Protocol of the Session on October 11, 2006

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei Wortungetüme stehen auf der Tagesordnung: Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Reform kommunaler Verwaltungsstrukturen, Zweites Verwaltungsstrukturreformgesetz, und der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Verwaltung, Erstes Verwaltungsmodernisierungsgesetz.

Der nicht eingeweihte Leser unserer Tagesordnung oder unbefangene Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne könnten hinter solch voluminösen Formulierungen vermuten und erwarten, selbst betroffen, vielleicht auch befürchten, dass eine revolutionäre Umwälzung der Verwaltung und eine radikale Durchforstung des Behördendschungels in Schleswig-Holstein unmittelbar bevorsteht.

(Wilfried Wengler)

(Günther Hildebrand [FDP]: Bei uns be- stimmt nicht!)

- Herr Kollege Hildebrand, das ist mit diesen Gesetzentwürfen jedenfalls noch nicht so.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Beide Gesetzentwürfe - die Minister haben es gesagt - markieren nur weitere Schritte auf dem Weg zu einer systematischen und umfassenden Verwaltungsreform in Schleswig-Holstein. Die Absicht der Landesregierung, die Verwaltungen in SchleswigHolstein auf allen Ebenen professioneller, bürgernäher und wirtschaftlicher zu gestalten, unterstützen wir uneingeschränkt und ohne Vorbehalt.

Das Zweite Verwaltungsstrukturreformgesetz will das gesteckte Ziel vor allem dadurch erreichen, dass die Verwaltungen im kommunalen kreisangehörigen Bereich eine hinreichende Größe erhalten, um ihre Dienstleistungen auch weiterhin kompetent und effizient erbringen zu können. Mit dem Ersten Verwaltungsstrukturreformgesetz hat zunächst eine Phase freiwilliger und finanziell unterstützter Zusammenlegung Raum erhalten - der Minister hat darauf hingewiesen -, und es sind insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen für die freiwillige Zusammenführung von Verwaltungen optimiert worden. Die Freiwilligkeitsphase endet Ende dieses Jahres. Die Neuordnung der kommunalen Verwaltungsstrukturen im kreisangehörigen Bereich soll nun rechtzeitig vor der Kommunalwahl 2008 zügig abgeschlossen werden.

Man muss in der Tat konstatieren, dass schon in dieser Freiwilligkeitsphase eine kleine Revolution stattgefunden hat. Wer hätte zuvor gedacht, dass in so kurzer Zeit und in so vielen Fällen in SchleswigHolstein freiwillige Gemeinde- und Amtszusammenschlüsse erfolgen würden? - Ich glaube, niemand von uns hier im Haus.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden nun also die erforderlichen gesetzlichen Regelungen getroffen. Auf die wesentlichen Gegenstände haben meine Vorredner hingewiesen.

Wir begrüßen, dass entgegen ursprünglicher Planung der Landesregierung hauptamtlich verwaltete Gemeinden künftig mindestens 8.000 Einwohnerinnen und Einwohner nicht mehr betreuen müssen, sondern lediglich betreuen sollen. Formaljuristisch - Herr Kollege Wengler, da geben wir Ihnen recht ist damit die Möglichkeit geschaffen, für Verwaltungen im „Nahbereich“ von 8.000 Einwohnern vorübergehend begründete Ausnahmen zuzulassen, wenn zum Beispiel belegt ist, dass in absehbarer

Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2007 die geforderte Einwohnergrenze von 8.000 überschritten wird. Das ist in Oststeinbek/Kreis Stormarn der Fall. Sie haben dieses Beispiel soeben genannt. Dort atmet man auf, auch hinsichtlich der ausdrücklichen öffentlichen Zusicherung des Ministers, im Falle Oststeinbek von Zwangszusammenschlüssen und ähnlichen Maßnahmen abzusehen.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Veränderung der Amtsordnung. Wesentlich ist hierbei - auch darauf ist hingewiesen worden -, dass die Amtsversammlung abgeschafft wird und dass es in diesem Fall zu einer neuen Zusammensetzung des Amtsausschusses kommen soll.

Die Neuregelung der Zusammensetzung des Amtsausschusses, also die zentrale Änderung, die vorgesehen ist, soll zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Amtsausschüsse beitragen. Insbesondere in großen Ämtern soll die Zahl der Mitglieder je Gemeinde auf höchstens drei begrenzt werden. Um trotz der zahlenmäßigen Begrenzung eine angemessene Repräsentation der Gemeinden im Amtsausschuss zu gewährleisten, sollen die Mitglieder entsprechend der Einwohnerzahl ihrer Gemeinden Stimmenkontingente erhalten.

Wir haben grundsätzlich keinen Zweifel daran über Einzelheiten, was die zahlenmäßige Zuordnung angeht, kann man im parlamentarischen Verfahren noch sprechen -, dass die demokratische Legitimation des Amtsausschusses auf diese Weise gewährleistet werden kann.

Einen dritten und letzten Punkt aus dem Verwaltungsstrukturreformgesetz möchte ich noch ansprechen; auch hierauf hat der Innenminister bereits hingewiesen. Stichwort Verwaltungsdezernent/ hauptamtliche Bürgermeisterin/hauptamtlicher Bürgermeister! Die Kritik an unseren Verwaltungsdezernenten, an dieser Hilfslösung, kommt schon jetzt und schon seit längerem insbesondere aus den kommunalen Landesverbänden auf uns zu. Sie wird auch im parlamentarischen Anhörungsverfahren noch eine Rolle spielen. In vielen Städten und Gemeinden, die grundsätzlich zu einem Zusammenschluss bereit wären, ist der drohende Verlust der hauptamtlichen Bürgermeisterstelle das einzige Hemmnis.

