Protocol of the Session on April 23, 2008

Ich danke Herrn Abgeordneten Tobias Koch. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Birgit Herdejürgen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass sich diese Erkenntnis auch über die nächsten Haushaltsberatungen hinaus noch hält. Ohne den Gesamtbericht unterbewerten zu wollen denn ich schließe mich dem Lob an - stelle ich fest: Der wichtigste Satz ist im letzten Absatz zu finden. Dort heißt es:

„Abschließend ist festzustellen, dass die vorliegende Analyse nur einen ersten Einstieg in die Betrachtung der langfristigen Tragfähigkeit der Landesfinanzen bildet.“

Wichtig ist, dass wir diesen Einstieg machen und uns auf Instrumente einigen, die eine Abbildung

(Tobias Koch)

von Verteilungswirkungen zwischen den Generationen ermöglichen.

Ich habe große Sympathien für eine über einjährige Haushaltsansätze hinausgehende methodische Erfassung zukünftiger Lasten und Entwicklungen. Bezogen auf den Bericht ist allerdings fraglich, ob es uns hilft, eine Tragfähigkeitslücke identifiziert zu haben, die je nach Modell einen Wert von 1,18 % oder 1,85 % hat. Tobias Koch hat dies angesprochen. Diese Berechnungen sind - wie bei jedem ökonomischen Modell - abhängig von den zugrundeliegenden Annahmen mit den entsprechenden Unsicherheiten gerade im Bezug auf die Fristen, die hier zum Ansatz gebracht worden sind. Das sagt der Bericht im Fazit auch.

Es kommt also vielmehr darauf an, die Instrumente und den Mitteleinsatz auf ihre Zweckmäßigkeit für die Erreichung von definierten Zielen hin zu überprüfen, und zwar über längere Zeiträume hinweg. Bei der Bewertung der nachhaltigen Wirkung von Maßnahmen genügt es oft schon, den gesunden Menschenverstand einzuschalten. Dass Investitionen in die Infrastruktur nachhaltiger wirken als zum Beispiel einzelbetriebliche Förderungen, ist aus unserer Sicht klar.

(Beifall bei SPD und CDU)

- Diese breite Begeisterung ist schön. Das stimmt mich zuversichtlich für die Verhandlungen. Dass Investitionen in Bildung, in Suchtprävention und in Gewaltprävention kostengünstiger und nachhaltiger sind als Aufwendungen für einen Reparaturbetrieb, ist auch nachvollziehbar.

(Beifall bei SPD, CDU und des Abgeordne- ten Dr. Heiner Garg [FDP] Es wird also darauf ankommen, wirtschaftpolitische und gesellschaftspolitische Ziele mit dem Ziel zu verweben, langfristig einen ausgeglichenen Haus- halt zu erreichen und konjunkturbedingte Einnah- meschwankungen zu handhaben und zu nutzen. Das ist eine Frage der Generationengerechtigkeit und ausdrückliches Ziel unserer Fraktion. Dabei will ich nicht kleinreden, dass wir von diesem Ziel tatsäch- lich noch weit entfernt sind. Die Diskussion um eine nachhaltige Entwicklung der öffentlichen Finanzen ist auch vor dem Hinter- grund der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu führen. Wir meinen, dass es keine isolierte und auf einige Bundesländer beschränkte Nachhaltigkeits- strategie geben kann. Schleswig-Holstein wird da- bei sein, wenn es um weitere Umsteuerungen und Konsolidierungen geht. Wir halten auch an unserer Forderung nach einer Altschuldenregelung im Rah- men der Föderalismusreform fest. (Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir halten ebenso an der Forderung nach aufgabengerechter Finanzausstattung aller Bundesländer fest.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Schleswig-Holstein ist, wenn wir das Ziel eines solidarischen Föderalismus zugunsten eines reinen Wettbewerbsföderalismus aus den Augen verlieren, auf der Verliererstraße. Dabei haben wir keineswegs Angst vor Wettbewerb von Ideen und Innovationen, denn ich glaube, hier sind wir in Schleswig-Holstein gut aufgestellt, aber er muss für alle Beteiligten vergleichbare und faire Ausgangsbedingungen haben. Wir stellen im Moment fest, wie schwierig allein schon eine Vergleichbarkeit der Länderhaushalte ist. Wir werden am Freitag noch ausführlich darüber diskutieren.

Kreativität bedeutet, aus einem Hindernis einen Vorteil zu machen. Schleswig-Holstein ist nicht in der Situation, an Verfahren festzuhalten, die bereits in der Vergangenheit nicht funktioniert haben. Wir sollten dies als Chance zur Veränderung nutzen. Notwendig ist eine nachhaltige Finanzpolitik, die strukturellen Besonderheiten begegnen kann und gleichzeitig langfristige Wirkungen methodisch erfasst. Hier ist eine innovative und kreative Finanzpolitik gefragt. Wir als Parlamentarier sollten offen für neue Instrumente der Steuerung sein. Ich hoffe, dass wir dies im Finanzausschuss und - ich stimme dem Herrn Finanzminister ausdrücklich zu - auch in allen anderen Ausschüssen intensiv in die Beratung einbeziehen.

