Protocol of the Session on December 12, 2007

(Beifall bei der CDU)

Gleichzeitig könnten Hamburg und Schleswig-Holstein beweisen, dass sie zu einer umfassenden Politikkoordination, die die Studie zurzeit noch bemängelt, fähig sind.

Parallel zu solchen Projekten muss auch die Frage einer dann unausweichlichen Reform des Finanzausgleichs geprüft werden. Regelungen der Auswirkungen einer Neugliederung auf die Finanzverfassung und verteilungsrelevante Gesetze sind unverzichtbar. So konnten auf einem Symposium des Lorenz-von-Stein-Instituts im Mai vergangenen Jahres die vortragenden Finanzwissenschaftler belegen, dass eine Fusion von Schleswig-Holstein und Hamburg zulasten beider Länder gehen würde. Einnahmeausfällen in Höhe von 1,2 Milliarden € wären die Folge. Ich darf den früheren Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Henning Voscherau (SPD), in seinem Vorwort zur Dokumentation dieses Symposiums zitieren: „Niemand sollte drum herum reden: Dann geht es nicht.“

Das ist seine klare Feststellung. Diejenigen, die an der Diskussion über den Solidarpakt und auch an der Diskussion über die Föderalismusreform II teilnehmen, wissen, dass die übrigen Bundesländer ein sehr geringes Interesse daran haben, hier eine Änderung vorzunehmen. Man muss unter den obwaltenden Umständen schlicht und ergreifend sagen: Mit der jetzigen Finanzverfassung und der jetzigen Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern ist ein Nordstaat völlig ausgeschlossen. Ich schlage dem SSW vor, die Angelegenheit dann wieder auf die Tagesordnung zu setzen, wenn es hier Änderungen gibt. In der jetzigen Situation verlangt maximale Kooperation von uns maximalen Einsatz zum Nutzen beider Länder.

(Beifall bei CDU und SPD)

(Dr. Johann Wadephul)

Ich danke dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Wadephul. - Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass Herr Carstensen nach der Wahl in Hamburg auch mit Herrn Neumann gut zusammenarbeiten wird.

(Zurufe)

- Herr Naumann heißt der, nicht wahr?

(Lachen bei der CDU)

Als gebürtiger Reinbeker bin ich trotz der Nähe meiner kleinen Heimatstadt zu Hamburg gern Schleswig-Holsteiner und möchte das auch bleiben. Der SSW hat die Landesregierung aufgefordert, Farbe zu bekennen und offiziell zu erklären, ob und wann sie einen gemeinsamen Nordstaat mit Hamburg anstrebt. Für die SPD-Landtagsfraktion bekenne ich hiermit Farbe und erkläre offiziell, dass wir keinen gemeinsamen Nordstaat mit Hamburg anstreben, dass wir aber sehr wohl daran mitwirken wollen und werden, die schon jetzt in vielen Feldern vorhandene und funktionierende partnerschaftliche Zusammenarbeit unserer beiden Bundesländer zu vertiefen, zu verstärken und auf neue Felder auszudehnen.

(Beifall bei FDP und SSW sowie des Abge- ordneten Lothar Hay [SPD])

Wir unterstützen deshalb wortwörtlich die Erklärung des Innen- und Rechtsausschusses unseres Landtages zur Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg, die wir in der Sitzung des Ausschusses am 19. September 2007 in Reinbek verabschiedet haben und die ich deshalb wörtlich zitieren möchte:

„Der Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages begrüßt die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Länder Schleswig-Holstein und Hamburg und plädiert für den weiteren Ausbau der Beziehungen und Kooperationen auf allen Ebenen. Der Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages stellt fest, dass die enge Zusammenarbeit von Schleswig-Holstein und Hamburg im härter werdenden Wettbewerb der Regionen für beide Seiten einen gewichtigen Standortvorteil darstellt. Dabei liegt es im Interesse

Schleswig-Holsteins, dass sich die Zusammenarbeit in der Metropolregion auf ganz Schleswig-Holstein bezieht, damit die wirtschaftlichen Impulse für alle Landesteile zum Tragen kommen.“

