„Die soziale Marktwirtschaft kann nur dann funktionieren, wenn faire Wettbewerbsbedingungen für alle Beschäftigten und Unternehmen in Deutschland gelten.“
- Da hat er Recht. Deshalb müssen wir uns als Politiker uns zum Wohl der Menschen, die hier leben und arbeiten, für einen fairen Wettbewerb einsetzen. Zur Lösung der Probleme sind mehrere Ansätze diskutiert worden, hierzu gehören Mindestlöhne ebenso wie eine Ausweitung des Entsendegesetzes.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])
Viele Länder in der Europäischen Union haben gute Erfahrungen mit Mindestlöhnen gemacht. Ich verweise auf Großbritannien; Frankreich hat ebenfalls Mindestlöhne. Hier gelten übrigens höhere Mindestlöhne als wir zurzeit in der Bundesrepublik diskutieren. Es herrscht, zumindest in Großbritannien, eine erheblich geringere Arbeitslosigkeit. In Österreich gelten viele Tarifverträge mit Allgemeinverbindlichkeit und es ist nicht so, dass hierdurch Arbeitsplätze verloren gehen. Die Statistiken beweisen es und werden oft - gerade von konservativer Seite - zitiert.
Wir wollen eine Lösung, mit der die Tarifautonomie gewahrt bleibt, indem alle Tarifparteien eingebunden sind, und wir wollen eine Lösung, mit der ein fairer Wettbewerb gewahrt bleibt, weil alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber an Mindeststandards gebunden sind.
Das Entsendegesetz ist sicherlich kein Allheilmittel, aber wir müssen handeln und können dem freien Markt nicht freien Lauf lassen. Wir müssen Regeln im Sinne der Menschen und ihrer Arbeitsplätze schaffen.
Meine Damen und Herren, wir müssen erreichen, dass die Menschen in unserem Land über genügend Erwerbseinkommen verfügen, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Deshalb müssen wir Wege beschreiten, die Lohndumping verhindern und illegale Beschäftigung und Scheinselbständigkeit bekämpfen.
Wir wollen offen mit allen Betroffenen über die Umsetzung und vor allem deren Kontrolle diskutieren, deshalb unterstützen wir den Antrag auf Überweisung an den Wirtschaftsausschuss, mitberatend an den Sozialausschuss.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kubicki, Mindestlöhne sind populär, denn sie versprechen Geringverdienern ein auskömmliches und sicheres Arbeitseinkommen. Dieses Versprechen halten sie manchmal auch für einige Menschen, allerdings nur, weil viele andere Menschen gar kein Arbeitseinkommen mehr erzielen - sie werden schlicht arbeitslos.
Ich möchte das einmal an einem ganz einfachen Beispiel, nämlich am Beispiel der Schlachthöfe, versuchen zu skizzieren. Angenommen, ein deutscher Schlachter verdient pro Stunde 10 € und ein polnischer wäre bereit, die gleiche Arbeit am gleichen Ort und mit den gleichen Maschinen für 5 € pro Stunde zu erledigen. Dann wäre der Stundenlohn des deutschen Schlachters doppelt so hoch wie der des polnischen. Solange der polnische Schlachter weniger als doppelt so lange braucht wie der deutsche, um zum Beispiel ein Rind zu zerlegen, ist die Arbeitsleistung des polnischen Schlachters preiswerter als die des deutschen. Unter dieser Bedingung werden deutsche Schlachter immer weniger Rinder zerlegen und polnische immer mehr. Denn immer mehr deutsche Schlachter würden nach und nach entlassen und immer mehr polnische eingestellt. Rindfleisch würde preiswerter, mehr Menschen würden mehr Rindfleisch kaufen.
Angenommen, die Tarifparteien in Deutschland vereinbarten einen branchenspezifischen Mindestlohn für Schlachter in Höhe von 10 € und er würde per Entsendegesetz festgeschrieben, dann könnten polnische Schlachter deutsche in Deutschland nicht mehr unterbieten. Die deutschen Schlachter würden trotzdem nach und nach entlassen, die polnischen allerdings in Polen eingestellt. Die Arbeitsplätze wanderten aus.
Rindfleisch wäre nicht ganz so preiswert wie ohne Mindestlohn, denn jetzt würden die Rinder erst nach Polen gefahren und die Fleischstücke anschließend wieder zurückgekarrt. Langfristig würden immer mehr Rinderzüchter in Deutschland den Standortwettbewerb gegen Rinderzüchter in Polen verlieren.
Der Mindestlohn würde nur dann keine deutschen Schlachter arbeitslos machen, wenn er bei Berücksichtigung der Produktivitäten nicht höher wäre als die Summe des Lohns in Polen plus der Transportkosten für Rinder und Fleisch. Dann allerdings läge das Einkommen aus dem Mindestlohn weit unterhalb der Sozialhilfe.
Ich habe ein ganz einfaches Beispiel gewählt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wollte nämlich nur das Wesentliche zeigen: Mindestlöhne in Deutschland eignen sich nicht, um in Deutschland Arbeitsplätze zu erhalten.
Trotzdem bleiben Mindestlöhne populär und es gibt immer wieder politische Kräfte, die sie genau deswegen vorschlagen - nicht weil sie Arbeitsplätze sichern, sondern weil sie populär sind, nicht weil sie helfen, sondern weil sie populär sind. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein notwendiges und auch kein hinreichendes Merkmal hilfreicher Vorschläge.
Mindestlöhne könnten nur unter einer einzigen Bedingung Arbeitsplätze in Deutschland erhalten: An den Kassen der Geschäfte müssten viele Menschen höhere Preise fordern, weil sie mehr bezahlen wollen; bei den Banken müssten viele Menschen niedrigere Sparzinsen und höhere Kreditzinsen fordern. Alle, die Mindestlöhne oberhalb der Sozialhilfe fordern, sollten sich fragen, wie viele solch selbstloser Menschen sie kennen. Ich kenne keinen einzigen, noch nicht einmal grüne selbstlose Menschen.
Aber, sehr geehrter Herr Kollege Müller, ich kenne eine Branche, die in Deutschland mit einem Entsendegesetz, Tariftreuegesetzen und Mindestlöhnen gründlich ruiniert wurde, nämlich die Baubranche.
Deutschland steckt in einer tiefen Krise, unter anderem weil Arbeit in Deutschland schlicht und ergrei
fend zu teuer ist. Am Mittwoch traf der Ministerpräsident den Nagel auf den Kopf, als er sagte, Krisen meistere man nicht, indem man weniger arbeitete, man müsse mehr arbeiten. Ich füge hinzu: Wenn zu teure Arbeit der Grund für die Krise ist, dann verschlimmert man eine bestehende Krise nur, wenn man Arbeit noch verteuert.
Genau aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ablehnen. Wir wollen Arbeit nicht verteuern. Wir wollen, dass mehr Menschen eine Chance haben, wieder in Arbeit zu kommen. Ihr Antrag bewirkt genau das Gegenteil.
Vielen Dank, Herr Kollege Garg. - Für den SSW im Landtag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Betrachtet man die Forderung nach Mindestlöhnen und nach der Ausweitung des Entsendegesetzes, so prallen in Deutschland immer noch Welten aufeinander. Das konnten wir eben auch wieder hören. Während man in vielen europäischen Nachbarländern schon Mindestlöhne hat, die von einem breiten politischen Konsens getragen werden, und während der liberale dänische Wirtschaftsminister - der mir, was das angeht, durchaus lieber ist als Herr Garg - für Deutschland die Einführung von Mindestlöhnen wie in Dänemark fordert, prophezeit manch einer immer noch das Ende des Abendlandes, wenn die Menschen in unserem Land flächendeckend einen auskömmlichen Lohn erhalten sollen. Herr Kollege Kubicki, um mehr geht es nicht.
Meist wird - wie auch heute teilweise - angeführt, dass die deutsche Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig sei, wenn man den Lohn nicht noch weiter senken könne. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit verlange nach Lohnanpassungen, wie man sich vornehm ausdrückt. Doch wie steht es wirklich um unsere internationale Konkurrenzfähigkeit?
Es lässt sich feststellen, dass unsere Lohnkosten pro Stunde wirklich zu den höchsten in Europa zählen. Dies gilt aber auch für die wirtschaftlich erfolgreichen Länder Dänemark, Schweiz oder Norwegen. Trotz dieser hohen Lohnkosten sind wir immer noch Exportweltmeister. Selbst wenn Deutschland irgendwann einmal nur noch den zweiten, dritten oder vierten Platz unter - ich weiß nicht - 180 oder 200 Län
dern dieser Welt erreichen würde, wären wir immer noch besser als viele anderen Staaten, mit denen wir uns normalerweise vergleichen. Das heißt, dass unsere Produktivität höher ist als andernorts. Das was die arbeitenden Menschen hier erschaffen, ist vom Ergebnis her immer noch besser als das, was man mit billigen Arbeitnehmern in anderen Ländern erwirtschaften kann. Unser Schlüssel zum Erfolg sind somit Ausbildung und Weiterbildung und ist nicht die Senkung des Lohnes.
Dies wird auch dadurch deutlich, dass andere Länder in Osteuropa, aber auch in Spanien oder in Griechenland trotz niedrigster Löhne immer noch schlechter dastehen als die Bundesrepublik. Selbst in unserem eigenen Land haben wir ein Beispiel dafür, dass niedrige Löhne nicht automatisch zu wirtschaftlichem Aufschwung führen: In Ostdeutschland sind die Löhne wesentlich niedriger als im Westen und trotz hoher Subventionen will sich dort kein wirtschaftlicher Aufschwung einstellen. Im Gegenteil, der Westteil der Republik mit seinen höheren Löhnen ist immer noch der wirtschaftliche Motor des ganzen Landes.
Wir können also feststellen, dass wir durchaus mit dem Ausland und mit Niedriglohnregionen konkurrenzfähig sind und dass unsere Stärke darin liegt, unseren Menschen ein Maximum an Bildung in der Breite zu ermöglichen, damit wir den Produktivitätsvorsprung, den wir noch haben, auch erhalten können. Das spricht gegen niedrige Löhne und im Übrigen auch gegen die Einführung einer Studiengebühr.
Unser Problem ist also nicht die angeblich mangelnde Wettbewerbsfähigkeit mit dem Ausland, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Binnennachfrage in den letzten Jahren massiv zurückgegangen ist. Das ist das Problem, das der Mittelstand in Deutschland und in Schleswig-Holstein hat. Wo nichts gekauft oder konsumiert wird, kann keine wirtschaftliche Entwicklung für den Mittelstand entstehen. Sozialabbau, Unsicherheit und jahrelange Lohnzurückhaltung haben dazu geführt, dass mehr gespart und weniger konsumiert wird. Was für ein einzelnes Unternehmen Sinn machen kann, nämlich Lohnzurückhaltung, ist für eine Volkswirtschaft nicht immer erstrebenswert. In dem Moment, in dem breiten Bevölkerungsschichten die Kaufkraft entzogen wird, dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Binnennachfrage zurückgeht.
Für Schleswig-Holstein ist dies umso schlimmer, weil gerade wir ein Land sind, das in besonderem Maße von der Binnennachfrage abhängig ist. Unsere Ex
portwirtschaft ist im Vergleich zu anderen Bundesländern kleiner und der Anteil der Wirtschaftszweige, die von der Binnennachfrage leben, ist bei uns verhältnismäßig hoch.
Die Politik darf eben nicht nur betriebswirtschaftlich denken, sondern sollte auch die volkswirtschaftliche Sicht im Auge haben. Vor diesem Hintergrund kann die Landesregierung auf Bundesebene eigentlich nur der Einführung von Mindestlöhnen und der Erweiterung des Entsendegesetzes zustimmen. Für uns liegt es im ureigensten Landesinteresse, diese Initiative auf Bundesebene zu unterstützen.
Bei der Initiative für einen Mindestlohn und für die Erweiterung des Entsendegesetzes geht es ja gerade nicht nur darum, eine Gleichbehandlung von Arbeitnehmern aus dem In- und Ausland herzustellen, was allein schon aus Gerechtigkeitserwägungen und aus sozialer Verantwortung ein wichtiger Grund an sich gewesen wäre. Zusätzlich geht es darum, dass die Binnenkonjunktur hierdurch gestärkt werden soll.