Ich danke der Abgeordneten Frauke Tengler. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Günther Hildebrand.
(Zurufe - Wolfgang Kubicki [FDP]: Was war denn bei euch? Ihr habt ausgerechnet Stegner reden lassen! Das ist noch peinlicher!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Fraktionsvorsitzender Stegner, Sie haben eben eine beeindruckende Rede gehalten.
Sie waren auch lange Zeit Minister und Staatssekretär, vielleicht können Sie uns noch einmal mitteilen, wie sich der Frauenanteil in den Führungspositionen Ihres Ministeriums in den Zeiten geändert hat. Das wäre vielleicht noch interessant.
Wir hatten eine Ministerpräsidentin - wobei ich jetzt nicht spekulieren möchte, ob sie von einer Frau oder einem Mann nicht gewählt wurde -, wir haben noch eine stellvertretende Ministerpräsidentin, wir haben eine Bundeskanzlerin, über’s Radio tönt es: „Frauen regier’n die Welt“. Man könnte fast annehmen, die Anfrage der SPD zur Frauenpolitik in Schleswig-Holstein sei nicht mehr aktuell. Doch weit gefehlt. Frauenpolitik ist immer noch ein Thema nicht nur in Schleswig-Holstein. Vielleicht ist es sogar mehr denn je ein Thema, aber ein deutlich komplexeres als noch vor einigen Jahren,
Frauenpolitik heute ist auch Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, ist Politik für Kinder und Familien, ist Integrationspolitik, ist nicht zuletzt auch Politik für Männer. Und deshalb freue ich
In Schleswig-Holstein gibt es mehr Frauen als Männer. Der Frauenanteil liegt aktuell bei etwas mehr als 51 %. Da wundert es nicht, dass die Frauen auch die Arbeitswelt stürmen. Immerhin stellen sie 47 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt. Zu den vielen Lehrerinnen komme ich später. Aber allzu oft werden sie Bürokauffrauen, Einzelhandelskauffrauen, Krankenschwestern oder Friseurinnen. Nicht, dass ich etwas gegen diese Berufsbereiche hätte - im Gegenteil. Ich frage mich nur, warum Frauen vornehmlich in diese Bereiche drängen. Immerhin hat sich der Bildungsgrad der Mädchen in den letzten Jahren deutlich verbessert. In der Anfrage war das zwar nicht abgefragt, aber ich finde schon, dass es Berücksichtigung finden muss, dass in Schleswig-Holstein die Mädchen bei den höheren Schulabschlüssen mit gut 60 % die Nase vorn haben. Immerhin erreichen gut 26 % das Abitur oder die Fachhochschulreife und gut 35 % einen Realschulabschluss. Bei den Jungen sind es nur 52 %, die einen höheren Abschluss schaffen.
Trotzdem sind in den Chefetagen Frauen nach wie vor selten zu finden und sind die höheren Einkommensklassen immer noch deutlich männerdominiert. Warum? Oft wird diese Frage ganz pragmatisch mit einem Hinweis auf die noch nicht vollständig ausgereifte Kinderbetreuung nach dem Motto beantwortet: „Wenn das mit der Kinderbetreuung erst stimmt, dann wird sich der Rest schon von selbst ergeben.“ Da ist natürlich auch etwas dran. Nur, es gibt auch Frauen und Männer, die leben in der Überzeugung, dass sie selbst für ihre Kinder da sein wollen, die sich bewusst dafür entscheiden, dass die Frau mit ihren kleinen und vielleicht auch etwas größeren Kindern auf die wunderbare Entdeckungsreise zum Großwerden geht und die deshalb die elterliche Betreuung und Erziehung vorziehen.
Das ist eine sehr persönliche Entscheidung. Da mag sich die „Gluckenmafia mit den Karrierehühnern“, wie es im aktuellen „Spiegel“ so emotionsvoll beschrieben wird, noch so heftig streiten. Jede und jeder hat die Freiheit, persönlich zu entscheiden, wie er sein Elternsein leben möchte.
