Als wirtschaftspolitischer Sprecher möchte ich noch einmal auf die Gefahren durch die Liberalisierung von Dienstleistungen eingehen. Der freie Binnenmarkt bringt den Menschen in Europa viele Vorteile. Aber staatliche Aufgaben leichtfertig zu Marktdienstleistungen umzudefinieren ist ein Missbrauch der Liberalisierungspolitik. Das betrifft zum Beispiel die Versorgung mit Trinkwasser, Infrastrukturen im Verkehr und leitungsgebundener Energie, den Gesundheitsschutz, die Sicherung von Bildungschancen und dergleichen. Dies alles wird in der Dienstleistungsrichtlinie dem freien Markt ausgesetzt. Wir halten das für untauglich und für die Volkswirtschaft für Gift.
Wir Schleswig-Holsteiner haben wohl viel von der dänischen Sozialpolitik gelernt. Ich kann bei der CDU allerdings nur feststellen, dass sie dort Rosinenpickerei betreibt. Sie will die Flexibilität im Kündigungsschutz haben, aber nicht die Sicherungsinstrumente und die anderen begleitenden Instrumente. Das ist eine Politik - wie wir nur verkürzt bewerten können -, die untauglich ist. Sie kommt in dem Bericht nach meiner Meinung so nicht zum Ausdruck.
Bevor ich das Wort weitergebe, schaue ich auf die Besuchertribüne. Dort sehe ich den Geschäftsführer des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Peter Iver Johannsen, uns seit langen Jahren durch intensive Zusammenarbeit bekannt. - Seien Sie uns hier im Landtag herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch im Namen des SSW ganz herzlichen Dank für diesen Bericht. Er ist informativ, konkret und regt zu weiteren Fragen an. Was will man von einem Bericht eigentlich mehr verlangen!
Klar ist, dass dieser Bericht vor dem Hintergrund der Tatsache gesehen werden muss, dass die Bundesrepublik in diesem Jahr die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ebenfalls den Vorsitz unter den G8-Staaten.
Das heißt: Im Mittelpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr steht natürlich immer noch die Frage nach der künftigen europäischen Verfassung. Die Bundesregierung soll im Juni dem Europäischen Rat einen Bericht über den aktuellen Stand und die möglichen künftigen Entwicklungen vorlegen, der als Grundlage dafür dienen soll, wie der Reformprozess der EU fortgesetzt werden kann.
In diesem Zusammenhang kann man nur diejenigen EU-Politiker warnen, die der Meinung sind, man könne der Bevölkerung in Holland und Frankreich oder auch in anderen EU-Ländern einfach nur einen wenig veränderten Verfassungsvertrag oder einen Zusatz zur Verfassung vorlegen.
Der neue französische Präsident Sarkozy hat schon deutlich gemacht, dass er sich allenfalls eine sehr abgespeckte Light-Version des ursprünglichen Vertrages vorstellen kann.
Ich kann mir auf keinen Fall vorstellen, dass Länder wie Großbritannien, Dänemark, Tschechien oder Polen dies anders sehen. Das heißt, die großen Träume von einer europäischen Verfassung als Wegbereiterin eines europäischen Bundesstaates sind damit wohl endgültig gescheitert. Ich kann dem Kollegen Klug nur zustimmen, wenn er sagt, dass das, worauf es jetzt ankommt, darin besteht, einen Grundrechtekatalog zu erarbeiten und Verfahrensvorschläge für die europäischen Institutionen zu machen. Das ist angesagt. Ich denke, das werden die Menschen in der EU nachvollziehen können.
Die Landesregierung schreibt im Europabericht zu Recht, dass in vielen Staaten die Europaskepsis weiterhin stark wächst. Das gilt auch für die deutsche Bevölkerung. Ich freue mich deshalb darüber, dass es uns allen Unkenrufen zum Trotz gelungen ist - mit „uns“ meine ich alle Fraktionen des Land
tags -, aufgrund eines Vorschlags des SSW eine Bürgeranhörung in Schleswig-Holstein gemeinsam zu beantragen. Wir sind weiterhin der Meinung, dass wir unbedingt einen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber brauchen, wie sich die EU weiterentwickeln soll.