(Beifall bei der SPD und vereinzel bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Birgit Herdejürgen. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch ich richte meinen herzlichen Dank an die Verwaltung und an das Finanzministerium für die Erarbeitung dieses Berichts, denn dieser Bericht macht deutlich, dass die demografische Entwicklung tatsächlich riesige Probleme für unse

(Birgit Herdejürgen)

ren Landeshaushalt mit sich bringt. Wir sehen in dem Bericht, dass die Ausgaben für die Alterssicherung und für die Gesundheitsausgaben steigen. Im Gegenzug sinken die Ausgaben für Bildung. Das heißt im Klartext: Wir finanzieren die Vergangenheit mit immer höheren Beiträgen und geben für die Zukunftsaufgabe Bildung im Verhältnis immer weniger aus. Das ist nicht gut. Haushaltspolitik muss zukunftsorientiert gestaltet werden können. Dies gilt umso mehr, da die Zahl der Versorgungsberechtigten dramatisch ansteigt. Der Bericht macht dies erschreckend deutlich.

Im Bericht sind auch die Zahlenkolonnen zu Zinsen und Verschuldung interessant. Negativ fallen dabei insbesondere die Jahre 1981 bis 1983 und die Jahre 2002 und 2003 auf. In den 80er-Jahren war es die falsche Investitionsphilosophie der CDU, die die Verschuldung exorbitant in die Höhe getrieben hat.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Ja, Herr Landtagspräsident, schauen Sie sich den Bericht an. Herr Abgeordneter, wer lesen kann, ist im Vorteil.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In den Jahren 2002 und 2003 war es vor allem die Steuerreform, die die Einnahmen des Landes drastisch schmälerte. Auch dies kann man sehen. Nicht allein darin, aber auch darin lag die exorbitant hohe Verschuldung begründet. Als wir Grünen 1996 in die Regierungsverantwortung kamen, da lagen die Zinsausgaben bereits um 200 Millionen € über den neu aufgenommenen Krediten. Hätte es die Altschulden nicht gegeben, so hätten wir sogar Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet.

Die heutige Situation ist ähnlich schwierig: Einer Neuverschuldung von über 500 Millionen € stehen Zinszahlungen von über 900 Millionen € gegenüber. Dies macht deutlich, dass es viele Verantwortliche für den hohen Schuldenberg gibt und dass es keinen Sinn macht, wenn wir den Schwarzen Peter von links nach rechts und wieder zurück schieben. Stattdessen müssen wir nach vorne blicken.

Wir werden am Freitag aus Anlass der Tätigkeit der Föderalismuskommission hier erneut eine einschlägige Debatte führen. Wir haben uns sehr klar positioniert. Wir sagen: Natürlich unterstützen wir die Landesregierung im Interesse Schleswig-Holsteins in ihrem harten, aufrechten Kampf um einen Altschuldenfonds. Natürlich brauchen wir eine

Schuldenbremse zur konjunkturellen Steuerung der Neuverschuldung. Meine Damen und Herren, das reicht aber noch nicht aus. Ich bin sehr gespannt darauf, wie wir die Debatte am Freitag miteinander führen werden und ob Sie dann auch bereit sind, in Richtung einer Bundessteuerverwaltung zu gehen. Wenn es so ist, wie der Bundesrechnungshof sagt, nämlich dass eine Bundessteuerverwaltung jährlich 11,5 Milliarden € bringt, muss man dazu auch Ja sagen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Kompletter Un- sinn!)

- Herr Kubicki, Sie mögen beurteilen können, ob das, was der Bundesrechnungshof sagt, völliger Unsinn ist. Ich gehe erst einmal davon aus, dass der Bundesrechnungshof ebenso solide arbeitet wie unser Landesrechnungshof. Für Schleswig-Holstein würden sich bei einer Bundessteuerverwaltung nach dieser Berechnung jährlich 380 Millionen € an Mehreinnahmen beziehungsweise Minderausgaben ergeben. Das ist verdammt viel Geld. Das ist Geld, das wir für einen Kraftakt in Bezug auf Bildung dringend brauchen.

Wer die Zukunft meistern will, muss in Bildung investieren. Vor allem muss er auch sagen, wo an anderer Stelle gespart werden kann. Vielleicht war es kein Zufall, dass viele Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker heute Morgen bei der Debatte über die Kindertagesstätten abwesend waren, jetzt aber bei der Debatte über die Tragfähigkeiten der Finanzen anwesend sind.

(Zuruf von der CDU)

- Ja, einige waren anwesend. Unseren Finanzminister habe ich heute Morgen aber nicht gesehen.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

- Das freut mich.

Das regelt das Präsidium.

