Protocol of the Session on October 10, 2007

Die temporäre Erhöhung des Ausgabevolumens durch zusätzliche Kredite muss als Ausnahmefall stets an strenge und konkret definierte Anforderungen verfahrensrechtlicher und inhaltlicher Art geknüpft sein. Damit soll der Politik in einer Krisensituation der notwendige Spielraum für eine verantwortungsbewusste Gestaltung des Gemeinwesens bleiben. Die damit korrespondierende Verpflichtung zum zeitnahen Ausgleich von Fehlbeträgen ohne Hilfe von außen stärkt die Eigenverantwortung der jeweiligen Gebietskörperschaft und erhöht zugleich die Schwelle für jede zusätzliche Kreditaufnahme.

Darüber hinaus schließt nach Auffassung der Vertreter der Landtage die Eigenstaatlichkeit der Länder nicht aus, dass zur Bewältigung bestehender Haushaltskrisen konjunktureller oder struktureller Art auch Regelungen getroffen werden, mit denen Bund und Länder sich verpflichten, ihre Haushalte mittelfristig zum Ausgleich zu bringen und ihre Schulden aufgrund von längerfristigen Tilgungsplänen zu reduzieren. Dabei darf das Budgetrecht der Landesparlamente jedoch nicht über das notwendige Maß hinaus eingeschränkt werden.

Ebenso selbstbewusst wie wichtig ist meines Erachtens folgender Hinweis der Präsidentinnen und Präsidenten: Eben weil sich die Föderalismusreform II wesentlich mit Fragen befasst, die das Budgetrecht der Landesparlamente betreffen, haben die Landesparlamente das Recht, an dem Reformprozess angemessen beteiligt zu sein. Mehr noch als bei der Föderalismusreform I ist im Hinblick auf die Kompetenzverteilung erst recht für die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern die Einbeziehung der Landesparlamente unabdingbar.

Unser Sachverständiger, Professor Schneider, hat ebenso prägnant wie treffend dazu gesagt: Hier und heute geht es vor allem um Fragen, die ganz zentral das Budgetrecht der Landesparlamente berühren. Die Kommission muss also, will sie bei einer Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern erfolgreich sein, nicht nur die Landesregierungen, sondern auch die Mitglieder der Landesparlamente von der Richtigkeit und Notwendigkeit ihrer Vorschläge überzeugen. Soweit es dabei um Änderungen von Landesverfassungen geht, gehört dazu in den 16 Volksvertretungen der Länder jeweils auch die parlamentarische Opposition.

Wie geht es nun weiter? Wie vorgetragen, haben die Fraktionsvorsitzenden-Konferenzen - jedenfalls überwiegend - zugestimmt, wobei ich aus der CDU-Fraktionsvorsitzenden-Konferenz gern bestätigen will, dass dort die Zustimmung so erfolgt ist, dass man sich eigentlich noch mehr an ganz konkreten Maßnahmen gewünscht hätte. Aber es ist bei Kompromissen so, dass man ein Level finden muss, das von allen akzeptiert wird.

Aber wie geht es weiter? Bevor sich die Kommission den Verwaltungsthemen zuwenden wird, wird sie zunächst die Finanzthemen zum Abschluss bringen. Ich teile dabei die in der Kommission vorherrschende Einschätzung, dass eine Regelung mit rechtlich bindender Wirkung zur Begrenzung der Verschuldungsentwicklung gelingen kann. Die Bemühungen darum gestalten sich zwar schwierig, weil sowohl die Höhe der Verschuldung bei Bund und Ländern, Herr Neugebauer, stark differiert, als auch die Lage bei den Ländern im Vergleich untereinander sehr unterschiedlich ist. Die bestehenden Strukturunterschiede zwischen den Ländern hat der gegenwärtige Finanzausgleich jedenfalls nicht zu beseitigen vermocht, weil er im Kern nur einen Steuerkraftausgleich und kein Ausgleich der unterschiedlichen Wirtschaftskraft der Länder darstellt. Gleichwohl sind die Schulden von Bund und Ländern und auch der Kommunen in ihrer Gesamtheit Schulden der Bundesrepublik Deutschland, insgesamt also nationale Schulden. Sie müssen zusammen gesehen werden und folglich müssen Regelungen mit Bindungswirkung für alle Ebenen angestrebt werden.

