Protocol of the Session on October 12, 2007

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 36 auf:

Bericht der Landesregierung über „Initiativen zur Änderung planungsrechtlicher und gesetzlicher Grundlagen sowie der Fördermaßnahmen zum Zwecke der langfristigen Umstellung auf erneuerbare Energien“; Neubau von Kohlekraftwerken in Schleswig-Holstein verhindern

(Lars Harms)

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1624

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1658

Für die Berichterstattung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen einen schriftlichen Bericht vorgelegt, der deutlich macht, dass die Landesregierung gemeinsam bemüht ist, die Situation für die Förderung von erneuerbaren Energien zu verbessern. Wir fühlen uns aufgrund der Überlegungen, dass nachhaltiges Wirtschaften speziell im Bereich der Energiepolitik eine große Rolle spielen muss, dazu verpflichtet. Insoweit verweise ich auf die gestrige Debatte zum Thema Klimaschutz.

Vor gut 15 Jahren, im Juni 1992, hat die Weltgemeinschaft auf dem UNO-Gipfel in Rio de Janeiro die Agenda 21 verabschiedet. Im Kern verpflichtet sie uns dazu, die Nachhaltigkeit grundsätzlich zu einer wichtigen Aufgabe, zum obersten Prinzip unseres Handelns zu machen; es ist also gewissermaßen ein neuer kategorischer Imperativ für die Politik des 21. Jahrhunderts. Meiner Meinung nach ist danach in den folgenden 15 Jahren die Erkenntnis gewachsen, dass die vom Menschen verursachte Erderwärmung an Brisanz eher gewonnen hat.

Klar ist, dass eine nachhaltige Umwelt- und Entwicklungspolitik nicht von der Wirtschaft- und Energiepolitik getrennt werden kann. Klar ist auch, dass internationale Abkommen und Beschlüsse letztlich immer auf regionaler beziehungsweise lokaler Ebene umgesetzt werden müssen. „Think global, act local“, muss auch für die Landespolitik die Maxime sein.

Unsere Initiative zur Änderung planungsrechtlicher und gesetzlicher Grundlagen sowie die Fördermaßnahmen zum Zwecke der langfristigen Umstellung auf erneuerbare Energien, über die ich heute berichte, umfassen wichtige Punkte, die ich noch einmal kurz vorstellen will.

Zur Windkraft. Die Windkraft bietet enorme Potenziale; darüber ist gestern berichtet worden. Diesbezüglich möchten wir eine weitere Unterstützung für eine nachhaltige Energieversorgung vornehmen, indem wir die raumordnerischen Grundlagen für die Windenergienutzung verbessern. Konkret brauchen wir mehr Standorte für Testanlagen. Konkret

brauchen wir eine Umwidmung von Konversionsflächen, die uns besonders geeignet erscheinen. Konkret geht es darum, dass wir mehr Flexibilität bei der streng abgesicherten Gebietskulisse Platz greifen lassen.

Wir gehen davon aus, dass wir 1 % der Fläche von Schleswig-Holstein für die Gewinnung erneuerbaren Energien nutzen wollen. Das bereitet in bestimmten Flächen Schwierigkeiten, beispielsweise dort, wo es um Repowering von vielen kleinen auf wenige große Anlagen geht. Wir müssen also mehr Flexibilität walten lassen, als es bisher der Fall ist. Dazu führen wir mit dem Innenministerium Gespräche, in denen diese Fragen im Zusammenhang mit dem Raumordnungsverfahren beantwortet werden sollen. Es geht auch um das Thema Abstandserlass und seine Wirkung. Und es geht auch um den Vergleich mit Bundesregelungen in diesem Bereich.

Des Weiteren wollen wir die Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verbessern. Die Landesregierung plant konkret eine Bundesratsinitiative, um die Vergütung im Offshorebereich für die ersten 1.000 MW auf 13 ct pro Kilowattstunde anzuheben.

Wir wollen die Degression, also die jährliche Absenkung der Vergütung von 2 % für Onshore- und Offshore-Anlagen, bis zum Jahr 2015 aussetzen. Das möchten wir tun, weil das EEG ursprünglich davon ausgegangen ist, dass wir bereits heute eine große Anzahl von Offshore-Parks installiert hätten. Das ist jedoch nicht der Fall und insofern kann und darf die Degression nicht greifen. Windenergieanlagen, deren Referenzwert unter 80 % liegt, sollen überhaupt keine Vergütung mehr erhalten. Wir wollen, dass Anlagen nur dort genutzt werden, wo auch tatsächlich Wind vorhanden ist. Wir wollen die Förderung nicht übertreiben und keine Subventionierung in Flächen vornehmen, in denen sie keinen Sinn macht.