Frauenpolitik in Schleswig-Holstein heißt nämlich nicht nur, Frau und Beruf bestmöglich unter einen Hut zu kriegen. Frauenpolitik in Schleswig-Hol
stein muss auch heißen, die Arbeit von Frauen für und in den Familien zu würdigen, sie anzuerkennen und zu unterstützen.
Damit bin ich beim nächsten Stichwort: Unterstützung. Um jeglichem Missverständnis vorzubeugen: Ich meine damit nicht die finanzielle Unterstützung in Form der Auszahlung eines Betreuungsgeldes. Ich meine nicht die sogenannte Herdprämie. Diese „Unterstützung“ lehnt die FDP ab.
Denn Sinn und Zweck des Betreuungsgeldes ist es nicht, den Frauen Geld zu verschaffen. Sinn und Zweck des Betreuungsgeldes ist es, mehr für mehr Bildung der Kinder auszugeben. Mehr Betreuung, mehr frühkindliche Förderung, mehr Chancengleichheit, dafür steht das Betreuungsgeld, für nichts anderes.
Was ich deshalb mit „mehr Unterstützung“ meine, richtet sich eher an die praktische Arbeitswelt und an die Männer. Ich sagte ja bereits: Frauenpolitik ist auch Männerpolitik. Denn nach wie vor ist es ja ganz überwiegend so, dass im Berufsalltag das Familienfoto auf dem Schreibtisch eines Mitarbeiters noch gern gesehen wird, sich aber weitere Einschränkungen aus dem familiären Anhang bitte nicht ergeben sollten. Und damit ruht die Verantwortung für Betreuung und Erziehung der Kinder wieder ganz überwiegend auf den Schultern der Frauen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie überlassen gerade wir Männer im Zweifelsfall doch wieder den Frauen - trotz aller Silberstreife am Horizont. Denn wer bleibt in der Regel oder, wenn das Kind einmal krank ist, zu Hause oder geht zu Schulveranstaltungen oder Elternabenden?
Natürlich erkenne ich an, dass in den letzten Jahren auch viele Väter das Elterngeld beantragt haben. Aber es ist auch entlarvend, dass es bislang gerade mal rund 15 % sind, die diesen Schritt machen. Bis wir in Schleswig-Holstein und in Deutschland so weit sind, dass auch nur die Hälfte der Väter das Angebot einer bezahlten Elternzeit annimmt und die Arbeitgeber das auch noch gut finden, ist es noch ein langer Weg. Genau da müssen wir Männer aber hin, wenn wir die Anerkennung für die Familienarbeit, die Unterstützung der Frauen wirklich ernst nehmen.
Denn eines steht fest: Junge Frauen von heute wollen eine gute Ausbildung. Sie wollen berufstätig sein. Oftmals müssen sie auch berufstätig sein. Deshalb müssen wir für Rahmenbedingungen sorgen, die es ihnen ermöglichen, über ihr Leben so frei und unabhängig wie möglich bestimmen zu können - ohne, aber auch mit Familie.
Unsere Gesellschaft braucht diese Vielfalt, braucht diese jungen Frauen, übrigens auch aus volkswirtschaftlicher Sicht.
Aus diesem Grund würde ich es sehr begrüßen, wenn wir uns in den Beratungen zu dieser Anfrage auch noch einmal intensiver mit den Maßnahmen auseinandersetzen, die sich mit der Berufsrückkehr von Müttern beschäftigen. Ich denke da beispielsweise an Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten während der Eltern- und Erziehungszeit. Es ist ja heute nicht nur so, dass Frauen nach einer gewissen Elternzeit gern in den Beruf zurückkehren wollen und dann auch nach diesen Jahren noch für den Arbeitsmarkt attraktiv sein müssen. Viele Lebensentwürfe laufen auch nicht mehr ganz so planmäßig ab, wie es einst gedacht war. Ich denke da an die hohe Scheidungsrate und insbesondere die Neuerungen zum Unterhaltsrecht, an mögliche Arbeitslosigkeit des Lebenspartners et cetera. Vor diesen Gegebenheiten dürfen wir als Gesellschaft nicht die Augen verschließen und die Frauen dadurch letztlich nicht als Bittsteller stehen lassen. Hier brauchen wir Angebote, die es den Frauen ermöglichen, auch weiter ihre „Frau“ im Alltag zu stehen.
Ein weiterer Aspekt, auf den ich an dieser Stelle den Blick lenken möchte, betrifft eine ganz andere Gruppe von Frauen, Frauen, die in unserem Land leben, die aber ihre Gesundheit und im schlimmsten Fall ihr Leben riskieren, wenn sie sich den Bestimmungen ihrer Familie zu ihrer Lebensplanung, zum Beispiel zu einer bestimmten Heirat, entziehen. Um diese jungen Frauen werden wir uns auch in Zukunft sehr kümmern müssen,
denn nur gemeinsam mit diesen Migrantinnen wird es uns gelingen, die Parallelgesellschaft aufzubrechen, die sich in Deutschland längst etabliert hat. Wir und erst recht diese Frauen haben wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen, wenn wir sie darin unterstützen, ein selbstbestimmtes, persönlich freies und auch im Berufsleben erfolgreiches Leben zu führen.
Das ist der Grund, aus dem ich bereits eingangs sagte: Frauenpolitik heute ist auch Integrationspolitik.
Zum Schluss möchte ich noch auf das Thema „Frauen in der Landesverwaltung“ eingehen, allerdings eher kritisch, wenn ich das vorwegschicken darf: Es betrifft den Bereich Frauen und Schule.
„überwiegen bei den Neueinstellungen und in den jüngeren Altersgruppen in allen Schularten die Frauen. Diese positive Entwicklung zeigt sich inzwischen auch bei den Funktionsstellen im Schulbereich.“
Ich gebe gern zu, ich habe diese Stelle, die „positive Entwicklung“, mehrfach gelesen. Ich glaube, auch unter rein frauenpolitischen Gesichtspunkten lässt sich dieser Bewertung nur schwer zustimmen.
Natürlich ist es erfreulich, dass Frauen in bestimmten Bereichen stark Fuß fassen können, mitunter sogar stärker als Männer. Aber ist das gerade im Schulbereich eine erstrebenswerte Entwicklung?
Es ist noch gar nicht lange her, da ließ sich sogar unsere Bildungsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin mit den Worten zitieren: „Wir haben ein Jungenproblem.“ Zutreffender wäre es sicherlich gewesen zu formulieren: „Die Jungen haben ein Problem“, denn gemeint waren damit die Schwierigkeiten, die insbesondere Jungen an Schulen haben, weil sie ganz überwiegend „nur“ von Frauen unterrichtet werden.
Statt das Hohelied auf die Frauenpolitik im Schulbereich anzustimmen, sollten wir uns daher besser überlegen, wie es uns gelingen kann, endlich mehr Männer für diesen Bildungsbereich zu gewinnen, angefangen von mehr Erziehern in den Kitas, mehr Lehrern im Grundschulbereich, aber auch auf den weiterführenden Schulen.
Frühkindliche Erziehung und kindliche Bildung, gleichmäßig von Frauen und Männern vermittelt, könnten durchaus ein Beitrag zur Frauenpolitik in Schleswig-Holstein sein. Schon die Kinder lernten, dass diese Arbeit nicht nur Frauensache ist. Dies wäre ein Beitrag zu mehr Gleichberechtigung.
Ich danke Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Abgeordnete Angelika Birk das Wort. Es sei mir erlaubt hinzuzufügen, dass sie ehemalige Frauenministerin ist.