Protocol of the Session on October 10, 2007

Eine besondere Regelung zur Online-Durchsuchung von Computern gibt es bislang nur im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz, allerdings ohne Richtervorbehalt und ohne Vorkehrungen zum Schutz der Intimsphäre. Herr Kubicki hat schon darauf hingewiesen und auch auf die Probleme, die seit heute im Rahmen der Verfassungsbeschwerden verhandelt werden.

Nach Vorliegen einer Entscheidung zu diesen Verfassungsbeschwerden ist tatsächlich eine Positionierung hier im Land erforderlich - sinnvollerweise aber nicht vorher. Dann wird auch - unabhängig vom bisherigen Gerede - ganz sachlich festzustellen sein - eine Meinung dazu habe ich natürlich -, aus welchem Anlass und in welchem Umfang eine solche Maßnahme anzuordnen wäre. Wegen der festgestellten hohen Eingriffsintensität der Maßnahme muss die Schwelle dafür natürlich höher sein als beispielsweise bei der Wohnraumdurchsuchung oder der Telekommunikationsüberwachung. Ich glaube, nur so kann eine solche Maßnahme, wenn sie denn überhaupt erforderlich ist, verfassungskonform werden.

Zudem - der Innenminister hat darauf hingewiesen muss diese Maßnahme praktikabel und sinnvoll sein. Sie darf nur dann eingesetzt werden, wenn andere Ermittlungsmaßnahmen versagen. Nicht alles, was technisch und irgendwann rechtlich auch geht und möglich ist, ist gleichzeitig auch sinnvoll und angemessen.

Aber das wären alles weitere Schritte vor dem ersten. Vielleicht sollten wir im kommenden Jahr, bei einer der Tagungen im kommenden Jahr 2008 nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das Thema hier noch einmal aufgreifen und diesen

Bericht vorläufig erst einmal nur zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Rother und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem heimlichen Screening der Festplatte droht den Bürgerinnen und Bürgern ein Grundrechtseingriff neuer Qualität. Das ist nichts, was mit dem vergleichbar ist, was bisher geschehen ist. Der PC - jeder, der intensiv mit dem PC arbeitet, weiß das; gerade der Privat-PC - ist ein Abbild unserer Intimsphäre. Hier sind Tagebucheintragungen, Mails, Fotos, Videos und andere private Daten gespeichert. Das ist nur damit vergleichbar, als würde man die privaten Unterlagen, in denen man seine gesamten Erinnerungen, Briefe und Ähnliches gespeichert hat, im Haus durchsuchen. Wir lagern praktisch ein komplettes Abbild unserer Identität auf dem PC und tragen es beispielsweise als Laptop mit uns herum.

Wer in diesen Bereich eindringt, verletzt die Intimsphäre in bisher ungeahntem Ausmaß. Das kann man nicht damit begründen, dass dieser Eingriff in die Bürgerrechte zur Kriminalitätsbekämpfung wirklich erforderlich ist. Denn auch jetzt schon dürfen auf gesetzlicher Grundlage Mails mitgelesen werden, Telefonate abgehört und bei ausreichendem Tatverdacht auch ein PC beschlagnahmt werden. Das ist heute alles schon möglich, darum geht es nicht.

In wenigen Fällen besonders gefährlicher Kriminalität ist auch das heimliche Abhören eines sonst geschützten privaten Raumes gestattet. So ist etwa bei Verdacht auf Tötungsdelikte ein sogenannter großer Lauschangriff in der Privatwohnung möglich.

In ihrer Eingriffsintensität ähnelt die OnlineDurchsuchung dabei eher dem großen Lauschangriff und würde daher unserer Ansicht nach eine Grundgesetzänderung erforderlich machen.

Der Bundesgerichtshofs - das ist hier schon mehrfach zitiert worden - entschied Anfang diesen Jahres, dass das heimliche Hacken privater oder geschäftlicher PC zurzeit keine Rechtsgrundlage hat. Die Strafprozessordnung kennt keine Mischung

(Thomas Rother)

aus Durchsuchung und Wohnraumüberwachung, urteilte das oberste Bundesgericht. Kurzfristig muss dank der klaren und gut begründeten Entscheidung aus Karlsruhe deshalb niemand Sorge haben, dass private Daten von der Polizei heimlich durchsucht werden.

Langfristig wird die Große Koalition in Berlin versuchen, genau dies mit einer einfachen Gesetzesänderung zu erreichen. Zwar zeigen sich die Koalitionäre in dieser Frage noch gespalten und fallen die Reaktionen auf diese Entscheidung noch unterschiedlich aus, aber es ist zu befürchten, dass die Große Koalition wie so oft Kriminalität nur mit der Ausweitung von Ermittlungsbefugnissen bekämpfen will. Wir kennen dieses Spiel - und es ist leider so -, dass beide großen Parteien in diesen Innenund Rechtsfragen immer für solche Themen anfällig sind.

