Protocol of the Session on February 21, 2007

Genau an dieser Stelle setzt das jetzt durch das schleswig-holsteinische Umweltministerium eingeleitete Verfahren an, in dem weitere Nachweise vom Exporteur verlangt werden. Können diese Nachweise beigebracht und schlüssig belegt werden, ist die gewünschte Entsorgung durch die Notifizierungsstelle zu genehmigen.

Meine Damen und Herren, sinnvoll wäre es, den äußerst toxischen Sonderabfall erst gar nicht entstehen zu lassen.

(Beifall)

Das wird aber schon aufgrund der Altlasten nicht immer möglich sein. Darum ist es richtig, nach Alternativen bei der Entsorgung zu suchen und bei den exportierenden Ländern für ein besseres Umweltbewusstsein bei der Entsorgung von giftigen Abfällen zu werben. Eine solche Prüfung ist übrigens auch Bestandteil des Baseler Abkommens. Denn die Alternative, dass Industrieländer wie Australien eigene Anlagen bauen, ist natürlich wünschenswert. China plant genau aus diesem Grund eigene Anlagen, die übrigens mit deutschem Knowhow gebaut werden. Das ist der Idealfall.

Wie darüber hinaus beispielsweise im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für entsprechende Alternativen vor Ort und damit auch für deutsches Know-how geworben werden kann, das soll

ten wir sehr differenziert im zuständigen Ausschuss diskutieren.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hildebrand und erteile für den SSW Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die geplante Verbringung von Sondermüll nach Brunsbüttel schlägt mittlerweile auch in Schleswig-Holstein Wellen. Dies ist durchaus verständlich, da es sich bei Hexachlorbenzol um einen langlebigen und hochgiftigen Schadstoff handelt, der zum sogenannten Dreckigen Dutzend von Sondermüll gehört, das bereits 2004 in der Stockholmer Konvention verboten wurde. In Deutschland wurde dieser Stoff bereits 1981 verboten. Angesichts der Tatsache, dass es sich hierbei um einen hochbrisanten Schadstoff handelt, der von Australien hierher gebracht werden soll, sind die Proteste verständlich, die sich gegen die Verbringung und Verbrennung in Brunsbüttel, Herten, Dormagen und Leverkusen richten.

Da sich der Vorgang derzeit noch in einer behördlichen Schwebe befindet und das Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, ist das Verfahren offen für wilde Spekulationen. Das ist unbefriedigend und trägt nicht zu einer sachlichen Diskussion bei.

Aus der Begründung des Antrages geht hervor, dass geplant ist, 22.000 t belastete Abfälle aus Australien im Elbehafen anzulanden und rund ein Drittel dort zu verbrennen. Was einem dabei bitter aufstößt, sind mehrere Punkte. Bereits seit den 80erJahren lagern diese Schadstoffe in einem so hochtechnologischen Land wie Australien und man hat es dort bisher anscheinend nicht geschafft oder für notwendig erachtet, diesen Dreck im eigenen Land zu entsorgen.

Weiter ist es nicht unkritisch, den Müll über 16.000 km bis nach Deutschland zu verschiffen, um ihn dort letztendlich zu verbrennen. Dass diese Art von Giftmülltourismus nicht unumstritten ist, ist nachzuvollziehen. Aber solange es hiergegen keine rechtliche Handhabe gibt und damit Geld verdient werden kann, wird es ihn weiterhin geben, auch wenn man ihn nicht will. Es obliegt also der Politik, hier die entsprechenden gesetzlichen Rahmen auf internationaler Ebene zu schaffen.

(Günther Hildebrand)

Wir wissen, dass das LANU als zuständige Genehmigungsbehörde bisher die Genehmigung nicht erteilt hat, weil die Notifizierungsanträge bisher nicht vollständig waren. Es fehlen notwendige Unterlagen, die vonseiten der australischen Behörden bisher nicht eingereicht wurden. Aus diesem Grund hat das LANU kürzlich die Zustimmung offiziell verweigert, nicht aufgrund von rechtlichen Bedenken, sondern aufgrund formaljuristischer Versäumnisse und Fristen.

