Die Antwort der Landesregierung untermauert all dies mit vielen Statistiken. Die entscheidende landespolitische Frage der CDU-Landtagsfraktion beantwortet sie jedoch nicht, die Frage nach ihrem energiepolitischen Konzept.
Der Hinweis, dass dieses Konzept auf den drei Säulen Energie einsparen, Energie effizienter nutzen und Vorrang für erneuerbare Energien ruhen wird, ist keine richtungweisende politische Aussage. Worauf sollte ein energiepolitisches Konzept im Lichte des Klimawandels denn sonst beruhen?
Einigen fällt selbstverständlich sofort die Kernenergie ein, denn mit ihr kann nahezu ohne Kohlendioxidausstoß Energie bereitgestellt werden. Aber aus der Kernenergie steigt Schleswig-Holstein in den nächsten elf Jahren aus, denn voraussichtlich 2018 wird das letzte Kernkraftwerk in SchleswigHolstein, nämlich Brokdorf, vom Netz genommen.
Damit steht die Landesregierung vor einem energiepolitischen Dilemma. Denn die Kapazität der Kernkraftwerke muss mindestens teilweise ersetzt werden. Mit erneuerbaren Energien wird das nach der herrschenden wissenschaftlichen Meinung nicht möglich sein.
Die Grünen haben zwar vor einigen Wochen ein Konzept vorgelegt, mit dem sie angeblich schon 2050 die gesamte Energieversorgung in SchleswigHolstein aus erneuerbaren Quellen speisen wollen, aber das ist utopisch. Die schleswig-holsteinische SPD zum Beispiel peilt dies erst für das Ende des Jahrhunderts an.
Ob nun 2050 oder 2100 - vorher muss ein großer Teil des Energieangebotes aus nicht erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Und ohne Kernenergie bleiben als Alternative im Wesentlichen nur Kernkraftwerke mit fossilen Brennstoffen, also Kohle und Gas. Damit einher ginge ein erheblicher Anstieg des Kohlendioxidausstoßes in Schleswig-Holstein, was den klimapolitischen Zielen zuwiderliefe. Die SPD hat daraufhin auf ihrem letzten Parteitag beschlossen, keine neuen Kohlekraftwerke in Schleswig-Holstein zu wollen.
Also - keine Kernkraft, kein Ersatz durch Kohle und die erneuerbaren Energien sind noch nicht leistungsfähig genug -: Woher soll der Strom kommen? - Offensichtlich aus der Steckdose, aber das ist ein Reim, den wir aus den 70er- und 80er-Jahren kennen. Das ist kein wegweisender Beitrag zur Energiepolitik.
Energiepolitik muss auch die zuverlässige Energieversorgung der Menschen und Unternehmen zu angemessenen Preisen sichern.
Da wir, die FDP, zum Atomkonsens stehen - Frau Ministerin Trauernicht, vielleicht berücksichtigen Sie das demnächst einmal -, setzen wir auf einen Energiemix, inklusive neuer Kohlekraftwerke. Dabei ist es uns wichtig, dass alle Möglichkeiten zur Minderung ihres Kohlendioxidausstoßes genutzt und weiterentwickelt werden. Alles andere halten wir für unrealistisch, wenn die Energieversorgung sicher und bezahlbar bleiben soll.
(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] Damit stimmen wir mit den energiepolitischen Vor- schlägen im 4. Weltklimabericht des Internationa- len Rates für Klimawandel überein und wir sehen mit Interesse dem energiepolitischen Konzept der Landesregierung entgegen - vor allem warten wir darauf, wie sie versuchen wird, die Gegensätze zwi- schen den sie tragenden Parteien zu übertünchen. (Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU] und Lars Harms [SSW])
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hildebrand. Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich der Landesregierung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Erarbeitung der Antwort auf die Anfrage danken.
Natürlich ist der Bericht noch einmal eine gute Zusammenfassung der wichtigsten Daten zum Treibhauseffekt, zur Emission klimaverändernder Gase, zu den Immissionsquellen, zur Energieerzeugung und -nutzung weltweit in Europa, in Deutschland und in Schleswig-Holstein. Trotzdem - und das vor allem adressiert an die fragestellende CDU-Fraktion - bleibt eine entscheidende Feststellung: Wir haben kein Erkenntnisdefizit, wir haben ein Handlungsdefizit.
Wir müssen handeln. Wir haben dabei nicht die Luxussituation, aus einem bunten Strauß von Möglichkeiten einige der wenigen schönsten Blumen auszusuchen, langwierig und bitte die ohne Stacheln, weil Großkoalitionäre doch so empfindlich sind. Wir müssen jedes sich bietende Instrument im Kampf gegen den Klimaschutz nutzen.
Es gilt nicht, den Klimawandel zu verhindern, denn wir sind mittendrin. Das Ziel lautet, den Anstieg der Temperatur, der Durchschnittstemperatur, um mehr als 2 °C, zu verhindern. Wir sind mittendrin im Klimawandel. Der Klimaforscher Professor Mojib Latif wurde vorgestern von der Moderatorin Maybrit Illner gefragt - das war auf einer Podiumsdiskussion auf dem Wirtschaftstag der Volksbanken -: Seit wann warnt die Wissenschaft vor dem Klimawandel? - „Seit über 20 Jahren“, antwortete der Professor.
