Protocol of the Session on September 1, 2005

Die von den Einsparmaßnahmen, die im Lande durchgeführt werden müssen, betroffenen Menschen werden zum Teil natürlich einiges zu verkraften haben. Die Landesregierung hat aber, wie das auch auf Bundesebene vorgesehen ist, zugleich Reformen auf den Weg gebracht, die den Haushalt in den kommenden Jahren entlasten. Dazu trägt zum Beispiel der vom Justizminister erarbeitete Entwurf zur Amtsgerichtsstrukturreform bei. Er eröffnet jedenfalls Perspektiven im Hinblick auf notwendige Synergieeffekte und Spezialisierungsmöglichkeiten.

Auch mit der Verwaltungsstrukturreform in den Händen des Innenministers Dr. Ralf Stegner werden wir Einsparungen durch Effizienzgewinne erreichen,

(Dr. Johann Wadephul)

indem wir die Verwaltungen der Kommunen und auch des Landes so professionell, bürgernah und wirtschaftlich wie möglich aufstellen. Ziel der Reform ist und bleibt, Doppel- und Dreifachzuständigkeiten zwischen Land, Kreisen und Kommunen zu beseitigen und Synergieeffekte zu erzielen, wovon alle Ebenen profitieren.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Dabei steht für uns fest - angesichts einer zum Teil etwas aufgeregten Debatte in der kommunalen Landschaft möchte ich das unter Bezugnahme auf den Koalitionsvertrag noch einmal sagen -: Eine Gebietsreform wird es nicht geben. Wir reden über eine Verwaltungsreform.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die vier bis fünf Dienstleistungsbereiche, die in der Trägerschaft der Kreise entstehen, werden daher auch nicht automatisch die Keimzelle für vier bis fünf Regionalkreise sein, wie es die Grünen in die Reform hineindichten. Solche Wunschvorstellungen kann man nur haben, wenn man aufgrund fehlender Legitimation nicht weiß, wie in den Kommunalparlamenten gearbeitet wird.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU steht für den Erhalt der vielfältigen ehrenamtlichen Strukturen und wird dafür Sorge tragen, dass die Selbstverwaltung vor Ort erhalten bleibt.

Mit der Verwaltungsstrukturreform geht die Überprüfung aller Aufgaben, Vorschriften und Strukturen in der Landesverwaltung einher. Wir wollen und werden uns von Aufgaben trennen und Aufgaben an die kommunale Ebene abgeben, die diese viel effizienter erledigen kann.

(Beifall bei der CDU)

Der neue Schleswig-Holstein-Fonds ist ein klares Aufbruchsignal für die Wirtschaft und damit auch für die Schaffung von Arbeitsplätzen in SchleswigHolstein.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Trotz schwieriger Haushaltslage ist der Landesregierung mit dem Schleswig-Holstein-Fonds ein Kraftakt gelungen, um den Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen. Mit Landesmitteln in Höhe von 415 Millionen € bis 2009 und ergänzenden Darlehen stehen 800 Millionen € zur Verfügung, die ein Investitionsvolumen von mehr als 1,6 Milliarden € in SchleswigHolstein zugunsten der Schwerpunktbereiche Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Forschung und Bildung auslösen werden.

Ich habe die Bekundung des Kollegen Müller in diesem Zusammenhang zur Kenntnis genommen und nehme hier auf das Bezug, was Sie heute zum Nachtragshaushalt beantragt haben. Es ist natürlich sehr einfach, an dieser Stelle schlicht eine Streichung zu beantragen. Wir werden aber kein Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein erzeugen und auch keine Arbeitsplätze in unserem Lande generieren, wenn wir als Staat von unseren knappen Mitteln nicht auch investive Mittel einsetzen. Deshalb ist dieser Fonds so wahnsinnig wichtig. Deshalb kann man ihn nicht einfach kürzen und wegstreichen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich sage das, weil Sie heute den Nachtragshaushalt um 35 Millionen € kürzen wollten. Das ist ein Thema, über das wir in den nächsten Jahren miteinander streiten werden. Ich setze darauf, dass wir auch den Volkswirt Müller an dieser Stelle irgendwann werden überzeugen können.

