Protocol of the Session on December 14, 2007

Abschließend ist festzustellen, dass nach heutigem Stand die rechtlichen Bedingungen zur Erhebung und zweckgebundenen Verarbeitung der Passagier

(Wolfgang Kubicki)

daten umfassend geregelt sind. Die vorliegende Rahmenrichtlinie zeigt, dass einerseits die Informationstechnologie genutzt wird; andererseits wird die Bestrebung deutlich, dies mit einem hohen Maß an Datenschutz und Datensicherheit für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger zu verbinden. Ich bin davon überzeugt, dass mit den vorgeschlagenen Maßnahmen ein weiterer wichtiger Beitrag zur Erhaltung und zum Ausbau der inneren Sicherheit in unserem Lande geleistet wird.

Wir werden den Bericht der Landesregierung sicherlich noch ausführlich im Ausschuss diskutieren können.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Abgeordneten Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vielen Dank an den Herrn Justizminister für diesen differenzierten Bericht, wenn auch nur vorläufigen Bericht, zum beabsichtigten Umgang mit Fluggastdaten. Der Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des EU-Rates über die Verwendung von Fluggastdaten zu Strafverfolgungszwecken von EU-Kommissar Franco Fratini orientiert sich innerlich schon am ebenfalls stark kritisierten Abkommen zwischen der EU und den USA, auch wenn kein unmittelbarer Zusammenhang besteht; das stimmt. In Stellungnahmen wird das leider öfter miteinander vermengt, und daraus begründen sich auch gewisse Ängste, die in Bezug auf diesen möglichen Rahmenbeschluss entstehen.

Die USA hatten im Sommer 2007 eine sehr rigide Datenerfassung und Datenspeicherung von mit dem Flugzeug einreisenden EU-Bürgern durchgesetzt, und zwar gegen aus meiner Sicht berechtigte Kritik von Datenschützern. Derzeit müssen EU-Bürger, wenn sie in die USA einreisen, ihre Daten angeben, während US-Bürger und natürlich auch andere, die in die EU geflogen werden - für andere gilt das ja gar nicht -, dies nicht tun müssen, weil es gar kein EU-System der Fluggastdatenerfassung gibt. Das bisherige Verfahren war im Sommer 2006 vor dem Europäischen Gerichtshof - allerdings nur aufgrund einer falschen Rechtsgrundlage - für nichtig erklärt worden. Nun soll das alles neu werden. Es wird aus meiner Sicht aber nicht besser und Skepsis bleibt angebracht, was die Gelegenheit betrifft, Bedenken

rechtzeitig zu formulieren, bevor es umgesetzt wird. An anderer Stelle ist es leider schon anders gelaufen.

Der Beschlussvorschlag, wenn er so bleibt, stellt aus meiner Sicht einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger dar. Ich teile die Bedenken, die Minister Döring hier vorgetragen hat. Ich brauche das - glaube ich - nicht zu wiederholen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ein Aspekt allerdings, nämlich die Ausweitung der vorgesehenen Speicherung von 19 Datenkategorien - so war es einmal geregelt - von dreieinhalb auf fünf und acht, also auf bis zu 13 Jahre, übersteigt das Maß dessen, was sinnvoll und akzeptabel ist. Es erscheint auch fast unglaublich, so etwas zu machen, wenn ich an die Diskussion in der Öffentlichkeit über die Verlängerung der Speicherung von Telekommunikationsdaten denke, und da ging es nur um sechs Monate. Allerdings müssen diese Daten dann doch gelöscht werden. Zur Klarstellung zitiere ich Art. 9 Ziffer 3:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die PNR-Daten nach Ablauf des Achtjahreszeitraums gemäß Abs. 2 aus den Datenbanken ihrer PNR-Zentralstellen gelöscht werden.“

Auch das ist in der Öffentlichkeit leider schon anders dargestellt worden. Zusätzlich sind die Zwecke, zu denen die Daten verwendet werden dürfen, leider zu unbestimmt. Sie sollen neben der Verfolgung terroristischer Verbrechen auch „im Zusammenhang mit Strafprozessen oder anderen gesetzlichen Erfordernissen verwendet werden“ dürfen. Die Einschätzung des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz vom Dezember dieses Jahres, dass hier wohl eher die illegale Einwanderung als schwere Straftat ins Visier genommen werden soll, liegt durchaus nahe, auch wenn Minister Döring darauf hingewiesen hat, dass dies noch einmal zu einem eigenen Thema werden wird.

