Protocol of the Session on July 11, 2007

(Beifall bei der SPD)

Dies ist die leicht veränderte Erklärung des Sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden Wilhelm Käber vom 30. April 1963 zur Einweihung der Fehmarnsund-Brücke. Das stimmt dem Sinn nach auch heute noch. Ich will darauf hinweisen, dass es Sozialdemokraten im Landtag Schleswig-Holsteins waren, die 1957 die Fehmarnsund-Brücke gefordert hatten, etwa der damalige Abgeordnete aus dem Landkreis Oldenburg, Heinz Adler, später Oberbürgermeister meiner Stadt Flensburg.

Wir erhoffen uns sehr viel von der Querung: Sie soll die Regionen Schleswig-Holstein/Hamburg und Kopenhagen/Malmø enger zusammenführen. Sie schafft neue Chancen für Unternehmen und Logistik zwischen Hamburg, Lübeck und Puttgarden. So steht es im Koalitionsvertrag und an dieser Einschätzung hat sich für uns nichts geändert.

In den Details ist manches anders gekommen, als wir dachten, und die dänische Seite wird die Brücke im Wesentlichen allein bauen. Die Dänen sind ziemlich mutig. Sie können und sie wollen sich diesen Mut leisten, weil sie davon überzeugt sind, dass sich der Bau rechnen wird. Meine Fraktion hätte sich gewünscht, dass die Bundesregierung diese Überzeugung geteilt und ähnlichen Mut aufgebracht hätte.

(Dr. Johann Wadephul)

(Beifall bei SPD, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das ist nun lediglich in sehr begrenztem Umfang der Fall, denn den Bau der Brücke selbst übernimmt unser kleines, selbstbewusstes Nachbarland im Norden. Ich freue mich jedoch, dass der Bund wenigstens die Hinterlandanbindung auf deutscher Seite schultern will: den vierspurigen Ausbau der Straßenanbindung ebenso wie die Elektrifizierung und die Erweiterung der Bahnstrecke. Was die Bahnstrecke betrifft, so hoffe ich, dass auch die Deutsche Bahn erkennt, welche Chancen in dieser Schienenverbindung liegen. Ein Unternehmen, das am Markt agiert, muss erkennen, dass hier wichtige zusätzliche Einnahmen reinkommen können. Man weiß auch, dass dort entsprechende erste Überlegungen vorhanden sind.

Was die Beteiligung des Schleswig-Holsteinischen Landtages in Höhe von 60 Millionen € betrifft, so ist in den Haushaltsberatungen der nächsten Jahre darüber zu entscheiden. Der Landtag wird diese Entscheidung sicherlich mit Mehrheit der Großen Koalition treffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun kommt es darauf an, dass wir schon in die Planungs- und Bauphase die Region verlässlich einbeziehen und dass wir alles daran setzen, einen Teil der erwarteten Arbeitsplätze auch nach SchleswigHolstein zu holen. Wir müssen die Chancen nutzen, die uns die neue Querung bringt. Schleswig-Holsteinische Firmen sollten sich frühzeitig auf die Ausschreibungen im Baubereich vorbereiten, um im Wettbewerb um Bauaufträge gut aufgestellt zu sein. Gemeinden vor Ort sollten spätestens jetzt mit starker Beteiligung ihrer Bürgerinnen und Bürger damit starten, ihre Prioritäten für die Planung zu bestimmen, denn nur die Belange, die frühzeitig bekannt sind, können berücksichtigt werden. Die Unternehmen im Einzugsbereich der neuen Strecke sollten jetzt bereits die neuen Verkehrswege in ihre langfristige Entwicklungsstrategie einbeziehen. Ich weiß, dass die IHK zu Lübeck bereits erste Schritte eingeleitet hat.

Mit Pessimismus kommen wir nicht weiter. Ich habe allerdings auch großes Verständnis für die Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern angesichts der Veränderungen, die der Ausbau der Hinterlandanbindung und die Reduzierung des Fährverkehrs in einigen Jahren mit sich bringen werden. Jede Veränderung birgt Unsicherheiten und - das will ich nicht verhehlen - auch Risiken. Dennoch: Wir sollten in die Zukunft blicken und wir sollten uns gut vorbereiten, damit wir alle von der festen Fehmarnbelt-Querung profitieren können. Wir sollten auf

die Chancen und Möglichkeiten blicken, die sich uns öffnen. Ich bin gern bereit - wie auch in der Vergangenheit -, mit den Menschen auf Fehmarn zu diskutieren und mich den kritischen Fragen zu stellen.