Im Bereich der Biomassenutzung unterstützt die Landesregierung mehr Kraft-Wärme-Kopplung, eine nachhaltige Landwirtschaft sowie einen verbesserten Zugang der Biogaseinspeisung ins Erdgasnetz. Ich erwarte weitere Impulse durch neue, innovative Projekte in Schleswig-Holstein.

Im Wissenschafts- und Technologiebereich sind wir bereits in die Offensive gegangen. Das ist der dritte Komplex. Ich nenne nur das Kompetenzzentrum Windenergie; ich nenne die Forschungsplattform „Neptun“, die im Sommer nächsten Jahres in Betrieb genommen wird; ich nenne das Kompetenzzentrum Biomassenutzung. Das alles sind Projekte, die uns ökologisch und ökonomisch weiter

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

bringen und für die Fördermittel von über 10 Millionen € gut angelegt sind.

Auch aus dem Zukunftsprogramm Wirtschaft können wir einzelne Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien fördern, seien es neue Kompetenzen, neue Cluster oder Reginoalmanagements sowie Projekte wie die neue Messehalle in Husum. Auch das liegt im Interesse der Windwirtschaft und damit auch der Windenergie.

Wenn man dann noch die INTERREG-Programme und die anderen fachspezifischen Programme hinzunimmt, kann sich kaum jemand über mangelnde Förderung der erneuerbaren Energien beklagen.

Ich hoffe, dass auch die Bundesregierung noch eine Schippe drauflegt. Die Eckpunkte für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm, die vor kurzem beschlossen worden sind, nähren die Hoffnung auf ein Erneuerbare-Energie-Wärmegesetz. Falls die Bundesregierung dazu keinen Entwurf vorlegt, müssen wir dringend über ein Landeswärmegesetz nachdenken. Wir werden hier die Initiative ergreifen.

(Beifall der Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Mit dem vorliegenden Bericht hat sich die Landesregierung im Wesentlichen auf die Energieträger Windenergie und Bioenergie konzentriert. Weitere Aktivitäten können Sie der ebenfalls vorliegenden Antwort zur Großen Anfrage der CDU-Fraktion zum Klimaschutz entnehmen. Auch dort wird das eine oder andere ergänzend ausgeführt.

Klar ist, wir müssen weiter für erneuerbare Energien trommeln. Sie stehen im Mittelpunkt einer nachhaltigen Politik. Schleswig-Holstein wird im Bereich der erneuerbaren Energien nach wie vor ein Spitzenland bleiben und wir werden dies auch als Messestandort nach außen zeigen. Sowohl die HUSUMwind als die new energy spielen hier eine große Rolle.

Ich habe den Eindruck, dass die Aktivitäten der Landesregierung im Bereich der erneuerbaren Energien Zustimmung und Anerkennung finden. Dies ist die beste Voraussetzung dafür, dass wir gemeinsam einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Entwicklung leisten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Minister für seinen Bericht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Tagesordnungspunkt ist durch einen eben eingetroffenen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erweitert worden. Dieser Antrag ist noch nicht aufgerufen worden. Ich hole dies jetzt nach und rufe auch den Antrag Drucksache 16/1658 zur Beratung auf.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für den antragstellenden SSW Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An dem heute uns vorliegenden Bericht kann man deutlich sehen, dass die Landesregierung immer noch kein tragfähiges Konzept hat, wie die erneuerbaren Energien vorangebracht werden sollen. Wahrscheinlich fehlt der Landesregierung der wirkliche Wille hierzu. Auf jeden Fall fehlen im Bericht Aussagen zu den wichtigsten Themen, die wir im Energiesektor haben.

So wird gleich am Anfang des Berichtes gesagt, dass der neue Landesentwicklungsplan für neue Planungsgrundlagen bei der Windenergienutzung sorgen soll. Welche neuen Grundlagen das sein sollen, wird aber nicht verraten. Bisher war es die Absicht der Landesregierung, die Planung der Windenergie auf die kommunale Ebene, sprich die Kreise, zu verlagern. Unter welchen Bedingungen dies geschehen soll, darüber schweigt sich der Bericht aus.

Wir als SSW haben schon vor Kurzem in einem Antrag deutlich gemacht, dass erst einmal die seinerzeit schon als tauglich befundenen Eignungsflächen, die von den Kommunen nicht angenommen wurden, aktiviert werden müssten. Es müsste den Kommunen erlaubt werden, diese Flächen nachzumelden, damit ohne große Planungsverzögerungen schnell neue Flächen gewonnen werden können. Außerdem haben die Verbände der Windenergie und die Betreiber angeregt, die Abstandsregelungen neu zu fassen. - Von alledem kein Wort in dem Bericht. Entweder will man hier nichts weiterentwickeln oder aber man will bewusst eine Branche aus ideologischen Gründen in der Entwicklung einschränken.

