Ich danke dem Herrn Minister und eröffne die Aussprache. Jeder Fraktion steht entsprechend der Redezeit der Landesregierung eine Zeit von fünf Minuten 45 Sekunden zu.
Für die antragstellende Fraktion erteile ich zunächst dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion, dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich weiß gar nicht, was Sie immer mit mir haben. Möglicherweise ist es der Neid, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei und ihre gewerkschaftlichen Vertreter noch mit mir reden und mit Ihnen nicht mehr. Vielleicht lässt Sie das immer so aufbrausen.
- Das müssen Sie gar nicht tun. Fragen Sie doch einmal den Kollegen Rother. Er wird bestätigen, dass sie mit mir noch reden und mit Ihnen weniger.
- Der Kollege Rother hat genau das Gegenteil geschildert? Er hat jetzt auch eine dramatisch gute Veranstaltung beim Deutschen Beamtenbund hingelegt. Das muss man wirklich sagen. Schwierige Situationen, gut gemeistert.
Frau Präsidentin, ich dachte, ich spreche zur Sache, wenn ich meinen Kollegen Rother einmal loben darf. Aber das nehme ich auch gern wieder zurück.
Stehen die Dorfwachen der Polizei in SchleswigHolstein vor dem Aus? Mit dieser Frage wurden in den letzten Wochen diverse Zeitungsartikel eröffnet, die sich mit den Folgen der sogenannten Strategie 2012 auseinandergesetzt haben.
Ursache für das erneute Herumdoktern an den Polizeistrukturen nach der Umsetzung der Empfehlungen der sogenannten Reformkommission III war eine Überprüfung der Effizienz der kleinen Polizeistationen im Land. Als Ergebnis dieser Untersuchung hatte der Landesrechnungshof folgende Ergebnisse erzielt:
Er empfahl, erstens eine Entwicklung einzuleiten, die die Erfahrungen leistungsstarker Polizeidienststellen mit ihren effizienten Organisationsformen und Arbeitsweisen nutzt, um die Aufgabenerfüllung in anderen Polizeidienststellen effizient zu gestalten, zweitens über echte Einsparungen bei den Personalausgaben im Polizeibereich einen finanziellen Spielraum zu gewinnen und drittens die Polizei in das Personaleinsparkonzept der Landesregierung mit einzubeziehen; die für die nachgeordneten Behörden vorgesehenen Einsparungen in Höhe von 15 % bis zum Jahr 2010 sollten auch im Personalhaushalt der Polizei realisiert werden. Herr Präsident des Landesrechnungshofs, ich weiß wirklich nicht, wie das geschehen soll.
Der Landesrechnungshof wies auch darauf hin, dass die in den Empfehlungen der Reformkommission III genannten freigesetzten 160 Stellen, die von politischer Seite immer als zusätzliche Einsatzkräfte im Polizeivollzug versprochen worden waren, vom LRH als Einsparpotenzial gesehen würden.
Kurz nach der Veröffentlichung wurde im Innenministerium der Weg zur Strategie 2012 aufgenommen. Dabei gibt es diese Strategie 2012 bisher noch nicht als abgeschlossenes Papier. So lautet zumindest die Aussage eines Vertreters des Innenministeriums auf einer Veranstaltung der Deutschen Polizeigewerkschaft im Kreis Segeberg. Es gibt eine Arbeitsgruppe, die sich derzeit mit dieser Strategie befasst. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe liegen noch nicht vor. Hingegen gibt es den Beschluss des Landespolizeidirektors sowie der Behördenleiter und des Direktors des LKA zur Strategie 2012 vom
21. Dezember 2006. Unter anderem ist es nach diesem Papier Ziel der Polizei, erstens die Aufgabenwahrnehmung auf zu definierende polizeiliche Kernaufgaben zu konzentrieren und zweitens Bürgernähe und Wahrnehmung der allgemeinen Präventionsaufgabe durch Polizeidienststellen mit einer Mindestpersonalstärke von drei Polizeivollzugsbeamten zu gewährleisten.
Das hätte praktisch folgende Konsequenzen: Erstens. Die heute von der Polizei erfüllten Aufgaben würden künftig durch diese nicht mehr in vollem Umfang wahrgenommen. Zweitens. Alle Polizeistationen mit weniger als drei Polizeivollzugsbeamten würden geschlossen. Das hätte eine Schließung der kleinen Dorfwachen zur Folge.