Wir können also feststellen, dass unsere zuständige Genehmigungsbehörde in dieser sensiblen Sache sehr aufmerksam nach geltendem Recht agiert. Es gibt Regelungen, die festschreiben, ob derartige hochgiftige Fraktionen in der Sonderabfallverbrennungsanlage verbrannt werden dürfen oder ob sie es nicht dürfen. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sieht es so aus, dass es rechtlich zulässig ist. Die SAVA erfüllt hierfür alle Auflagen. Dann ist nahezu egal, woher der Giftmüll herangekarrt wird, sofern das „Prinzip der Nähe“ eingehalten wird - auch wenn einem dies nicht gefällt.

Ich muss mich schon darüber wundern, dass die Grünen dieses emotionale Thema auf einmal so besetzen wollen, wo sie doch zu Regierungszeiten auf Bundesebene zugelassen haben, dass der Atommüll ins Ausland verfrachtet wird, dass wir immer noch keine vernünftige Entsorgung des Atommülls haben, sondern jetzt Zwischenlager an den AKWs einrichten mussten, anstatt ein Endlager hinzubekommen. Oder auch auf Landesebene, wo unter einer rot-grünen Regierung zugelassen wurde, dass Müll aus Schleswig-Holstein in andere Bundesländer verbracht wurde. Jetzt sollten die Grünen nicht auf einmal andere Maßstäbe anlegen, sondern auch hier das rechtsstaatliche Prinzip berücksichtigen.

Da es für die Verbringung von Schadstoffen bestimmte Vorgaben gibt, müssen wir davon ausgehen, dass das Land Schleswig-Holstein derzeit keine rechtliche Handhabe hat, um die Verbringung von Giftmüll aus Australien nach Brunsbüttel abzulehnen. Dies ist - wie gesagt - die rechtliche Grundlage, an die wir uns zu halten haben. Nur wenn Rechtsvorschriften in dieser Angelegenheit verletzt werden, haben wir auch die Möglichkeit, die Verbringung abzulehnen.

Sollte sich Schleswig-Holstein nach derzeitigem Kenntnisstand in dieser Frage anders entscheiden, so müssen wir damit rechnen, dass es zu Schadensersatzklagen kommen kann und wir den Müll letztendlich doch annehmen müssen. Daher bitte ich darum, dass wir in dieser Diskussion vernünftig und sachlich argumentieren und sorgfältig abwä

gen. Insofern macht eine Ausschussüberweisung sehr viel Sinn.

(Vereinzelter Beifall)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms und erteile für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Christian von Boetticher das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Birk, Sie haben eben eine bemerkenswerte Rede zur Neutra-Siedlung gehalten. Sie haben gesagt, einzelne Verwaltungsakte der Regierung könnten nicht durch das Parlament entschieden werden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Das war ein sehr bemerkenswerter Satz. Wenn der stimmen würde, dürften wir hier in der Tat gar nicht so entscheiden, jedenfalls nicht in Ihrem Sinne: Kein australischer Giftmüll nach Brunsbüttel! Denn das ist in Wahrheit natürlich eine reine Verwaltungsentscheidung.

(Beifall)

Die kann, wenn wir Pech haben, am Ende sogar gebunden sein, ohne Ermessen.

Wir haben entsprechend hohe Anforderungen zum Schutze unserer Umwelt. Wir haben einen sehr hohen technischen Stand - darauf ist vorhin schon hingewiesen worden - und der gilt insbesondere auch für die Reststoffe und Abfälle.

Unsere Anlagen weisen den modernsten Stand der Technik auf; das ist eine Entwicklung der letzten Jahre. Unsere Philosophie, die dahintersteht, besteht darin, erstens Abfälle zu vermeiden und zweitens Abfälle zu verwerten. Erst am Ende der Philosophie steht, dass Abfälle beseitigt werden und diese Philosophie hat dazu geführt, dass in unseren Anlagen - das gilt auch für die Anlage in Brunsbüttel - das inländische Aufkommen gefährlicher Abfälle zurückgegangen ist.

Das ist zunächst erfreulich. Allerdings funktionieren diese Anlagen nur, wenn sie ausgelastet sind. Darum ist es seit Jahren gängige Praxis, dass auch aus dem Ausland gefährliche Stoffe akquiriert werden. Die Unternehmen beteiligen sich an internationalen Ausschreibungen, um diesen Müll zu bekommen. Das klingt zunächst einmal in der Tat nicht mit unserer Philosophie vereinbar, aber auch das ist

(Lars Harms)

seit Jahren gängige Praxis. Das ist im Übrigen auch unter meinem Vorgänger, einem grünen Umweltminister, so gewesen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang den Bundesumweltminister aus dem „Spiegel“ zitieren. Denn ich glaube, er hat etwas Richtiges gesagt:

„‚Deutschland übernimmt mit seinen sehr guten Anlagen zur Sondermüllverbrennung ein Stück umweltpolitische Verantworten’, sagt Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Das Zeug hier zu entsorgen, sei immer noch besser, als gefährliche Stoffe unsachgemäß irgendwo zu deponieren oder ins Meer zu kippen.“

Das Ganze gilt - das füge ich hinzu - weltweit, also auch dann, wenn es in Australien oder Sydney passiert.

