Protocol of the Session on December 13, 2007

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich wünsche mir solch ein Selbstverständnis für alle bei uns in diesem Land lebenden Minderheiten und die entsprechende Berücksichtigung vonseiten des Landes und der Landesregierung. Integration darf nicht heißen, dass eine Leitkultur übergestülpt wird, der sich die Menschen unterzuordnen haben. 14 Millionen Menschen leben in Deutschland mit einem Migrationshintergrund, darunter vier Millionen Aussiedler. 1,5 Millionen Kinder entstammen aus binationalen Familien. In Schleswig-Holstein leben nach dem Mikrozensus 2005 über 350.000 Menschen mit Migrationshintergrund. Dies entspricht einem Anteil an der Bevölkerung von fast 13 %. In der Altersgruppe unter sechs Jahre betrifft dies sogar fast jedes fünfte Kind.

Wir sind also objektiv eine multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft. Integration ist hier die vornehmlichste Aufgabe. Natürlich darf dabei nicht verhandelbar sein: unsere Verfassung, unsere Grundrechte und unser Rechtstaat. Auf dieser gemeinsamen Basis gibt es aber viel Raum für unterschiedliche Kulturen und Religionen.

Das Ansinnen gegenüber Minderheiten, sich unserer Kultur anzupassen und hier einzuordnen, begegnet auch objektiven Schwierigkeiten. Wir hatten heute morgen in unserem kleinen Kreis, in dem wir uns mit einigen Abgeordneten regelmäßig zum Frühstück treffen, wenn wir Landtagstagung haben und uns selber überprüfen, was es bedeutet, in Verantwortung vor Gott und den Menschen hier in diese Funktion als Abgeordneter gestellt zu sein, darüber Gedanken gemacht, dass wir als deutsche Kultur auch unsere christlichen Ursprünge, Rituale, Tagesabläufe im Gang des Jahres vernachlässigen. Beispielsweise hält Halloween Einzug in die deutsche Kultur, aber die ursprünglichen deutschen Kulturwerte verdämmern, werden vergessen und nicht gepflegt. Das beste Integrationsangebot, das wir machen können, ist tatsächlich, die deutsche Kultur selber aufrechtzuerhalten und zu pflegen und nicht von anderen zu verlangen, dass sie sich dem anpassen, was wir offensichtlich vernachlässigen.

Doch zurück zum Bericht! Ein Problem, das mit der Debatte um die Schülerbeförderung aktuell wie eh und je ist, ist die Gleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Kreisen, aber auch in den verschiedenen Einrichtungen. Auch im Kindergartenwesen der dänischen Minderheit geht es immer noch vorrangig um die Frage der Gleichbehandlung mit anderen freien Trägern

von Kindergärten. Hier trifft die Problematik insbesondere auf kommunaler Ebene zu, da ein Teil der Gemeinden trotz der gesetzlichen Regelungen im Kindertagesstättengesetz nicht gewillt ist, den Besuch eines Kindes im dänischen Kindergarten in gleicher Weise zu fördern wie den Besuch eines Kindes in einem Kindergarten eines anderen Trägers. Besonders verwunderlich erscheint dies, wenn man dann gleichzeitig in der Dokumentation über die Kindertagesstätten des Dänischen Schulvereins für Südschleswig liest, dass von den 55 Kindertagesstätten 43 sieben Stunden täglich geöffnet sind, elf acht Stunden täglich und einer sogar zehn Stunden täglich. Davon können sich viele der kommunalen, kirchlichen oder freien Träger eine Scheibe abschneiden.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier wird etwas für die Chancengleichheit getan. Das darf nicht an einer mangelnden Förderung dieses dänischen Trägers in diesem Fall - scheitern.

Friesischunterricht etwa an allen öffentlichen Schulen in Nordfriesland halte ich für schwierig nicht etwa, dass ich gegen diesen Unterricht wäre, aber es ist hier objektiv eine Ausdünnung zu beobachten, der wir entgegenarbeiten müssen. Es gibt weite Teile in Nordfriesland, nämlich den gesamten südlichen Teil und fast die gesamte Mitte, wo entweder das Friesische nie gesprochen wurde oder schon länger nicht mehr gepflegt wurde. In solchen Regionen wünschen Eltern vielfach Plattdeutschunterricht in der Schule. Die Friesischlehrerinnen und -lehrer werden mit öffentlichen Mitteln bezahlt, für Plattdeutschlehrerinnen und -lehrer gibt es kein Geld. So habe ich das in dem Bericht verstanden.

Ich denke, ein Friesischangebot in diesen Regionen sollte bei Bedarf gewährleistet werden, gleichzeitig sollten aber andere Dinge darunter nicht leiden.

Deutschland zählt zu den Staaten, die sich mit einer frühzeitigen Zeichnung und Ratifizierung der Sprachencharta zu einer aktiven Minderheiten- und Regionalsprachenpolitik bekannt haben. Wir sind also hier auch in der Pflicht.

Was den Bereich Kultur und Tourismus, beziehungsweise die Darstellung der Aktivitäten der Kreise betrifft, so haben Nordfriesland und Dithmarschen gemeinsam mit der Heider Fachhochschule eine Studie zur Optimierung der Angebote erarbeiten lassen, der auch als ein Leitfaden für die Regionen zur Entwicklung kulturtouristischer Projekte dienen soll. Leider wurde hier die Chance verpasst, die Kultur der Minderheiten als einen be

(Detlef Matthiessen)

sonderen Reichtum unseres Landes zu berücksichtigen.

Es gibt also auch Dinge, die zu verbessern sind. Es gibt viel Positives zu benennen - der Ministerpräsident sprach schon das neue Beispiel des Kieler Wohnprojektes Maro Temm an; auch ich freue mich, die Entwicklung dort zu beobachten und bin gespannt, wie das in Zukunft laufen wird.

Meine Damen und Herren, Sie haben gemerkt, wir sind uns - das ist deutlich geworden - in der Förderung in der Minderheitenpolitik hier im Hohen Hause einig.

Ihre Redezeit, Herr Abgeordneter!

Ja, ich komme zum Schluss.

Ich denke, bei Herrn Dr. Klug wurde aber auch deutlich: Wir müssen in unseren Reden zu diesem Thema nicht immer nur an den Problemen vorbeireden, sondern ich wollte versuchen, auch einige Dinge, die wir in unserer Minderheitenpolitik verbessern müssen, nicht unter den Teppich zu kehren bei aller Einigkeit im Grundsatz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erhält Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg: Der Kollege Harms wird auch noch zu dem Bericht reden. Ich verrate kein Geheimnis, dass er sich dann mit der Situation des Friesischen befassen wird.

Der SSW begrüßt, dass wir heute zum zweiten Mal den Minderheitenbericht der Landesregierung in der Mitte der Legislaturperiode diskutieren können. Das gibt uns nicht nur die Möglichkeit, die Ergebnisse der Minderheitenpolitik zu beurteilen, vielmehr können wir in der verbleibenden Zeit der Wahlperiode auch noch parlamentarische Initiativen ergreifen, die sich aus der Debatte des Berichtes ergeben.

Der Bericht gibt einen guten Überblick sowohl über den aktuellen Stand der Minderheitenpolitik auf Landesebene als auch über die Entwicklung der vier Minderheiten, die im Bericht erwähnt werden, nämlich der Dänen, der Friesen und der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein sowie der deutschen Minderheit in Dänemark.