Es mag für die CDU neu sein, dass der Klimawandel kommt und dass dieses unter den führenden Fachleuten unumstritten ist - so erstaunt zeigte sich der Sprecher Ihrer Fraktion. Die CDU ist offenbar immer noch in der Phase der Verwunderung, dass
es den Treibhauseffekt wirklich gibt, nachdem die Erkenntnisse der führenden Fachleute jahrzehntelang an ihr vorbeigegangen sind. Meine Damen und Herren, wir müssen jetzt anfangen.
Der Bericht unterscheidet sich in Teilen durch ein hohes Maß an Realität wohltuend von den Ausführungen im sogenannten Grünbuch des Wirtschaftsministeriums.
Jeder weiß, dass der Ausbau der Kraft-WärmeKopplung eine Schlüsseltechnologie für die ökologische Energiewende ist. Minister Austermann schlägt in seinem Grünbuch vor, den derzeitigen KWK-Anteil in Schleswig-Holstein von derzeit 15 % auf bis zu 19 % bis 2020 zu steigern. Das ist unglaublich. In der Antwort zur Großen Anfrage steht jedoch: Dänemark hat 50 %, die Niederlande circa 40 % KWK-Anteil an der Stromerzeugung. Österreich und Finnland haben jeweils 30 %. Das zeige - so heißt es in dem Bericht -, dass in Abhängigkeit von den Randbedingungen erheblich höhere Potenziale erschließbar seien, als bisher in Deutschland realisiert worden seien. Dies ist eine richtige Feststellung in der Antwort aber das stört offensichtlich Energieminister Außermann genauso wenig wie folgende Stelle, wo es heißt:
„Sowohl die EU als auch die Bundesregierung räumen der KWK einen hohen Stellenwert ein. So hat sich die Bundesregierung … das Ziel gesetzt, bis 2020 eine Verdoppelung des Anteils von Strom aus Kraft-WärmeKopplung … zu erreichen.“
Wir hier in Schleswig-Holstein sind aber gerade dabei, über lächerliche 3 oder 4 % mehr nachzudenken - so der Minister, der hier für die Energiewirtschaft die Verantwortung trägt.
Der Bericht macht auch deutlich: CCS - Cabon Capture Sequestration -, also CO2-freie Kohlekraftwerke, sind ein Hirngespinst. Die Technik gibt es nicht. Wenn sie einmal kommt, kommt sie zu spät. Der Minister hat das in der Podiumsdiskussion in Lübeck zusammen mit Professor Latif deutlich herausgestrichen. Professor Latif, dessen Institut daran arbeitet, hat gesagt: Wir sind nicht so weit; das ist keine gesicherte Technik.
Der Wirkungsgrad wird sich im Übrigen verschlechtern, man braucht viel mehr Kohle und technischen Aufwand. Das wird teuer.
Und dann die Frage: Wohin mit dem CO2-Ablagern und wie sicher? Eine Leckage von 0,5 % würde das versteckte Kohlendioxid in zwei Jahren vollständig in die Atmosphäre entlassen. Aber die versammel
ten Kohlefreunde lassen keine Gelegenheit aus, von CO2-freien Kraftwerken zu faseln: Vattenfall-Chef Cramer am Dienstag in Lübeck, Herr Austermann im Grünbuch. Dann sollen doch Kohlekraftwerke nur noch genehmigt werden, wenn sie das leisten können. Zwei Sätze in einer schönen Genehmigungsauflage würden das regeln, nur noch CO2freie Kohlekraftwerke.
Mich erinnert das CO2-Abscheidungsversprechen an die Atommüllendlagerung. Wissen Sie, warum die Betriebserlaubnis von Atomkraftwerken an einen Entsorgungsvorsorgenachweis von nur sechs Jahren gebunden ist - gängige Praxis heute? - Weil man glaubte, die Atommüllfrage in dieser Zeit gelöst zu haben. Das war damals das Versprechen, das in die Auflage eines Entsorgungsvorsorgenachweises von sechs Jahren einfloss. Hätte man damals doch nur die Bau- und Betriebsgenehmigung an eine sichergestellte Atommüllendlagerung geknüpft! Dann hätten wir heute keine AKWs in Deutschland - wie übrigens 12 EU-Länder gar keine AKWs betreiben. Und von 15, die welche haben, haben fünf Ausstiegsbeschlüsse gefasst. Das heißt, die EU in der Mehrheit ihrer Mitglieder, und zwar auch der großen Mitglieder, hat sich aus dem Atomprogramm verabschiedet. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, Herr Bernstein.
