Protocol of the Session on May 10, 2007

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetz werden die Geldströme zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs neu geordnet, zusammengefasst und beschnitten.

Die Vertreter der Großen Koalition bestreiten Letzteres. Aber das hat nur geringen Informationswert, weil es in der Logik des politischen Wettbewerbes liegt, eigene Gesetzentwürfe nicht zu kritisieren. Dennoch: Die Mittel werden beschnitten.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den ersten beiden Punkten: Bisher ist die Finanzierung des ÖPNV das typische Mischmasch einer öffentlichen Gemeinschaftsfinanzierung, bei der sich viele davor drücken konnten, das zu bezahlen, was andere von Gesetzes wegen bestellen müssen: Denn die Kreise und kreisfreien Städte müssen den ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge aufrechterhalten.

Das ist in einem teilweise dünn besiedelten Flächenland wie Schleswig-Holstein besonders wichtig. Denn gerade in diesen dünner besiedelten Gebieten sind viele der verbliebenen Menschen auf den ÖPNV angewiesen. Ihre Zahl reicht aber regelmäßig nicht aus, um den ÖPNV kostendeckend zu betreiben. Anders ist es in Ballungsräumen: Hier könnte sich ein intelligent organisierter ÖPNV viel eher tragen, weil er auch für viele Autofahrerinnen und Autofahrer eine lohnende Alternative zum täglichen Stau sein könnte.

Insofern begrüßen wir es, dass die Landesregierung Finanz- und Aufgabenverantwortung jetzt näher zusammenrücken will. Das entspricht dem Gedanken des Subsidiaritätsprinzips.

Was wir allerdings ablehnen, ist die implizite Kürzung beim ÖPNV. Denn die Landesregierung betrachtet die Streichung des Vorwegabzuges für den ÖPNV im kommunalen Finanzausgleich als Kompensation für die Kürzung der Finanzausgleichsmasse um 120 Millionen €.

(Beifall bei der FDP)

Im Lichte der morgigen Ergebnisse der Steuerschätzung werden die Vertreter der Großen Koalition wieder behaupten, das sei doch nicht so schlimm. Schließlich hätten die Kommunen trotzdem mehr Geld als letztes Jahr. Wir sagen: Es bleibt so schlimm. Denn sonst hätten die Kommunen 120 Millionen € mehr.

(Beifall bei der FDP)

Angesichts der wachsenden Aufgabenlast der Kommunen halten wird die Kürzung für falsch. Wie gesagt halten wir die Kürzung der Finanzausgleichsmasse für falsch und wir halten auch die damit verbundene implizite Kürzung der Mittel für den ÖPNV für falsch. Denn es gibt mindestens zwei Gründe, den ÖPNV sogar noch zu stärken.

Erstens könnte der ÖPNV noch stärker zur Minderung des CO2-Ausstoßes beitragen, wenn er so attraktiv gestaltet wird, dass er mehr Kundinnen und Kunden anzieht. Dies bei öffentlichen Trägern mit geringeren Zuweisungen erreichen zu wollen, halten wir für widersinnig.

Zweitens gehört zum ÖPNV selbstverständlich auch die Schülerbeförderung in öffentlichen Schulbussen. Wer wie CDU und SPD wegen der Bevölkerungsentwicklung Schulen zusammenlegt, so für viele Schülerinnen und Schüler die Schulwege verlängert und gleichzeitig die Kosten für die längeren Schulbusfahrten auf die Eltern abwälzt, handelt aus unserer Sicht verkehrt.

(Olaf Schulze)

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Schulbusse zu verteuern, ist bei diesem Ziel bestimmt der Holzweg. Denn was teurer wird, wird nicht unbedingt mehr nachgefragt. Und die daraus entstehenden Nachteile werden den Kindern aufgebürdet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gewichten die positiven und die negativen direkten Folgen dieses Gesetzes ungefähr gleich. Deshalb habe ich mich im Wirtschaftsausschuss enthalten. Wir werden uns auch hier bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Neuregelung für die Finanzierung des Bus-ÖPNV wird von den GRÜNEN grundsätzlich unterstützt. Es ist richtig, die Finanzmittel zu bündeln und vom Land auf die Kreise und kreisfreien Städte zu übertragen. Deren Aufgabenträger erhalten zukünftig eine jährliche Pauschale zur Sicherstellung einer ausreichenden ÖPNV-Verkehrsbedienung. Die Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr werden bislang an die Verkehrsunternehmen gezahlt. Die Mittel gehen jetzt an die Kreise und kreisfreien Städte. Diese machen eine Finanzierungsvereinbarung mit den jeweiligen Verkehrsunternehmen.