Besonders hervorheben möchte ich, dass die Organisationen der Minderheiten in einem so genannten Forum die Möglichkeit erhalten, sich zu Problemstellungen ihrer Wahl zu äußern. Dadurch wird der notwendige Dialog zwischen Landesregierung, Landtag und den Vertreterinnen und Vertretern der Minderheiten mit dem Ziel dokumentiert, ihn weiter zu verbessern. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Minderheitenpolitik ein dynamischer Prozess ist, der stets von neuen Herausforderungen geprägt wird. Dem SSW ist es in diesem Zusammenhang wichtig festzustellen, dass die Minderheiten als handelnde Akteure an der Minderheitenpolitik des Landes aktiv mitwirken, zum Beispiel in dem neuen Dialogforum Norden oder in den Minderheitengremien des Landtages. Denn genau darum geht es: Wir wollen die Minderheitenpolitik des Landes gemeinsam mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus der Mehrheitsbevölkerung mitgestalten.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal klarstellen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark zwar ein wichtiger Baustein für die Entwicklung der Grenzregion ist und daher für die Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze einen hohen Stellenwert hat; sie ersetzt aber keinesfalls die eigentliche Minderheitenpolitik. Das Gleiche gilt für die vom Landtag in Auftrag gegebene Kompetenzanalyse „Minderheiten als Standortfaktor im deutsch-dänischen Grenzland“. Wir bezweifeln nicht, dass die Minderheiten für das Grenzland einen Mehrwert in kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht darstellen; dies alles darf aber nicht ausschlaggebend für die Ausgestaltung von Minderheitenpolitik des Landes sein.

Für den SSW ist entscheidend, dass die Angehörigen der Minderheiten als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger dieses Landes wahrgenommen werden, sowohl in kultureller wie auch in sprachlicher Hinsicht. Dies muss das Ziel der Minderheitenpolitik des Landes sein und genau daran muss sich dann auch die Landesregierung messen lassen.

Durch die Rahmenkonvention des Europarates und die europäische Sprachencharta hat die schleswigholsteinische Minderheitenpolitik verstärkt auch ei

(Detlef Matthiessen)

ne europäische Dimension erhalten, die uns daran erinnert, dass Minderheitenpolitik letztlich mit der UN-Menschenrechtskonvention zusammenhängt. Konkret gilt, dass das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit heute so gut ist wie selten zuvor. Dennoch gibt es eine Reihe von Problembereiche, die ich auch noch gern ansprechen möchte.

So sieht der SSW im Medienbereich große Probleme auf die dänische Minderheit zukommen und ich möchte hinzufügen: Ich glaube, sie werden auch auf die deutsche Minderheit zukommen. Aber vorerst wissen wir, dass die dänischen Fernsehsender ab 2009 den analogen Betrieb einstellen und die dänischen Programme dann nur noch digital empfangbar sein werden. Dies wird zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Empfangs des dänischen Fernsehens im Landesteil Schleswig führen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Digitalisierung auch im Kabelbereich zum Ausfall der dänischen Sender führen kann.

Dieses Thema haben wir bereits im letzten Jahr hier im Landtag debattiert, wobei wir vom SSW dankenswerterweise sowohl die Unterstützung der Landesregierung wie auch die des gesamten Hauses für unseren Antrag erhielten. Ich brauche also nicht zu wiederholen, wie wichtig der freie Empfang des öffentlich-rechtlichen dänischen Fernsehens für die dänische Minderheit ist, zumal das Angebot des NDR und das der privaten Anbieter in den Minderheitensprachen des Landes immer noch äußerst dürftig ist.

Ein Gutachten, das die ULR im letzten Jahr für die Landesregierung in Auftrag gab, empfiehlt die Einsetzung einer hochrangig besetzten deutsch-dänischen Expertenkommission, um die medienpolitischen und technischen Handlungsoptionen in diesem Bereich aufzuzeigen. Aus Sicht des SSW wäre es wünschenswert, wenn die Landesregierung diesen Vorschlag aufgriffe, mit dem Ziel, die BonnKopenhagener Erklärungen von 1955 im Medienbereich weiterzuentwickeln. Wir stellen uns also einen deutsch-dänischen Ansatz vor, zumal diese beiden Minderheitenerklärungen gerade für den Bereich der Medien konkrete Vorgaben machten, auf die aufgebaut werden sollte.

Ich bin sicher, dass wir uns mit, dem Thema der Medienentwicklung, in den kommenden Jahren sehr intensiv zu beschäftigen haben werden.

