Protocol of the Session on November 21, 2007

Zweitens. Die Verfahren werden fortentwickelt und weiter vereinfacht. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, in das der größte Teil der Bauvorhaben fällt, wird weiter gehender als im bisherigen Bauordnungsrecht überhaupt nicht mehr geprüft. Das bisherige Baufreistellungsverfahren ist zu einem Genehmigungsfreistellungsverfahren entwickelt worden, in dem die Gemeinde eine besondere Rechtsstellung erhält und in das deutlich mehr Vorhaben als bisher fallen. Zusätzliche Fristenregelungen lassen eine weiter gehende Beschleunigung der Verfahren erwarten.

Drittens. Der Katalog der verfahrensfreien Vorhaben, die weder einer Baugenehmigung bedürfen noch anzuzeigen sind, ist maßvoll erweitert worden.

Viertens. Die Erkenntnisse aus den praktischen Erfahrungen, die mit der bisherigen Landesbauordnung im kommunalen Bereich sowie in der Architekten- und Ingenieurschaft gesammelt wurden, werden in der neuen Landesbauordnung umgesetzt.

Dieser Gesetzentwurf erhielt in der Anhörung - naturgemäß mit unterschiedlicher Gewichtung - eine positive Resonanz. Dabei fanden die Fortentwicklung der Verfahren, die Verminderung der Vorschriftendichte sowie die Erweiterung der verfahrensfreien Vorhaben breite Zustimmung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was man jetzt in Hamburg gerade als Fortschritt der Entbürokratisierung feiert, haben wir schon seit fünf Jahren in der schleswig-holsteinischen Bauordnung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die weitgehende Streichung bisheriger Regelungen macht eine Gesamtnovellierung des Gesetzes mit neuer Paragraphenfolge erforderlich. Der Umfang der Vorschriften hat sich erheblich verringert. Unter Berücksichtigung der Beschlüsse der unabhängigen Sachverständigenkommission sind, soweit vertretbar, materielle Regelungen gestrichen worden, die verzichtbar sind oder in die Eigenverantwortung der Nutzerinnen und Nutzer gestellt werden können. Soweit Regelungen weiterhin erforderlich sind, sind die Anforderungen so gering wie möglich gehalten worden und anwenderorientiert formuliert.

Abweichend von den Beschlüssen der Sachverständigenkommission ist das Innenministerium aber dem Vorschlag zum Verzicht auf die Verpflichtung zum Einbau von Rauchwarnmeldern in Wohnungen nicht gefolgt, weil das dem Schutz von Leib und Leben dient und dieser Landtag beschlossen hat, dass er das so will, dass wir das machen. Das ist ja noch gar nicht so lange her, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Prüfung und Überwachung bautechnischer Anforderungen sind, weil die bautechnischen Risiko- und Gefährdungspotenziale nicht verfahrens-, sondern vorhabenabhängig sind, eigenständig geregelt worden, und zwar je nach Schwierigkeitsgrad und Gefährdungspotenzial differenziert zwischen den Bauvorhaben. Bei Sozialbauten wie zum Beispiel einer Eissporthalle ist es schlecht, wenn dann, wenn so etwas passiert ist, über Defizite geredet wird, zum Beispiel dass es eine unabhängige Prüfung geben muss. Man muss das vorher tun; das ist jedenfalls meine Auffassung. Deshalb wird es auch weiterhin umfassend geprüft. Das, was in Bayern bisher anders war als in allen anderen Ländern, ist dort zu Recht geändert worden.

Die Verantwortung der am Bau Beteiligten wird weiter gehend klargestellt. Im Rahmen der bautechnischen Nachweise erhalten Prüfingenieurinnen und Prüfingenieure für Standsicherheit und die neu eingeführten Prüfsachverständigen für Brandschutz eindeutige Verantwortungsbereiche. Diese Sachverständigen verantworten oder prüfen in ihren Aufgabenbereichen abschließend bautechnische Nachweise und den Brandschutz, ohne dass es einer gesonderten Prüfung durch die Behörden bedarf.

Ich meine, Sie werden sehen, dass dies eines der Gesetze ist, das all die Dinge, die Sie uns immer wieder zu Recht mit auf den Weg geben, erfüllt.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Diskussion im Plenum und in

den Ausschüssen. Ich glaube, wir haben damit wieder einmal bewiesen, dass Schleswig-Holstein in diesen Fragen nicht nur im Norden ganz oben, sondern auch ganz vorne ist.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Innenminister. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Wilfried Wengler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die große Menge bestehender gesetzlicher Vorschriften hat nicht nur in Schleswig-Holstein eine kritische Inventur des Bestandes und der Art der Aufgabenwahrnehmung notwendig gemacht. Im Zuge dieser Aufgabenkritik überprüfen wir den Aufgabenbestand der Verwaltung mit dem Ziel, den Umfang auf das Notwendige und wirklich Wichtige zu reduzieren. Auf diesem Wege wird die Verwaltung vereinfacht und überflüssige Bürokratie wird abgebaut.

Ein gutes Beispiel für diesen Prozess ist die Landesbauordnung, die unter Einschaltung einer unabhängigen Sachverständigenkommission eingehend überprüft wurde. Auf dieser Grundlage entstand der jetzt vorliegende Gesetzentwurf.

Lobenswert sind die vorgesehene Reduktion von Regelungen auf das Wesentliche, die Vereinfachung von Bauverfahren sowie das generelle Bemühen um verständliche Formulierungen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Gleichwohl besteht hinsichtlich einzelner Punkte sicherlich noch Erörterungsbedarf, was angesichts des Umfangs dieses Gesetzesentwurfs niemanden verwundern wird.

So stellt sich die Frage, ob man einzelne Bestimmungen nicht noch anwenderfreundlicher, vielleicht auch kürzer fassen könnte. Als Beispiel möchte ich nur die Regelung der Abstandsflächen in § 6 nennen.

Des Weiteren ist die Verpflichtung zur Einrichtung von Kleinkinderspielplätzen nach § 8 Abs. 2 zu erwähnen. Es ist zu betrachten, ob die vorgesehene Einrichtung ab drei Wohneinheiten angemessen ist oder ob eine derartige Begrenzung beispielsweise in das Benehmen der jeweils zuständigen Kommune gegeben werden kann.

Auch bezüglich der Nachrüstpflicht mit Rauchwarnmeldern nach § 49 Abs. 4 sehe ich noch Erörterungsbedarf. Es ist zu klären, ob insoweit nicht eine unverhältnismäßige Belastung der Eigentümer vorliegt, vor allem im Hinblick auf die erforderliche Wartung der Geräte. Das Vorhandensein von Rauchmeldern ist unstreitig ein wichtiger Sicherheitsfaktor. Denkbar wäre aber auch ein Einbau in Eigenverantwortung des Wohnungsnutzers.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nicht zuletzt sollten wir dabei auch berücksichtigen, dass sich die unabhängige Sachverständigenkommission gegen eine Nachrüstpflicht mit Rauchwarnmeldern ausgesprochen hat. Es ist zu fragen, ob gegebenenfalls eine Öffnungsklausel vorzusehen ist.

Ein weiterer Punkt ist die Bauvorlageberechtigung. Zur Gewährleistung von Qualität und Sicherheit wird in diesem Bereich noch darüber nachzudenken sein, ob nicht jeder Bauvorlageberechtigte über eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung verfügen muss.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)

Der Entwurf lässt hier gewisse Ausnahmen zu.

Die von mir dargestellten Punkte sind nur Beispiele und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Diskussion weiterer Positionen werden wir im Ausschuss genügend Raum haben. Insgesamt stellt die Novellierung der Landesbauordnung einen Schritt in die richtige Richtung dar. Die noch offenen Einzelfragen sollten wir im Ausschuss erörtern, um zu einem stimmigen Gesamtergebnis zu gelangen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Wengler. - Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Thomas Hölck das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Novellierung der Landesbauordnung ist es gelungen, bürokratischen Ballast verantwortungsbewusst abzubauen, ohne mit den neu formulierten Vorschriften die Sicherheit der Bevölkerung zu gefährden. Ich will dies am Beispiel des Brandschutzes verdeutlichen.

(Minister Dr. Ralf Stegner)

