Protocol of the Session on February 28, 2008

Die Kollegin Eisenberg sprach vorhin davon, dass man kein staatliches System wolle, und sie verwies dabei auf das dänische Beispiel. Das dänische Berufsbildungssystem ist ein staatliches System, es ist aber auch ein duales System.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist genauso wie in der Bundesrepublik ein duales System, weil die jungen Leute zwar nicht gleich im ersten Lehrjahr, aber im zweiten Lehrjahr in Betrieben angestellt sind. Das ist ein umlagefinanziertes System, das man sich vielleicht auch einmal angucken sollte. Man hat dort auf jeden Fall begriffen, dass in der heutigen Zeit von beruflicher Bildung erwartet wird, dass sie für alle jungen Leute etwas zu bieten haben muss. Das duale Ausbildungssystem der Bundesrepublik ist ein Erfolg, aber es muss weiterentwickelt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen es ja nicht abschaffen, sondern es muss weiterentwickelt werden. Davon sind wir aber immer noch zu weit entfernt.

Frau Kollegin, die Zeit!

Ich komme zu meinem letzten Satz und will nur noch sagen, dass ich die Hoffnung habe, dass wir im Jahr der beruflichen Bildung mit der Weiterentwicklung des dualen Systems einen Schritt weiterkommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk. - Wir kommen nun zu den Kurzbeiträgen. Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf den Punkt Modularität zurückkommen, weil Herr Klug dazu Stellung bezogen hat und auch Herr Kayenburg, als er da saß, Zwischenanmerkungen machte. Modularität heißt nicht Beendigung eines geschlossenen, abgeschlossenen Berufsbildes.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben eine ganze Anzahl neuer Entwicklungen. Gucken Sie sich nur den Beruf des Mechatronikers an, bei dem wir gelernt haben, dass die beiden abgeschlossenen Berufsbilder - Elektriker oder Mechaniker - nicht ausreichen, sondern dass dort mehr getan werden muss. Gucken Sie sich an, dass nach fünf Jahren die Hälfte derer, die eine abgeschlossene Berufsausbildung hinter sich haben, in einem anderen Berufsfeld tätig sind. Gucken Sie sich Folgendes an: Wir haben zunehmend schnelle Veränderungen im Wirtschaftsleben, auf die wir mit weiteren Modulen reagieren müssen, die wir in der Weiterbildung nach Abschluss einer Berufsausbildung anbieten müssen.

Das sind alles Gründe, die dafür sprechen, dass wir unsere Berufsausbildung stärker zu modularisieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der für mich allerdings stärkste Grund ist Folgender - Herr Hentschel hat es gesagt -: Wir haben ein Viertel Abbrecher, die zum Teil schon lange Zeit in einem Beruf ausgebildet wurden. Diese Menschen entlassen wir zum Beispiel nach einem Jahr mit nichts. Wir könnten sie aber mit einem Nachweis bestimmter Teilqualifikationen entlassen, sodass sie etwas in der Tasche haben und nicht das Frustgefühl in die Zeit nach ihrem Abbruch mitnehmen.

Zudem darf ich darauf aufmerksam machen, dass unsere Gesellschaft zunehmend technisiert, dass die Berufe anspruchsvoller werden und dass sich die Berufsangebote für die Gruppe derjenigen, bei denen - wie Herr Dr. Klug sagte - die praktischen Qualitäten stärker ausgeprägt sind als die intellektuellen Fähigkeiten und die früher in Berufen untergekommen sind, zunehmend reduzieren. Wir müssen selbstverständlich für die, die nicht mehr bringen können, auch Angebote machen.

Herr Hentschel hat gesagt, das Konzept ist nicht abschließend konzipiert, und dann wurde gelacht. Erstens ist es so, dass alles im Fluss ist. Zweitens kann ich Ihnen garantieren, dass es Substanz hat, wenn Herr Hentschel hier etwas vorlegt. Dann sind sehr viele Gespräche mit der Fachwelt und in Fraktionsarbeitskreisen geführt worden. Es ist ein aus meiner Sicht sehr gut durchdachtes und differenziertes Konzept.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

(Anke Spoorendonk)

- Ich finde das, was wir vorgelegt haben, gut. Aber was sich hier abzeichnet, ist offenbar, dass die Analyse nicht zurückgewiesen werden kann, nämlich dass die Hälfte derer, die eigentlich in Berufsausbildung gehören, in diesem System hinten runterfallen.

Herr Kollegen, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.

Wir müssen zumindest für diesen Teil eine Antwort bieten. Offensichtlich will dieses Hohe Haus auf diese Fragestellung keine Antwort geben, sondern unser Konzept schlicht in den Orkus der Geschichte versenken.

Herr Kollege Matthiessen, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Herr Präsident, darf ich noch einen letzten Satz formulieren? - Frau Kollegin Eisenberg, ich finde es schofelig von Ihnen, wenn eine 30-köpfige Fraktion einer anderen Fraktion vorwirft, zu bestimmten Veranstaltungen nicht zu kommen. Das kann nur heißen, dass wir entweder faul oder desinteressiert sind, und beides ist nicht der Fall.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Hei- ner Garg [FDP] - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben Veranstaltungen erlebt, wo die großen Frak- tionen nicht vertreten waren! Unglaublich!)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Jürgen Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eins ist klar: Es gibt einen enormen Handlungsdruck im Hinblick auf Ausbildungsplätze, da sind wir uns alle einig. Enormer Handlungsdruck führt meines Erachtens zuerst einmal dazu, dass man

sehr schnell etwas tun muss. Über Konzepte kann man dann immer noch reden.