Es ist auch keine unabhängige Kontrolle durch Datenschutzbehörden vorgesehen. Die Einhaltung der Bestimmungen soll durch den EU-Justizkommissar sichergestellt werden. Damit wird der uns bekannte und vertraute Datenschutzstandard tatsächlich unterlaufen. Ein solches Verständnis von Datenschutz haben wir nicht. Darüber hinaus würden bei den vorgesehenen Datenmengen und Speicherfristen natürlich erhebliche finanzielle Belastungen für Fluggäste, Fluggesellschaften und die EU-Mitgliedstaaten entstehen.

(Wilfried Wengler)

Dem Ziel des Rahmenbeschlusses, Daten zu erfassen, zu speichern, auszutauschen und auszuwerten sowie zum Zwecke der Verhütung und Bekämpfung von terroristischen Straftätern und Straftaten der organisieren Kriminalität zu nutzen, wird dieser Vorschlag aus meiner Sicht folglich nur bedingt gerecht. Richtig ist, dass die EU im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nur gemeinsam erfolgreich sein kann. Aufgrund der europäischen Sicherheitsstrategie wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Initiativen ergriffen. Zu nennen sind unter anderem die Einrichtung eines Beauftragten zur Koordinierung des Kampfes gegen den Terrorismus, die Abkommen zur Hafensicherheit auch darüber haben wir hier schon beraten -, der Datenaustausch zwischen den Geheimdiensten oder die Stärkung von Europol.

Es erscheint sinnvoller, die vorhandenen Instrumente und Maßnahmen besser zu nutzen und weiterzuentwickeln - schließlich hat es auf dieser Grundlage schon einige bedeutende Verhandlungserfolge gegeben -, anstatt immer neue Initiativen flottweg zu beschließen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich bin gespannt - die unterschiedlichen Positionen sind deutlich geworden -, wie die letztlich die Positionsbestimmung der Landesregierung sein wird. Darüber werden wir im Innen- und Rechtsausschuss zu reden haben.

(Beifall bei SPD, SSW und des Abgeordne- ten Wolfgang Kubicki [FDP])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Fraktionsvorsitzenden, dem Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal wird das Argument der Terrorismusbekämpfung benutzt, um eine vorbeugende Überwachung von Bürgern weiter auszudehnen. Selbst wenn man überzeugt ist, dass alle Behörden den besten Willen haben, niemand kann bei einem internationalen Datenaustausch über Dutzende von Staaten garantieren, dass die Daten nicht in falsche Hände geraten. Niemand kann ausschließen, dass es in der einen oder anderen Region der Europäischen Union vorkommen kann, dass über illega

le Akte, zum Beispiel Bestechung, Illoyalität oder gar aus politischer Absicht, Daten illegal genutzt oder auch zu politischen Interessen missbraucht werden.

Das Vorhaben, die Daten von den Fluggästen zu speichern und weiterzugeben, ist nicht nur gefährlich, es widerspricht auch Rechtsnormen, die zum Schutz der Bürger von einem übermächtigen Staat geschaffen wurden. Nach Ansicht unseres Datenschutzbeauftragten widerspricht es sowohl Artikel 8 der EU-Grundrechtecharta, dem garantierten Grundrecht auf Datenschutz, es widerspricht auch Artikel 2 Abs. 1 unseres Grundgesetzes, dem garantierten Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Eine Speicherung von Daten ohne Anlass von sämtlichen die EU-Grenzen mit dem Flugzeug überquerenden Personen über Jahre hinweg und ohne konkreten Verdacht oder Gefahr widerspricht nach längjähriger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Begründung des Vorschlages der Europäischen Union ist schwach. In keiner Weise wird konkret begründet, wie die Sicherheit durch die Speicherung von Daten erhöht und wie die Beschränkung der Reisefreiheit gerechtfertigt werden kann. Es ist auch zu befürchten, dass Menschen aus unterschiedlichen Gründen auf Reisen verzichten, wenn sie befürchten müssen, dass Informationen darüber an politische Gegner, Journalisten, wirtschaftliche oder private Konkurrenten und andere weitergegeben werden können.

Was aber noch schwieriger ist als der Datenaustausch innerhalb der EU, ist das Problem, dass zu befürchten ist, dass nach der Einführung - Amerika hat es schon eingeführt - dann andere Länder im Zuge der Gegenseitigkeit Zugang zu diesen Daten verlangen. Sowohl Südkorea als auch Australien haben sich schon mit einer derartigen Forderung an die europäischen Fluggesellschaften gewandt. Sollte die EU nach den USA diesen Rahmenbeschluss fassen, so wird sich voraussichtlich eine Speicherung von Fluggastdaten weltweit etablieren. Damit würden aber sensible Reisedaten und Bewegungsprofile auch in Staaten ohne effektive Datenschutzregelungen und auch in totalitären Systemen zur Verfügung stehen. Das hätte katastrophale Auswirkungen auf das Datenschutzniveau in der ganzen Welt. Es ist nicht abschätzbar, welche wirtschaftlichen Schäden durch die langjährige Beobachtung von Geschäftsreisenden hervorgerufen werden können. Auch fehlerhafte Interpretationen

(Thomas Rother)

von Daten von Geschäftsleuten, Journalisten, Bürgerrechtlern, NGOs oder auch von Touristen können Anlass von Einreiseverboten in solchen Ländern werden, gegen die sich diese dann nicht mehr wehren können. Eine systematische Auswertung von Geschäftskontakten, Aktivitäten von Menschenrechtsgruppen oder Journalisten durch fremde Nachrichtendienste wird möglich.