Zunächst geht es uns darum, die Neuverschuldung auf null zurückzuführen. Das Ziel, ausgeglichene Haushalte zu erreichen, muss angegangen werden für die einen früher, für die anderen vielleicht auch später, eventuell auch mit solidarischer Hilfe im Geist des Bündischen, also des föderalistischen Prinzips. Dieses Ziel soll bis Mitte des nächsten Jahrzehnts erreicht werden.

Die Kommission wird demnächst ein Schreiben an die Regierungen von Bund und Ländern mit der Bitte richten, darzulegen, wann erstmals in den einzelnen Ländern ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden kann. Ebenso kann in den Antworten erläutert werden, ob ein Ausgleich der Haushalte angesichts der bestehenden Aufgaben objektiv überhaupt möglich ist. Auf der Grundlage vergleichbarer Daten will sich die Kommission dann über rechtliche Absprachen einigen, ausgeglichene Haushalte wie gesagt bis Mitte des nächsten Jahrzehnts zu erreichen, ob nun durch Verfassung, durch Haushaltsordnung oder durch Staatsvertrag.

(Landtagspräsident Martin Kayenburg)

Daran wird sich natürlich die Frage anschließen, wie die Einhaltung verbindlicher Zusagen abgesichert werden kann, ohne das Budgetrecht als Königsrecht der Parlamente und die Staatlichkeit der Länder zu verletzen.

Schließlich wird sich die Kommission der Frage der Tilgung der Altschulden zuwenden. Wer beginnt wann mit der Tilgung von Altschulden? Sind verbindliche Absprachen dabei zu erreichen? Handelt jeder für sich oder sind solidarische Anreize der Gemeinschaft ergänzend notwendig? Die überproportionale Unterstützung Einzelner zu Beginn der Entschuldung könnte helfen, die Strukturunterschiede einzuebnen. Langfristig - das müssen die Geberländer dann auch erkennen - würde dabei aber auch eine Entlastung der Geberländer möglich werden.

Zu all diesen Fragen gibt es unterschiedliche Vorschläge. Das ist klar. Es wird dabei unter anderem vorgeschlagen, die Begrenzung der Verschuldung im Art. 115 Grundgesetz neu zu regeln und nur noch Schulden in Höhe der Nettoinvestitionen zuzulassen. Ein anderer Vorschlag geht dahin, Vorgaben nach Art der Maastricht-Kriterien auch im innerstaatlichen Verhältnis zu übernehmen.

Zur Tilgung der Altschulden ist Ihnen im Übrigen auch der Vorschlag unseres Ministerpräsidenten bekannt, die Entschuldung als gemeinschaftliche Aufgabe zu bestreiten und die Übernahme der Verbindlichkeiten in einem Fonds vorzusehen. Es gibt auch andere Vorschläge, zum Beispiel vom Ministerpräsidenten Oettinger, mit dem die Vertreter der Landtage noch in diesem Monat ein Gespräch führen werden, um die unterschiedlichen Modelle zur Altschuldentilgung zu diskutieren. Nicht zu verkennen ist, dass diese Komplexe nicht getrennt zu lösen sein werden. Sich zum Beispiel auf Schuldenbremsen einzulassen, ohne eine Regelung für Altschulden gefunden zu haben, ist für mehrere Länder sicherlich nicht akzeptabel. Deswegen darf es uns nicht verwundern, wenn die Diskussion auch in der Frage erweiterter Selbstbestimmungsmöglichkeiten für die Länder andauert.