Es ist allerdings mutig, dass Frau Staatssekretärin Wiedemann in ihrem Schreiben vom 25. April 2007 an den Wirtschaftsausschuss behauptet, dass die anfänglichen Bedenken gegen die Kommunalisierung der Bus-ÖPNV-Mittel weitestgehend ausgeräumt seien. Das konnten wir den Schriftsätzen nicht entnehmen. Der OVN/VDV-Nord sagt klar und deutlich, dass er die Mittel nicht für ausreichend hält, um das gegenwärtige Verkehrsangebot auch in den nächsten Jahren sicherzustellen.

Auch bei der 90-%-Regelung sieht es der Omnibusverband für die Flächenkreise nicht als sichergestellt an, dass die Ansprüche auf Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr auch abgegolten werden.

Spannend ist natürlich die Verteilung der Mittel auf die Kreise. Das Ministerium wird durch das Ge

setz ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Finanzierung des Bus-ÖPNV zu regeln. Es geht um die Höhe der Mittel und die Verteilung auf Kreise und kreisfreie Städte. Diese Verordnung liegt im Entwurf vor; Basisjahr ist 2005.

Für 2007 sind 59,76 Millionen € für den Busverkehr vorgesehen. 2008 sinkt der Betrag auf 58,26 Millionen € und 2009 auf 57,26 Millionen €. Damit werden die Reduzierungen bei den Regionalisierungsmitteln des Bundes durch die Große Koalition aus CDU und SPD in Berlin ohne Entlastung an die Aufgabenträger weitergereicht.

Das kritisieren wir scharf. Denn Schleswig-Holsteiner und Schleswig-Holsteinerinnen sind in unserem Flächenland auf einen attraktiven und bezahlbaren ÖPNV angewiesen. Es ist ein großes Ärgernis, dass die mühsam erkämpften Standards im ÖPNV bei Schiene und Bus schrittweise verlustig zu gehen drohen.

Aus grüner Sicht muss die Landesregierung hier eine deutliche Priorität bei den Haushaltsmitteln setzen. Wo bleibt da der Einsatz der SPD für den ÖPNV in Schleswig-Holstein?

(Beifall bei der FDP)

Ich gehe auf das ein, was der Kollege Garg ausgeführt hat. Warum stellen Sie keine Überlegung an, die Einnahmeseite beispielsweise durch eine Attraktivitätssteigerung zu stärken? - Das scheint völlig außerhalb jeglicher Betrachtungsmöglichkeiten zu liegen.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Das machen die Betreiber selber!)

Ich komme zu einem anderen Thema. - In den Jahren 2009 bis 2012 ist vorgesehen, einen noch festzulegenden Anteil der ÖPNV-Mittel nach Anreizkomponenten zu verteilen. Die Methodik der Anreize soll bis Ende 2008 in Abstimmung mit den Aufgabenträgern und unter Beteiligung der Verkehrsverbände festgelegt werden. Das kann sich zum Beispiel auf die jeweiligen Fahrgastzahlen beziehen. Wäre das so, hielten wir es für einen richtigen Weg.

Weitere Punkte, die wir kritisch sehen, erfuhren keine Berücksichtigung im Gesetzgebungsverfahren:

Die Aufstellung des landesweiten Nahverkehrsplanes und die Aufstellung der regionalen Nahverkehrspläne sind keine Pflichtaufgaben mehr. Hier gilt jetzt eine Kann-Bestimmung. Und wir wissen, wie die Kommunen darauf reagieren werden, sie werden sich damit nicht mehr beschäftigen.

(Dr. Heiner Garg)

Das ist eine Standardabsenkung, bei der zwar sicher auch Mittel eingespart werden. Es hat sich aber gezeigt, dass die Aufstellung und Beschlussfassung über die Verkehrspläne dazu geführt haben, dass sich die Politiker mit dem Thema beschäftigt haben: was wollen wir im Nahverkehr, welche Ziele gibt es, wollen wir neue Modelle ausprobieren, Angebote verändern und so weiter. Darum muss sich die Politik auch lokal kümmern. Es ist schade, dass diese Regelung wegfällt.

