Er hat damals analysiert, dass seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, als die Frage zum ersten Mal auftauchte, eine Vielzahl von Aufgaben zusätzlich auf die Ämter in Schleswig-Holstein übertragen worden ist. Durch das, was jetzt kommt, werden noch mehr Aufgaben übertragen. Der Innenminister hat angekündigt, es sollen zusätzlich Aufgaben von den Kreisen auf die Ämter verlagert werden. Wir haben es heute noch einmal von den Regierungsfraktionen bestätigt bekommen: Möglichst viele Aufgaben sollen zu Selbstverwaltungsaufgaben gemacht werden. Wenn das tatsächlich der Plan ist, dann ist dieses Gesetz schlicht untauglich.
Entweder Sie übertragen tatsächlich Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter. Dann müssen Sie die Amtsausschüsse direkt wählen. Das ist verfassungsrechtlich geboten. Oder Sie tun das nicht und sagen: Die Ämter sind reine Schreibstuben. Dann amputieren Sie den gesamten ländlichen Raum in Schleswig-Holstein. Dann findet im ländlichen Raum keine Struktur-, keine Wirtschafts-, keine Tourismuspolitik mehr statt. Sie verurteilen den
Meine Damen und Herren, ich halte das für die zentralen Fragen, mit denen wir uns im nächsten Jahr beschäftigen werden. Wir werden diese Fragen intensiv prüfen und uns damit auseinandersetzen. Wir brauchen starke Gemeinden, deren Organe mit allen Kompetenzen ausgestattet sind. Wir brauchen starke Bürgermeister, die tatsächlich strukturpolitisch handlungsfähig sind. Wir brauchen handelnde, starke, direkt gewählte Personen im ländlichen Raum. Denn nur sie werden den Aufgaben gerecht werden, vor denen der ländliche Raum in den nächsten Jahren steht.
Wir brauchen das, was in Dänemark vorgemacht worden ist. Dort hat man starke Gemeinden im ländlichen Raum gebildet, mit Zentralorten im Umland, die tatsächlich auch im Sinne der EU-Strukturpolitik handlungsfähig sind. Denn das werden die Aufgaben sein, mit denen die Gemeinden in den nächsten Jahren konfrontiert sind.
Wenn wir eine Kreisreform machen, brauchen wir aber Gemeinden, die auch in der Lage sind, die Aufgaben, die heute bei den Kreisen angesiedelt sind und auf die Kommunen verlagert werden, wahrzunehmen.
Denn wenn wir eine Kreisreform machen, wollen wir doch nicht, dass nachher der Bürger 100 km durchs Land zur Kreisstadt fahren muss.
Wir wollen vielmehr, dass alles, was für den Bürger wichtig ist, in seinem Rathaus stattfindet. Ich appelliere insofern noch einmal an die Große Koalition:
Überlegen Sie sich die ganze Sache noch einmal! Diskutieren Sie noch einmal! Haben Sie nicht Angst vor Ihren Kommunalpolitikern, sondern treffen Sie Entscheidungen zum Wohle des Landes!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Ihnen nicht ersparen, noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir sowohl in Berlin als auch hier in Kiel eine Verfahrenspanne nach der anderen erleben. Die Gründe für die Probleme liegen wirklich auf der Hand: Die Mechanismen der gegenseitigen Kontrolle sind uns durch die großen Regierungsmehrheiten abhanden gekommen. Zum Glück gibt es in Berlin den Bundespräsidenten und man sagt, dass sein Veto gegen den gesetzgeberischen Dilettantismus wirklich ganz wichtig geworden ist. Man sagt inzwischen: Zu Risiken und Nebenwirkungen von Großen Koalitionen fragen Sie Ihren Bundespräsidenten oder die deutsche Öffentlichkeit. Das hilft uns hier in Kiel aber wirklich nicht weiter.
Mit einem sauberen parlamentarischen Verfahren hat das, was wir heute und in letzter Zeit erlebt haben, nun wirklich nichts mehr zu tun. Wenn nach einer regulären Beratung im Ausschuss einschließlich Anhörung die letzten wesentlichen Änderungen erst Stunden vor der abschließenden Lesung dem Landtag vorgelegt werden, ist das ein Skandal.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir es bei diesem Gesetzgebungsvorhaben gewissermaßen mit einem selbst ernannten Kernstück der Regierungsarbeit in dieser Legislaturperiode zu tun haben. Wer meint, im Grunde genommen sei alles doch halb so schlimm, im Grunde genommen wüssten wir doch alle, was gemeint sei, und durch die letzten Änderungen sei nichts verschoben worden, den möchte ich noch einmal daran erinnern, dass es zu den Merkmalen einer parlamentarischen Demokratie gehört, dass die Entscheidungswege transparent und öffentlich sind.