Aber eine solche Debatte steht und fällt natürlich auch mit der Netzanbindung. Es ist zwar löblich, dass sich die Landesregierung für eine höhere Vergütung für Windenergie einsetzen will, das Ganze macht aber nur dann Sinn, wenn man diese gewonnene Energie auch ableiten kann. Hierfür müssen insbesondere die planungsrechtlichen Grundlagen auf Bundesebene dahin gehend geändert werden,

(Minister Dietrich Austermann)

dass endlich wirklich eine Pflicht zur Bereitstellung von Leitungskapazitäten durch die Energiegesellschaften festgelegt wird.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gleichzeitig muss auch klar festgelegt werden, dass Erdkabel als langfristig preiswertere und naturschonende Variante eine entsprechende Priorität im Gesetz bekommen. Deshalb sind wir für den Antrag der Grünen so dankbar. Eine Situation wie jetzt, in der ein Energieversorger blockieren kann und in der man aufgrund von Rechtsstreitigkeiten mit jahrelangen Verfahren rechnen muss, ist nicht zu akzeptieren. Aber auch hierzu kein Wort in dem Bericht.

Ebenfalls nichts hört man zur Solarenergie. Zwar sprießen die Anlagen wie Pilze aus dem Boden und damit meine ich nicht die auf den Hausdächern, sondern die Solarparks -, aber trotzdem kein Wort zu den diesbezüglichen möglichen planungsrechtlichen Grundlagen.

Auch die Biogasanlagen tauchen im Bericht nur kurz im planungsrechtlichen Teil auf. Biogas soll demnach auch ins Erdgasnetz eingespeist werden. Das ist zwar gut so, aber eigentlich nicht Kern der Fragestellung. Vielmehr dreht sich die Fragestellung um die Auswirkungen von Biogasanlagen auf Natur und Umwelt und um ihre Auswirkungen auf den Menschen. Damit verbunden ist die Akzeptanz dieser Anlagen in den Regionen und bei den Menschen. Wer hier keine ordentliche Planung durchführt, gefährdet genau diese Akzeptanz und damit die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Zweig.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb ist es sowohl für die Solarenergie als auch für Biogasanlagen dringend notwendig, dass wir eine landesweite Planung entsprechend der Windeignungsplanung bekommen.

(Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Hier müssen genaue Planungsräume festgelegt werden, in denen sich diese Energieformen entwickeln können, und gleichzeitig müssen diese aber auch dort begrenzt werden, wo sie aufgrund der Konkurrenzsituation untereinander oder aufgrund von naturschutzfachlichen Bedenken nicht erwünscht sind. Von solchen Planungen sind wir aber noch weit entfernt. Auch hier hat die Landesregierung kein Konzept.

Kommen wir nun abschließend zu den Förderbedingungen. Die Förderquellen sind hinreichend bekannt und deshalb ist es auch in Ordnung, dass man die einzelnen Töpfe nur nennt und nicht tiefer in das Thema einsteigt. Was aber fehlt, sind die direkt zu fördernden Projekte. Wir wissen, was in der letzten Zeit alles nicht gefördert wurde. Wir wissen aber nicht, wie es in Zukunft weitergehen soll. So wissen wir, dass Husum seinen Offshore-Hafen nicht bekommt. Wir wissen aber nicht, wer dann die Versorgung auf See für die gewünschten Offshore-Windparks übernehmen soll. Gibt es Absprachen mit Dänemark im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit oder mit Niedersachsen und Bremen? Oder soll Brunsbüttel hier einspringen? Niemand weiß etwas Genaues und die Landesregierung wohl am allerwenigsten.

Und wo wir gerade in Husum sind: Es soll eine mündliche Zusage des Wirtschaftsministers geben, dass das Land den Ausbau der Messehalle in Husum zu 80% fördern wird. Allerdings gibt es noch keine schriftliche Zusage. Wann wird Husum diese bekommen und wie wird die Messehalle nun wirklich gefördert? - Auch hierzu Funkstille im Bericht. Das ist uns in jedem Fall zu wenig.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Bevor ich weiter das Wort erteile, begrüßen wir alle gemeinsam auf der Tribüne Mitglieder des CDUKreisverbandes aus Steinburg. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Jens-Christian Magnussen.