Vor diesem Hintergrund war es gut und wichtig, dass Minister Döring sich die Zeit genommen hat, der CDU-Landtagsfraktion die konkreten Ursachen und Hintergründe der Kostensteigerung in Lübeck zu erläutern. Der Umdruck ist auch dem Finanzausschuss zur Verfügung gestellt worden. In diesem Zusammenhang hat der Minister versichert, dass mit dem geforderten Nachschlag auch wirklich die absolute finanzielle Obergrenze erreicht ist.
Wir müssen aber natürlich auch berücksichtigen, dass die Reform zu einer generellen Steigerung der Leistungsfähigkeit der Amtsgerichte in Schleswig-Holstein führen soll. Die Umstrukturierung soll gewährleisten, dass unsere Amtsgerichte eine Größe erhalten, die den Bedürfnissen von Rechtsprechung und Gerichtsverwaltung langfristig gerecht wird. Unser erklärtes Ziel sind dabei Steigerungen in den Bereichen Bürgernähe, Effizienz, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Ich möchte noch einmal betonen, wie wichtig es ist, dass wir diesen unerfreulichen Vorgang in der parlamentarischen Diskussion nicht unter den Teppich kehren. Das entspricht unserem festen Entschluss, die Amtsgerichtsstrukturreform konsequent und konstruktiv umzusetzen, sie aber auch kritisch zu begleiten. Wir sollten in den zuständigen Fachausschüssen noch einmal ausführlich inhaltlich beraten und dann zu einer tragfähigen Lösung kommen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann auch für unsere Fraktion sagen, dass es natürlich ausgesprochen misslich ist, dass im Rahmen eines solchen Vorhabens die veranschlagten Kosten von 4 Millionen € um 1,8 Millionen € überschritten werden. Dieser Sachverhalt ist innerhalb der SPD-Fraktion auch durchaus kritisch diskutiert worden. Die Vermittlung einer Reform - das ist heute auch schon zum Ausdruck gekommen -, die
Die SPD-Landtagsfraktion hält an der Reform der Amtsgerichtsstruktur fest. Für uns sind zwei Fragen in diesem Zusammenhang entscheidend: Hätten wir anders entschieden, wenn von Anfang an die Gesamthöhe der Kosten von 5,8 Millionen € bekannt gewesen wäre? Gibt es zweckmäßige Alternativen zur Reform? - Aus unserer Sicht und nach den Diskussionen, die wir geführt haben, sind beide Fragen zu verneinen.
Aus finanzpolitischer Sicht können wir natürlich mit den vorgetragenen Begründungen für die Überschreitung des Haushaltsansatzes nicht zufrieden sein, zumal unsere Intention auch sein muss, ähnliche Ereignisse zukünftig zu vermeiden. Aus unserer Sicht sind Raumplanungen auf Plausibilität zu überprüfen - lieber einmal mehr als einmal zu wenig. Ebenfalls muss die Frage erlaubt sein, inwieweit zu erwartende Preissteigerungen in Kalkulationen eingehen. Das gilt auch für die Mehrwertsteuererhöhung, auch wenn das immer nur Schätzungen sein können. Es handelt sich hier aber um Dimensionen, wo das zumindest sehr kritisch zu betrachten ist.
Bei aller Kritik am unbestreitbar unglücklichen Verfahren: Am Ende kann in diesem Fall nur die Entscheidung für diese überplanmäßige Ausgabe stehen. Die Wirtschaftlichkeit der Baumaßnahme in Lübeck ist auch vor dem Hintergrund der neuen Zahlen gegeben. Herr Kubicki, den Abzinsungszeitraum und die Zinssätze hatten Sie in Ihrem Antrag vorgegeben. Insofern ist die Kritik daran jetzt auch nicht unbedingt nachzuvollziehen. Die Deckung aus dem eigenen Haushalt ist gewährleistet und das vordringliche Ziel bei der Zusammenlegung von Standorten der Amtsgerichte ist eine optimierbare Ablauforganisation. Das ist auch schon angesprochen worden. Wir wollen und wir brauchen mehr Effizienz, mehr Professionalität. Die bisherigen Zwischenergebnisse der Reform sind ermutigend und unsere Amtsgerichte werden in Zukunft noch besser werden. Das kommt den Beschäftigten ebenso zugute wie den Bürgerinnen und Bürgern.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Normalerweise bin ich eher geneigt, wenn es um grundsätzliche Reformen geht, ihnen auch Sinn zuzusprechen und mich für sie einzusetzen, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass bei Reformen immer ganz viele Argumente gesucht werden, die dagegen sprechen. Das ist menschlich und völlig normal, Veränderungen sind immer schwer. Deshalb bin ich eher geneigt zu sagen, wenn sich Leute Reformen überlegen und Widerstände in Kauf nehmen, dann muss man sie dabei auch unterstützen, weil das immer ein sehr schwerer Prozess ist.
