Kinder, für welche die hohe Begabung zu einer hohen Belastung wird. Deshalb ist es zwingend erforderlich, die Situation näher zu beleuchten und zu Schlussfolgerungen zu
kommen. Ich möchte an dieser Stelle auf das Gutachten von Professor Ziegler zu sprechen kommen, weil er ein anerkannter Experte im Bundesgebiet zu diesem Thema ist. Er schreibt: Ob eine Hochbegabung in Schleswig-Holstein erkannt wird, ist Zufall. Es werden keinerlei Anstrengungen unternommen, zur Identifikation Hochbegabter zu kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass es für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ein geregeltes Anerkennungsverfahren und gesonderte Fördermaßnahmen gibt, ein vergleichbares System jedoch den hochbegabten Kindern vorenthalten wird. Das ist nicht akzeptabel und muss geändert werden.
Da bieten aus meiner Sicht leider die Möglichkeiten unseres Schulgesetzes mit der flexiblen Eingangsphase und im Überspringen von Klassen keine ausreichenden Fördermöglichkeiten. Für hochbegabte Kinder ist das eher ein Mittel, die Langeweile zu verkürzen und das Abgleiten in Frustration zu verhindern. Die zusätzlichen schulischen und außerschulischen Angebote sind sicherlich ein erster Schritt auf einem langen Weg. Sie machen jedoch auch ein Problem besonders deutlich, das von Hochbegabtenvereinen vor allem beklagt wird: Entscheidend für die Möglichkeit der Teilnahme ist die Hochleistung in der Schule. Damit werden genau diejenigen nicht erfasst, die - obwohl sie hochbegabt sind - keinen Erfolg an der Schule haben. Professor Ziegler schreibt dazu: Es gibt zwar Fördermaßnahmen, die von Hochbegabten wie von allen anderen Schülern auch in Anspruch genommen werden können, es gibt jedoch keine einzige aktive Fördermaßnahme, die sich gezielt an Hochbegabte wendet.
Wir Politiker und Politikerinnen beklagen häufig, dass die Menschen überhaupt nicht wahrnehmen, was wir tun. Ich war deshalb sehr überrascht, wie viele Zuschriften meine Fraktion nach Veröffentlichungen in der Presse und nach unseren Initiativen erreicht haben. Persönlich betroffene Eltern schildern uns, wie sie versuchen, einem hochbegabten
Kind ein weitgehend normales Heranwachsen zu ermöglichen. Diese meist sehr persönlichen Briefe haben mich bewegt und teilweise überrascht.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Nach der Lektüre geht mir eine Frage nicht mehr aus dem Kopf: Ist es wirklich ein Problem in unserer Gesellschaft und damit auch für unsere Gesellschaft, dass ein Kind hochbegabt ist? Bei der Lektüre ist mir klar geworden: Die Eltern und auch die Kinder wünschen sich nichts mehr als ein normales Heranwachsen ohne den berühmten Stempel auf der Stirn. Wir müssen an dieser Stelle zu neuen Lösungen und zu einer neuen Politik kommen. Dafür wird sich die CDU-Landtagsfraktion in den weiteren Beratungen sehr tatkräftig einsetzen und setzt darauf, dass wir die Bildungsministerin und die SPD-Fraktion entsprechend überzeugen können.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes hat ein ähnliches Schicksal hinter sich, wie Herr Dr. Wadephul es beschrieben hat. Er hat allerdings dann sein Berufsleben als Universitätsprofessor beendet. Er beklagte immer wieder die fehlende individuelle integrative Förderung in der Schule. Genau die entspricht dem Grundprinzip, wie wir es im Schulgesetz festgeschrieben haben.
Die individuelle Förderung aller Kinder und Jugendlichen umfasst die schwächeren Schülerinnen und Schüler ebenso wie die besonders starken. Die Schulen müssen jedes Kind und jeden Jugendlichen
mitnehmen. Sie sollen niemanden abbremsen, der schneller lernt als andere. Das ist eine große pädagogische Aufgabe, zu der die Lehrerinnen und Lehrer in der Ausbildung und in der Fortbildung fit gemacht werden müssen.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass hochbegabte Kinder und Jugendliche ihren Weg schon von selbst machen werden und keiner besonderen Förderung bedürfen. Meine Fraktion führt seit rund zwei Jahren eine landesweite Vortragsreihe mit dem Hamburger Pädagogikprofessor Peter Struck durch, der uns immer wieder darauf hinweist, dass gerade hochbegabte Kinder zu den Risikogruppen für das Scheitern in der Schule gehören. Die Vorträge dieses Pädagogikprofessors würden sicherlich auch den Erkenntnisgewinn von Herrn Dr. Klug fördern. Er begründet diesen scheinbaren Widerspruch mit den unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten besonders begabter und weniger begabter Kinder und Jugendlicher.