Die Fragen, die die Landesregierung daher zu beantworten hat, lauten: Fallen künftig bisher polizeiliche Aufgaben vollständig weg beziehungsweise wer soll diese wahrnehmen - Ordnungsbedienstete, die dann von den Kommunen finanziert werden müssten, oder Private?
Herr Minister, hier hätten Sie gar nicht so weit gehen müssen. In der „Süddeutschen Zeitung“ von vorgestern kann man lesen, dass die bayerische Polizei Privatermittler mit der Auswertung von Daten unter anderem aus dem Internet beauftragt hat. Es stellt sich erstens die Frage der rechtlichen Grundlage, zweitens die Frage der Qualifikation und drittens die Frage der rechtlichen Verwertbarkeit. Um welche Aufgaben handelt es sich also, die möglicherweise anders organisiert werden sollen? Warum wird so dogmatisch an einer Personalstärke von mindestens drei Polizeivollzugsbeamten pro Dienststelle festgehalten?
Wir können uns speziell diesem letzten Punkt so nicht anschließen, vor allem dann nicht, wenn wir uns die Entwicklung des ländlichen Raums wirklich vor Augen halten müssen. Es gibt zwar auch in Schleswig-Holstein kleine Dienststellen, die räumlich so nah an zentralörtlichen Polizeistationen liegen, dass durch eine Zusammenlegung keine Qualitätsverluste in der Aufgabenerfüllung der Polizei entstehen. Im Einzelfall aber, wenn die Kriminalitätsbekämpfung durch längere Anfahrtswege vom Zentralort zum Einsatzort leidet, ist die Schließung einer kleinen Station im Einsatzbereich nicht ratsam. Daher muss die Schließung jeder Station im Einzelfall geprüft werden und nicht einem Dogma von mindestens drei Polizeivollzugskräften pro Dienststelle ausgesetzt werden.
Das hätte auch sehr nachteilige Auswirkungen auf den ländlichen Raum, der ja bereits heute durch das Planungsrecht - die der Möglichkeit der Ansiedlung von Einzelhandel und die Ausweisung von zusätzlichen Wohngebieten - und durch die bis heute immer noch im Gesetz verankerten Schülerbeförderungskosten benachteiligt ist. Es ist also kein Wunder, dass die Bekanntgabe möglicher Schließungen von kleinen Polizeidienststellen anscheinend erst nach der Kommunalwahl erfolgen soll. Ich warne alle Beteiligten davor, zu sagen, die Menschen haben keinen Bezug zu ihrer örtlichen Umgebung; zu den Kreisen oder wem immer. Zu ihren Polizeivollzugsbeamten vor Ort haben die Menschen einen realen Bezug, weil sie einen wesentlichen Teil ihrer subjektiv empfundenen Sicherheit davon ableiten.
Es muss darüber hinaus durch die Landesregierung unmissverständlich klargestellt werden, dass die Schließung einzelner Polizeistationen nicht für den weiteren Abbau von Personal bei der Polizei genutzt wird. Wir haben in der soeben geführten Debatte feststellen können, was dies künftig für Auswirkungen haben kann. Wir erwarten hier auch für die Beschäftigten der Polizei eine klare Aussage der Regierung dahin gehend, dass sie nicht mit Konzepten, an denen sie anschließend nicht mehr mitwirken können, vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Ich danke Herrn Abgeordneten Kubicki. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Peter Lehnert das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein wichtiger Grundgedanke unseres Handelns heißt: Keine Freiheit ohne Sicherheit. Wer Angst hat, Opfer von Kriminalität zu werden, wird in seiner Lebensführung eingeschränkt und verliert ein wichtiges Stück Freiheit und damit Lebensqualität. Um diese Freiheit besser zu schützen, haben wir im Koalitionsvertrag zahlreiche Verbesserungen im Bereich der Gesetzgebung vereinbart. Dadurch werden die Rahmenbedingungen für die polizeiliche Arbeit in Schleswig-Holstein deutlich verbessert. Die Aufgabenerfüllung unserer Polizei wird von den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land sehr positiv bewertet. Dieser Beruf genießt hohes Ansehen und Vertrauen; und das völlig zu Recht.