Wir setzen auf den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die mit gut 150.000 € aus dem SchleswigHolstein-Fonds gefördert werden soll. Das hat herausragende Bedeutung. Die derzeitige Verkehrsinfrastruktur Schleswig-Holsteins ist angesichts der Marktferne unseres Bundeslandes ein wirkliches Hindernis für eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung. Das wichtigste Verkehrsprojekt für die Zukunft unseres Landes ist und bleibt der beschleunigte Ausbau der A 20 mit einer festen Elbquerung bei Glückstadt und einer Anbindung an das niedersächsische Fernstraßennetz.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Wir sind im Übrigen dafür, dass man in diesem Zusammenhang auch auf Bundesebene über Planungsvereinfachung nachdenkt. Es gibt diesbezüglich schon Vorschläge. Die Verabschiedung eines Verkehrswegebeschleunigungsgesetzes für ganz Deutschland ist ein guter Beitrag dazu, dass wir endlich wieder zu Planungszeiten kommen, die einer europäischen Harmonisierung entsprechen. Gucken Sie sich einmal an, in welchem Tempo in Dänemark die Brücken gebaut worden sind!

(Beifall bei der FDP)

Dieses Tempo müssen wir auch in Deutschland erreichen. Dänemark ist in dieser Hinsicht ein echtes Vorbild für uns.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Über die Investitionen im Bereich des Einzelplans des Innenministeriums ist heute schon an anderer Stelle gesprochen worden. Ich möchte hier aus Zeitgründen nur auf die Erneuerung des Bootsparkes und

(Dr. Johann Wadephul)

die Einführung des Digitalfunks hinweisen. Wir nehmen richtig Geld in die Hand, um unsere Polizeibeamten professionell auszurüsten.

Ich möchte an dieser Stelle deshalb noch einmal etwas zur Situation der Polizei sagen. Wir sehen uns in einer klaren Verantwortung für die Beamtinnen und Beamten, die diesen schweren Dienst tun, und unterstützen das, was der Innenminister heute in der Debatte gesagt hat: Wir brauchen Stellenstrukturverbesserungen im mittleren, insbesondere aber auch im gehobenen Dienst unserer Landespolizei. Es gibt Beamtinnen und Beamte, die über 20 Jahre auf eine Beförderung warten. Wir stehen an ihrer Seite und werden für sie etwas tun.

Wenn wir über die Schwierigkeiten reden, die wir haben, und wenn wir die Demonstrationen der vergangenen Tage sehen, gehört aber auch dazu, dass wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst einmal vor Augen führen - auch der Innenminister hat es gestern in einer Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht -, was für ein Wert es ist, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Es ist vom Kollegen Kubicki gerade eben schon auf Lego hingewiesen worden. Spar gibt es auch. Wir haben es bei Panasonic in Neumünster erlebt. Ich könnte die Reihe weiter fortsetzen. Wir haben etliche Betriebe und Unternehmen in Schleswig-Holstein erlebt, bei denen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren gegangen sind.

Zu meiner fast täglichen Praxis als Rechtsanwalt, der viel Arbeitsrecht macht, gehört es, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor mir sitzen zu haben, die Ende 40 oder Anfang 50 sind - bei Möbel Kraft vielleicht 25 Jahre gefahren sind -, die schlicht vor der Situation stehen, dass sie sagen: Ich habe ein Haus gebaut, das nicht voll bezahlt ist, ich habe Kinder, die sich in der Ausbildung befinden. - Die sind völlig schuldlos in eine solche Situation gekommen. Denen kann man kaum helfen. Da gibt es dann Abfindungen, die handelt man als Arbeitsrechtsanwalt vielleicht noch mehr oder minder vernünftig aus, die Gewerkschaften wirken dabei mit. Aber diese Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz.

Ich möchte allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes in Schleswig-Holstein Folgendes sagen: Wir wissen, dass sie viel leisten. Wir wissen, dass wir auch einiges abverlangen. Aber Sie haben eine ungemein bessere, sicherere Zukunft als viele andere in der Wirtschaft. Das mögen sie bitte bedenken.