Mit der Online-Durchsuchung wird das BKA Zugang zu allem, was auf einem Gerät gespeichert ist, bekommen. Die enorme Tiefe dieser Eingriffe in die Grundrechte lässt Innenminister Schäuble mit Achselzucken und juristischen Bausteinen beantworten. Es bleibt auch unklar, warum man diesen Eingriff eigentlich braucht. Auch die Frage, ob damit beweisfeste Daten erhoben werden können, kann das Bundesinnenministerium nicht befriedigend beantworten. Was soll man mit einer Durchsuchung, mit der man hinterher nichts anfangen kann?

Herr Kollege Stritzl hat hier als Argument angeführt, dass die Kripo sage, sie brauche die OnlineDurchsuchung. Natürlich wird die Polizei sagen, dass sie zusätzliche Methoden oder Möglichkeiten haben möchte, um so Verbrecher so zu bekämpfen. Das liegt schlichtweg in der Natur ihres Jobs. Allerdings ist das Parlament dazu aufgerufen, das Wollen der Polizei in Bezug auf noch mehr Möglichkeiten und die Rechte der Bürger gegeneinander abzuwägen. Das ist unser Job.

(Manfred Ritzek [CDU]: Und die Sicher- heit!)

- Natürlich, es geht auch darum, Sicherheit zu gewährleisten. Wir müssen allerdings einen vernünftigen Abwägungsprozess vornehmen. Wir können es nicht nur einfach deshalb machen, weil es die Polizei nett findet. Das ist kein Argument und das müssen wir gerade in einem solch schwerwiegenden Fall berücksichtigen.

(Thomas Stritzl [CDU]: Das habe ich auch nicht gesagt!)

Die Online-Durchsuchung ist eben nicht - dies wird gerne behauptet - mit einer Hausdurchsuchung vergleichbar. Eine Hausdurchsuchung ist nämlich eine offene Maßnahme und der Betroffene ist in der Regel auch anwesend. Bei einer Online-Durchsuchung dringt die Polizei jedoch heimlich und ohne Wissen des Computernutzers in den Rechner ein. Sie kopiert eventuell Daten, stößt auf persönliche Unterlagen und in der Konsequenz bedeutet dies, dass die Polizei als staatlicher Hacker agiert. Das widerspricht dem Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre. Solange der Nutzen für die Sicherheit nicht bestimmt und der Schaden für die Bürgerrechte nicht absehbar sind, bleiben wir bei unserer Ablehnung des staatlichen Hackens.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für den SSW erhält nun Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die öffentliche Debatte um Online-Durchsuchungen läuft nicht nur auf Bundesebene; schon längst hat sie auch die Länderebene erreicht. Von daher ist es mehr als folgerichtig, dass die Landesregierung dem Landtag in einem Bericht darlegt, wie sie sich in diese Diskussion einbringen wird - dies hat der Innenminister gerade auch getan -, zumal sich das Bundesverfassungsgericht ganz aktuell mit dem neuen Verfassungsschutzgesetz von NordrheinWestfalen befasst, das genau solche Online-Durchsuchungen vorsieht.

Die nordrhein-westfälische Verfassungsschutzbehörde möchte baldmöglichst heimlich auf informationstechnische Systeme mittels technischer Mittel zugreifen können. Das kann der einmalige Zugriff auf die Festplatte eines Verdächtigen sein, aber auch die kontinuierliche Überwachung der gespeicherten Daten, bei der jede Änderung des Datenbestands mitgeschnitten wird. Kontobewegungen gehören genauso zu den Überwachungsinhalten wie die Inhalte von E-Mails und Telefongesprächen, die beispielsweise mit „Skype“ von Computer zu Computer geführt werden, und zwar ohne Unterscheidung zwischen privatem oder verbrecherischem Inhalt.

Würden Online-Durchsuchungen Realität, wäre das gleichbedeutend mit der Aufgabe dessen, wofür sich unsere demokratische Gesellschaft einsetzt, nämlich für die Unverletzlichkeit der Wohnung, in

(Karl-Martin Hentschel)

der private Computer aufbewahrt werden, ebenso wie für das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der SSW lehnt diese Eingriffe in die Bürgerrechte ab und hofft, dass die Verfassungsrichter dementsprechend entscheiden werden.

(Beifall beim SSW)

Fest steht nach Meinung des SSW, dass die derzeitige Diskussion um eine effektive Terror-Abwehr immer bizarrere Formen annimmt. Es wird Zeit, dass wir die Debatte entschleunigen und uns vom Überbietungswettkampf verabschieden. Innenminister Stegner hat im September meines Erachtens zu Recht die Fragen der Erforderlichkeit, der Umsetzbarkeit und Verfassungsmäßigkeit der OnlineDurchsuchungen in Abrede gestellt.