In dieser Debatte sollten wir direkt die positiven dänischen Aktivitäten vor und während des Baus der Brücke über den Großen Belt einfließen lassen. Hier sollten wir von den Dänen lernen und wir müssen von den Dänen lernen.

Wir sollten darauf schauen, wo Arbeitsplätze neu entstehen können und wo sich die Verkehrsanbindung verbessert. Das Land ist gefordert, den direkten Austausch mit den kritischen Fehmaranern zu suchen. Ich bin dankbar, dass Herr Ministerpräsident Carstensen das ausdrücklich für die Landesregierung zugesichert hat.

Wir stehen in der Verantwortung für Ersatzarbeitsplätze und für neue Arbeitsplätze. Wir müssen dazu beitragen, dass beides entsteht.

Die Parlamente beider Staaten werden sich noch mit dem Bau zu befassen haben. Das gilt ganz besonders für die Bereitstellung von Staatsbürgschaften und für die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Hinterlandanbindungen. Deutschland und Dänemark sind sich darüber einig, dass keine Steuergelder investiert werden sollen, sondern dass das Engagement der Wirtschaft gefragt ist - unterstützt durch europäische Zuschüsse. Dieses wird sicherlich in den nächsten Wochen endgültig abgesichert werden.

Wofür ich wenig Verständnis habe, sind Versuche, bereits jetzt Konflikte herbeizureden, wo keine sind. Ich habe wenig Verständnis dafür, wenn versucht wird, einen Keil zwischen deutsche und dänische Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zu treiben. Unsere Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten im Folketing haben uns versichert - ich bin in den letzten Jahren regelmäßig dort gewesen -, dass die dänische Sozialdemokratie zum Brückenprojekt steht, ganz anders, als es in manchen Medien kolportiert wird.

Die dänische Sozialdemokratie begrüßt die nun abgeschlossene Vereinbarung. Klar ist auch - das betrifft beide Seiten -, dass vor der Umsetzung noch viel zu tun ist, ein hartes Stück Arbeit vor uns liegt, wie der verkehrspolitische Sprecher der dänischen Sozialdemokraten, Magnus Heunicke, sagte. Er verweist auf die positiven dänischen Erfahrungen mit den Brückenbauwerken über den Großen Belt und den Øresund, bei denen die Kosten der Brücke ebenfalls durch die Nutzerinnen und Nutzer finanziert werden. In Dänemark werden Verkehrsminis

(Lothar Hay)

terium und Parlament an einem Strang ziehen und in Deutschland sollte es nicht anders sein.

(Beifall bei SPD, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bis hierhin war es ein weiter Weg. Wir haben uns hier im Landtag häufig mit der festen Querung befasst. Wir haben Gespräche geführt, haben ausgelotet, verhandelt. Wir haben schließlich mit der politischen Vereinbarung zwischen beiden Staaten ein wichtiges Zwischenziel erreicht. Ich will nicht verhehlen, dass es auch innerhalb der SPD unterschiedliche Auffassungen dazu gab und gibt, insbesondere zwischen der SPD-Landtagsfraktion und der Partei auf der einen Seite und einigen schleswig-holsteinischen SPD-Bundestagsabgeordneten auf der anderen Seite. Dies haben wir unter dem Prinzip der Toleranz immer getragen - genauso wie die Auffassung des Kollegen Poppendiecker, der hier in der Vergangenheit immer eine andere Auffassung vertreten hat. Es wird auch in Zukunft für uns Richtschnur sein, dass man andere Auffassungen innerhalb der Partei akzeptiert.

Nun, wo die grundsätzliche Entscheidung gefallen ist, sollten wir gemeinsam schauen, was noch zu tun ist. Wir sollten die betroffenen Regionen eng einbeziehen. Wir sollten die Belange der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst nehmen und ebenfalls die Fragen aus dem Bereich Naturschutz und Ökologie auf die Tagesordnung unserer Beratungen setzen.