(Beifall bei CDU und SPD)

Dazu gehört auch eine herzliche Bitte an diejenigen, die sie vertreten. Ich habe von Arbeitnehmervertretern viele Sachen gehört, die ich gut verstehen kann. Aber wenn der Chef des DGB Nord, Herr Deutschland, der Politik vorwirft, das sei organisierter Betrug oder schlichte Enteignung, dann muss ich dem Gewerkschaftsvertreter an der Stelle sagen: Man erhöht seine Glaubwürdigkeit auch dadurch, dass man eine angemessene Wortwahl wählt und nicht anfängt, Politik automatisch zu kriminalisieren. Das halte ich auch in dieser Situation für völlig unangebracht.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen, dass für die CDU-Landtagsfraktion die Verstärkung der Maßnahmen im Bildungsbereich außerordentlich wichtig ist. Wir freuen uns sehr, dass es möglich geworden ist - darüber haben wir anlässlich der Debatte über den Koalitionsvertrag und die Regierungserklärung miteinander diskutiert -, die Schulsituation nachhaltig zu verbessern. Wir freuen uns auch darüber, dass wir Englischunterricht ab der dritten Klasse erteilen können, dass wir die Verlässliche Grundschule einführen können - ein wichtiger Beitrag dafür, dass Familie und Beruf besser miteinander vereinbart werden. Dies sind wichtige Aufgaben.

Ich möchte an der Stelle einen Satz zum Lehrerbedarf sagen: Er steigt derzeit. Frau Bildungsministerin, Herr Finanzminister, wir wissen aber auch, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler gegen Ende der Legislaturperiode und in der nächsten Legislaturperiode stark zurückgehen wird und wir dann auch einen verminderten Lehrerbedarf haben werden. Deswegen muss es unsere feste Absicht sein, heute mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, um dem erhöhten Bedarf gerecht zu werden, aber wir müssen auch die feste Absicht haben, dann gegen Ende des Jahrzehnts durch Altersfluktuation wieder Personal abzubauen, um der Haushaltssituation Rechnung zu tragen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, über viele Einzelbereiche werden wir in den nächsten Wochen und Monaten auch in den Ausschüssen intensiv diskutieren können. Uns ist es wichtig gewesen, dass es mit diesem Haushalt einen ersten Schritt in die richtige Richtung gegeben hat. Wir machen uns die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Haushalts nicht einfach. Ich wollte mit meiner Rede zum Ausdruck bringen, dass wir eine langfristige Verpflichtung der Politik des Landtages in Schleswig-Holstein sehen, der wir uns ausdrücklich stellen, unseren Kindern nicht Erblasten zu hinterlassen, die sie selber nicht mehr abbauen können. Nachhaltigkeit ist ein großes Wort und ein Modewort, das wir immer wieder hören. Wir

(Dr. Johann Wadephul)

sind uns unserer Verantwortung bewusst. Wir werden in den nächsten Jahren auf einem klaren Sparkurs bleiben. Wir wollen aber auch auf einem Kurs bleiben, mit dem wir in dieser großen Koalition gemeinsam unser Heimatland voranbringen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Vorsitzenden der Fraktion der CDU, Herrn Dr. Wadephul, und erteile nunmehr dem Vorsitzenden der Fraktion der SPD, dem Kollegen Lothar Hay, das Wort.

(Zurufe)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, dass ich aufgrund einer Meniskusoperation nicht die Fähigkeit habe, 30 Minuten hinter dem Rednerpult zu stehen. Ich wollte Ihnen einfach ersparen, dass ich irgendwann sage: Ich kann nicht mehr!

(Heiterkeit)

Ich gehe an Krücken, aber die SPD nicht.

(Beifall)

Die große Koalition hat heute vor 127 Tagen ihre Arbeit aufgenommen. Wir Sozialdemokraten sind mit der bisherigen Bilanz zufrieden. Lassen Sie mich zwei Vorbemerkungen machen, bevor ich in die Details hineingehe.

Erstens. Das, was Finanzminister Rainer Wiegard als Begründung für den Nachtragshaushalt 2005 und für den Haushaltsentwurf 2006 zum Thema der Nichtverfassungsmäßigkeit vorgetragen hat, ist genau das, was wir als Sozialdemokraten mittragen. Angesichts des Dreiklangs Sparen, Investieren und Konsolidieren müssen wir den Menschen in Schleswig-Holstein in aller Deutlichkeit klarmachen, dass dieser Kurs fortgesetzt wird und dass es in den folgenden Jahren weitere schmerzhafte Einschnitte geben wird. Deshalb muss man an dieser Stelle deutlich machen, aus welchem Grund wir die Verfassung nicht erfüllen können. Alles andere wäre aus meiner Sicht der Versuch, Sand in die Augen zu streuen. Diesen Weg können wir nicht gehen; deshalb die volle Unterstützung der SPD-Fraktion.

(Beifall bei SPD und CDU)