Markus Hansen vom Landeszentrum für Datenschutz stellte darüber hinaus in der „Deutschen Richterzeitung“ die Frage, was man mit den Daten überhaupt anfangen könne, schließlich ließe sich nur bei einer Beschlagnahme des Rechners die Echtheit der Daten zweifelsfrei belegen. Das Zielsystem könne aber weder von den Ermittlern noch von dem Nutzer vollständig kontrolliert werden, sodass der Manipulation Tür und Tor geöffnet seien. Wer weiß schon, was tatsächlich auf der Festplatte war. Das ist der Alptraum eines jeden Bürgerrechtlers: Da werden Daten unter Verletzung der Bürgerrechte gehortet und dann können diese nicht einmal gerichtsfest verwandt werden.

In Berlin, aber auch in Düsseldorf, wo das entsprechende Verfassungsschutzgesetz übrigens unter Beteiligung des liberalen Koalitionspartners zustande gekommen ist, scheint man der herkömmlichen Polizeiarbeit nicht mehr zu trauen. Dabei war genau sie es, die in der Vergangenheit zum Zuge kam, wenn es um die Aufdeckung oder Verhinderung terroristischer Anschläge ging.

Es macht mich einfach misstrauisch, wenn BKA und Bundesinnenministerium unisono behaupten, dass offene Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen schlechter sind als Online-Durchsuchungen. Die CSU behauptet sogar, dass man ausschließlich mittels der Online-Durchsuchung die Kommunikation terroristischer Strukturen aufdecken könne. Dabei zeigen doch aktuelle Fälle, dass im El-Kaida-Netzwerk ausgesprochen lose Fäden - und dann auch meistens im persönlichen Gespräch - gesponnen werden. Darüber hinaus läuft die Kommunikation überwiegend via Internet-Café.

Das alles sind Fakten, die bei der zukünftigen Entscheidung zur Umsetzung von Online-Durchsuchungen berücksichtigt werden müssen. Oder an

ders formuliert: Erfahrene Ermittler, die Zusammenhänge aufdecken und Verdächtige beschatten, sind vielleicht altmodisch, aber durchaus effektiv.

Tatsächlich zeigt die Praxis, dass es weniger um reale Terrorabwehr geht, sondern einfach darum, das technisch Mögliche auch technisch zu nutzen. Wir Abgeordnete sollten uns aber nicht vom Machbarkeitswahn der Techniker überwältigen lassen. Der SSW hat bereits an anderer Stelle eindrücklich vor der Erosion der Bürgerrechte im Namen des Anti-Terror-Kampfes gewarnt.

Wir plädieren dafür, anstelle auf fragwürdige neue Methoden zu setzen, die bestehenden Instrumente besser zu nutzen, zumal es bisher keine eigentliche Evaluation der existierenden Sicherheitsgesetze gegeben hat. Es wird immer nur draufgesattelt, von Entrümpelung ist dabei allerdings nie die Rede gewesen und auch das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Beratung.

Ich stelle damit fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/1625 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat, und da kein Antrag gestellt worden ist, ist dieser Tagesordnungspunkt mit der Berichterstattung erledigt.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 16 auf:

Kein Abschuss von Passagiermaschinen im Entführungsfall

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1626

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Buchstaben B des Antrages wird ein mündlicher Antrag in dieser Tagung erbeten. Ich bitte daher zunächst um Abstimmung, ob dieser Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem Berichtsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag angenommen worden und ich bitte nun Herrn Innenminister Dr. Ralf Stegner um Berichterstattung für die Landesregierung.

(Anke Spoorendonk)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir sind uns in diesem Hause sicherlich einig, dass Deutschland keine Insel ist und dass es auch hier zu Anschlägen islamistischer Extremisten kommen kann. Die statistische Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass wir nicht immer Glück haben. Allerdings möchte ich an dieser Stelle betonen und festhalten, dass unsere Sicherheitsbehörden hervorragend arbeiten.

Ich sagte bereits vorhin, dass wir solche Themen mit kühlem Kopf behandeln sollten. Dazu gehört allerdings auch zu wissen, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Und dazu gehört auch zu wissen, dass wir etwas gegen die Ursachen von Terrorismus tun müssen, und diese liegen häufig in anderen Ländern und nicht hier in Deutschland.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Was die Bitte angeht, die Sie an uns gerichtet haben, im Namen der Landesregierung zu erklären, wie wir das mit den Äußerungen des Bundesverteidigungsministers halten, will ich zunächst einmal den Herrn Bundesverteidigungsminister mit seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 19. September 2007 zitieren. Da hat er nämlich das Bundesverfassungsgericht angesprochen und Folgendes gesagt - nach dem Urteil vom 15. Februar 2006. In Artikel 35 des Grundgesetzes wird die Anwendung militärischer Gewalt zur Unterstützung der Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder ausgeschlossen. Zum anderen ist eine gesetzliche Erlaubnis zum Abschuss von Flugzeugen, in denen sich unschuldige Passagiere befinden, mit dem Schutz der Menschenwürde im Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht zu vereinbaren, selbst wenn durch den Abschuss wahrscheinlich das Leben anderer Menschen gerettet werden kann, denn die Instrumentalisierung der Abgeschossenen:

„… missachtet die Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten. Sie werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt.“