Damit sich die grenzüberschreitende Abfallverbringung in einem rechtssicheren Rahmen bewegt, haben sich 170 Länder im Rahmen der Baseler Konvention auf Überwachungsregeln verständigt. Umgesetzt wurde diese Baseler Konvention durch die EG-Abfallverbringungsverordnung, welche ein formelles Notifizierungsverfahren enthält.

Zu diesem formellen Notifizierungsverfahren gehört auch der Nachweis - und das ist der sogenannte Casus Knacktus -, dass die Entsorgung der Abfälle im eigenen Land nicht in umweltverträglicher Weise erfolgen kann. In dem hier vorliegenden Fall hat eine australische Firma am 5. Dezember 2006 ein Notifizierungsverfahren für die Entsorgung von circa 22.000 t gefährlicher, mit Hexachlorbenzol verunreinigter Abfälle eingeleitet. Etwa ein Drittel dieser Menge ist für die Verbrennung in Brunsbüttel bestimmt. Zwei Drittel sind für Anlagen in Nordrhein-Westfalen vorgesehen.

Die sichere Zwischenlagerung der gesamten Menge soll im Elbehafen erfolgen. Die Prüfung der Zulässigkeit im Rahmen des hierfür erforderlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsschutzverfahrens, welches die Nutzung einer bestehenden Lagerfläche für gefährliche Güter vorsieht, steht kurz vor dem Abschluss; das ist übrigens das zweite Verfahren, das gerade läuft.

Die zuständige Notifizierungsbehörde in Schleswig-Holstein, das Landesamt für Natur und Umwelt, hat nun mit Schreiben vom 15. Februar 2007 hierzu seine Zustimmung verweigert, insbesondere da bisher nicht der Nachweis der Unmöglichkeit der Entsorgung dieser Abfälle im eigenen Land, also in Australien, erbracht wurde. Darüber hinaus fielen ebenso schon vor Längerem angeforderte detailliertere Abfallbeschreibungen und Analysen.

Damit ruht in der Tat das Notifizierungsverfahren bis zur Vorlage dieser Unterlagen. Also, das Verfahren wurde angehalten und alles läuft nach Recht und Gesetz, wie Sie, Frau Heinold, es von uns erwarten können. Es ist auch nicht absehbar, ob entsprechende Unterlagen beigebracht werden können.

Ich möchte noch ein paar persönliche Bemerkungen machen. - Ich halte den Nutzen einer weitestgehend schadlosen Entsorgung dieser Abfälle in SchleswigHolstein im Vergleich zu den Risiken eines solchen Transportes über die Weltmeere für zumindest diskussionswürdig und angesichts des Gefährdungspotenzials dieser Chemikalie nicht für das geeignete Mittel.

(Beifall)

Vorrangig - und das sieht auch die Baseler Konvention vor - sollten insbesondere gefährliche Abfälle am Ort ihrer Entstehung beseitigt werden. Hierzu bedarf es eines konsequenten Technologietransfers. Mein Haus bemüht sich schon seit Längerem im Rahmen der europäischen Harmonisierung, durch die Beteiligung an hierfür geeigneten Projekten wie Twinning und INTERREG III B einen Beitrag zu leisten. Denn nichts wäre schädlicher für Mensch und Umwelt als die Entsorgung gefährlicher Abfälle in keinen oder nicht dafür geeigneten Anlagen.

Insofern glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir dürfen die Menschen vor Ort nicht verunsichern. Wir haben erstklassige Anlagen. Wir haben einen hohen rechtlichen und technischen Stand und dies trägt dafür Gewähr, dass wir Menschen keiner unnötigen Gefährdung aussetzen.

(Beifall)

Ich danke Herrn Minister von Boetticher sehr herzlich. - Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/1238 an den Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - So beschlossen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche die Tagung. Wir treffen uns morgen früh um 10 Uhr wieder.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 17:45 Uhr

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst