Protocol of the Session on May 9, 2007

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Bemerkungen möchte ich noch loswerden.

Zum einen: Es gehört aus meiner Sicht wirklich zu den Qualitäten des Finanzministers, dass er überzeugend argumentieren kann. Dafür schätze ich ihn sehr.

(Frauke Tengler [CDU]: Genau! - Beifall bei der CDU)

Das habe ich schon mehrfach gesagt. Herr Finanzminister, aber auch bei überzeugender Argumentation gibt es natürlich immer wieder die Frage: Kann man eine Problemstellung nicht auch anders betrachten? Da kommt es natürlich auch darauf an, überzeugend zu argumentieren. Natürlich müssen wir Gestaltungsspielraum zurückgewinnen. Man kann diskutieren, wie die anderen Bundesländer

(Wolfgang Kubicki)

diesen Gestaltungsspielraum zurückgewonnen haben. Da sind wir ganz schnell bei den Finanzverflechtungen von Bund und Ländern und bei den Schwierigkeiten des Bund-Länder-Finanzausgleichs. Wenn aber gesagt wird, dass wir strukturelle Eingriffe durchführen müssen - Herr Finanzminister, ich glaube noch nicht einmal, dass Sie das sagten; das kam, glaube ich, von der Kollegin Heinold -, muss ich natürlich sagen, dass Eingriffe in den Kommunalen Finanzausgleich und Eingriffe bei den Landesbediensteten nichts mit strukturellen Veränderungen zu tun haben.

(Beifall bei SSW und FDP)

Das ist so leicht wie mit dem Finger zu schnippen. Das kann man machen. Wer ehrlich ist, muss auch sagen, dass die Landesregierung bis jetzt große Schwierigkeiten gehabt hat, strukturelle Veränderungen durchzuführen.

(Beifall bei der FDP - Zurufe)

Das ganze Thema Bürokratieabbau wird uns weiterhin begleiten. Was bis jetzt dabei herausgekommen ist, sind zwei Telefonbücher, mehr nicht.

Unsere Forderung lautet, Bürokratieabbau erst einmal transparent zu gestalten. Da bin ich wieder bei der besagten Standardkostenberechnung, bei der man auf jeden Fall sehen kann, welche Bürokratiekosten bei bestimmten Gesetzen zum Beispiel auf die Wirtschaft zukommen. Danach könnte man politisch diskutieren, ob man das Gesetz so haben will oder ob man es anders gestalten kann, sodass weniger Bürokratie anfällt. Diese Diskussion findet aber nicht statt.

Wenn gesagt wird, dass eine Verwaltungsstrukturreform durchgeführt werden muss, dann ist das richtig. Wir müssen uns mit Verwaltungsstrukturen auseinandersetzen. Aber auch da machen wir die Rechnung nicht völlig neu auf. Denn wir wissen auch, dass Fusionen erst einmal Mehrkosten verursachen. Das wissen wir. Ich kann sagen, dass derjenige, der die Kommunalreform in Dänemark so verfolgt hat, wie ich es getan habe, wissen wird, was sie kostet. Man kann nicht einfach sagen: Wir legen mal ein paar Kreise zusammen und schaffen eine Behördenebene ab und das ist es dann. Nein, Fusionen und Veränderungen kosten erst einmal Geld.

(Beifall bei SSW und FDP)

Auch das muss mit eingearbeitet werden, wenn es um die Konsolidierung des Landeshaushaltes geht.

Letzte Bemerkung: Das Thema Unternehmensteuerreform werden wir noch zu einem späteren Zeit

punkt diskutieren. Aber lieber Herr Kollege Hay, der Sie im Moment nicht da sind: Ich fand es ziemlich fatalistisch zu sagen, dass wir noch einmal die Unternehmensteuerreform kriegen, die uns auch noch einmal Geld kosten wird. Wir vom SSW wollen nur eine ausgabenneutrale Unternehmensteuerreform. Sonst wollen wir gar keine.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen, wie die Situation nach der ersten Unternehmensteuerreform war: Unser Problem heute hat doch damit zu tun, dass wir damals die massiven Einbrüche bei den Steuereinnahmen zu verzeichnen hatten. Das belegen alle Zahlen. Auch damit muss man sich doch einmal beschäftigen.

(Beifall beim SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 43 auf:

Verfassungsschutzbericht 2006

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1358

Ich erteile Herrn Innenminister Dr. Ralf Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine wehrhafte Demokratie braucht aktive Demokraten. Diese Anforderung an uns alle geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2006 hervor, den die Landesregierung Ihnen vorgelegt hat.

Auch in diesem Jahr ist leider über eine Fülle extremistischer Aktivitäten zu berichten. Sie alle richten sich gegen die Verfassung und damit gegen uns alle, die wir als Teil der Gesellschaft die lebendige, offene Demokratie gestalten. Der Bericht ist damit sowohl Bestandsaufnahme als auch Mahnung.

Im Rechtsextremismus hat sich die NPD nicht nur in Schleswig-Holstein zur dominierenden Kraft entwickelt. Dementsprechend bildet die Darstellung dieser Partei einen Schwerpunkt des Berichts. Der Bericht verdeutlicht, dass die NPD versucht, die für das Erringen von Wahlerfolgen entscheidende bürgerliche Mitte zu umwerben. Hierbei versucht sie, sich unverdächtiger allgemeinpolitischer Themen

(Anke Spoorendonk)

wie Arbeitslosigkeit oder Hartz IV zu bedienen. Auch die Schulreform oder die Kreisgebietsreform versucht die NPD zu instrumentalisieren.

Herr Oppositionsführer, ich will es an dieser Stelle noch einmal zu verdeutlichen, weil ich von Ihnen etwas anderes gelesen habe: Die Initiative von Gegnern einer möglichen Kreisgebietsreform ist Ausdruck demokratischer Willensbildung und Beispiel lebendiger Demokratie. Tatsache ist, dass auf einer Demonstration gegen die Kreisgebietsreform Teilnehmer aus dem rechtsextremen Spektrum gesichtet worden sind. Es ist die Pflicht des Innenministers, diese Versuche der Rechtsextremen öffentlich zu benennen. Dies diskreditiert in keiner Weise das Engagement und den Protest der Initiative, sondern es entlarvt die Scheinheiligkeit vermeintlicher Unterstützer.

Die Nazis spielen sich als die Schutzmacht der kleinen Leute auf. Umso wichtiger ist es, dass der Verfassungsschutz die tatsächliche, offenkundig auf die Beseitigung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats gerichtete Zielsetzung offenlegt. Hierfür enthält der vorgelegt Bericht eine Vielzahl von Belegen. Schon vor Jahren hat diese Partei die Schranken gegenüber den ganz unverhohlen verfassungsfeindlichen Neo-Nazis geöffnet. Die personelle und ideologische Verflechtung dieser früher politisch konkurrierenden Strömungen wird ebenfalls im Bericht dargestellt und unterstreicht die Ansichten der NPD.

Von erheblicher Bedeutung sind nach wie vor die rechtsextremistisch orientierte Subkultur und die Skinhead-Szene. Erst in der Nacht zum vergangenen Sonntag hat die Polizei mit 500 Beamten ein illegales Skinhead-Konzert in Neufeld bei Brunsbüttel aufgelöst. Wir werden mit aller Konsequenz hier polizeiliche Präsenz zeigen und zeigen, dass wir dieses nicht dulden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Mit 660 Personen stellt die Skinhead-Szene den größten Teil der insgesamt 1.350 im Land gezählten Rechtsextremisten dar. In dieser von einem diffusen rechtsextremistischen Weltbild geprägten Szene steht die sogenannte Skinhead-Musik im Mittelpunkt. Sie stachelt unbestritten zum Hass auf. Die Dynamik in dieser Szene, deren Lust auch an gewalttätiger Auseinandersetzung mit dem Staat und den Mitmenschen dürfte für den Anstieg der rechtsextremistischen Straftaten im Jahr 2006 gegenüber 2005 verantwortlich sein.

