Protocol of the Session on July 13, 2007

(Zuruf: Tobias Koch! - Heiterkeit)

Wir gehen davon aus, dass der Atomausstieg gilt und vorangetrieben wird und dass Verträge, die geschlossen wurden, eingehalten werden. Insofern richte ich an Herrn Koch die Aussage: Nicht mit uns!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Olaf Schulze und möchte klarstellen, dass der geschätzte Kollege Tobias Koch nicht gemeint war.

(Heiterkeit - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo- her wissen Sie das denn?)

Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Ministerin für Reaktorunfälle, ich frage mich wirklich, was Sie dazu veranlasst hat, hier so aufzutreten. Sie hatten hier zweimal die Gelegenheit, uns ordentlich zu informieren, nämlich einmal im Sozialausschuss und einmal heute hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Sie haben beide Male die Gelegenheit, die Ihnen gegeben wurde, nicht genutzt. Stattdessen blubbern Sie hier irgendwelche schön formulierten Sätze vor sich hin, verweigern nach wie vor die Auskunft, die Sie ganz offensichtlich in Ihrem Ministerium haben - dies habe ich Ihnen bereits vorige Woche im Sozialausschuss vorgeworfen -, und lassen es zu, dass die schleswig-holsteinische Öffentlichkeit immer noch nicht darüber informiert ist, was eigentlich passiert ist.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie beschweren sich zu Recht - das räume ich ein über die Informationspolitik des Betreibers. Sie beschweren sich hier darüber, wie diese Vorfälle klassifiziert werden. Dabei hätten Sie selbst die Vorfälle schon längst klassifizieren müssen. Stattdessen lassen Sie zu, dass sich Ihr Ministerium am

Wochenende nach den Vorfällen in Krümmel und Brunsbüttel dahin gehend geäußert hat, das sei eben so und bei alten Autos flögen auch einmal die Radkappen ab. Das kam aus Ihrem Ministerium zu den Vorfällen. Frau Trauernicht, vor diesem Hintergrund muss man sich wirklich die Frage stellen, was geschieht, wenn in Schleswig-Holstein wirklich einmal etwas unter Ihrer Regie passiert.

Sie haben im Sozialausschuss gesagt, Sie seien nicht die Pressestelle von Vattenfall. Sie könnten es allerdings gut sein. Denn Ihre Informationspolitik ist genauso miserabel, genauso wenig Vertrauen erweckend und genauso unzuverlässig und Sie verschleiern in gleicher Art und Weise wie der Energiekonzern.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Und, Frau Ministerin Trauernicht, eine Ministerin, die seit zwei Wochen durchs Land läuft und ständig die Zuverlässigkeit des Betreibers anzweifelt, ohne daraus irgendeine Konsequenz zu ziehen, ist selbst unzuverlässig und ein Sicherheitsrisiko.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb sind die Vorgänge in Krümmel und Brunsbüttel politisch von herausragender Bedeutung. Denn sie geben uns Hinweise auf die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit derjenigen, die für die Sicherheit in den Kernkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel und den Schutz der Bevölkerung sorgen sollen. Beide, der Betreiber Vattenfall und die für Reaktorsicherheit zuständige Ministerin Gitta Trauernicht, haben sich bei den Vorgängen in Krümmel und Brunsbüttel nicht nur nicht mit Ruhm bekleckert, sondern konsequent versagt. Beide haben versagt, weil sie ihre Informationspflichten sträflich vernachlässigt haben.

Vattenfall hat zwar noch am Tage des Brandes für Laien angeblich kryptische Stichworte über die wesentlichen Ereignisse an das Ministerium gemeldet, aber eine transparente und vertrauenswürdige Information der Öffentlichkeit sieht anders aus. Diese Stichworte könnten für die Fachleute des Ministeriums wohl etwas weniger geheimnisvoll sein, zumal ich davon ausgehe, Frau Ministerin, dass in Ihrem Ministerium für Reaktorsicherheit nicht Ökotrophologen sitzen.

Ministerin Trauernicht hat ihre Informationen zunächst vier Tage vor der Öffentlichkeit schlichtweg geheim gehalten.

(Beifall bei der FDP)

(Olaf Schulze)

Nur scheibchenweise gab sie ihr Wissen preis; das hat sie sogar im zuständigen Ausschuss eingestanden. Das war und ist keine transparente Informationspolitik. Das war Verschleierung durch Salamitaktik. Das war, Frau Trauernicht, eine einzige Informationspanne, die Sie selbst verursacht und geduldet haben.

Ich will an dieser Stelle einräumen: Die Informationspolitik von Vattenfall ist genauso ungenügend und muss durch Durchgreifen verbessert werden. Dies rechtfertigt allerdings nicht die ungenügende Informationspolitik seitens der Ministerin. Letzte Woche versuchte Frau Trauernicht dann, alle Vorwürfe auf Vattenfall abzuwälzen und sozusagen wie die Jeanne d’Arc durch die Medienlandschaft zu reiten. Sie behauptet seitdem, es gebe Anhaltspunkte für ein erhebliches Fehlverhalten Vattenfalls, das schwere Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit als Betreiber der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel aufkommen lasse.