Entscheidungen - auch Vorentscheidungen - sind nicht getroffen. Vorzeitige Festlegungen sollten wir nicht treffen, um handlungsfähig zu bleiben. Die Ergebnisse bedürfen hoher Sensibilität und wir sollten daran denken, dass wir in den Landtagen gegebenenfalls verfassungsändernde Mehrheiten brauchen. Es werden also noch eine Vielzahl von Gesprächen geführt werden müssen, um die unterschiedlichen Interessen zum Ausgleich zu bringen. Nach Einschätzung der beiden Vorsitzenden wird ein Ergebnis Mitte nächsten Jahres sowohl im Hin

blick auf die Bundstageswahl als auch im Hinblick darauf, dass längere Fristen für Verfassungsänderungen oder Staatsverträge erforderlich sind, vorliegen müssen.

So weit der Sachstand heute. Wenn es konkrete Erkenntnisse und Ergebnisse gibt, werden Kollege Hay und ich Sie sicherlich wieder darüber informieren.

(Beifall)

Ich danke dem Präsidenten Kayenburg. Es ist etwas Irritation über die Länge der Redezeit aufgekommen. Ich habe den Präsidenten nur in der Funktion der Vertretung in der Kommission aufgerufen, er hat aber gleichzeitig auch für die CDU-Fraktion gesprochen. Damit erklärt sich das.

(Unruhe)

Ich darf jetzt als einem weiteren Vertreter der Landtage in der Kommission dem Fraktionsvorsitzenden der SPD-Fraktion, Lothar Hay, das Wort erteilen, für den natürlich, da ich davon ausgehe, dass er auch für die SPD-Fraktion redet, dieselben Regelungen gelten.

Frau Präsidentin! Das mache ich mit großem Vergnügen!

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Es ist ein sehr schwieriges Thema, das die Föderalismuskommission im Augenblick in Berlin zu diskutieren hat. Gäbe es leichter auf der Hand liegende Lösungen für eine Neuordnung der Finanzbeziehungen, wären sie gleich in der ersten Föderalismuskommission erledigt worden.

Mit erledigt wurde allerdings eine Festschreibung, die für die ostdeutschen Länder allgemeine Sicherheit und für die westdeutschen Länder zumindest Planungssicherheit schafft, nämlich die Festschreibung des Solidarpakts bis zum Jahr 2019. Ich möchte gleich zu Beginn betonen, dass daran nicht gerüttelt wird. Es gab dazu einmal eine Äußerung einer Fraktionsvorsitzendenkollegin aus NordrheinWestfalen. Das war aber eine einzelne Äußerung, die auch in Nordrhein-Westfalen auf keinerlei fruchtbaren Boden fiel.

Bei der Konnexität, dem Zusammenhang zwischen Regelungskompetenz und Finanzierungsverantwortung, ist schon vieles auf den Weg gebracht worden, wenngleich ich mir eine Regelung wünsche,

(Landtagspräsident Martin Kayenburg)

die so deutlich ist wie die Regelung in unserer Landesverfassung. Ich weiß aber, dass hier auf Bundesebene noch viel zu diskutieren bleibt, bis wir im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu einer solchen Regelung kommen werden. Die Berliner Erklärung der Landtagspräsidenten hat wesentliche Wünsche und Forderungen der Landesparlamente benannt. Ich stehe ausdrücklich hinter dieser Erklärung. Ich habe an der Konferenz teilgenommen, auch wenn sich die SPD-Fraktionsvorsitzendenkonferenz, in der das Einstimmigkeitsprinzip gilt, inklusive der Bundestagsfraktion nicht ausdrücklich dazu bekannt hat. Ich persönlich kann das aber durchaus machen.

Die Arbeit der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-LänderFinanzbeziehungen ist zum einen von ihrem Willen geprägt, eine gute Lösung zu finden. Zum anderen ist sie von objektiv unterschiedlichen Interessenlagen geprägt. Die Linien verlaufen nicht wie gewohnt durchgängig zwischen Ost und West oder zwischen SPD und CDU oder auch zwischen den nördlichen und den südlichen Ländern. Sie verlaufen nicht einmal zwischen den eher armen und den eher reichen Bundesländern. Wir haben es mit einer sehr komplexen Struktur zu tun, bei der jede Änderung an einem beliebigen Punkt Verwerfungen an anderen Punkten zur Folge hat.