In § 15 der reformierten LBO bezieht sich der Brandschutz nicht nur auf die Planung und Errichtung von baulichen Anlagen, sondern ausdrücklich auch auf die Instandhaltung. Diese neue, differenziertere Formulierung des Brandschutzes ist im Hinblick auf die Vernachlässigung von Bestandsbauten von großer Bedeutung. Schleswig-Holstein ist als Flächenland besonders häufig vom Verkauf und Weiterverkauf von Wohnungsbeständen betroffen. Die Renditen, die dabei erzielt werden, gehen häufig zulasten der Bestandspflege der Wohnungen. Mit der Durchsetzung dieser und anderer neuen Vorschriften kann man den Heuschrecken am Wohnungsmarkt Fesseln anlegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will hinzufügen, dass fahrlässig handelt, wer Bürokratieabbau nur betreibt, um einem Modetrend zu genügen. Wer die Landesbauordnung vereinfacht, muss auch kritisch betrachten, ob eventuell Gefahren heraufbeschworen werden oder ob beispielsweise ein so schreckliches Unglück wie der Einsturz der Eissporthalle im bayerischen Bad Reichenhall durch die Vereinfachung der Bauvorschriften erst ermöglicht wird.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wer sich allerdings die haarsträubenden Fehler bei der Konstruktion und beim Bau der Eissporthalle vergegenwärtigt, kommt zu dem Schluss: Eine vereinfachte Bauordnung wäre nicht schuld gewesen. Wenn fast alle Ebenen und Verantwortlichen versagen, dann helfen weder sinnvolle technische Regelwerke noch bürgerfreundliche Verwaltungsverfahren. Sachverstand und Verantwortungsbewusstsein der am Bau Handelnden müssen sich mit den Bauvorschriften ergänzen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sehr geehrte Damen und Herren, in § 49 - Wohnungen - wird der Eigentümer weiterhin zum Einbau von Rauchmeldern verpflichtet. Das ist nicht neu, aber immer wieder umstritten. Dabei können Rauchmelder Menschenleben retten. Zuletzt starben in der Nacht zum 1. Oktober dieses Jahres eine Mutter und ihre Tochter in Schönberg an Rauchvergiftung. Der zuständige Wehrführer ist sich sicher, dass die beiden überlebt hätten, wäre ihre Wohnung mit einem Rauchmelder ausgerüstet gewesen.

Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt daher nach wie vor ausdrücklich die Verpflichtung zur Montage von Rauchmeldern. Allerdings bin ich gern be

reit, über die Bedenken der Wohnungseigentümer hinsichtlich der rechtlichen Klarheit für die Haftung im Schadensfall im Innen- und Rechtsausschuss nachzudenken.

Bei den Rauchmeldern handelt es sich häufig um Geräte einfachster Bauart, die für 3,99 Euro im Baumarkt zu erwerben sind. Der Einbau von Rauchmeldern gewährleistet aber nicht, dass diese Geräte durchgehend voll funktionsfähig sind. Wer haftet also bei einem technischen Defekt oder beim Zweckentfremden der Batterie?

Ich kann mir vorstellen, dass wir als Landesgesetzgeber den Wohnungsnutzer hinsichtlich der Wartung und Funktionsbereitschaft der Geräte in die Verantwortung mit einbeziehen.

Ein wesentlicher Baustein der reformierten LBO ist das Bauen ohne Genehmigung. Mit dem sogenannten Genehmigungsfreistellungsverfahren wird das Bauen in Bereichen gültiger Bebauungspläne für die Bauwilligen wesentlich vereinfacht. Die Genehmigungsverantwortung liegt nun ausdrücklich bei der Gemeinde. Sie hat die Bauvorlagen hinsichtlich der Konformität mit den Festlegungen im Bebauungsplan zu überprüfen und gegebenenfalls zu widersprechen.

Mit den Neuregelungen erhalten Architekten, Ingenieure und Bauausführende gemeinsam mehr Eigenverantwortung. Dabei ist allerdings auch festzustellen, dass das bisherige Baufreistellungsverfahren nach § 74 der geltenden LBO, das sogenannte Anzeigeverfahren, von den Bauvorlageberechtigten bisher zu selten genutzt wird. In Zukunft wird es also darauf ankommen, diese neu gewonnene Eigenverantwortung auch zu nutzen.

Erwähnen möchte ich noch die Konkretisierung des barrierefreien Bauens, gerade für bauliche Anlagen, die öffentlich im Rahmen des allgemeinen Besucherverkehrs zugänglich sind. Menschen mit Behinderung, alte Menschen und Personen mit Kleinkindern müssen öffentlich zugängliche Räume barrierefrei und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend nutzen können. Das ist ein fundamentaler Anspruch an die Barrierefreiheit. Denn Barrierefreiheit ist nicht gleich Barrierefreiheit. Für Menschen mit einer Sehbehinderung gelten andere Kriterien als für Menschen, die im Rollstuhl sitzen. So sind für Sehbehinderte Sensorschalteinrichtungen, kontrastarme Flure oder Kennzeichnungen eben nicht barrierefrei. Ich bin optimistisch, dass ein neuer Schub für die Umsetzung der Barrierefreiheit erreicht werden kann.

(Thomas Hölck)

Abschließend ist festzustellen: Der Gesetzentwurf zur Reform der LBO ist eine fundierte Grundlage, die es verdient hat, sachlich im Innen- und Rechtsausschuss beraten zu werden. Ich bin sicher, dass die reformierte LBO bei den Architekten und Ingenieuren schnell Anerkennung erlangen wird. Gilt doch der fundamentale Satz von Entenhausens Oberingenieur Daniel Düsentrieb: „Einem Ingeniör ist nichts zu schwör.“

(Beifall bei der SPD)