Protocol of the Session on April 23, 2008

Aus diesem Grund hat man sich beispielsweise in Nordfriesland ganz klar für die Beibehaltung des Optionsmodells entschieden, das dort auch erfolgreich praktiziert wird. Aber auch über 100 andere Kommunen in ganz Deutschland haben schon den Wunsch geäußert, Optionskommune werden zu wollen. Wenn man wirklich einmal ein skandinavisches Erfolgsmodell bei uns übernehmen möchte, dann wäre die kommunale Trägerschaft der Arbeitsmarktmaßnahmen und der Sozialverwaltung eine ideale Möglichkeit hierfür.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie im Norden sollten auch wir hier bei uns alle Leistungen aus einer Hand anbieten, die leicht und schnell erreichbar sind und einer demokratischen Kontrolle unterliegen. Dieser Ansatz spricht eindeutig für das Optionsmodell.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Das Wort für die Landesregierung hat nun der Arbeitsminister, Herr Uwe Döring.

Frau Präsidentin! Mein Damen und Herren! In einem Punkt sind wir uns einig, nämlich in den Zielen. Das ist auch das Wichtigste. Die Ziele sind hier mehrfach genannt worden: Hilfen aus einer Hand, keine Aufteilung der Aufgaben, wenig Bürokratie, möglichst geringe Kosten. Das ist in der Vergangenheit unterschiedlich gut gelungen. Was jetzt nach dem Verfassungsgerichtsurteil an Modellen auf dem Tisch liegt, erfüllt diese Ziele meiner Meinung nach auch nicht, sondern - im Gegenteil - das bisher vom Bundesarbeitsminister vorgelegte Jobcenter ist in Wahrheit kein kooperatives Modell, sondern es ist das Trennmodell - wenn man genau hinguckt -, das andere ist eine freiwillige Zusammenarbeit.

Dies führt nach meiner jetzigen Bewertung zu mehr Personal, zu höheren Kosten, zu getrennten Bescheiden und damit zu noch mehr Klagen als bisher. Das alleinige Letztentscheidungsrecht hat die BA und dies gilt auch bei der Frage der Arbeitsfähigkeit. Angesichts steigender Arbeitslosenzahlen und schlechteren Haushalten frage ich mich, wie man auf einen solchen Verschiebebahnhof kommen kann.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Also, in der Bewertung sind wir uns einig und ich sage ganz deutlich: Das kooperative Jobcenter des Kollegen Scholz ist mit mir nicht zu machen.

(Beifall im ganzen Haus)

Denn dieses Modell macht faktisch die Kommunen zu Befehlsempfängern des Bundes, ohne dass sie echte Mitsprachemöglichkeiten bekommen. Es beschäftigt die Kommunen lediglich damit, kostspielige Entscheidungen der Arbeitsagenturen zu vollziehen. Man kann es auch etwas einfacher ausdrücken: Die Arbeitsagentur entscheidet über die Erwerbsfähigkeit und die Kommune zahlt die Unterkunftskosten für die Hilfsbedürftigen. - So stelle ich mir die Einbindung der kommunalen Beschäftigungskompetenzen nicht vor.

(Beifall bei CDU und SSW)

Nun kommen wir zur Organisation; wir wollen hier nicht über die Inhalte von Hartz IV sprechen. Welche Modelle liegen nun als Möglichkeiten auf dem Tisch? - Das Verfassungsgericht hat übrigens nur gesagt, dass das Modell in seiner jetzigen Ausgestaltung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das bedeutet also nicht, dass man das Modell nicht auch verfassungsgemäß gestalten kann.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: So ist es!)

Sehr schnell wurde über die Kommunalisierung diskutiert, weil der Landkreistag den entsprechenden Antrag beim Verfassungsgericht gestellt hat. Wenn man sich eine neue Welt erschaffen könnte, dann hätte ich prinzipiell keine Probleme damit. Allerdings sieht die Welt leider anders aus. Hinsichtlich einer Kommunalisierung ist zu sagen, dass es keine einheitlichen Forderungen nach einer echten Kommunalisierung gibt. Auch der Landkreistag rudert an dieser Stelle zurück, und in Bezug auf den Deutschen Städtetag steht heute auf Seite 1 der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Städte wollen Arbeitslose nicht allein betreuen“. - Das heißt, das Präsidium des Deutschen Städtetages hat sich klar

(Lars Harms)

gegen eine Kommunalisierung der Arbeitslosenverwaltung in diesem Bereich ausgesprochen.

