Protocol of the Session on February 21, 2007

Der Konflikt lässt sich mittels des Antrags keineswegs beenden. Auch bei dessen Annahme wird der Denkmalschutz auf seiner Position verharren. Durch den Antragsteller wird also weiter Öl ins Feuer gegossen.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Eigentümer der Neutra-Häuser von Anfang an besser in die Entscheidungsprozesse eingebunden gewesen wären. Für mich stellt sich die Frage, ob die Verabschiedung eines entsprechenden Bebauungsplanes nicht

geeigneter gewesen wäre, den Charakter der Siedlung zu bewahren.

Nun hat der Kollege Hildebrand zu diesem Aspekt schon etwas gesagt. Ich will dennoch anführen, dass es in Flensburg ein Wohnviertel gibt, das nach seinen runden Frontfenstern als Monokel-Viertel bekannt ist. Die Stadt hat einen Bebauungsplan mit einer Erhaltungssatzung ausgelegt und mit den Anwohnern diskutiert.

Natürlich gibt es in Flensburg nicht nur eitel Sonnenschein deswegen; auch hier sind die Hausbesitzer alarmiert und fragen, ob sie bestimmte Veränderungen an ihren Häusern weiter vornehmen können. Die Stadtverwaltung ist ihnen aber in einigen Punkten entgegengekommen und konnte auf diese Weise viel Vertrauen wiedergewinnen, als es zum Beispiel um den Verzicht von Rückbauten ging. Niemand muss also seinen Anbau wieder abreißen. Der Genehmigungsvorbehalt betrifft dagegen die Installation von Solaranlagen, was auf allgemeines Verständnis stößt. Ausnahmen, die bei Kulturdenkmalen ausdrücklich vorgesehen sind, verspricht die Stadt großzügig zu handhaben. Soll heißen: Es geht also, wenn man will.

Zu dem konkreten Fall möchte auch ich deutlich machen: Für uns bleibt jetzt nur noch zu sagen: Wir haben ein Denkmalschutzgesetz, und im Rahmen dieses Denkmalsschutzgesetzes ist entschieden worden. Es ist also keine willkürliche Entscheidung getroffen worden, sondern es ist nach Recht und Gesetz entschieden worden. Wollen wir das ändern, dann müssen wir das Gesetz ändern. Wir können also dem FDP-Antrag nicht zustimmen.

(Beifall beim SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk und erteile für die Landesregierung Herrn Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Schleswig-Holstein soll es einmal einen Kreisbaudirektor gegeben haben, der gesagt hat: Wenn das Parlament ein Gesetz beschließt, soll es sich nicht beklagen, wenn die Verwaltung es auch anwendet.

(Heiterkeit und Beifall des Abgeordneten Detlef Buder [SPD])

Das Parlament beklagt sich auch nicht. Das tut nur der Kollege Hildebrand. In seinem Antrag fordert er den Landtag auf, anstelle der Verwaltung dar

(Anke Spoorendonk)

über zu befinden, ob es sich bei der Neutra-Siedlung in Quickborn um ein Kulturdenkmal handelt.

Ich muss sagen, der Kollege Hildebrand traut sich einiges zu. Ich traue ihm auch vieles zu. Ich traue ihm auch zu, als Parlamentarier über Universitätsklinika zu entscheiden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Na, na!)

- Doch, das traue ich ihm zu. Dennoch würde ich mich nicht von ihm operieren lassen, wenn es um meine Stimmbänder geht, meine Damen und Herren. Dann würde ich zum Arzt gehen. Ich gehe dorthin, wo die Leute etwas davon verstehen.

Im Ernst: Solche Einzelfallentscheidungen sollte der Landtag nicht zu seiner Aufgabe machen, weil er solche Entscheidungen nicht treffen kann. Die Entscheidung über die Denkmaleigenschaft eines Gebäudes ist eine fachliche und keine politische Entscheidung.

(Beifall bei CDU und SPD)

Deshalb nimmt der Staat auch eine ganze Menge Geld in die Hand und beschäftigt Expertinnen und Experten, Grabungstechniker, Kunsthistoriker, Ingenieure und Archäologen, Konservatoren und Restauratoren.

Auf all diesen Dienstposten werden Erfahrungen gesammelt. Dort werden Kompetenz und Expertise gesammelt. Hier sitzen die Fachleute, die das entscheiden können. Aufgabe der Politik ist es, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Aufgabe der Verwaltung ist es, innerhalb dieses Rahmens zu handeln. Wenn es darum geht, Entscheidungen der Verwaltung zu überprüfen, so stehen den Betroffenen die Rechtswege offen. Der staatliche Denkmalschutz steht seit jeher im Spannungsfeld konfliktreicher Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung. Das ist auch der Kern der Debatte. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass Denkmalschutzbehörden nicht puristisch oder fundamentalistisch argumentieren dürfen. Das Denkmalschutzgesetz schreibt ihnen vor, zwischen den denkmalpflegerischen und diesen entgegenstehenden privaten und öffentlichen Interessen abzuwägen.

Die Denkmalschutzbehörden entwickeln tagtäglich Kompromisse zwischen den Anforderungen der Denkmalpflege, wirtschaftlichen Notwendigkeiten und privaten Eigentümerwünschen. In der Regel gelingt dies auch entgegen allen Gerüchten mit gutem Erfolg, wenn auch manchmal erst nach zähem Ringen. Wir haben im Land gute Beispiele dafür: In Glinde beim ehemaligen Heereszeugamt, wo der Investor den Denkmalschutz wollte, im

Sönke-Nissen-Koog, wo es um Windkraftanlagen ging, oder etwa in Gettorf, wo ein Verbrauchermarkt entstehen konnte, ohne ein denkmalwürdiges Kontor abzureißen.

Die Landesregierung steht zu ihrer Verantwortung und gibt den Denkmalpflegern die notwendige Rückendeckung zur Umsetzung von Schritten, die sicherlich nicht immer populär sind. Sie tut dies aber auch aus der Erkenntnis heraus, dass verlorene Kulturdenkmale mit ihrer Einmaligkeit ein Stück unserer Geschichte und Kultur endgültig verloren geben und unsere Kulturlandschaft ein Stück ärmer wird. Wir sind allerdings der Überzeugung, dass wir einen Denkmalschutz brauchen, der die Bürgerinnen und Bürger mitnimmt und sie nicht abschreckt oder aufbringt. Ich weiß, dass hier zwei Dinge unter einen Hut zu bringen sind, was nicht unbedingt immer einfach ist. Genau hier liegt eine Herausforderung. Diese Herausforderung wollen wir bestehen. Dem wollen wir im neuen Denkmalschutzgesetz Rechnung tragen.

Im Übrigen bin ich auch der Auffassung, dass der Denkmalbereich in seiner jetzigen rechtlichen Ausgestaltung kein brauchbares Instrument für den Denkmalschutz darstellt. Wir werden uns das bei der anstehenden Novellierung des Denkmalschutzes noch einmal ansehen und die Regelungen dann überarbeiten müssen. Herr Hildebrand, für die Neutra-Siedlung in Quickborn sind diese Überlegungen allerdings ohne Belang, da die vom Landesamt für Denkmalpflege vorgenommene Unterschutzstellung einer Gruppe von Denkmalen ein bewährtes Rechtsinstrument darstellt. Zur Neutra-Siedlung nur so viel: Ich habe mich persönlich sehr früh mit der Frage der denkmalrechtlichen Unterschutzstellung beschäftigen müssen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Der Landeskonservator hat mich damals ausführlich über die Gründe für die Unterschutzstellung und über den Verfahrensstand informiert. Die Kulturabteilung der Staatskanzlei hat den Vorgang überprüft und sah keinen Grund zur Beanstandung. Schließlich hat sich auch der ehrenamtlich tätige Denkmalrat, dessen Mitglieder ich zu meiner Beratung unter anderem auch auf Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzer sowie des Verbandes Schleswig-Holsteinischer Haus-, Wohnungsund Grundeigentümer befragt habe, für die Unterschutzstellung der Neutra-Siedlung ausgesprochen. - Mit so einer Stimme, wie ich sie jetzt habe, muss man ein bisschen deutlicher sprechen.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Zum Stichwort Petitionsverfahren sage ich nur: Nachdem bereits mehr als die Hälfte der Bescheide zur Eintragung der Neutra-Siedlung bestandskräftig war, haben sich zwei der verbleibenden Widerspruchsführer an den Petitionsausschuss gewandt. Das Landesamt für Denkmalpflege hat das Widerspruchsverfahren daraufhin - wie die beiden Petenten - für die Dauer der Beratung des Petitionsausschusses ausgesetzt. Bei dem Ortstermin haben das Landesamt für Denkmalpflege und die Kulturabteilung der Staatskanzlei den Petitionsausschuss und die Petenten noch einmal ausführlich über die Gründe für die Unterschutzstellung und die Untauglichkeit eines Denkmalbereichs informiert. Die übrigen Widersprüche musste das Landesamt für Denkmalpflege bescheiden, da sich keiner der übrigen Widerspruchführer einer der beiden Petitionen anschließen mochte. Damit hatten die Widerspruchsführer einen Anspruch auf eine zügige Entscheidung. Andernfalls hätte das Landesamt für Denkmalpflege eine Untätigkeitsklage riskiert. Herr Wengler ist auch darauf eingegangen. Die beiden Petenten haben dagegen ihre Widerspruchsbescheide - wie es sich gehört - erst bekommen, nachdem der Petitionsausschuss seine Beratung für abgeschlossen erklärt hat. Auch dieses Vorgehen bietet also keinen Anlass zu einer Beanstandung durch den Landtag. Ich bitte Sie daher, dem Antrag des Abgeordneten Hildebrand nicht stattzugeben.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag Drucksache 16/1181 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen der Fraktion der FDP abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 a auf:

Kein australischer Giftmüll nach Brunsbüttel

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1238

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und

erteile Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die australische Firma ORICA will mehr als 20.000 t mit Hexachlorbenzol belastete Abfälle in Deutschland verbrennen lassen. ORICA ist zumindest in Australien bekannt. ORICA kennt keine Verantwortung gegenüber der Natur und der Gesundheit der Menschen. HCB-Abfälle wurden im Pazifik entsorgt, wenn man das so bezeichnen will. Diese Abfälle wurden im Boden verbuddelt, bis Umweltschützer dieses Verhalten angeprangert haben. Über viele Jahre wurde die Umweltbehörde in Australien nicht aktiv. Auf dem Werksgelände lagerten die hochgiftigen Abfälle seit mindestens 1992. Wie australische Umweltorganisationen mitteilten, bedroht eine der größten Chemie-Altlasten der Welt seit Jahrzehnten das Grundwasser der australischen Millionenstadt Sydney. Die Firma ORICA will dieses Desaster beenden und den Giftmüll loswerden. Der soll jetzt um den halben Globus geschickt werden, um in Deutschland verbrannt zu werden.

Für den Transport der mit Hexachlorbenzol belasteten Sonderfracht werden noch besonders zuverlässige Containerschiffe gesucht, so der „Spiegel“ in seiner jüngsten Ausgabe. Die Kapitäne hätten Weisung, aus Sicherheitsgründen dicht befahrene Seewege zu meiden. Immer wieder gehen auf See Container verloren. Es können auch ganze Schiffe in Seenot geraten. Ich erinnere an das Zugunglück bei Tornesch, bei dem wir es plötzlich aus einem relativ kleinen Anlass heraus mit einer Freisetzung von Giften zu tun hatten.

Bei der Verbrennung von HCB kann Dioxin, das gefährlichste aller chemischen Gifte, entstehen. Bei einem Störfall in der Verbrennungsanlage drohen hohe Risiken für die Umwelt. Die Rückstände der Verbrennungsanlagen sind hoch giftig und müssen langfristig sicher gelagert werden. HCB gehört wie DDT, Lindan und andere Agrargifte zu den chlorierten Kohlenwasserstoffen. Es gehört zu den giftigen, schwer abbaubaren Stoffen, die sich in allen Organismen über die Nahrungskette anreichern. Seehunde und Vögel weisen besonders hohe Gehalte an chlorierten Wasserstoffen auf. Diese Stoffe können Krebserkrankungen hervorrufen, wenn sie mit der Nahrung oder auf andere Weise aufgenommen werden.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit. Das Grundgemurmel wird immer lauter.

HCB ist in Deutschland seit 1981 nicht mehr als Pflanzenschutzmittel zugelassen. Es gehört zu den Stoffen, die durch die Stockholmer Konvention weltweit verboten wurden. Es gehört also zu dem sogenannten dreckigen Dutzend. HCB wurde früher als Pflanzenschutzmittel zur Vernichtung von Pilzbefall produziert. Ferner fand es als Desinfektionsmittel bei der Getreidelagerung, als Saatgutbeizmittel und so weiter Verwendung. Traurige Berühmtheit erlangte dieser Stoff durch die Anwendung als Flammschutzmittel in Holzdecken in Privathäusern. Die Betroffenen mussten viele Prozessjahre ertragen, um später ihre Leiden als Folgen des Giftes tatsächlich anerkannt zu bekommen.

Die giftigen Abfälle aus Australien sollen jetzt in Brunsbüttel und in den nordrhein-westfälischen Städten Herten, Leverkusen und Dormagen verbrannt werden. Alle diese Verbrennungsanlagen wurden bei der Errichtung zur Entsorgung von heimischem Müll genehmigt. Das ist der eigentlich gedachte Verwendungszweck. Wer hätte damals gedacht, dass Deutschland einmal zum Ziel eines globalen Abfalltourismus wird? Wir haben eher immer dagegen protestiert, dass der giftige Dreck aus Europa Entwicklungsländern angelandet wird. Das waren eigentlich die zwei Probleme: Wir hatten eine schlechte Technik in der Müllverbrennung und wir hatten eine Verbringung von Sondermüll aus Europa in die Dritte Welt. Daraufhin haben wir eine vorbildliche Technik entwickelt, die sogenannten 17.-BImSchV-Anlagen in Deutschland - und wir haben internationale Übereinkommen getroffen, dass solche Verbrennungen bestimmten Restriktionen unterliegen.

Jetzt haben wir plötzlich die Situation, dass ein zu den Hochtechnologieländern zählendes Land wie Australien bei uns solche Stoffe ablagert. An allen Orten, die in Deutschland betroffen sind, gibt es inzwischen Bürgerproteste. Die australischen Behörden haben verlauten lassen, es gebe keinen oder nur sehr geringen Protest in Deutschland. Das scheint für sie eine große Rolle dafür zu spielen, ob sie das machen wollen.

Ich freue mich, dass wir heute Morgen gemeinsam der Dringlichkeit dieses Antrags zugestimmt haben. Ich freue mich auch, dass das Ministerium offenbar

inzwischen seine Möglichkeiten im Sinne einer vorläufigen Versagung der Notifizierung dieses Vorhabens von Australien ausgeschöpft hat. Wir begrüßen das.

Es ist natürlich toll, dass wir solch einen hohen Standard in der Entsorgungstechnik in Deutschland haben, aber wir wollen deshalb nicht die Empfänger aus der ganzen Welt stammender Giftstoffe werden.

(Glocke der Präsidentin)

- Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss, das ist mein letzter Satz. - Sondermüll muss - wie es in den Abkommen vorgesehen ist - vor Ort entsorgt werden. Dafür liefern wir auch gern eine gute Technik aus Deutschland nach Australien.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)