Genau das schien mir auch das Anliegen der beiden Regierungschefs aus Hamburg und Schleswig-Holstein bei ihrem jüngsten Zusammentreffen zu sein, nämlich konkrete Vorschläge für die weitere Zusammenarbeit der beiden Länder zu erarbeiten und dabei Schwerpunkte zu setzen, den gemeinsamen Auf- und Ausbau einer gemeinsamen Wirtschaftsund Wissensregion anzustreben, um sich gegen internationale Konkurrenz zu behaupten und die jeweils eigenen Stärken besser zur Geltung zu bringen, die Kooperation der Hochschulen voranzutreiben, die Schulpolitik verstärkt aufeinander abzustimmen, in der Außenwirtschaftsförderung Schnittmengen auszunutzen und in der Verkehrspolitik auch gegenüber dem Bund die Interessen zu bündeln, zum Beispiel beim Ausbau der Bundesautobahnen, beim Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals, bei der Elbvertiefung oder bei der FehmarnbeltQuerung.

All dies sind vernünftige Vorschläge, für die es einer formellen standesamtlichen Vereinigung zu einem Nordstaat nicht bedarf. Der Ministerpräsident hat dies hier in erfreulicher Deutlichkeit soeben bestätigt und damit öffentliche Irritationen ausgeräumt. Letztlich hätten die in der Presse bereits zu Brautleuten hochstilisierten Regierungskollegen Beust und Carstensen etwaige Hochzeitspläne ohnehin spätestens dann ad acta legen müssen, wenn es einmal ernst werden sollte. Auch darauf hat der Herr Ministerpräsident eben hingewiesen. Länderzusammenlegungen entstehen nicht durch die Zusammenlegung von Regierungschefs in Wohngemeinschaften, sondern schlicht, nüchtern und sachlich durch Bundesgesetz, das der Bestätigung durch Volksentscheid bedarf, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls. Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ministerpräsident ist ein Mann vom Lande. Er ist ein Mann der Landwirtschaft. So ist es kein Wunder, dass er ein Experte für Kartoffeln ist. Er

weiß, wie man am besten rin in die Kartüffeln und wedder rut ut de Kartüffeln kommt. Auf diese Expertise greift er dann auch ständig im politischen Alltag zurück. So war es in den Fragen von Kreisgebietsreformen oder Schülerbeförderungskosten. so ist es auch in der Frage der Bildung eines möglichen Nordstaates mit Hamburg.

Nur zur Erinnerung: Im Februar 2005 - vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein - trat unser heutiger Ministerpräsident mit dem Ersten Bürgermeister von Hamburg vor die Presse und verkündete zusammen mit Ole von Beust, dass es in 15 Jahren einen Nordstaat gebe. Ein Jahr später erklärte der mittlerweile zum Ministerpräsidenten aufgestiegene Peter Harry Carstensen, dass die Bildung eines Nordstaates den nächsten Generationen vorbehalten bliebe und dass derzeit die Rahmenbedingungen fehlten. Aktuell wird wieder Wahlkampf geführt, diesmal in Hamburg. Man trifft sich erneut mit dem Hamburger Bürgermeister und schon ist man wieder mit beiden Bundesländern auf dem Weg zum Standesamt.

Also entweder scheint dieses Thema aus Sicht der CDU-Landesverbände in Schleswig-Holstein und Hamburg ein glänzendes Wahlkampfthema zu sein oder aber Ole von Beust hat so leuchtende Augen, die unseren Ministerpräsidenten immer gleich an Hochzeit denken lassen. Ich schätze aber, sobald sich zwischen den beiden Regierungshäuptern die räumliche Distanz wieder vergrößert und die Wahlen in Hamburg gelaufen sind, wird das Thema im Sinn der Sache wieder auf die lange Bank geschoben, also wedder rut ut de Kartoffeln. Heute hat unser Ministerpräsident dazu ja schon einen Anlauf genommen.