Wir müssen an dieser Stelle sagen: Aus Ländersicht gibt es eine große Gefahr. Gemäß der Verfassung ist es nämlich so, dass der Bund Aufgaben nicht direkt auf die Kommunen überträgt, sondern auf die Länder. Die Länder müssen dann die Aufgaben auf die Kommunen übertragen. So entsteht nach unserer Landesverfassung Konnexität. Wie ich den Bund kenne, wird er folgendermaßen verfahren: Zunächst einmal wird festgestellt, wie viele Arbeitslose es gibt, und in diesem Zusammenhang besteht die Möglichkeit, die Statistiken in die eine oder andere Richtung zu bewegen. Dann wird geschaut, wie viel Geld es jetzt kostet. Dieses Geld wird dann übertragen.

Es war schon in der Vergangenheit so: Wenn der Bund Aufgaben auf die Länder übertragen hat, dann hat er sie stets unterfinanziert übertragen. Also, wenn die Arbeitslosenzahlen irgendwann wieder einmal steigen werden, dann werden die Kommunen fordern, dass die entstehenden Mehrkosten erstattet werden. Das entspricht der Konnexität. Der Bund hingegen wird dann sagen: Ich habe den Kommunen die Aufgabe übertragen und ich sehe keinen Grund zum Nachbessern. - Wer hängt dann am Fliegenfänger? - Die Länder. Insofern kann ich nur sagen, dass dieses Modell nicht im Interesse der Länder ist. Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren, hier auch mitteilen, dass kein einziges Bundesland dieses Konzept verfolgt. Auch die Kommunen vertreten hierzu unterschiedliche Auffassungen, und dies gilt auch für die schleswig-holsteinischen Kommunen.

Nun zu den Optionskommunen! Hier gebe ich Ihnen dahin gehend recht, dass wir gute Ergebnisse im Land erzielt haben. Bei dieser Gelegenheit darf ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreishäuser in Husum und Schleswig bedanken.

(Beifall)

Ich kann mir vorstellen, dass es hinsichtlich der Optionskommunen zu einer Entfristung kommt, dass sie also auf Dauer mit dieser Aufgabe betraut werden.

(Beifall)

Des Weiteren müssen wir ins Auge fassen, welche Kommunen darüber nachdenken, sich für die andere Lösung zu entscheiden. Es ist in Schleswig-Holstein nämlich nicht so, dass es alle Kreise wollen. Die kreisfreien Städte wollen es schon gar nicht.

Sprechen Sie doch einmal mit der Oberbürgermeisterin von Kiel. Von daher komme ich dazu, dass wir auch für die übrigen Kommunen - das ist meiner Meinung nach der größere Teil - eine Lösung finden müssen. Ich meine also die Kommunen, die nicht in der Option drin sind, und das dürften die meisten Kommunen sein, selbst wenn wir die Option öffnen würden. Wir müssen also zu einer Lösung kommen, die keine Trennung zwischen den beiden Trägern bedeutet, sondern wir müssen sicherstellen, dass wir das Leitbild der Hilfe aus einer Hand gewährleisten.