Die wichtigsten Fragen sind immer noch diejenigen des Demokratiedefizits, der Erweiterung und der Grenzen der EU oder auch die Fragen nach den Zuständigkeiten Brüssels. Diese Fragen werden kontrovers diskutiert und müssen im politischen Rahmen auch offen und kontrovers diskutiert werden.
Wir versprechen uns von der Anhörung, die der Schleswig-Holsteinische Landtag nun am 6. Juli durchführen will, ein Stimmungsbild, das aus unserer Sicht auch in die Bewertung der deutschen Ratspräsidentschaft über die Fortführung des Reformprozesses mit einfließen sollte. Aus unserer Sicht ist das für 2007 eine der wichtigsten landespolitischen Aufgaben in der Europapolitik.
Ein weiterer für den Landtag wichtiger Punkt der Europapolitik ist die Frage eines Frühwarnsystems bei EU-Initiativen. Darauf werde ich jetzt nicht weiter eingehen. Aber ich denke, auch da gibt es vieles, was nachgearbeitet werden muss. Die Probleme, die es gegeben hat, bleiben weiter bestehen. Damit meine ich zum Beispiel die engen Zeitfenster, die für den Schleswig-Holsteinischen Landtag das Ganze sehr schwierig machen.
Mit dem landespolitischen Schwerpunkt „europäische Meerespolitik“ haben wir uns schon mehrfach beschäftigt, zum Beispiel auch während der letzten Landtagstagung im Zusammenhang mit der Vorbereitung für die Ostseeparlamentarierkonferenz. Der im Bericht erwähnte und im Landtag bereits beschlossene interfraktionelle Antrag - der Minister sprach es schon an - über „Schiffe an die Steckdose“ macht deutlich, worum es geht. Auch hier muss man einen etwas längeren Atem haben, aber wir wissen uns beim Europaminister in guten Händen.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Dänemark wird im Europabericht als vorbildlich dargestellt. Darauf werde ich jetzt wegen der Kürze der Zeit nicht weiter eingehen. Ich möchte aber als letzte Bemerkung noch einmal ansprechen, dass es natürlich aus Sicht des SSW zu begrüßen ist, dass die Landesregierung die soziale Dimension der EU - insbesondere das Vorbild der dänischen Arbeitsmarktpolitik - als weiteren Schwerpunkt ihrer Europapolitik ansetzt. Auch ich möchte hervorheben, dass Flexicurity Flexibilität und Security heißt. Man kann sich nicht nur die Flexibilität heraussu
chen. Zu dem dänischen Arbeitsmarktmodell gehört auch ein hervorragendes System von Weiterbildung und Qualifizierung. Es wäre gut, wenn wir dies bei uns einarbeiten könnten. Ich denke, wir können noch sehr viel lernen. Das wäre für uns etwas, was wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anbieten sollten. Mit diesem Bericht gibt es also weitere Aufgaben zu erledigen.
Ich danke Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk. Das Wort für einen Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Rolf Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will kurz einen Hinweis des Abgeordneten Klug aufnehmen, den ich sehr interessant und vertiefenswert finde. Sie haben darauf hingewiesen, dass man sich über die Beziehungen zu Russland Gedanken machen soll. Das halte ich für einen zentralen Gedanken für die Zukunft Europas. Das würde ich gern aufnehmen. Es gibt in Brüssel ein zartes Pflänzchen, das unter dem Namen neue europäische Ostpolitik aufwächst, so ein Begriff wie Nachbarschaftspolitik. Das hört sich nur auf den ersten Blick sehr weit weg an. Das ist etwas, was für den Landtag Schleswig-Holstein eine ganz interessante Perspektive sein kann. Wir haben einmal durch die von Ihnen angesprochene Ostseekooperation einen Kontakt zum Nicht-EU-Mitglied Russland, wir haben zudem über die Diskussion über Kaliningrad
und über die Ostseepipeline, über Umwelt und Fragen der Energieversorgung enge Kontakte dorthin. Das weiß auch der Kollege Ritzek. Dort könnten wir unseren Beitrag in die neue Ostpolitik über Berlin nach Brüssel einbringen.