Bei der Diskussion um die Amtsgerichtsstruktur ist das mittlerweile schwierig geworden. Das hat auch eine Geschichte. Dazu gehört der berühmte Spruch unseres Justizministers aus dem Jahr 2005: „Ich war sieben Jahre Finanzstaatssekretär, ich rechne Ihnen jede Reform wirtschaftlich“. Das ist sicherlich eine Hypothek für die Reform. Bemerkenswert sind auch die wechselnden Begründungen für die Amtsgerichtsreform im Laufe der Jahre. Mal war es das vorrangige Ziel, Kosten zu sparen, mal ging es eher um die Mindestzahl von Richterinnen und Richtern pro Gericht.
Sowieso munkelte man hinter den Kulissen, dass der wahre Grund für die Reform sei, dass auch das Justizressort einmal etwas Unpopuläres tun müsse und dass die Koalition damit Handlungsfähigkeit beweisen könne. Heute müssen wir uns jedoch fragen, ob überhaupt noch eine Begründung zutrifft.
Wir müssen uns auch fragen, warum Standorte nicht auch als Nebenstellen größerer Gerichte bestehen können, wie wir das beispielsweise bei den Grundschulen diskutieren. Dann wären nämlich eine effiziente Vertretungsregelung und eine sinnvolle Arbeitsteilung - wie wir sie alle anstreben - möglich und die Gerichtsorte könnten vielleicht weiter bestehen bleiben.
Noch bemerkenswerter als diese beiden Punkte, die schon seit Jahren kontrovers diskutiert werden, ist aber die Tatsache, dass das Verfahren letzte Woche entgegen den Absprachen der Koalitionspartner von der CDU im Finanzausschuss gekippt wurde. Das ist allerdings ein bemerkenswerter Vorgang. Offensichtlich ist die Koalition bereits so zerrüttet, dass
ihr nicht einmal mehr ein gemeinsames Auftreten in den Ausschüssen gelingt. Dass heute der Finanzausschuss, der das nun klären sollte, wieder abgesagt worden ist - vermutlich, weil der Koalitionsausschuss noch nicht zu Ende getagt hat -, sagt auch einiges über den Zustand der Koalition aus.
Gemunkelt wird auch, dass die CDU der Auffassung ist, der Minister Döring müsse nun auch endlich einmal etwas abbekommen, nachdem er bisher als einziger Minister ohne Blessuren durch die Wahlperiode gekommen ist. So etwas kann eine CDU, die etwas auf sich hält, natürlich nicht zulassen.
Und der Ministerpräsident? - Schön, dass Sie hier sind, Herr Carstensen. Sie wissen, dass ich Sie menschlich sehr schätze.
- Ja, das meine ich auch so. Aber wie kommt es, dass wieder einmal alle querschießen und keiner so richtig auf Sie hören mag?
- Ich habe gesagt: Es schießen wieder einmal alle quer in Ihrer Fraktion und keiner hört richtig auf Sie.
Mein Fazit: Diese Reform tut kaum einem richtig weh, sie bringt uns aber auch nicht weiter. Der Justizminister zeigt, dass er etwas gestalten kann; die CDU-Fraktion zeigt, dass Koalitionsabsprachen nichts wert sind und der Ministerpräsident hat die Möglichkeit zu zeigen, dass niemand auf ihn hört.
Ich habe meine Rede in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfes im September mit den Worten beendet - mit Genehmigung des Präsidenten zitiere ich mich einmal selber -:
„Ich bin auf die zukünftigen Entwicklungen in der Justiz gespannt.“ - Ich wollte es nur spannend machen. Ich ergänze das heute mit einem Zitat frei nach Shakespeare: Sinn oder Unsinn, das ist hier die Frage! Ich bin sicher, dass wir uns noch öfter mit den Amtsgerichten beschäftigen werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Ziel, die Leistungsstärke und die Zukunftsfähigkeit der Amtsgerichte in SchleswigHolstein langfristig zu sichern, stieß die Landesregierung letztes Jahr eine Strukturreform bei den Amtsgerichten an. Die Umsetzung dieser Reform stieß seinerzeit nicht nur bei der Opposition auf heftige Kritik, auch viele Fachleute sprachen sich dagegen aus.
Ich rufe in Erinnerung, dass für den SSW nicht nachvollziehbar war, dass das Amtsgericht in Kappeln geschlossen werden sollte. Dabei bleiben wir, das ist für uns immer noch unverständlich. Doch die Landesregierung zeigte sich beratungsresistent und ging ihren Weg stur weiter.
Ein Punkt, der aus Sicht der Landesregierung für eine Amtsgerichtsstrukturreform sprach, war natürlich auch der finanzielle Aspekt. Zwar wurde dieser Aspekt nicht in den Vordergrund der Argumentation gestellt, er wurde aber mit herangezogen. Mit der Strukturreform sollen Amtsgerichte zusammengelegt und ihre Anzahl insgesamt reduziert werden. Durch diese Fusionen sollen insbesondere Neben- und Bewirtschaftungskosten gesenkt und Mieten für Liegenschaften eingespart werden. Ebenso sollen Einsparungen beim Personal im Bereich des einfachen Dienstes erzielt werden. Das war ein Teil der Zielsetzung.
Wenn wir aber etwas gelernt haben, ist es, dass Fusionen immer erst einmal Geld kosten und keine Einspareffekte erbringen. Derartige Strukturreformen bedingen, dass neue Liegenschaften anzumieten sind und erhebliche Investitionen getätigt werden müssen.
Die von der Landesregierung zugrunde gelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung war auf einen Zeitraum von 20 und 50 Jahre angelegt, was meines Wissens absolut unüblich ist. Diesen Berechnungen konnten wir bereits in den Debatten zur Amtsgerichtsstruktur nichts abgewinnen, da die dort genannten Einsparungen für uns nicht ersichtlich waren. Für den SSW steht also fest: Es wird dabei „Spitz auf Knopf“ schöngerechnet, indem unrealistische Zeiträume zugrunde gelegt werden.
Nun, ein Jahr später, holt uns die Wirklichkeit ein. Ein Planungsfehler beim Ausbau des Amtsgerichts
Lübeck erfordert einen Nachtrag von 1,8 Millionen €. Schätzungen, die für den Umbau des Lübecker Amtsgerichts zugrunde gelegt wurden, waren seinerzeit auch Teil der Kostenschätzung der Wirtschaftlichkeitsberechnung.
Wenn wir die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Landesregierung für 20 Jahre zugrunde legen, können wir feststellen, dass sich mit den Mehrausgaben von 1,8 Millionen € der erwartete Spareffekt mehr als halbiert hat. Innerhalb von nur einem Jahr ist die erhoffte Einsparung von 3,5 Millionen € auf nur noch 1,7 Millionen € geschmolzen - wer weiß, was im Laufe der nächsten 19 Jahre noch auf uns zukommt.
Mit anderen Worten: Wenn die Landesregierung Reformkonzepte vorgelegt, erwarten wir, dass diese Konzepte auch zu Ende gedacht sind - was hier eben nicht der Fall gewesen ist. Und nun überrascht uns ein Planungsfehler. Aber die Wirtschaftlichkeit ist laut Justizministerium immer noch gegeben - ich füge hinzu - für einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren. Welche Überraschungseier uns noch erwarten, lasse ich einfach einmal dahingestellt.
Abschließend bleibt festzustellen, dass die begonnene Reform jetzt zu Ende geführt werden muss. Wir können keine Ruine stehen lassen. Alles andere wäre inkonsequent und gegenüber den Standorten, an denen die Reform bereits durchgeführt wurde, nicht zu rechtfertigen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Der Tagesordnungspunkt ist mit der Berichterstattung der Landesregierung erledigt.