Dazu müssten wir auch den Weg einer Verfassungsänderung beschreiten und bei der Gelegenheit - nun komme ich zu dem, was Sie, Frau Birk und Herr Harms, richtigerweise gesagt haben - die Strukturprobleme, die die ARGEn zurzeit haben, lösen. Also, wir können das jetzige ARGE-Modell nicht einfach so ins Grundgesetz schreiben; das geht auch gar nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass die Personalhoheit geregelt ist, die Personalvertretung handhabbarer wird und die Aufsichtsfrage im Ländersinne geklärt wird. Das Modell muss also so aussehen, dass der Bund das Geld zur Verfügung stellt und über Zielvereinbarungen beziehungsweise Richtlinien vorgibt, was mit diesem Geld zu geschehen hat. Wie dies konkret umgesetzt wird, muss aber vor Ort entschieden werden können. Hier muss der kommunale Sachverstand institutionell eingebunden werden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich bedanke mich für die große Unterstützung und bei der FDP-Fraktion dafür, dass sie den Weg mitgeht. Das hilft mir in der Diskussion am 9. Mai 2008, und angesichts der Gespräche, die ich bisher geführt habe, bin ich mir ziemlich sicher, dass wir zu einer gemeinsamen Lösung in diese Richtung kommen.

(Beifall bei der FDP)

Wir als Schleswig-Holsteiner haben Pionierarbeit geleistet. An dieser Stelle kann ich noch einmal betonen: Es gibt keinen einzigen Landesarbeitsminister und auch kein einziges Landesarbeitsministerium, das dieses kooperative Jobcenter unterstützt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Gut!)

Insofern bin ich guten Mutes, dass wir gemeinsam weiterkommen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre Unterstützung.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

(Minister Uwe Döring)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließe.

Ich stelle zunächst fest, dass es eine Verständigung seitens der Antragsteller gegeben hat und dass der gemeinsame Antrag Drucksache 16/2027 (neu) 2. Fassung - von CDU, SPD und FDP den ursprünglichen Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/1991, ersetzt. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Antrag Drucksache 16/1999 von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den eben erwähnten Antrag Drucksache 16/2027 (neu) -2. Fassung -

(Zurufe)

- Bitte, Herr Geerdts.

Frau Präsidentin, wir wollten eigentlich ein Signal für die Arbeitsministerkonferenz am 9. Mai 2008 mitgeben. Von daher macht eine Ausschussüberweisung keinen Sinn.

Gut. Sie wünschen also für beide Anträge Abstimmung in der Sache. Alternativ? - Dann stimmen wir nun über die beiden vorliegenden Anträge ab. Ich stelle zunächst den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1999, zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen.

Dann stelle ich alternativ den Antrag Drucksache 16/2027 (neu) - 2. Fassung - zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Damit haben wir den Antrag Drucksache 16/2027 (neu) - 2. Fassung - mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP angenommen.

Meine Damen und Herren, die Geschäftsführer haben sich darauf geeinigt, Tagesordnungspunkt 62 noch vor der Mittagspause aufzurufen.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Vorbildlich!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 62 auf:

Tragfähigkeit der Finanzen des Landes

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1865

Ich erteile Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben derzeit knapp 1,3 Millionen Erwerbstätige in Schleswig-Holstein; in der Bundesrepublik Deutschland sind es knapp 40 Millionen Erwerbstätige. Nie zuvor waren es so viele Menschen, die das erarbeiten, was wir brauchen, um unseren Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen, um uns allen die notwendigen Gesundheits- und sonstigen Leistungen zu verschaffen und um darüber hinaus auch noch Vorsorge fürs Alter zu treffen. Und dennoch reicht das Geld an allen Ecken und Enden nicht aus. Wir kommen also mit dem, was von diesen vielen Menschen erarbeitet wird, nicht aus.

Nun kommt eine Situation hinzu, die uns seit Langem bewusst ist. Allein in den nächsten zehn Jahren werden für diese Aufgaben rund 100.000 Menschen weniger zur Verfügung stehen. Sie werden also nicht mehr das erwirtschaften, was wir für die Gesundheitsvorsorge und die Bildung unserer Kinder brauchen werden.

Aber die Zahl der älteren Menschen steigt nicht nur relativ, sondern absolut um deutlich über 130.000. Es stellt sich natürlich - wenn wir schon heute nicht mit dem auskommen, was eine sehr große Zahl von Menschen erwirtschaftet - die Frage: Wie soll das eigentlich in Zukunft gehen? Antworten auf diese Frage hat auf Antrag der FDP und auf Beschluss des Landtages mein Haus erarbeitet. Ich bedanke mich sehr bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir haben das ohne fremde Hilfe gemacht.

(Beifall)