Ein anderes Luftschloss ist die Fusionsenergie, im Bericht auf Seite 44 ausführlich beschrieben. Danke für diese gute Zusammenfassung. Auch dort steht: Die Technik steht vielleicht ab 2050 zur Verfügung, zum heutigen Zeitpunkt seien aber Sicherheits- und Sicherungsfragen noch keineswegs vollständig geklärt. Darüber hinaus sei auch zu bedenken, dass der finanzielle Aufwand für Forschung und Entwicklung erheblich sind. - Wohl wahr, Herr Minister! - Bis heute seien schon deutlich mehr als 10 Milliarden € in die Fusionsforschung investiert worden, ein Mehrfaches davon - so heißt es im Bericht - dürfte im Laufe der kommenden Jahrzehnte noch anfallen. Ein Milliardengrab für eine Technik, die wahrscheinlich gar nicht kommt, die aber für den Klimaschutz vor allem zu spät kommt.
Darein fließen die Steuergelder. Der zuständige Minister verfasst unrealistische Grünbücher, ohne Kraft-Wärme-Kopplung, ohne Einsparung durch Effizienz, mit der Perspektive von kohlebefeuerten Großkraftwerken in Schleswig-Holstein, die zu einer Vervierfachung der Treibhausgasemissionen auf der Stromseite in Schleswig-Holstein führten.
30 % mal vier! Rechnen Sie das bitte aus! Das macht deutlich, dass keine Maßnahme in anderen Sektoren dies ausgleichen kann, nicht einmal theoretisch.
Die Landesregierung kann oder will es nicht, genauso wenig die Bundesregierung. Bei der Begrenzung der Emissionen aus dem Verkehr tritt die Bundesregierung auf EU-Ebene auf die Bremse. Die Kraftfahrzeugindustrie ist mit ihrer Zusage von 120 g CO2 pro Kilometer gescheitert. Versprochen, gebrochen!
Die Bundesregierung hat ihren Vorschlag zum nationalen Allokationsplan II, also die Verpflichtung der Kraftwerkbetreiber zur Reduzierung der Treibhausgase, von der EU postwendend zurückgeschickt bekommen, weil die Ziele absolut unzureichend waren. Sie hat die Emissionsrechte an die Stromwirtschaft verschenkt, die Stromwirtschaft hat diese jedoch umgehend in die Stromrechnungen an ihre Kunden eingepreist. Auch hier hat die Industrie viel ehrgeizigere Ziele versprochen und nichts umgesetzt. Ich schlussfolgere daraus: Freiwillige Vereinbarungen helfen offenbar wenig order gar nichts. Das müssen wir hier einmal ganz trocken und nüchtern feststellen.
Meine Damen und Herren, die Koalition in Schleswig-Holstein hat wie die Bundesregierung die letzte Novelle der Energieeinsparverordnung nicht genutzt, die baurechtliche Verpflichtung zur Wärmedämmung von Gebäuden dem technischen Stand anzupassen. Es bleibt beim Stand von 1995. Sie haben unseren Antrag durch Nichtbefassung so lange verzögert, bis das Gesetzgebungsverfahren verstrichen war. Das ist - um es deutlich zu sagen - eine Klimaschutzverhinderungspolitik. Dies ist in voller Absicht geschehen und die SPD macht alles mit, wie auch die Kohlekraftwerke. Sie haben einer Grundstücksveräußerung für diese Zwecke in Brunsbüttel hier zugestimmt, während ihr Parteitag offensichtlich einen Kohleausstiegsbeschluss gefasst hat.
Hier gilt in Abwandlung das Bibelwort: Herr, vergib ihnen nicht, denn sie wissen genau, was sie tun. Sie opfern klimaschutzpolitisches Handeln ihrem kleinlichen parteipolitischen Kalkül in diesem Hohen Hause. Sie handeln nicht, Sie erarbeiten keine eigenen Initiativen, Sie verhindern Anträge der Opposition. Dabei werden diese nicht etwa abgelehnt, sondern nicht befasst, geschoben oder durch Berichtsanträge und Abwarten auf angeblich noch zu erwartende Konzepte - wie wir es heute wieder zur Kenntnis nehmen mussten - versenkt.
Klimaschutz in Schleswig-Holstein, Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, abgebügelt! CO2Einsparung in der Landesverwaltung, Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, abgebügelt! Carsharing unterstützen, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, still ruht der See! Rat für Klimafragen, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit der Koalition der Streithammel hier im Land nicht zu machen! Verstärkung des Stromnetzes in Schleswig-Holstein, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aufgelöst in einen Bericht!
Weiter: Zum Vorrang für Erdkabel im Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, Antrag der Abgeordneten des SSW, heißt es im Protokoll typisch: Die abschließende Behandlung des Antrages wird daraufhin im Ausschuss vertagt! Trennung von Stromerzeugung und Leitungsnetz, Antrag der Abgeordneten des SSW, der Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ausschussüberweisung am 12. Oktober 2006, bis heute Plenarauftrag unerledigt! Klimaschutz in der Landwirtschaft, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom Mai dieses Jahres, Handlungsauftrag wird aufgelöst mit der Bitte an die Landesregierung, im Klimaschutzbericht 2008 einige diesbezügliche Fragen zu beantworten!
Diese Aufzählung ist keineswegs abschließend, sondern beleuchtet lediglich die klimaschutzpolitischen Ambitionen dieser riesengroßen Koalition der Nichthandlungsfähigen.