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Schaffung und der dauerhafte Erhalt von Arbeitsplätzen in der strukturschwachen Region im nördlichen Ostholstein ein hohes Gut. Es darf nicht sein, dass die neue Brücke nur den Metropolen Kopenhagen und Hamburg zugute kommt. Wir Sozialdemokraten werden uns ab sofort dafür engagieren, dass sich auch Lübeck, das südliche Holstein und der Kreis Ostholstein auf eine Zukunft mit der Querung einstellen und sich darauf vorbereiten, an den Vorteilen teilzuhaben.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Ich erteile dem Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach vier Rednern und nach den Re

gierungssprechern wird es Zeit, dass die Opposition in dieser Debatte zu Wort kommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Hier wurden von allen die europaweite Bedeutung dieser Brücke und die große Zukunft Nordeuropas beschworen. Da ich - wohl im Unterschied zu einigen meiner Vorredner - die Gutachten und wirtschaftlichen Analysen zu dieser Brücke gelesen habe, werde ich ein paar Zahlen nennen, bevor ich in meine Rede einsteige.

Die Bahnstrecke von Ostholstein nach Dänemark ist in Schleswig-Holstein zurzeit die Bahnstrecke mit der geringsten Verkehrsbelastung aller Bahnstrecken. Die Zukunftsprognosen für diese Brücke und für die Verkehrsbelastung des Fehmarnbelts gibt weniger als 10.000 Fahrzeuge pro Tag an. Das ist nicht einmal die Hälfte der Fahrzeuge, die auf einer normal befahrenen Landstraße fahren. Das muss man wissen. Nach den Prognosen machen zwei Drittel dieses Verkehrs den touristischen Verkehr aus. Das ist kein Verkehr durch Wirtschaftsbetrieb. Die große und überdimensionierte Bedeutung, die der Brücke beigemessen wird, ist eine Fiktion; jedenfalls nach den Zahlen und Gutachten, die von den Regierungen und von den Betreibern erarbeitet worden sind.

Die entscheidende Frage ist, was mit dem Güterverkehr ist. Der weltweite Güterverkehr fährt nun einmal auf dem Meer. 92 % der weltweiten Güterverkehre finden mit dem Schiff statt. Nordeuropa ist deshalb verkehrspolitisch so gut angebunden und wirtschaftlich so gut positioniert, weil alle Wirtschaftszentren Nordeuropas an Häfen liegen. Das ist der entscheidende Vorteil. Auch in Schottland und Irland - beides Regionen, die sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt haben -, gibt es keine Autobahnverbindung nach Zentraleuropa. Wohl aber gibt es hervorragende Häfen, die eine Anbindung an die Weltmärkte garantieren. Insofern ist Nordeuropa wunderbar angebunden und braucht nicht erst durch eine Brücke entwickelt zu werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Aus genau diesem Grund bin ich immer für die Investition in Häfen und in Kanäle gewesen, und zwar auch in Schleswig-Holstein, auch wenn manche Vorredner dies nicht mitbekommen haben. Ich bin immer für Infrastrukturinvestitionen, wenn sie sinnvoll sind. Genau darüber müssen wir uns in diesem Fall unterhalten. Es ist mir unbegreiflich, warum die Fraktionen von CDU, SPD und FDP

(Lothar Hay)

über diesen Beschluss jubeln. Der Bau wird Schleswig-Holstein ganz massiv schaden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei geht es uns nicht nur um den Umweltschutz und um den Vogelschutz. Es geht um reale wirtschaftliche Nachteile, wenn viele Milliarden Euro in Beton gegossen werden, die wir dringend für andere Zwecke brauchen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zur Umwelt, auch wenn das ein Thema ist, das die Mehrheit der Abgeordneten der Großen Koalition eher komisch findet. Die Vogelfluglinie hat ihren Namen, weil jedes Jahr Millionen Vögel, die in Skandinavien, in Nordrussland und in Sibirien brüten, hier entlang fliegen. Eine solche Konzentration von Zugvögeln ist weltweit einmalig. Kommt es also zu dem Bau einer Brücke und nicht zu dem Bau eines Tunnels, der etwas anderes wäre, verenden nachts Tausende von Vögeln, die den Fehmarnbelt als Wasserroute brauchen, an dieser Brücke.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Euer Ehren, aber Offshore-Gebiete planen Sie!)