Meine Damen und Herren, Reinhard Mey sang einmal: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“. Ich bitte Sie deshalb, über Ihre Parteien, Verbände und Medien alles Mögliche zu tun, um den Überwachungsstaat in der Luft zu verhindern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Gruppe des SSW erteile ich das Wort der Frau Vorsitzenden, der Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Europäische Parlament hat im Sommer die Verarbeitung von Fluggastdaten von EU-Bürgern durch amerikanische Behörden massiv kritisiert. Dieser Kritik ist eigentlich nichts hinzuzufügen: Weder die Speicherdauer der Fluggastdaten von 15 Jahren und länger noch die Tiefe der gesammelten Daten in Form von 19 detaillierten Datensätzen oder die drohende Weitergabe von Daten an Drittländer ist akzeptabel.

Die Rechte von EU-Bürgern, die sie mühsam im Laufe der Jahre innerhalb der EU erkämpft haben, werden im Flugverkehr in die USA daher mit Füßen getreten. Die alarmierende Rhetorik, die sich durch alle EU-Fraktionen zieht, ist tatsächlich angebracht, weil die Grundlagen unserer Informationsgesellschaft damit auf dem Spiel stehen.

Besonders verheerend ist es, dass jegliche demokratische Kontrolle für das Verfahren fehlt. Kein Parlament und keine gewählte Regierung in Europa kontrolliert die Datenübertragung. Nicht nur eingefleischte Misanthropen fürchten sich vor den Konsequenzen dieser ungesteuerten Datensammlung, sondern jedermann, der sich einmal mit dem Thema auseinandergesetzt hat.

Dennoch möchte ich nur einen Punkt aufgreifen: Angesichts der tragischen Verwechslung, der der deutsche Staatsbürger el-Masri zum Opfer fiel, stelle ich die Frage, wie man die Übertragung von

Fluggastdaten gegen Fehler absichert. Ich fürchte: gar nicht. Es ist völlig ungeklärt, was passiert, wenn sich ein Fehler bei der Datenübertragung einschleicht. So wie das System angelegt ist, kann jeder Fehler ungeheure Folgen nach sich ziehen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Einmal in der Zeile verrutscht oder ein Zahlendreher können ein dauerhaftes Einreiseverbot in die USA oder noch Schlimmeres bedeuten. Wo Menschen arbeiten, geschehen Fehler; ein Verfahren zur Fehlerkorrektur ist aber überhaupt nicht vorgesehen. Wir reden hier nicht über die Schufa mit verbrieften Rechten der Selbstauskunft und Fehlerkorrektur, sondern um die Übereignung von insgesamt mehr als 30 persönlichen Informationen in Richtung USA ohne Kontrolle über deren Verwendung.

In den USA können Daten gespeichert, ausgewertet und weitergegeben werden, so wie es den Wünschen der amerikanischen Heimatschutzbehörde entspricht. Eine Kontrolle über den Verbleib der Daten ist nicht vorgesehen; ein Fehler kann sich somit dutzendfach potenzieren.

Der Schutz der Verbraucher- und Nutzerrechte einschließlich des Rechts auf Privatsphäre und des Datenschutzes in der elektronischen Kommunikation wird damit zunichte gemacht. All das übrigens sind Punkte aus dem Text der von der FDP-Fraktion angeführten Bundesrats-Drucksache, die in der Dezember-Sitzung in Berlin verhandelt werden wird. Deren Geltung muss auch die Übertragung der Fluggastdaten abdecken, denn Rechte in der Informationsgesellschaft misst man an ihrer Reichweite. Wenn sie nicht im Flugverkehr zwischen Europa und den USA gelten, dann ist es nur ein kleiner Schritt zur Aushöhlung der Rechte auch innerhalb Europas. Das müssen wir unter allen Umständen verhindern.

Daher werden wir natürlich dem FDP-Antrag zustimmen.

(Beifall bei SSW und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/1763 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Es ist beantragt worden, den Bericht an den Ausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!

(Karl-Martin Hentschel)

Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 40 auf:

Zukunft der Krankenhausfinanzierung in Schleswig-Holstein