Denn in der Sache ist es längst noch nicht so weit, dass wir realistisch über einen Nordstaat reden können. Dafür stimmen in der Tat die Rahmenbedingungen derzeit nicht. Die Rechnung, „aus zwei mach eins, das spart Verwaltungskosten“, lässt sich aber öffentlich gut verkaufen und scheint modern zu sein, auch wenn sie in der Realität oftmals weniger aufgeht als versprochen.

Wobei wir erkennen müssen, dass die Zustimmung zum Nordstaat in der Bevölkerung mit zunehmender Entfernung von Hamburg abnimmt, oder umgekehrt, je näher wir an Hamburg herankommen, nimmt sie entsprechend zu. Wir müssen zunächst die Zusammenarbeit weiter voranbringen, die ja auf Verwaltungsebene beispielsweise mit der Zusammenlegung der Eichämter und der Statistischen Landesämter - um nur zwei Beispiele zu nennen

bereits läuft, auch wenn die prognostizierten Effizienzgewinne überhaupt noch nicht eingetreten sind.

Wir müssen insbesondere auch die Weiterentwicklung der Metropolregion um Hamburg herum weiter voranbringen. Davon profitiert nicht nur der Wirtschaftsraum Hamburg, das südliche SchleswigHolstein und das nördliche Niedersachsen, sondern das strahlt bis in den Norden unseres Landes hinein. Immerhin gehört inzwischen auch Neumünster zur Metropolregion.

Ob wir dazu einen Großflughafen Kaltenkirchen wirklich brauchen, wie es nun erneut eine Studie des Weltwirtschaftsinstitutes empfiehlt, lasse ich mal dahingestellt. Es ist letztlich eine politische Leiche, die alle paar Jahr immer mal wieder ihren Weg aus dem Keller findet. Im Gegensatz dazu wird zum Beispiel der Bau der A 20 für das ganze Land Vorteile bringen. Die zwischen den norddeutschen Bundesländern entstandene Zusammenarbeit deckt insgesamt viele Bereiche ab. Das ist gut so.

Im Falle eines konstruierten Nordstaates bestünde im Vergleich zur gegenwärtigen Situation die Gefahr, dass interkommunale und interregionale Interessenkonflikte nicht zufriedenstellend gelöst werden können. In einem gemeinsamen Parlament mit Hamburg wäre allein aufgrund der Bevölkerungszahlen der ländliche Raum Schleswig-Holsteins entscheidend unterrepräsentiert. Ob die Interessen und Aufgaben der Region Schleswig-Holstein in einem mit Hamburgern oder Vertretern aus der Metropolregion überrepräsentierten Parlament wirklich berücksichtigt würden, ist zumindest zu bezweifeln. Schließlich redet bereits heute der Bürgermeister Hamburgs immer vom Hamburger Hinterland, wenn er über Schleswig-Holstein spricht. Das lässt bei Ole von Beust auf eine gewisse Rangordnung der Länder schließen.

Meine Fraktion unterstützt weiterhin die enge Zusammenarbeit mit den norddeutschen Bundesländern. Es ist möglich, dass die Region Schleswig-Holstein, Hamburg, aber zusätzlich auch Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen durch ein Netz von bilateralen oder multilateralen Übereinkünften und Projekten zusammenwächst, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger mit dem Problem konfrontiert werden. Sie meinen häufig, mit der Eigenständigkeit ihres Bundeslandes gehe auch ein Stück Tradition oder Identität verloren, was sicherlich nicht von der Hand zu weisen ist. Diese Frage hat zum Teil auch zum Scheitern des Zusammenschlusses von Berlin und Brandenburg im Jahr 1996 geführt und ist nicht zu unter

(Günther Hildebrand)

schätzen. Im Übrigen sind auch Vergleiche mit den Plänen zur Kreisgebietsreform angebracht.

Ich bin mir sicher, dass auch unser Ministerpräsident bald wieder erklären wird - er hat es ja eben schon getan -: Die Zeit für einen Nordstaat ist noch lange nicht reif.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hildebrand und erteile das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten KarlMartin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hat in Indien gesagt, er möchte mal von mir gelobt werden. Jetzt ist die Stunde gekommen.