- Ich weiß, dass Sie das lächerlich finden, Herr Kubicki. Das ist mir völlig klar. Auch der Sauerstoffgehalt der Ostsee, die sowieso ein sauerstoffarmes Meer ist, wird weiter abnehmen, wenn die Grundströmung, die Sauerstoff von der Nordsee in den Großen Belt und in den Fehmarnbelt transportiert, durch die Brückenpfeiler verwirbelt wird. Das werden auch die Fischer spüren, wenn noch mehr Fische an Sauerstoffmangel verenden.

Die Brücke schadet aber nicht nur der Natur. Sie wird auch Arbeitsplätze vernichten. Die Lübecker Hafengesellschaft spricht im Südschweden-Verkehr von Verlusten von 25 %. Die Stena Line von Göteborg nach Kiel sieht große Probleme. Herr Austermann, Sie selbst waren in diesem Jahr am 6. Juni dabei, als der Vertreter der Stena Line auf der Feierstunde zum 40. Jubiläum der Fährlinie vor dem Bau der festen Querung warnte und die komplette Einstellung der Linienverbindung für möglich hielt. Das ist ein Schaden für Kiel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz zu schweigen ist von den 600 Arbeitsplätzen der Scandlines auf der Fehmarn-Fährlinie, die dann ersatzlos wegfallen. Der Tourismus auf Fehmarn hat ein jährliches Volumen von 3 Millionen Übernachtungen und wird massiv verlieren.

Am meisten ärgert mich in dieser Debatte aber, dass Sie nicht einmal Ihre eigenen Gutachten lesen. Es gibt eine regionalökonomische Analyse der Auswirkungen dieser Brücke. Diese Analyse ist in der letzten Legislaturperiode vom Landtag auf unsere Initiative und auf die Initiative des Kreises Ostholstein hin gefordert worden. Ich erwarte zumindest von Vertretern, die aus Ostholstein kommen, oder von Leuten, die sich hier im Landtag intensiv mit diesem Projekt beschäftigen, dass sie diese regionalökonomische Analyse zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

In dieser Analyse steht schwarz auf weiß: Wirtschaftliche Vorteile von der Verbindung haben nur die Räume Kopenhagen, Südschweden und Hamburg. Ostholstein, Lübeck und Kiel gehören eindeutig zu den Verlierern. So steht es in dieser Analyse. Es wird empfohlen, erhebliche zusätzliche Wirtschaftsförderungen und Investitionen zu tätigen, um diese Nachteile auszugleichen. Das steht in der Analyse der Landesregierung!

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Die Wirtschafts- und die Verkehrsverlagerungen gehen in die falsche Richtung. Sie gehen nicht mehr - wie in Sonntagsreden behauptet - from Road to Sea, wie wir es immer vertreten haben, sondern sie gehen zurück auf die Straße. Auch die wichtigen Zwangspausen der Lkw-Fahrer fallen weg. Schleswig-Holstein wird noch mehr zum reinen Transitland, in dem keine Wertschöpfung mehr anfällt. Das kennen wir aus allen Transitgebieten. Der große Profiteur der Brücke wird Südschweden sein. Für Gütertransporte aus dieser Region gibt es dann zwei Straßenverbindungen.

Der Herr Ministerpräsident hat heute versprochen, sich intensiv um Fehmarn zu kümmern. Was das bedeutet, haben wir gesehen, als der RepoweringPark auf Fehmarn gebaut wurde. Fehmarn musste auf dem Festland sogar eine eigene Stromtrasse bauen, weil sich die Landesregierung nicht dafür eingesetzt hat, dass E.ON sie baut, obwohl E.ON gesetzlich dazu verpflichtet war. Das hat der Wirtschaftsminister auch noch bejubelt. Sie haben Fehmarn im Stich gelassen und Sie werden Fehmarn wieder im Stich lassen, das prophezeie ich!