Sie haben vorhin angedeutet, Ihre Konzepte fallen nicht auf den nötigen fruchtbaren Boden. Ich will Ihnen sagen: Es wird momentan etwas getan, und zwar in erheblichem Maße. Die Bundesregierung hat das größte Programm zur Unterstützung derjenigen, die in der Warteschleife sind, angestoßen. Das ist heute noch nicht erwähnt worden. Ich will das gern einmal tun und Ihnen sagen, dass das Bundeskabinett beschlossen hat, 450 Millionen € in die Hand zu nehmen, um über ein Bonusprogramm 100.000 Jugendliche zu unterstützen, die in einer Warteschleife sind, die bereits zwei Jahre ohne Ausbildungsplätze sind und die von hinten auf die Angebote drücken und denjenigen Plätze wegnehmen, die neu auf den Ausbildungsmarkt kommen. Herr Kollege Matthiessen, alles ist im Fluss. Man kann über alles reden. Momentan muss man aber vor allen Dingen handeln und die Bundesregierung tut das. Das will ich für unsere Fraktion ausdrücklich begrüßen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um 100.000 zusätzliche Plätze, die über einen Bonus finanziert werden sollen. Es geht auch um einen wichtigen Punkt, die Berufseinstiegsbegleiter, weil wir wissen, dass ein erheblicher Teil der Jugendlichen in Ausbildung gehen und sie aus den unterschiedlichsten Gründen nicht beenden. Das ist ein abendfüllendes Thema. Aber auch hier muss man kurzfristig etwas tun und auch hier werden Mittel zur Verfügung gestellt. Wir haben Ausbildungspatenschaften durch ehrenamtliche Projekte von Vereinen, Gewerkschaften, Kirchen, Verbänden und so weiter. Das soll auch gar nicht infrage gestellt werden. Das soll man loben. Aber das muss professioneller über das Maß hinaus ausgebaut werden, das bisher schon existiert. Auch hier nimmt die Bundesregierung, die Bundesanstalt für Arbeit, Geld in die Hand. Das ist ein wichtiger Punkt, der es nicht überflüssig macht, über Konzepte zu reden. Das ist ohne Frage wahr. Aber wir sind an dem Punkt zu handeln.

Ich will der hervorragenden Rede von Herrn Dr. Klug - darf ich das einmal so sagen, Herr Dr. Klug, es schadet Ihnen in Ihrer Fraktion sicherlich nicht, wenn ich das tue

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

in einem Punkt insofern widersprechen, als ich glaube, dass ein Missverständnis vorliegt, was das Konzept der Grünen angeht. Sie haben im Hinblick

(Detlef Matthiessen)

auf Modularisierung von Häppchenbildung gesprochen. Die Frage, welche Ausbildungsgänge modularisiert werden können, ist eine, die auch die Sozialpartner ein Stück weit miteinander verhandeln. Das kann ich mit großer Gelassenheit sehen. Worum es aber im Kern geht, ist, dass dort, wo aus den verschiedensten Gründen Ausbildungen nicht beendet werden, die Teile von Ausbildung, die bereits geleistet worden sind, durch Zertifizierung anerkannt werden, damit sie nicht einfach weggeschmissen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und CDU)

Das ist etwas, war wir im Auge behalten sollten, um den Jugendlichen für die Zukunft eine Chance zu bieten. Ich finde, dass das ein durchaus sinnvoller Teil des Konzepts der Grünen ist, der auch nicht neu ist. Ich will deutlich sagen, dass die Bundesregierung Wesentliches auf den Weg gebracht hat. Über die Zukunft weiterzudiskutieren ist sinnvoll, aber man muss dann auch ehrlich sagen - im Hinblick auf das, was die Grünen konzeptionell ausschreiben -, ob man den Einstieg in den Ausstieg der dualen Ausbildung will oder nicht. Ich bin gar nicht so festgelegt, ob unser Modell der dualen Ausbildung noch 20 Jahre existieren kann.

Herr Kollege Weber!

Aber das ist nichts für heute. Deswegen werden wir diesem Antrag der Grünen nicht zustimmen können. Ob wir eine weitere Ausschussberatung haben sollen, mag das Parlament entscheiden.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung und Frauen, Frau Ute Erdsiek-Rave, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin wirklich dankbar über jede Debatte, die die berufliche Bildung in den öffentlichen Fokus rückt und ins Parlament bringt. Aber, was mich bei dieser Debatte langsam etwas stört, Herr Hentschel, ist, dass in

den Beiträgen - auch von Ihnen - der Eindruck entsteht, das berufliche Bildungssystem sei kompliziert, undurchschaubar, im Grunde nicht leistungsfähig und die jungen Menschen hätten darin schlechte Chancen. Diesen Eindruck sollten wir gemeinsam nicht vermitteln.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ja, das ist komplex, das bestreitet doch niemand. Natürlich ist es komplex und kompliziert. Es muss heutzutage sehr vielfältigen Anforderungen gerecht werden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Aber meine herzliche Bitte ist: Lassen Sie uns diesen Eindruck nicht erwecken, denn es gibt keinen Bereich im Bildungssystem, der so innovativ und so leistungsfähig in der Lage ist, sich auf diese verschiedenen Anforderungen ad hoc, sehr intensiv und sehr gut einzustellen. Dafür kann und muss man sich bei den Schulen auch wirklich bedanken.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Schauen Sie sich beispielsweise einmal die Leistung der Beruflichen Schule Niebüll an. Oder schauen Sie sich die Schule einmal an.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nichts gegen unseren Vorschlag!)