Ursprünglich hätten wir uns unter diesem Tagesordnungspunkt mit zwei Gesetzentwürfen der Landesregierung beschäftigen sollen, die in einer Art Huckepackverfahren in den Landtag eingebracht wurden. Die politische Absicht, die die Regierung mit diesem Huckepackverfahren verfolgte, war, wie ich denke, klar: Ganz offensichtlich sollte das äußerst dünne und dürftige Verwaltungsmodernisierungsgesetz durch das dynamisch daherkommende Verwaltungsstrukturgesetz quasi mitgetragen werden. Damit sollte zumindest nach außen der Eindruck vermittelt werden, dass die Regierung ordentlich was schafft. Die sehr bescheidene Ausbeute des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes kann mit gutem Recht als Nullnummer, genauer gesagt, sogar als 0,4-Nummer bezeichnet werden,
denn aufgrund dieses Gesetzes sollen bekanntlich gerade einmal 0,4 Planstellen eingespart werden. Dass die zweite Lesung des Gesetzentwurfes erst einmal verschoben worden ist, ändert nichts am klaren Versagen bei der vollmundig versprochenen Modernisierung der Verwaltung.
Die Verwaltungsmodernisierung ist also erst einmal auf Eis gelegt. Nach dem harten Ringen von CDU und SPD in den letzten Tagen blieb für die heutige Verabschiedung im Landtag nur noch das Verwaltungsstrukturgesetz übrig. Der selbst gesetzte Erwartungs- und Zeitdruck mag der Grund dafür sein, weshalb man nicht auch diesen Gesetzentwurf zurückgezogen hat. Ich stimme dem Kollegen Hentschel ausdrücklich zu, dass Letzteres nachdem, was wir jetzt erlebt haben, der verantwortungsbewusstere Weg gewesen wäre.
Ich will nicht weiter auf die zwei Paragrafen aus dem Verwaltungsmodernisierungsgesetz eingehen, die jetzt auch noch mitgeschleppt werden sollen. Wichtig ist - ich sage das gewissermaßen noch einmal zum Mitschreiben -: Wenn man sofort Strukturen bastelt, um sich anschließend erst darüber klar zu werden, welche Aufgaben man vielleicht welcher Ebene zuteilen möchte, kann das nur schiefgehen. Das ist ein Konstrukt ohne Fundament, eine Reform, die buchstäblich in der Luft hängt. Da wundert es nicht, dass das Gesetzgebungsverfahren zu einer verfahrenen Gesetzgebung wird. In dieser
Nun zum Änderungsantrag von CDU und SPD, der die Lösung des Innenministers, die eine Zusammensetzung der Amtsausschüsse mit Stimmenkontingenten vorsah, vollständig kassiert. In der Koalition hat man, wie ich denke, offensichtlich verfassungsrechtlich kalte Füße bekommen. Die Regierungsfraktionen sehen in ihrem Antrag jetzt wieder die klassische Staffelung der Anzahl der Ausschusssitze vor, allerdings mit einer gröberen Einteilung als vorher. Die sogenannten Schreibstuben der Gemeinden erhalten damit Amtsausschüsse von einer Größe, die locker mit Kreistagen konkurrieren kann. Das neue Amt Trave-Land erhielte somit zum Beispiel 35 Ausschussmitglieder. Das neue Amt Südtondern - das haben wir heute gerade im Ausschuss gehört - bekäme 56 Mitglieder. Der Landtag, der das ganze Land vertritt - ich sage das noch einmal zum Vergleich -, hat nur 69 Mitglieder.
Diese Vermehrung der Ausschusssitze geht zum Bedauern des SSW leider nicht mit einer Verstärkung der politischen Pluralität und Repräsentativität einher. Damit sind die verfassungsrechtlichen Bedenken in diesem Punkt keineswegs beseitigt.
Der Städteverband Schleswig-Holstein - keine Vorfeldorganisation des SSW, wie ich gewissermaßen in Klammern anmerke - sagt in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf zu Recht - ich zitiere -, dass aufgrund des erheblichen Zuwachses an auf das Amt übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben sich in naher Zukunft die Frage des kommunalverfassungsrechtlichen Status der Ämter stellen wird. Dem kann der SSW nur zustimmen. Wir haben das bereits in den vorhergehenden Debatten gesagt. Auch der Kollege Hentschel hat in diesem Zusammenhang einige Stichworte genannt. Das heißt, wir tun so, als hätte sich die Wirklichkeit auf kommunaler Ebene nicht verändert. Alle wissen aber, dass sie sich verändert hat. Wir tun so, als könnten wir mit verfassungstheoretischen Überlegungen die Wirklichkeit gewissermaßen wieder einkassieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht aber nicht. Das werden wir nicht schaffen.
Nach dem Änderungsantrag, den die Kollegen von CDU und SPD uns heute morgen serviert haben, soll das Innenministerium künftig nicht nur Ausnahmen von der hauptamtlichen, sondern auch
von der ehrenamtlichen Verwaltung einer Gemeinde zulassen können. Das heißt, dass jetzt hauptamtlichen Bürgermeistern der Posten auch nach dem Anschluss an ein Amt gesichert werden kann. Dies ist, wie ich denke, wieder eine halbherzige Lösung oder, wenn man so will, ein fauler Kompromiss.
Eine letzte Bemerkung zu dem zentralörtlichen System, das in der ganzen Debatte, wie ich denke, hinten heruntergefallen ist. Die Öffentlichkeit wird mit dem Argument abgespeist, der zentralörtlichen Funktion einer amtsangehörigen Gemeinde würde durch die Beibehaltung hauptamtlicher Bürgermeister sowie die Einführung bezahlter Gemeindedezernenten Rechnung getragen.
Die Probleme greifen jedoch weiter: Das zentralörtliche Prinzip hat leider nur in Sonntagsreden eine Rolle gespielt. Der Innenminister hat die sogenannte Hochzeitsprämie ohne Rücksicht auf Verflechtungszusammenhänge ausgezahlt. Die Weiterentwicklung des zentralörtlichen Prinzips hat, wie ich schon sagte, keine Rolle gespielt. Nach dem Motto „Big is beautiful“ wird ohne Rücksicht auf die Sinnhaftigkeit einer Fusion die Prämie ausgezahlt. Ich warne vor den Problemen und unabsehbaren Lasten, die aus dem erhöhten Abstimmungsbedarf entstehen werden. Damit dürfen und müssen sich dann Kommunalpolitiker in den aufgeblähten Amtsausschüssen herumschlagen. Das ist ihnen gegenüber und auch uns gegenüber unfair. Das hat auf keinen Fall etwas mit solider Gesetzgebung und vorausschauendem Regierungshandeln zu tun, denn dieses sieht anders aus. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf der Landesregierung auch nicht zustimmen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk und erteile zu einem Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann verstehen, dass die Opposition die Chance nutzt, auf Fehler aufmerksam zu machen und deutlich zu werden. Es gibt aber auch Wortbeiträge wie „Skandal“, „eine Verfahrenspanne nach der anderen“, „chaotische Verfahrensweise“, die hier in einem solchen Haus artikuliert werden und die für die Gesetzgebung bedeutsam sind, die nicht unwider
sprochen bleiben dürfen, auch deswegen nicht, weil sie nicht dem tatsächlichen Ablauf, jedenfalls nicht in dieser Gewichtung, entsprechen.
Lassen Sie mich dies in einem Dreiminutenbeitrag anhand von einigen kurzen Beispielen darlegen. Zum Bundesverband der Entsorgungswirtschaft wird vom FDP-Sprecher behauptet, der Verband habe vor dem Ausschuss kein Gehör gefunden. Das ist falsch. Soll ich detaillierter werden? Ihr Vertreter kam erst etwas später dazu. Herr Kollege Hildebrand, so können Sie mit der Ausschussarbeit nicht umgehen. Der Bundesverband wurde von Ihnen vorgeschlagen. Unabhängig davon ist es jeder Fraktion unbenommen, mit dem Verband zu sprechen. Wir von der CDU haben es getan, haben gründlich abgewogen und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinen aktuellen Handlungsbedarf gibt. Wenn Sie dann mit dem Verband gesprochen haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, es gebe aktuellen Handlungsbedarf, hätten Sie einfach einen Antrag stellen müssen. Von Ihnen ist nichts gekommen. So kann man die Sache nicht diskutieren.