Der SSW hat die neue Möglichkeit für dänischsprachige Ortsschilder im Landesteil Schleswig begrüßt. Bei der Frage der dänischsprachigen Schilder, die natürlich nicht zuletzt mit Rücksicht auf die

Situation in Sønderjylland sehr sensibel angegangen werden muss, geht es vor allem um die kulturelle Anerkennung der dänischen Minderheit vor Ort. Daher müssen jetzt die Angehörigen der dänischen Minderheit gemeinsam mit ihren Nachbarn entscheiden, ob ihre Gemeinde oder ihre Stadt zukünftig auch in dänischer Sprache ausgeschildert werden soll. In Flensburg wird man schon ab dem nächsten Jahr eine zweisprachige Beschilderung einführen. Anderswo, zum Beispiel in Schleswig, begnügt man sich zunächst einmal mit einer dänischen Beschilderung an öffentlichen Gebäuden. Aber auch hier ist ein dynamischer Prozess in Gang gesetzt worden, der von der Landesregierung, vom Landtag und von den Minderheiten selbst aktiv begleitet werden muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen auch bei diesem Minderheitenbericht nicht umhin, auf die finanzielle Gleichstellung der dänischen Minderheit einzugehen. Mit dem Beschluss, ab dem 1. Januar 2008 wieder das Gleiche für die Schulkinder der dänischen Schulen wie für die Kinder der öffentlichen Schulen zu zahlen, hat die Landesregierung eine der wichtigsten Forderungen hinsichtlich der finanziellen Gleichstellung der Minderheit erfüllt. Das ist aus minderheitenpolitischer Sicht ein positives Signal. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass diese Gleichstellung seit 1998 ausgesetzt war.

Aber der gleiche politische Wille, der ab dem 1. Januar 2008 die Rückkehr des Gleichbehandlungsprinzips bei den Schülerkostensätzen vorsieht, sollte endlich auch bei den Schülerbeförderungskosten zum Tragen kommen.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sowohl die zuständigen Kreise als auch Dansk Skoleforening for Sydslesvig und der SSW haben seit Jahren immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass es in diesem Bereich für die dänische Minderheit keine gesetzliche Regelung gibt. Das Problem ist also hinreichend bekannt und die Große Koalition hat bei den Beratungen zum neuen Schulgesetz im Frühjahr 2007 signalisiert, dass sie gewillt ist, das Problem der Schülerbeförderungskosten im Jahr 2008 zu lösen.

Wir fordern, dass die mögliche erneute Änderung des Schulgesetzes auch dazu genutzt wird, eine Regelung für die Schülerbeförderungskosten zu den Schulen der dänischen Minderheit gesetzlich zu verankern, und dies unter dem Gesichtspunkt: Macht das ganze Paket noch einmal auf und dann sollte man alles aus einem Guss regeln.

(Anke Spoorendonk)

Zu guter Letzt möchte ich für den SSW zum Ausdruck bringen, dass wir uns darüber freuen, dass das Wohnprojekt der Minderheit der deutschen Sinti und Roma, Maro Temm, im Berichtszeitraum doch noch erfolgreich umgesetzt werden konnte. Die Bedeutung dieses Kieler Projekts für die Sinti und Roma kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Daher danken wir der Landesregierung und insbesondere auch Innenminister Stegner für ihren Einsatz bei der Überwindung der Schwierigkeiten, die es bei der Umsetzung dieses Wohnprojekts gegeben hat.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insgesamt dankt der SSW dem Ministerpräsidenten sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatskanzlei, in erster Linie vielleicht Herrn Pauls, für den ausführlichen und ausgewogenen Minderheitenbericht und wir bedanken uns bei der Minderheitenbeauftragten Caroline Schwarz für ihren unermüdlichen engagierten Einsatz für die Minderheiten in Schleswig-Holstein.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte große Lust, weitere Aspekte aufzugreifen. Aber das, was ich mir aufgeschrieben hatte, wollte ich unbedingt loswerden.

Eine letzte Bemerkung von mir. Auf Dänisch sagt man tag. Das kann man auch ohne Sprachkenntnisse verstehen. Also noch einmal: Tag von gro bereitning.

(Beifall)

Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk. - Nunmehr liegen Wortmeldungen für Dreiminutenbeiträge vor. Zunächst hat der Herr Abgeordnete Rolf Fischer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige Bemerkungen zum Beitrag von Detlef Matthiessen machen.