Aufgrund der dargestellten Entwicklung muss daher neben der Bekämpfung der NPD - und ich habe

schon einiges zu dem Thema gesagt, was wir uns auch in der Innenministerkonferenz schon vorgenommen haben - die Eindämmung der rechtsextremistischen Jugendsubkultur noch mehr als in der Vergangenheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein.

(Beifall des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Im linksextremistischen Bereich wurde die Lage zudem durch die Vorbereitung von Protestaktionen der Szene gegen den G-8-Gipfel vom 6. bis 8. Juni 2007 in Heiligendamm bestimmt. Das Thema begann, als Hauptagitations-, aber auch als Hauptaktionsfeld eine Dynamik zu entwickeln, die alle anderen klassischen linksextremistischen Aktionsfelder fast verdrängte.

Daneben entwickelte sich eine sogenannte militante Kampagne, die bereits 2006 zu einer Vielzahl von Straftaten führte. Allein 13 Brandanschläge, davon zwei in Schleswig-Holstein, standen in einem Begründungszusammenhang mit dem G-8Gipfel.

Die Zahl der linksextremistischen Anhängerschaft liegt in Schleswig-Holstein seit Jahren unverändert bei circa 800. Im Bereich der linksextremistisch motivierten Kriminalität gibt es einen erheblichen Rückgang. Das liegt daran, dass natürlich im Vorfeld von Landtagswahlen die Auseinandersetzung zwischen Neonazis und Linksextremen stärker vorhanden ist. Aber auch hier gilt, wir müssen für Demokratie werben und Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, in aller Deutlichkeit aufzeigen.

Dass der islamistische Terrorismus weiterhin eine Bedrohung der inneren Sicherheit darstellt, haben uns im vergangenen Jahr zwei Ereignisse unmittelbar vor Augen geführt: Zum einen die gescheiterten Kofferbombenanschläge im Juni, die hier in Kiel die Festnahme eines Tatverdächtigen zur Folge hatten, zum anderen die im August in London vereitelte Anschlagswelle auf Transatlantikflüge, die das anhaltende Interesse islamistischer Terroristen an symbolträchtigen folgenschweren Großanschlägen belegt. Die internationale Entwicklung gerade im Irak verschafft dem islamistischen Spektrum weiterhin Zulauf. Das Terrornetzwerk El Kaida hat sich immer deutlicher von einer operativ handelnden Kernorganisation zu einem Markenzeichen entwickelt.

Obwohl Schleswig-Holstein in besonderer Weise betroffen war - wenige Wochen vor der Festnahme eines mutmaßlichen Kofferbombenattentäters war bereits ein anderer in Kiel wohnhafter Terrorverdächtiger festgenommen worden -, gibt es hierzu

(Minister Dr. Ralf Stegner)

lande keine Anhaltspunkte für islamistische terroristische Strukturen. Insofern hat sich das Gesamtpotenzial der Mitglieder und Anhänger extremistischer Ausländerorganisationen in SchleswigHolstein kaum verändert. Dennoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, der islamistische Terror stellt eine andauernde Gefahr dar, dem die Bundesrepublik seit 2001 mit einer veränderten Sicherheitsarchitektur begegnet. Ich will hier jedoch deutlich sagen - und darin unterscheide ich mich dann auch von dem Kollegen Schäuble -, wir sollten bei der Bekämpfung des Terrorismus im Rahmen unserer Verfassung bleiben und die Freiheiten der Menschen nicht aufgeben, die wir verteidigen wollen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Zur Bekämpfung des Extremismus sind in allen gesellschaftlichen Bereichen Aufmerksamkeit und Zivilcourage, Schaffung von Lebensperspektiven, fundierte politische Bildung entscheidend. Daran wird die Landesregierung weiter nachhaltig arbeiten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich das im Einvernehmen mit dem Hohen Hause insgesamt tun könnte.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Innenminister und eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Peter Lehnert.