Lassen Sie mich die aus meiner Sicht wesentlichen Konfliktpunkte kurz benennen. Der erste Punkt ist eigentlich eine Binsenweisheit, aber man muss ihn an erster Stelle nennen: Der Bund will auf keinen Fall mehr bezahlen als bisher. Das wollen die Länder auch nicht. Einigkeit könnte bei der Vereinbarung einer verbindlichen Neuverschuldungsgrenze erzielt werden. Herr Präsident Kayenburg hat zu Recht auf die folgende Frage hingewiesen: Was aber soll geschehen, wenn ein Land wegen seiner hohen Zins- und Tilgungslasten gar nicht in der Lage wäre, diese Grenze einzuhalten?

Über den Umgang mit den Altschulden gehen die Auffassungen weit auseinander. Einem Fondsmodell, wie es unsere Landesregierung und mit leicht unterschiedlichen Regelungen auch die baden-württembergische Landesregierung vorgestellt hat, werden derzeit noch wenig Chancen auf Umsetzung eingeräumt. Hier bedarf es noch weiterer Überzeugungsarbeit. Aus meiner Sicht kann es eine Neuverschuldungsgrenze ohne eine Lösung für die Altschulden nicht geben. Das wäre ein Weg, den ich persönlich nicht mitgehen könnte.

Das Fondsmodell sieht vor, dass ein Teil des den Ländern zustehenden Anteils an der Einkommensteuer in einen Entschuldungsfonds eingezahlt

wird. Dagegen wehren sich - aus ihrer Sicht verständlich - diejenigen Länder, die weniger hoch verschuldet sind, aber für die Altschulden der anderen Länder mit aufkommen müssten. Insofern ist Baden-Württemberg wirklich ein positives Beispiel.

Bei der Einbeziehung der kommunalen Finanzen gibt es ebenfalls große Unterschiede. Ich nenne hier nur Bayern als Beispiel für ein Bundesland, in dem der Landeshaushalt vergleichsweise gut dasteht. Die kommunalen Haushalte sind hier hingegen eher höher verschuldet. Ganz im Gegensatz dazu steht beispielsweise Schleswig-Holstein. Wir haben einen hoch belasteten Landeshaushalt und eine vergleichsweise günstige kommunale Finanzsituation.

Die Forderung nach einer Stärkung der finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten der Länder ist grundsätzlich richtig, jedoch finden sich auch hierbei erhebliche Risiken, die man ausdrücklich nennen muss. Einer Steuerautonomie der Länder stehe ich kritisch gegenüber. Gleiches gilt für eigene Heberechte der Länder bei bestimmten Steuern. Ich befürchte, dass dann, wenn es zu einer solchen Öffnung käme, ärmere Länder der Situation ausgesetzt wären, entweder ihre Steuern erhöhen zu müssen und damit möglicherweise die Konjunktur zu schwächen oder aber in Konkurrenz zu ihren Nachbarnländern ihre Steuern senken zu müssen, was in der Folge zu gravierenden Einschnitten in Kernbereichen wie Bildung oder Sicherheit führen würde. Damit wäre aus meiner Sicht zumindest die Gefahr gegeben, dass die Lebensverhältnisse im Vergleich der Länder weiter auseinanderklaffen.

Die Einbeziehung von Vertretern der Landtage mit beratender Stimme, Herr Kayenburg hat darauf hingewiesen, hier sind wir insgesamt zu viert, hat ihren Grund in objektiv unterschiedlichen Interessen von Parlament und Regierung. Aus Sicht der Landtagsvertreter in der Föderalismuskommission birgt selbst die Einigung auf einen Minimalkonsens noch erheblichen Klärungsbedarf. Gemeint ist hier die Umstellung auf das System einer Schuldenbremse. Mit jedem bundeseinheitlichen Grundprinzip wird die Rolle der Landesparlamente als Haushaltsgesetzgeber geschwächt. Allerdings könnte eine Schuldenbremse so ausgestaltet werden, dass die gesetzgeberischen Kompetenzen gestärkt werden. Ich denke beispielsweise an die Bewertung der jeweiligen konjunkturellen Situation, an die Führung eines Ausgleichskontos und an die Verwendung von Überschüssen. Daher gilt es abzuwägen, welche grundsätzlichen Festlegungen so notwendig und sinnvoll sind, dass eine Einschränkung der Haushaltsgesetzgebungskompetenz von den Ländern akzeptiert werden kann. Wenn also eine

(Lothar Hay)

Schuldengrenze verbindlich festgelegt wird, dann muss das Recht des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber gewahrt bleiben.

Lassen Sie mich kurz auf das Modell der Schuldengrenze eingehen. Bislang ist es so, dass die Höhe der Investitionen dafür ausschlaggebend ist, in welchem Ausmaß die Neuverschuldung erhöht werden darf. Die geltende Regelung des Artikels 115 birgt zahlreiche Nachteile. Sie lässt zu viele Ausweichmöglichkeiten wie beispielsweise Schattenhaushalte und Ausnahmetatbestände zu und sie vernachlässigt - selbstkritisch gesagt - den Aspekt des Vermögensverzehrs.

Eine Schuldenbremse koppelt dagegen die Ausgaben eng an die Einnahmen. Ausgaben dürfen nur dann erhöht werden, wenn ihre Finanzierung durch entsprechende Verzichte oder ergänzende Einnahmen gesichert ist. Eine strikte Bindung in jedem einzelnen Haushaltsjahr wäre jedoch kontraproduktiv, weil sie lediglich prozyklische Eingriffe ermöglichen würde. Das ist wenig zielführend, wenn die Konjunktur nachlässt und gezielte Förderinstrumente geboten wären. Daher erfolgt eine Verteilung über mehrere Jahre: In einer Rezession sind in einem gewissen Ausmaß Defizite zugelassen. Sie müssen aber in der folgenden Hochkonjunktur wieder ausgeglichen werden. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur jetzt geübten Praxis, denn ein Blick zurück zeigt, dass sich die Verschuldung der öffentlichen Haushalte über alle Konjunkturzyklen hinweg stetig nur in eine Richtung bewegt hat, nämlich nach oben.

Die Schuldenbremse ist ein vergleichsweise einfaches und transparentes Verfahren mit vier herausragenden Merkmalen, die ich kurz zusammenfassen will: Erstens: Einfache Ausgabenregel mit Bindungswirkung. Die Höhe der Ausgaben ist an die Höhe der Einnahmen gekoppelt. Zweitens: Berücksichtigung von Ausnahmefällen wie zum Beispiel von konjunkturellen Schwankungen. Drittens: Führung eines Ausgleichskontos für Über- und Unterschreitungen bei den Ausgaben. Viertens: Vorgaben zur Verwendung außerordentlicher Einnahmen.

Insbesondere beim zweiten Punkt, nämlich bei den konjunkturellen Schwankungen und bei den Ausnahmefällen. kommt den Parlamenten eine wichtige Rolle zu. Sie sollten darüber entscheiden, ob eine Situation eingetreten ist, in der Defizite erlaubt sind. Die parlamentarische Debatte ist aus meiner Sicht anderen Instrumenten - etwa einem Sachverständigenrat - bei Weitem vorzuziehen, zumal es jedem Parlament unbenommen ist, im Vorfeld seiner Entscheidung die Sachkompetenz von Fachleuten hinzuzuziehen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Na, na!)