Wenn ich noch eines hinzufügen darf, was hier noch nicht angesprochen wurde, was aber aktuell ganz wichtig ist: Wenn man sieht, welche Probleme die russische Minderheit in Estland beziehungsweise die estnischen Menschen in Moskau haben, dann sage ich, dass zu dieser neuen Ostpolitik auch gehört, dass wir das, was wir an Minderheitenpolitik haben, verstärkt in die Diskussion einbringen. Hier sehe ich zwei oder drei Felder, die wir als Landesparlament mit einer durchaus bis nach Brüssel reichenden Perspektive versehen können. Wir sollten
das im Europaausschuss formulieren und auch mit der Diskussion über den Bericht verbinden und noch einmal klären, welche Möglichkeiten wir haben.
Ich danke Herrn Abgeordneten Fischer und erteile Frau Abgeordneter Spoorendonk das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ausdrücklich unterstützen, was der Kollege Fischer gesagt hat, und damit auch in Erinnerung rufen, dass Schleswig-Holstein darum gebeten hatte, dass sich die deutsche EU-Ratspräsidentschaft auch mit dem Thema Minderheitenpolitik befassen sollte. Daraus wurde nichts, aber es ist angedacht worden, eine Veranstaltung auf europäischer Ebene zu diesem Thema durchzuführen. Das wird auch geschehen, vielleicht nicht in diesem Jahr, aber Anfang des nächsten Jahres.
Ich denke, es ist vor dem Hintergrund der Entwicklung in den baltischen Ländern ganz wichtig, dass man das Thema Minderheitenpolitik offensiv in dem europäischen Zusammenhang anspricht. Für eine Zivilgesellschaft ist wichtig, dass Minderheiten die gleichen Rechte haben wie Mehrheiten. Wir wissen natürlich, dass die Situation in den baltischen Ländern und auch die Situation der russischen Minderheit dort wegen der Geschichte sehr schwierig ist. Dennoch sollte es nicht so sein, dass wir mit zweierlei Maß messen. Wenn wir es mit unserer eigenen Minderheitenpolitik ernst meinen, sollten wir auch versuchen, die Erfahrungen, die wir gemacht haben, in diesen Prozess einzubringen. Von daher wäre es gut, wenn wir den Gedanken aufgreifen und wenn wir den Europaausschuss dafür auch als zuständigen Ausschuss nutzen könnten, um sich mit diesen Querschnittsaufgaben zu beschäftigen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Der Bericht Drucksache 16/1214 soll dem Europaausschuss zur abschließenden Beratung überwiesen werden. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ge
Ich erteile dem Berichterstatter des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Werner Kalinka, das Wort.
Frau Präsidentin! Der Innen- und Rechtsausschuss hat sich mit dem ihm durch Plenarbeschluss vom 26. Januar 2007 überwiesenen Gesetzentwurf zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften in mehreren Sitzungen befasst und eine schriftliche Anhörung durchgeführt. Er schloss seine Beratungen am 2. Mai 2007 ab. Einstimmig empfiehlt er dem Landtag, den Gesetzentwurf in der rechten Spalte der Gegenüberstellung in der Drucksache 16/1369 anzunehmen. Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage sind durch Fettdruck kenntlich gemacht.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat für die CDU-Fraktion erneut Herr Abgeordneter Werner Kalinka.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der jetzt zu beschließende Gesetzentwurf zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften verschlankt das Wahlrecht. Es entfallen zum Beispiel Statistiken, förmliche Verfahren zur Mandatsannahme und die Briefwahl wird vereinfacht.
Aber wir haben im Innen- und Rechtsausschuss einstimmig auch drei nicht ganz unwichtige Punkte des vorgelegten Gesetzentwurfes verändert. Es bleibt bei der Portofreiheit von Wahlbriefen, dazu brauche ich nichts weiter auszuführen.
Es bleibt auch dabei, dass die Zusammensetzung der Wahlausschüsse weiter von den Gemeindevertretungen, Ratsversammlungen und den Kreistagen bestimmt wird. Der Wahlprüfungsausschuss bei Wahlanfechtungen und bei der Feststellung der Gültigkeit von Wahlen wird weiter vorgeschaltet, damit man nicht ganz allein auf das Votum der hauptamtlichen Vorlage angewiesen ist.
Ich denke, dass es vernünftig ist, dass wir die Rechte des Ehrenamtes gerade im kommunalen Bereich nicht geschmälert haben, sondern weiter beibehalten. Dies war mir auch ein persönliches Anliegen.
Lieber Kollege Kubicki, bei Punkt 1 wart ihr die Vorreiter und alle haben sich angeschlossen. Es war ein interessanter Prozess, der dort stattgefunden hat.