Immer wieder sind Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte besonderen Risiken ausgesetzt. Sie verrichten jeden Tag in Schleswig-Holstein einen schweren und oft auch gefährlichen Dienst. Dafür gebührt ihnen unser aller Dank und unsere Anerkennung. Deshalb haben wir für sie auch eine besondere Verantwortung und Fürsorgepflicht.
(Beifall bei der CDU sowie der Abgeordne- ten Wolfgang Kubicki [FDP], Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])
Die persönliche Sicherheit der Beamtinnen und Beamten hat dabei höchste Priorität. Die regelmäßige Überprüfung und Neuanschaffung von Schutzwesten ist hierfür ein wichtiges Beispiel. Weiterhin setzten wir auf einen modernen Fuhrpark und auf die Optimierung der EDV-Ausstattung. Die Gebäude und Diensträume werden auf den neuesten Stand gebracht, der Digitalfunk wird flächendeckend eingeführt. Dazu gehören aber auch zahlreiche Verbesserungen im Polizeirecht mit besseren und handhabbaren Eingriffskompetenzen. Im Gegenzug können wir feststellen, dass die Motivation der Polizei trotz zugegebenermaßen schwieriger Rahmenbedingungen vorbildlich ist. Gerade deshalb darf diese positive Grundeinstellung von uns nicht fahrlässig oder vorsätzlich aufs Spiel gesetzt werden.
CDU und SPD haben vereinbart, ein zukunftsfähiges Personalkonzept für die Landespolizei zu erarbeiten. Entscheidender Teil dieses Konzeptes ist eine nachhaltige Stellenstrukturverbesserung zugunsten der Beamtinnen und Beamten. Dabei muss der Schwerpunkt im operativen Bereich auf der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Polizeiarbeit vor Ort liegen.
Lassen Sie uns deshalb von der heutigen Debatte aus ein klares Signal an unsere Landespolizei senden: Es wird keinen Stellenabbau von Polizeivollzugsstellen geben. Ganz im Gegenteil, die Präsenz der Polizei im operativen Bereich soll durch konsequente Straffung der Leitungsorganisation verbessert werden. Beim Weihnachtsgeld haben wir gemeinsam eine sozialverträgliche Lösung gefunden. Bis zur Besoldungsgruppe A 10 werden 660 € ausgezahlt und für jedes Kind weitere 400 €. Darüber hinaus gibt es ab dem 1. Januar 2008 eine Gehaltserhöhung um 2,9 %. Außerdem wird es zu einer deutlichen Stellenstrukturverbesserung kommen. Die Landesregierung hat hierzu ein Personalentwicklungskonzept vorgelegt, nach dem in den Jahren 2006 bis 2010 insgesamt rund 2.900 Beamtinnen und Beamte befördert werden können. Davon
profitieren besonders Polizeibeamte des mittleren und des gehobenen Dienstes. Dies bedeutet auch mehr Klarheit und Planbarkeit für den Verlauf des weiteren Berufslebens.
Dieses umfangreiche und zukunftsfähige Personalkonzept gibt Sicherheit für die nächsten fünf Jahre und stellt in dieser Form eine bisher nicht gekannte Verlässlichkeit her. Damit setzen wir deutliche Zeichen für die Polizei in Schleswig-Holstein. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben die innere Sicherheit zu einem Schwerpunkt ihrer Politik gemacht. Deshalb wird es auch einen generellen Rückzug der Polizei aus der Fläche ebenso wenig geben wie eine Reduzierung der Polizeivollzugskräfte. Aber auch die Polizei muss angesichts der bedrohlichen Situation der Landesfinanzen ihren Konsolidierungsbeitrag leisten. Aus unserer Sicht bedarf es dabei einer vorurteilsfreien Überprüfung der Stellen in der Landespolizei, die nicht dem direkten Vollzugsdienst zugeordnet werden können. Im Übrigen sollten wir die Vorlage der Ergebnisse der vom Innenminister eingesetzten Strategiekommission abwarten, um deren Schlussfolgerungen und Vorschläge in den Parlamentsgremien ausführlich zu diskutieren.
Ich danke Herrn Abgeordneten Lehnert. - Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Thomas Rother das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal sage ich vielen Dank für das Lob. Ich kann es auch teilweise zurückgeben.