- Herr Kollege Neugebauer, aus Sicht der Landtage dringe ich auch darauf, dass die notwendigen Änderungen nicht nur im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in jeder einzelnen Landesverfassung verbindlich geregelt werden. Wir brauchen ein neues und transparentes System zur Begrenzung der Verschuldung auf allen Ebenen. Das jetzige System hat sich eindeutig nicht bewährt. Es gibt aber noch erheblichen Diskussionsbedarf über die Frage des Umgangs mit den Altschulden und über die Frage des Umfangs der finanziellen Autonomie der Länder. Die Föderalismuskommission hat sich in sehr sachorientierter und lösungsorientierter Weise mit den Finanzthemen befasst. Wir stehen kurz vor einem Abschluss. In den kommenden Monaten wird es um die Verwaltungsthemen gehen. Hierbei geht es unter anderem auch darum, ob man - abweichend von bundeseinheitlichen Standards - auf Länderebene vorgehen kann. Das ist ein sehr diffiziles und sehr kritisch diskutiertes Thema.

Ich bin trotzdem sehr zuversichtlich, dass diese Debatte ebenso konstruktiv geführt wird. Am Ende sollte die Verständigung auf ein Paket stehen, mit dem alle Beteiligten leben können und das vor allem zukunftsorientiert ist, denn eine weitere Föderalismusreform wird es aus meiner Sicht zumindest in den nächsten 20 Jahren nicht geben. Es bestünde so die Gefahr, dass wir zu kurz gesprungen sind. Alle Mitglieder der Föderalismuskommission sind sich bewusst, dass es um die wichtige Frage geht, welche Lasten wir kommenden Generationen aufbürden und welche Entscheidungsspielräume wir ihnen ermöglichen. Politik ist kein Selbstzweck. Politik hat die Aufgabe, verantwortlich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu handeln. Es geht darum, die Schulden zu begrenzen und langfristig zu reduzieren. Ferner geht es um Gestaltungsmöglichkeiten.

Damit Sie wissen, warum dieses Thema für uns im Landtag wirklich ein aktuelles Thema ist, sage ich: Ziel ist es laut Aussage der beiden Kommissionsvorsitzenden, die Arbeit im Jahr 2008 erfolgreich abzuschließen. Insofern ist das nächste Jahr auch für uns hier im Kieler Landtag ein ganz entscheidendes Jahr, in dem wir uns mit Stimme und Gewicht in die Diskussion einbringen.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

(Lothar Hay)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hay. - Für die FDPFraktion erteile ich nun deren Vorsitzendem, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bund und Länder haben sich in einer neuen Kommission zusammengefunden, um die Finanzbeziehungen untereinander neu zu regeln. Damit soll vor allem der Drang zur Finanzpolitik der Vergangenheit, die Finanzminister Wiegard im Februar dieses Jahres mit der Aussage „mit Volldampf in die roten Zahlen“ beschrieben hat, eingedämmt werden. Diese Art der öffentlichen Misswirtschaft hat dem Bund und den meisten Ländern eine fast unerträglich hohe Schuldenlast eingebracht.

Herr Kollege Hay und Herr Landtagspräsident, erlauben Sie mir, dass ich mich auf diesen Punkt konzentriere. Zu dieser Schuldenlast zählen selbstverständlich die Schulden aus der Schuldenaufnahme auf dem Kreditmarkt. Das sind die expliziten Schulden des Staates. Zweitens kommen aber - und das ist für uns viel wichtiger - noch die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger auf künftige Zahlungen der öffentlichen Hand hinzu. Im Wesentlichen sind das Ansprüche auf künftige Zahlungen der gesetzlichen Sozialversicherungen und künftige Pensionszahlungen. Diese Zahlungsversprechen muss sich der Staat selbstverständlich auch als Verbindlichkeiten anrechnen lassen. Das sind die impliziten Schulden des Staates.

Wer sinnvoll über mögliche Lösungen eines Problems diskutieren will, muss das Problem vorher kennen. Hier tritt schon das erste Problem der öffentlichen Haushalte auf: In der herkömmlichen kameralen Rechnungslegung tauchen implizite Schulden gar nicht auf.