Wer eine Information des Lehrers nicht einfach nur zur Kenntnis nimmt, sondern darüber reflektiert und sie hinterfragt, läuft Gefahr, die im Anschluss daran folgenden Informationen zu verpassen. Dadurch erweckt der betreffende Schüler beziehungsweise die betreffende Schülerin den Eindruck, sich nicht ausreichend zu konzentrieren, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist.
Ich beziehe mich wiederum auf Professor Struck, der immer wieder darauf hinweist, dass Jugendliche von Altersgleichen mehr lernen als vom Lehrer und dass die effektivste Form des Lernens darin besteht, selbst zu lehren. Das ist für uns einer der maßgeblichen Gründe, weshalb wir der Integration auch bei Kindern und Jugendlichen mit besonderen Begabungen den Vorrang einräumen
(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Auch dies ist eine Überlegung, die der Oppositionsführer vielleicht einmal kognitiv bewältigen sollte. Denn die öffentliche Diskussion hat sich - zumindest früher - immer wieder auf die Frage fokussiert, ob für Kinder und Jugendliche mit besonderer Begabung eigene Klassen oder Schulen eingerichtet werden sollten. Wir sind als SPD auch bei diesen Kindern und Jugendlichen dafür, zu integrieren statt zu segregieren. Wenn wir uns von dem überlebten Konzept der leistungshomogenen Schulklasse verabschieden, schaffen wir auch ganz neue Möglichkeiten für besonders begabte Schülerinnen und Schüler, die sich in den Unterricht einbringen und
in der Gruppendynamik des Unterrichts das gemeinsame Lernen sowohl für sich selbst als auch für ihre Mitschüler intensivieren können.
Das Bildungsministerium hat bereits 2004 in einer sehr umfangreichen Broschüre die zahlreichen institutionellen Wege und Projekte zusammengestellt und aufbereitet, die es in unserem Land zur Förderung von Kindern mit besonderen Begabungen gibt. In dieser Publikation wurden zugleich die diagnostischen Schwierigkeiten bei der Begabungsfeststellung aufgezeigt. Das haben wir heute wiederum gehört.
Die Große Anfrage, die unsere Kolleginnen und Kollegen von der CDU gestellt haben, hat dem Bildungsministerium Gelegenheit gegeben, die damalige Veröffentlichung zu aktualisieren. Wie die Landesregierung in ihrer Antwort ausführt, versteht nicht jeder dasselbe unter dem Begriff Hochbegabung. Wenn die beiden künstlerischen Hochschulen in unserem Land Hochbegabte fördern, ist die Rede von künstlerisch oder musikalisch besonders begabten Menschen, die in der allgemeinbildenden Schule möglicherweise in Sprachen oder in Mathematik und anderen Naturwissenschaften eher weniger beeindruckende Leistungen erbracht haben können.
Dasselbe gilt für die Exzellenzprogramme wie den Klassiker „Jugend forscht“, der sich an die Leistungsträger im naturwissenschaftlichen Bereich richtet, aber die sprachlich oder geisteswissenschaftlich besonders Talentierten nicht erreicht. Umso wichtiger ist es, dass sich die Hochschulen dieser Jugendlichen angenommen haben und Workshops und Akademien anbieten.
Die Orientierung an einem bestimmten IQ-Wert schließt auch nicht aus, dass besonders hervorragende Leistungen in dem einen Bereich mit Schwächen im anderen Bereich einhergehen. Dass kognitive Intelligenz nicht immer mit sozialer Intelligenz einhergeht, ist ohnehin selbstverständlich.
Die Landesregierung weist aus, dass sich die diagnostischen Methoden und die Vorbereitung der Lehrkräfte auf den Umgang mit Kindern mit besonderer Begabung in den letzten Jahren entscheidend verbessert haben.
Wir haben uns leider oft mit der Problematik von Familien auseinanderzusetzen, die sich zu wenig oder überhaupt nicht um den Bildungserfolg ihrer Kinder kümmern. Den Gegenpol bilden Eltern, die in ihre Kinder Erwartungen setzen, denen diese nicht gerecht werden können. Manchmal wird sowohl auf die Kinder als auch auf die Lehrkräfte ein
Der Bericht der Landesregierung weist auch auf die Möglichkeit hin, dass besonders begabte Schüler Klassen überspringen können. Das findet in den Grundschulen noch relativ häufig statt, in den weiterführenden Schulen in erster Linie an den Gymnasien, in dritter Linie an der Hauptschule, wobei man sich, wenn das Überspringen ein verlässliches Indiz für eine Hochbegabung wäre, fragen müsste, was ein solcher Schüler überhaupt an der Hauptschule macht.
Man darf auch nicht aus den Augen verlieren, dass sich die intellektuelle Entwicklung jedes Menschen in seinem eigenen Rhythmus vollzieht. Nicht jeder Schüler bleibt über seine gesamte Bildungskarriere hinweg immer in der Spitzengruppe, ebenso wenig wie jeder Schüler während seiner gesamten Schulzeit immer nur schlechte Leistungen erbringt.