Meine Damen und Herren, lieber Lothar Hay, ich will jetzt nicht in die Geschichte der rot-grünen Koalition einsteigen, aber dazu, dass Sie mir sagen, dass wir es fünf Jahre lang nicht wollten, sage ich: Das, was ich vorgeschlagen habe, war mutig und ging sehr weit. Manche hatten Angst davor.
Ich danke der Vorsitzenden der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und erteile dem Kollegen Klaus Müller für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Sein Motto, das Leben ist schön, hat Peter Harry Carstensen nahtlos von Nordstrand in die Staatskanzlei transferiert.
Auch dann, wenn es nichts zu feiern gibt, erleben wir doch fast täglich einen Gute-Laune-Bär. Das ist sicherlich gut für die koalitionsinterne Stimmung, aber die Jubelmeldungen der vergangenen Wochen zum Haushaltsentwurf täuschen auch beim Haushalt 2006 nicht über die realen Zahlen hinweg.
Die große Koalition - allen voran die CDU - arbeitet nach dem Prinzip: Je lauter wir uns selber loben, desto mehr Leute glauben uns vielleicht. Mit der lautstark propagierten Redlichkeit hat das nicht viel zu tun. Der Trick ist so einfach wie alt: In dem Nachtragshaushalt wurden die Nettoausgaben kräftig erhöht, um sich dann für eine ganz leichte Absenkung kräftig feiern zu lassen.
In der Tat: Die Nettoausgaben liegen, wie heute Morgen schon gesagt wurde, über den Ausgaben des Haushaltes der letzten Legislaturperiode. Wie hat die CDU über diese Haushalte geschimpft!
Zumindest laut Finanzplan ist auch geplant, die Nettoausgaben in den nächsten Haushalten wieder steigen zu lassen. Er ist nicht verbindlich. Ich bin gespannt, was passiert.
Ähnlich sieht es bei der Entwicklung der Nettokreditaufnahme aus. Auch diese wurde verdreifacht, um sich dann für eine leichte Senkung wieder feiern zu lassen. Um sich selbst weiterhin zu feiern, behauptet der Ministerpräsident, die Nettoausgaben diesen Landes würden 2006 erstmals wieder sinken. Im Soll haben Sie Recht, Herr Ministerpräsident. „Im Soll“ ist eine Absichtserklärung. Im Soll hat das Rot-Grün auch schon einmal hinbekommen. Interessanter sind nachher die Ist-Zahlen.
Daran werden wir messen, was von Ihren Absichtserklärungen übrig geblieben ist. Ein Vergleich von Soll- und Ist-Zahlen ist kein Maßstab für Redlichkeit.
Bei der Jubelmeldung, dass erstmals auch die Nettokreditaufnahme gesunken sein soll, ist dem Ministerpräsidenten bedauerlicherweise ein redaktioneller
Fehler unterlaufen. Wäre das Versehen der Staatskanzlei unter Heide Simonis passiert, hätte Herr Wiegard laut nach Rücktritt verlangt oder zumindest die Einsetzung eines weiteren Untersuchungsausschusses beantragt.
Der großkoalitionäre Nebel lichtet sich bei einem Blick auf die Kreditfinanzierungsquote, die in der Anlage zum Haushalt abgedruckt ist, endgültig. Eine derart schlechte Kreditfinanzierungsquote hat es lange nicht gegeben. Anders ausgedrückt: Selten wurde ein so hoher Anteil an den Nettoausgaben auf Pump finanziert. John Maynard Keynes feiert ein fröhliches Comeback - und das unter einer großen Koalition.
Den eigenen Anspruch, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen, hat die große Koalition bekanntermaßen ja gleich zu Beginn zu den Akten gelegt. Auch hier: Wie hätte die CDU Zeter und Mordio geschrien, wenn das Rot-Grün gewagt hätte! Pikant aber konsequent ist die bekannte Zurückziehung der Klage vorm Verfassungsgericht.
Die Bemühungen der Landesregierung, die verfassungswidrige Überschreitung der Kreditobergrenze gemäß Artikel 53 der Landesverfassung zu erklären, sind schon dürftig. Auch hier: Sie hätten das niemals als Ehrlichkeit oder Mut gelten lassen, wenn das RotGrün versucht hätte. Sie hätten das gebrandmarkt und verurteilt. Mit Redlichkeit hat Ihre Politik an der Stelle nichts zu tun.
Heute reden wir über den ersten eigenen Haushalt der Herren Carstensen und Wiegard. Mit diesem müssen Sie sich an Ihren eigenen Maßstäben messen, es sei denn, die CDU will behaupten, sie sei völlig unvorbereitet in die Regierung gekommen.
Es gibt in diesem Haushalt richtige und falsche Umschichtungen. Dramatische Einsparungen sind aber noch überschaubar. Insofern ist unser erstes Fazit: Außer Spesen ist noch nicht so viel gewesen. Oder kommt mit der Nachschiebeliste die Kürzungsarie, deren Vorlage man sich vor der Bundestagswahl nicht getraut hat? Wir werden das genau beobachten.
Wie ist es denn nun um Ehrlichkeit und Redlichkeit bei der jetzt Regierungs-CDU bestellt? - Schlecht! Dafür gibt es eine lange Reihe von Beispielen. Zahlreiche schwarze Wahlkampfseifenblasen platzen Woche für Woche. Der Ministerpräsident und sein Finanzminister sind bemerkenswert still, wenn es um den CDU-Beschluss geht, im Falle eines Wahlsieges ein Viertel der Mehrwertsteuererhöhung für den Landeshaushalt abzuzweigen. Das wäre nicht nur politisch falsch, sondern dürfte auch keinesfalls auf die angestrebte Halbierung der Nettoneuverschuldung
angerechnet werden. Herr Carstensen, ich würde mich freuen, wenn Sie nachher laut und deutlich sagen würden, dass Sie dieses Viertel nicht wollen und im Bundesrat dagegenhalten werden.
Jo Wadephul, noch im Juni wurde unsere Initiative für eine stärkere Steuerfinanzierung der Lohnnebenkosten in Bausch und Bogen abgelehnt. Ehrlich und redlich war das nicht.
Ich bin gespannt, was aus weiteren Wahlkampfaussagen der CDU wird. Unser Archiv ist gut. So hieß es im Dezember 2004, die CDU wolle die Landesanteile an der HSH Nordbank veräußern. Vielleicht hat ja der Aufsichtsratsposten für den Finanzminister diese Pläne obsolet werden lassen.
Haushaltsklarheit wird in der neuen Landesregierung nicht groß geschrieben. Wer versucht, die Zahlen und Summen im Doppelhaushalt, im Nachtragshaushalt und im Haushalt 2006 nachzuvollziehen, wird nachhaltig scheitern. Der Grund sind umfangreiche, aber nicht neue Solländerungen, die größtenteils von Rot-Grün beschlossen wurden. Das ist also keine Kritik in der Sache. Dass aber diese Entwicklungen, die seit Monaten bekannt waren, dazu führten, dass die notwendigen ergänzenden Unterlagen - ein Umdruck in Form einer 640 Seiten starken Anlage, was fast dreimal so viel wie der Nachtragshaushalt selbst ist - erst zwei Wochen nach dem Nachtragshaushalt und nur zwei Wochen vor der Verabschiedung dem Finanzausschuss übersandt wurden, ist keine Glanzleistung. Auch hier: Wie hätte die CDU Krawall geschlagen, wenn das unter rot-grünen Bedingungen erfolgt wäre!
Bei mehrerlei Lektüre kommt einem der schwarz-rote Schleswig-Holstein-Fonds sehr bekannt vor. Lothar Hay hat das auch absolut ehrlich gesagt: Er entspricht in der Tat dem rot-grünen Zukunftsinvestitionsprogramm. Aber: große Koalition, größere Ausgaben. Statt 100 Millionen € in drei Jahren genehmigt sich die große Koalition 415 Millionen in fünf Jahren. Der schwarz-rote Schleswig-Holstein-Fonds ist maßlos und deutlich überdimensioniert.
Er ist eine Spielwiese für Herrn Austermann und die übrigen Kabinettsmitglieder dürfen froh sein, wenn sie vielleicht auch etwas vom Kuchen abbekommen.
Bezüglich der Projekte gibt es zwar einige Unterschiede zu Rot-Grün, aber die Idee ist nicht neu. Insofern kritisieren wir sie auch nicht vom Prinzip her. Wir kritisieren aber die Unehrlichkeit im Rahmen des Wahlkampfs. Ich zitiere: Mit dem Turn-AroundFonds - so hieß er damals - soll die politische Kehrtwende in Schleswig-Holstein eingeleitet werden. Er soll mit jährlich 200 Millionen € finanziert werden, die durch Umschichtungen freigesetzt wurden. - Das steht in der CDU-Wahlkampfbroschüre.
Daneben hat Herr Carstensen am 3. Dezember 2004 gesagt: Den Fonds wollen wir mit Haushaltsmitteln finanzieren, die durch Umschichtungen freigesetzt worden sind. - Verehrte Damen und Herren, es ist ein Verdienst der SPD, diese von der CDU geplanten Mittel von 1 Milliarde € auf 415 Millionen € eingedampft zu haben.
Bezüglich der Gegenfinanzierung täuscht die CDU die Menschen in diesem Land. Sie hat Umschichtungen versprochen, aber die Staatssekretärin Wiedemann hat im Ausschuss ganz ehrlich eingeräumt, dass er komplett durch Schulden finanziert ist. Dies ist nicht redlich. Es ist eine weitere Seifenblase, die zerplatzt.
Damit aber nicht genug: Knapp 60 % des SchleswigHolstein-Fonds sind nach Auskunft des Finanzministeriums bestehende Maßnahmen, die lediglich aufgestockt oder sogar aus den Einzelhaushalten umgeschichtet werden. Im Klartext: Erfolgsmeldungen beim Sparen in den Einzelplänen werden durch schuldenfinanzierte Verschiebungen in den Schleswig-Holstein-Fonds erzielt. Das ist nicht redlich.
Gleichzeitig eilen die schwarzen und roten Ministerinnen und Minister kreuz und quer durch SchleswigHolstein, um Schecks zu übergeben. Allein der Wirtschaftsminister hat sich in den ersten vier Monaten seiner Amtszeit 25-mal per Pressemitteilung für eine Scheckübergabe feiern lassen. Ich will es deutlich sagen: Das ist ein schöner Moment für Minister und Empfänger. Es sind fast 1,5 glückliche Momente pro Woche. Das ist eine für eine Sparregierung bemerkenswert rege Verbreitung von Glücksgefühlen im hohen Norden.
Ein schönes Beispiel für die Verschiebung sind die 24,3 Millionen € bei den Straßenbaumitteln, die im Einzelplan des Wirtschaftsministers gekürzt werden, dann aber im Schleswig-Holstein-Fonds - im Einzel
Noch einmal: Der Schleswig-Holstein-Fonds ist nicht neu und insofern vom Prinzip her auch nicht verkehrt. Noch in der Opposition kritisierte aber der damalige finanzpolitische Sprecher, Herr Wiegard, das rotgrüne Investitionsprogramm als Zip-Zap-Spielchen. Das ist eine weitere schwarze Seifenblase, die zerplatzt. Ehrlich und redlich scheint mir das nicht zu sein.
Besonders pikant ist die Verschiebung der Finanzierung des Ausbaus des Flughafens Kiel-Holtenau vom Regionalprogramm in den Schleswig-Holstein-Fonds. Gab es bisher eine zeitliche Beschränkung dafür, bis wann die Ausbauentscheidung gefällt werden musste, gewinnt Schwarz-Rot jetzt viel Zeit. Das gelingt ihr aber nur um den Preis, dass jetzt statt 10 Millionen € inzwischen 20 Millionen € an Landesmitteln - Schulden, wie wir heute Morgen gehört haben - in dieses Projekt fließen. Das ist keine Glanzleistung der neuen Koalition!
Heute Morgen wurden im Nachtragshaushalt 67 neue Stellen beschlossen. Darunter waren 21 neue Stellen für die Regierungsumbildung und die Änderung der Geschäftsverteilung. Im Haushaltsentwurf 2006 finden planmäßig größere Verschiebungen statt. Fast 4.000 Stellen finden sich demnächst im Haushaltsplan bei den Wirtschaftsbetrieben wieder. Interessant ist aber jetzt, was im Saldo passiert. Im Saldo unter Schwarz-Rot steigt die Zahl der Stellen, statt - wie von der CDU versprochen - zu sinken. Der Einsparung von 270 Stellen stehen im Haushalt 2006 308 neue Stellen jeweils inklusive Nachwuchskräften mit Kw-Vermerken gegenüber. Für die Bereiche Polizei, Justiz und Ämter für ländliche Räume werden die Personalbudgets sogar explizit erhöht.