Seit einer Woche laufen Sie durchs Land und sprechen Vattenfall mehrmals täglich die notwendige Zuverlässigkeit ab, Kernkraftwerke sicher zu betreiben; das habe ich zuletzt gestern im „Frühstücksfernsehen“ von ARD und ZDF gehört. Sie wissen doch - auch das habe ich Ihnen letzte Woche im Sozialausschuss gesagt -, welche Konsequenz dies hat: Sie müssen dafür sorgen, dass den Betreibern die Betriebserlaubnis entzogen wird. Es geht um nicht mehr, aber auch um nicht weniger.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn als es am Tage des Brandes in Krümmel und den Tagen danach darauf ankam, haben Sie völlig versagt, Frau Ministerin. Wenn ich mich richtig erinnere, war es früher unter Rot-Grün nach solchen Ereignissen in schleswig-holsteinischen Kernkraftwerken üblich - jedenfalls wurde es uns so mitgeteilt -, dass sich die zuständige Ministerin oder der zuständige Minister zügig vor Ort blicken ließ, um sich ein eigenes Bild von der Lage zu verschaffen. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Wann haben Sie sich vor Ort ein eigenes Bild gemacht?

(Dr. Henning Höppner [SPD]: Warst du auch schon da?)

- Lieber Kollege Höppner, ich will Ihnen eines sagen: Schicken Sie diese Frau

(Dr. Heiner Garg [FDP] zeigt auf Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

(Dr. Heiner Garg [FDP] zeigt auf die Abge- ordnetenplätze der SPD-Fraktion)

und setzen Sie mich da hin!

(Dr. Heiner Garg [FDP] zeigt auf die Regie- rungsbank)

Dann zeige ich Ihnen, wie es geht!

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD)

Vorher sollten Sie sich mit solchen Zwischenrufen einfach zurückhalten. Sie ist schließlich dafür zuständig und nicht ich.

(Zurufe von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ereignisse in Krümmel und Brunsbüttel mögen die Bevölkerung nicht gefährdet haben; möglicherweise hat auch die Sicherheitstechnik funktioniert.

(Anhaltend Zurufe von der SPD - Wolfgang Baasch [SPD]: Vorher stellt noch der Ku- bicki Ansprüche!)

Nicht funktioniert hat allerdings die zuverlässige Information der Öffentlichkeit: Sowohl Vattenfall auch als Ministerin Trauernicht haben versagt. Dies geschah bei einem angeblich kerntechnisch ungefährlichen Ereignis. Insofern kann man sich die Frage stellen, was eigentlich unter der Regie dieser Dame passiert, wenn wirklich einmal - davor möge uns der Himmel bewahren - etwas passiert. Ich bezweifle, dass Ministerin Trauernicht den Herausforderungen gewachsen wäre, wenn es tatsächlich zu einem gefährlichen Ereignis käme.

Ich fordere Sie auf, Frau Ministerin: Suchen Sie sich einen bequemen Platz auf den Hinterbänken der SPD-Fraktion. Ich fordere Sie auf: Treten Sie zurück! Ziehen Sie die Konsequenzen aus Ihrem kompletten Versagen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erhält nun Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch vor wenigen Wochen hat sich die CDU - vorneweg Minister Austermann - für die Verlängerung der Restlaufzeit beim Atommeiler Brunsbüttel, der 2009 vom Netz geht, starkgemacht. Nach den letzten Vorfällen, lieber Kollege

(Dr. Heiner Garg)

Arp, in Brunsbüttel und Krümmel wird deutlich, wie wenig intelligent solche Aussagen sind. Den Forderungen der Energiekonzerne, den beschlossenen Atomausstieg nach 2009 wieder einzukassieren, kann nur eine Abfuhr erteilt werden. Alles andere wäre unverantwortlich gegenüber den Menschen in unserem Land und darüber hinaus.

Die Pannenmeiler Brunsbüttel und Krümmel haben den unrühmlichen Ruf, die störanfälligsten Atomkraftwerke der Republik zu sein. Als wenn dies noch nicht genug wäre, müssen wir wieder einmal feststellen, dass der Betreiber auch nicht zu den zuverlässigsten gehört. Ich möchte nur an die Debatte vom September letzten Jahres erinnern, als wir bei einem Störfall in Brunsbüttel bereits unsere Erfahrungen mit der miserablen Informationspolitik des Betreibers gemacht haben.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Seinerzeit haben wir ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Betreiber eine Informationspflicht gegenüber dem Land als Reaktorsicherheitsbehörde hat. Das scheint er völlig vergessen zu haben. Alles deutet nun darauf hin, dass der Betreiber dieser Pflicht wieder einmal nicht nachgekommen ist, obwohl die Politik - dies betrifft sowohl uns hier in diesem Hohen Hause als auch die Ministerin - dies ständig eingefordert hat.

Aber auch die Liste von Pannen, die im Verlauf des Unfalls und noch Tage später nach und nach an die Öffentlichkeit drangen, macht deutlich, dass es nicht nur Probleme hinsichtlich der Informationspflicht gibt. Die Liste geht von unzulänglichen Dübeln bis hin zu gravierenden Bedienungsfehlern des Personals während des Unfalls. Wenn einer seinen Laden nicht im Griff hat, dann gehört ihm die Lizenz entzogen. Jedem Imbissbudenbesitzer, der mehrfach gegen das Lebensmittelrecht verstoßen hat, hätte man den Landen dichtgemacht. Ein Atomkraftwerk darf aber mit all seiner gefährlichen Wirkung für die Menschheit weiterlaufen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das steht noch nicht fest!)

Das ist nicht zu akzeptieren. Damit wären wir bei der zuständigen Aufsichtsbehörde, die nach Auffassung des SSW auch in keinem guten Licht steht. Es fängt an mit dem beschwichtigenden Vergleich mit einem älteren Auto, das bei einer Vollbremsung eine Radkappe verliert.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Der Ver- gleich mit der Imbissbude hinkt auch!)