Die Tragfähigkeit der Finanzen hat nicht nur etwas mit Sparpolitik zu tun, sondern auch mit Gestaltungselementen gerade auch im Bildungsbereich. Auch das ist heute Morgen wieder deutlich geworden. Wir müssen natürlich im Bereich der Aufgabenreduzierung und des Personalabbaus ein Stückchen weiterkommen. Es hilft nicht zu verkünden, man hätte 160 Stellen eingespart, wenn man nicht benennen kann, wo die Stellen tatsächlich einge

(Monika Heinold)

spart wurden. Unter Rot-Grün - der Rechnungshof hat dies auch aufgeschrieben - sind jährlich etwa 250 Stellen real abgebaut worden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen, die viereinhalb Zeilen im Bericht zum Thema der Aufgabenreduzierung zu lesen. Die Landesregierung hat sich hier richtig Mühe gegeben. Sie sagt ganz locker: Die konsequente Fortführung des Prozesses geht weiter. - Meine Damen und Herren, davor graust mir. Ändern Sie den Prozess und kommen Sie voran!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Heinold. - Für die Gruppe des SSW im Landtag hat nun deren Vorsitzende Anke Spoorendonk das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es steht fest, dass - was den Landeshaushalt angeht - die Beamtenversorgung, die Bildungsausgaben, die Familien- und Sozialhilfe sowie der kommunale Finanzausgleich betroffen sind, wenn es darum geht, die demografieabhängigen Landesausgaben zu definieren. Dies gilt insbesondere für die Beamtenversorgung, wo der dramatische Anstieg der Zahl der Versorgungsberechtigten von 2006 zu einem Kostenanstieg von circa 800 Millionen € auf über 2 Milliarden € im Jahre 2050 führen wird. Das Gleiche gilt für die Gesundheitskosten, die durch die Alterung der Gesellschaft vermutlich stark ansteigen und sich im Beamtenbereich durch den Anstieg der Beihilfekosten auf den Landeshaushalt in diesem Bereich auswirken werden. Es steht auch fest, dass die Maßnahmen, die bisher zur Vorsorge in diesem Bereich getroffen worden sind - ich nenne als Beispiel die Versorgungsrücklage -, diesem Kostenanstieg überhaupt nicht gerecht werden. Aus heutiger Sicht müssen wir uns daher alle die Frage stellen, ob die Verbeamtung der Lehrkräfte vor einigen Jahren, die den Haushalt zwar kurzfristig entlastet hat, wirklich eine so gute Idee war. Das dicke Ende kommt noch. Man fragt sich schon, wie der Landeshaushalt diesen Brocken der Beamtenversorgung bewältigen soll.

Im Bildungsbereich kann der Rückgang der Schülerzahlen trotz eines zu erwartenden Anstieges der

Studierendenzahlen an den Hochschulen in Zukunft etwas zur Entlastung des Landeshaushalts beitragen. Bei den Kosten für Familien, Sozialhilfe und für den kommunalen Finanzausgleich wird es entscheidend auf eine weitere positive wirtschaftliche Entwicklung ankommen. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich der zukünftige Mangel an Arbeitskräften und damit der prognostizierte Rückgang der Arbeitslosigkeit positiv auf diese Kosten auswirken wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist es im Bericht nachzulesen.

Nach den verschiedenen Modellberechungen des Landesfinanzministeriums werden durch die demografische Entwicklung bis 2050 insgesamt aber zusätzliche Belastungen auf den Landeshaushalt zukommen. Je nach Schätzungen liegen die Tragfähigkeitslücken 1 und 2 des Landeshaushalts bis 2050 bei 1,18 % und 1,85 % Was dies im Einzelnen bedeutet, kann man im Bericht ebenfalls nachlesen. Ich will mir Ausführungen dazu hier jetzt ersparen.

Ich will hier allerdings die Frage in den Raum stellen, was uns diese Zahlen nun eigentlich sagen. Zunächst einmal ist aus unserer Sicht Skepsis angebracht, weil diese Prognosen auf sehr vielen verschiedenen Voraussetzungen beruhen, die sogar über 40 Jahre in die Zukunft fortgeschrieben werden. Bei allem Respekt vor den tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - ich möchte mich bei ihnen auch im Namen des SSW für diesen Bericht bedanken - bleibt zu sagen, dass es nicht das erste Mal wäre, dass sich solche Prognosen als nicht zutreffend erweisen. Man denke nur einmal an die Fehlerquote im Bereich der Wirtschaftswissenschaften, wenn es darum geht, etwas so relativ einfaches wie das Wirtschaftswachstum für das nächste Jahr vorauszusagen.

Dennoch geben uns einige der Daten und Modellberechnungen schon heute Hinweise auf die Ausgabenblöcke, auf die sich die Finanzpolitik in den nächsten Jahren konzentrieren sollte und konzentrieren muss. Diese Berechnungen zeigen uns natürlich auch, dass die Aufgaben der Finanzpolitiker in Schleswig-Holstein bei allen Konsolidierungsbemühungen in nächster Zukunft nicht einfacher werden. Dies deutlich zu machen - dessen bin ich mir sicher - war ja auch die Absicht des Finanzministers bei der Vorlage dieses Berichts.

Eine letzte Bemerkung. Die Bundesrepublik ist kein armes Land. Die Bundesrepublik gehört zu den reichen Ländern in der Welt. Das darf man, wie ich denke, bei diesen Betrachtungen und bei dieser Analyse nicht vergessen.

(Monika Heinold)