(Heiterkeit und Beifall)

Meine Fraktion unterstützt die Bemühungen der Landesregierung um eine bessere Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein. Wenn sich die Ministerpräsidenten aufmachen, Entscheidungen zu treffen, die irgendwann in der Zukunft zu einem Nordstaat führen können, dann ist das lobenswert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das reicht allerdings nicht aus. Damit komme ich auf das Parlament zu sprechen.

Es ist auch unsere Aufgabe als Parlamentarier, als Vertreter der Menschen in Schleswig-Holstein, bei so grundlegenden Fragen unseres Landes mitzudenken, Konzepte zu entwickeln und die Weichen zu stellen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die Frage, wie ein Nordstaat aussehen soll, wie er erreicht werden kann und wie dies den Bürgern kommuniziert wird, ist nicht einfach zu beantworten. Die Studie des IfW macht deutlich, dass nicht alle Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein den Nordstaat so euphorisch sehen wie der Ministerpräsident. Gerade die Menschen im Norden, in den dem Nordstaat ferneren Regionen, sind unsicher, ob ihnen eine größere Kooperation tatsächlich nützt. Viele Menschen haben auch Angst, ihre Identität zu verlieren.

Meine Damen und Herren, der Weg zum Nordstaat ist kein Weg zum Standesamt, wie der Ministerpräsident neulich sagte. Dann könnte das Brautpaar von Beust und Carstensen ganz allein darüber entscheiden und ihrer Liebe frönen. Nein, es ist vielmehr eine Fusion zweier Vereine, die trotz Nachbarschaft sehr unterschiedlich in Mentalität, Spielkultur und Ressourcen sind. Gerade deswegen ergänzen wir uns hervorragend. Aber gerade deswegen gibt es auch viele Widerstände. Mit Sicherheit werden dabei jeder und jede mitreden wollen.

Ich fand übrigens interessant, dass sich beide Vertreter der Großen Koalition gegen den Nordstaat aussprechen. Ich hatte das Gefühl, dass der Ministerpräsident und ich an dieser Stelle allein kämpfen.

(Heiterkeit)

Ich will sagen, warum ich für den Nordstaat bin. Ich glaube, dass wir in fast allen landespolitischen Fragen keine Entscheidung ohne Hamburg treffen können - und Hamburg nicht ohne Schleswig-Holstein. Das gilt für die gesamte Verkehrspolitik. Zwei Drittel aller Zugfahrten von Bürgern kommen aus Schleswig-Holstein und gehen über die Hamburger Grenze. Zwei Drittel! Jede Entscheidung über den Nahverkehrsplan muss zusammen mit Hamburg getroffen werden.

Das gilt für den Straßenverkehr, das gilt auch für den Umweltschutz. Hamburg kann nicht mehr bauen, ohne Ausgleich aus Schleswig-Holstein zu bekommen. Das heißt, wir sind in der Gefahr, ständig suboptimale Entscheidungen zu treffen. Wir sind in der Gefahr, dass in der Wirtschaftspolitik dann, wenn sich Hamburg durchsetzt, de facto Investitionen nur in Hamburg und im Hamburger Rand stattfinden. Wir wollen aber, dass es auch eine Ausstrahlung bis nach Flensburg und Husum gibt. Das bedeutet, wir brauchen eine gemeinsame Landesregierung, die die politischen Entscheidungen so ausgewogen trifft, dass die gesamte Region beteiligt ist. Deswegen glaube ich, dass ein Nordstaat zu optimalen und besseren Entscheidungen führt. Und ich glaube auch, dass man die Herzen der Menschen dafür gewinnen kann; denn Hamburg war ja historisch auch einmal ein Teil von Holstein. Es ist ja nicht so absurd, wenn Hamburg wider zurückgeführt wird.

Das Parlament muss sich in diese Fusionsverhandlungen einmischen. Es kann nicht sein, dass die Ministerpräsidenten von Hamburg und SchleswigHolstein seit Jahren über den Nordstaat und die Zusammenarbeit reden und das Parlament sich nicht wirklich damit beschäftigt.