- Lieber Günter Neugebauer, der Berichtsantrag der FDP führt genau dazu, dass die Irritation über die Presseberichterstattung von vor gut 14 Tagen zur Strategie 2012 der Landespolizei hier im Parlament durch den Innenminister klar und richtig gestellt werden konnte. Obwohl die Berichterstattung durch die „Kieler Nachrichten“ und die „Lübecker Nachrichten“ gut und sachlich war, hat die „Norderstedter Zeitung“, die zum „Hamburger Abendblatt“ gehört, für ein wenig Verwirrung gesorgt; zugegebenermaßen auch bei mir.
zu Papier gebracht worden ist. Es ist eigentlich ein Versäumnis von mir, vielleicht aber auch von anderen, dass wir nicht schon vor einem Jahr hier im Parlament oder im Innen- und Rechtsausschuss darüber diskutiert haben. Da haben wir tatsächlich etwas versäumt.
Nach der grundlegenden Reform III - also der Neuordnung der Führungs-, Stabs- und Verwaltungsstruktur der Landespolizei - war es notwendig geworden, vorhandene und neue Aufgaben zu beschreiben, zu bemessen und in eine Rangfolge zu bringen, um steigenden Anforderungen in verschiedenen Deliktsfeldern gerecht zu werden. Im Wesentlichen ging es um die Frage: Wie organisiert man die Arbeit unterhalb der Direktionsebene? Wir haben es gerade eben diskutiert, eine Personalvermehrung bei der Polizei ist gegenwärtig eher utopisch. Damit muss das vorhandene Personal so optimal eingesetzt werden wie möglich, um Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Das wird - wie vom Innenminister beschrieben - in drei Schritten aufgearbeitet. Das ist durch die Berichterstattung nicht so ganz klar geworden. Nach der Analyse und der Aufgabenentwicklung kommt die Handlungsempfehlung und dann die Umsetzung. Gegenwärtig wird der erste Schritt gerade abgeschlossen und es war leider nicht glücklich, erste Ergebnisse öffentlich schon vorweg zu nehmen, sodass man sich zu Recht fragen konnte: Wo stehen wir in diesem Prozess? Diese drei Schritte sind in der Öffentlichkeit etwas durcheinander geworfen worden. Mit dem Bericht des Ministers ist dies klarer geworden.
Auf einen Punkt, der hier schon angesprochen worden ist, ist allerdings ein besonderes Augenmerk zu legen, nämlich die Zukunft der so genannten kleinen Stationen, also der Stationen mit einem oder zwei Beamten. Im Zielsetzungspapier aus dem vergangenen Jahr, das im Dezember 2006 entstanden ist, heißt es dazu: Dienststellen nur noch gleich/größer 3 PVB, wobei PVB Polizeivollzugsbeamte sind. Bekannt ist das Thema also schon länger. Hinzu kommen natürlich auch die entsprechenden Bemerkungen des Rechnungshofes, der - wenn ich das richtig verstanden habe - die Stellen gern einkassieren möchte. Genau dieser Punkt hat dann in den Pressegesprächen des Landespolizeidirektors Hamm zur Strategie 2012 eine zentrale Rolle gespielt. Die Marke 3 steht für Ausstattungsmerkmale und eine sicherere und umfassendere Dienstwahrnehmung, als es jetzt für kleine Polizeistationen der Fall sein kann.
„Daher stellt für Hamm eine mögliche Umstrukturierung keinen Rückzug aus der Fläche dar. Und sollten Stationen geschlossen werden, geschieht das nach einer Einzelfallanalyse.“
Ich denke, das ist wichtig für die Klärung dieser Frage; und deshalb frage ich mich natürlich ein bisschen, wo das Problem liegt. Denn schon jetzt werden kleine Polizeistationen - in der Regel wenn der Amtsinhaber ausscheidet - geschlossen. Hinzu kommen natürlich polizeitaktische Gründe, die beachtet werden. Das hat in der Vergangenheit niemanden so recht aufgeregt. Es heißt natürlich auch was Herr Hamm hier gesagt hat -, dass es dort, wo es sinnvoll ist, es weiterhin die kleinen, ein- und zweimännigen Stationen geben wird. Das Dogma, das hier beschrieben worden ist, habe ich bislang nicht erkennen können.