Dem Gesetzentwurf liegt keine Mustervereinbarung bei. Das wäre sicher hilfreich, um eine Vergleichbarkeit zu haben und die Mittelverteilung transparent zu halten. Es sollte auch eine Möglichkeit der Mittelübertragung geben, sodass die Aufgabenträger Mittel für größere Investitionsprojekte ansparen können. Auch dieses gibt das Gesetz nicht her.

Nach der Kommunalisierung der ÖPNV-Mittel sollte im Weiteren die Konzessionshoheit über die Linien auf die Aufgabenträger übertragen werden.

Wir Grüne begrüßen die Bündelung und Kommunalisierung der Bus-ÖPNV-Mittel. Wir halten aber die Kürzungen der Mittel für nicht hinnehmbar. So wird es zu Angebotsverschlechterungen kommen, vor allen Dingen in der Fläche. Im Ergebnis stimmen wir deshalb aus den genannten Gründen gegen das Gesetz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Änderungen des ÖPNV-Gesetzes beinhalten nur zwei Knackpunkte, nämlich einerseits die Frage, ob für den öffentlichen Personennahverkehr Pläne aufgestellt werden müssen oder eben nicht, und andererseits, wie in Zukunft die Finanzierung dieser Aufgabe aussieht.

Für den SSW war es immer klar, dass sowohl der Schienenpersonennahverkehr auf Landesebene als auch dessen zukünftige Entwicklung geplant werden müssen. Dabei geht es nicht nur um Fahrzeuge, Strecken und Bahnstationen, sondern auch um die zukünftige Planung von Vergabeverfahren. Allerdings müssen wir erkennen, dass in diesem Bereich, neue Regierungen neue Akzente setzen können. Ob diese Akzente angesichts der öffentlichen Debatten um das Vergabeverfahren Netz-Ost

richtig gesetzt worden sind, wage ich allerdings stark zu bezweifeln. Allerdings zeigen diese Vorkommnisse, dass da auch ein SPNV-Plan oder Ähnliches nicht geholfen hätte.

Was die Planung der Quantität und Qualität auf unseren Bahnlinien und deren Vertaktung zum Busverkehr angeht, sind wir immer noch der Meinung, dass hier eine gezielte und genaue Entwicklungsplanung für den SPNV dringend notwendig ist. Allerdings lässt das neue Gesetz diesen Spielraum offen. Das Wirtschaftsministerium kann in Zukunft auch einen landesweiten Nahverkehrsplan für den SPNV aufstellen und ich glaube, dass das eine verantwortungsbewusste Landesregierung auch tun wird.

Ähnlich ist die Lange im Busbereich. Hier ist die kommunale Ebene der Aufgabenträger und auch hier ermöglicht in Zukunft eine Kann-Bestimmung, die bisherige ÖPNV-Planung weiterzuführen.

In Zeiten, in denen der gesamte Busbeförderungsbereich völlig umgekrempelt wird und auch die Eltern von Schülern im ländlichen Bereich für die Schülerbeförderung zur Kasse gebeten werden, wird man um eine ständig aktualisierte Planung nicht umhin kommen. Der Griff ins Portemonnaie der Eltern wird dazu führen, dass sie wieder auf Privat-Pkws umsteigen, mit den entsprechenden ökologischen Folgen für uns alle und mit den ökonomischen Folgen für die Eltern und die Busunternehmen.

Vor diesem Hintergrund ist eine andere Frage die wesentlich wichtigere Frage, nämlich: Können wir den Busverkehr und dessen tragende Unternehmen noch halten? Auf einer Veranstaltung der Autokraft im vergangenen Monat ist deutlich geworden, dass hier die kommunale Ebene an der Seite der Verkehrsunternehmen und der Beschäftigten der Unternehmen steht. Alle gemeinsam fordern, dass das Tariftreuegesetz auch auf den ÖPNV ausgeweitet wird und so vernünftige Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, der Kollege Arp, hat auf dieser Veranstaltung deutlich gemacht, dass bis zur Sommerpause eine Entscheidung herbeigeführt werden soll. Das begrüße ich ausdrücklich.

Die Einführung der Tariftreue für den ÖPNV wäre in der Tat eine wichtige Entscheidung für den Erhalt des ÖPNV in Schleswig-Holstein. Hier müssen wir - so wie es der Kollege Arp angekündigt hat eine schnelle Lösung, wie es die Unternehmen, die Beschäftigten und auch die Kreise wünschen, bekommen. Der ÖPNV muss in das Tariftreuegesetz

(Detlef Matthiessen)

aufgenommen werden und die zeitliche Befristung des Gesetzes muss gestrichen werden.