Wir werden diesen und alle anderen Kritikpunkte im parlamentarischen Anhörungsverfahren aufnehmen und bewerten. Ein Termin zur mündlichen Anhörung im zuständigen Innen- und Rechtsausschuss ist bereits anberaumt: Mittwoch, 15. November 2006, 10 Uhr.

(Klaus-Peter Puls)

Im Bereich der allgemeinen Verwaltungsmodernisierung, die in die Zuständigkeit des Finanzministers fällt, steckt die auch dort geplante Revolution noch in den Anfängen. Darauf hat auch der zuständige Minister hingewiesen. Auch im Ersten Gesetz zur Modernisierung der Verwaltung findet sich gleich am Anfang wieder die von uns geteilte Zielvorstellung der Landesregierung, die Verwaltungen in Schleswig-Holstein auf allen Ebenen professioneller, bürgernäher und wirtschaftlicher zu gestalten; wir nehmen zur Kenntnis, dass mit dieser Zielsetzung der Verwaltungsmodernisierung und Entbürokratisierung eine ausführliche Aufgabenanalyse, eine umfassende Aufgabenkritik und Vorschriftenbereinigung begonnen wurde und dass auch Möglichkeiten untersucht wurden und nach wie vor untersucht werden, Aufgaben abzubauen, auf Kommunen oder Dritte zu verlagern oder zu bündeln.

Der heute vorliegende erste Gesetzentwurf - auf die Zahl eins hat der Minister auch hingewiesen - bezieht sich zunächst ausdrücklich auf die derzeit mögliche Umsetzung der aufgabenkritischen Beschlüsse. - So heißt es im Gesetzentwurf. - Das bezieht sich konkret auf elf Landesgesetze. Der Entwurf enthält - darauf möchte ich speziell hinweisen - die Befreiung der Landesregierung von bestimmten Berichtspflichten, die bislang im Gleichstellungsgesetz und im Landesbeamtengesetz vorgesehen waren. Hierzu möchte ich darauf hinweisen, dass es sowohl hinsichtlich des regelmäßigen Gleichstellungsberichts als auch hinsichtlich des Berichts über Nebentätigkeiten nach dem Landesbeamtengesetz einmal in der 5-jährigen Legislaturperiode in der SPD-Landtagsfraktion noch keine Entscheidung gibt. Die Befreiung von diesen Berichtspflichten würde, jedenfalls ausweislich des Gesetzentwurfs, auch keine wesentlichen Kostenersparnisse erbringen. Das gilt ähnlich für andere Einzelvorschläge zu anderen Einzelgesetzen.

Wir verkennen nicht, dass jeder einzelne Gesetzesvorschlag der Landesregierung, der uns heute vorgelegt wurde, zu der allgemein angestrebten Verfahrensvereinfachung oder Rechtsbereinigung führen kann, und werden das Gesetzgebungsverfahren konstruktiv-kritisch begleiten. Das gilt auch für die weiter angekündigten, aufgabenkritisch bedingten Änderungen, die erforderlich sind und die durch die Ressorts im Rahmen eigenständiger Gesetzesänderungsverfahren verfolgt werden sollen.

Es bleibt noch viel zu tun. Packen wir es an!

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls. - Für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gesagt worden: Wir befassen uns heute mit zwei Gesetzentwürfen, die einen völlig unterschiedlichen Regelungsbedarf haben. Das eine ist das Verwaltungsmodernisierungsgesetz; es hat die Zielsetzung, die Verwaltungen Schleswig-Holsteins von Aufgaben zu entlasten, dient also der Deregulierung. Das zweite Gesetz, das sogenannte Verwaltungsstrukturreformgesetz, ist die Fortschreibung der kommunalen Verwaltungsstrukturreform bezüglich einer Mindestverwaltungsgröße von 8.000 Einwohnern.

Ich komme zum ersten Gesetzentwurf, zum Ersten Verwaltungsmodernisierungsgesetz. Hinter dem Namen „Verwaltungsmodernisierungsgesetz“ versteckt sich eine große Erwartungshaltung. Es ist eines der Gesetze, die die öffentliche Hand von Aufgaben befreien, Bürokratie abbauen und für die Zukunft wieder finanzielle Spielräume für die öffentlichen Finanzen eröffnen sollen. Darüber hinaus soll es die Wirtschaft im Land mit weniger Bürokratie belasten, damit sie wieder freier agieren kann.

Zumindest sollte dies der Anspruch des Gesetzes sein, das heute als Tagesordnungspunkt mit einem zehnminütigen Redebeitrag gewürdigt werden soll. Diesem Anspruch wird das Gesetz allerdings bei Weitem nicht gerecht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Überhaupt nicht!)

Es ist am heutigen Tage quasi die erste Bankrotterklärung für die Arbeit des Entbürokratisierungsstaatssekretärs Schlie.

(Beifall bei FDP und SSW - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Ja!)

Die zweite folgt im weiteren Verlauf der Tagesordnung, wenn es um das Ende der Kommunalen Verwaltungsregionen geht. Dies ist auch eine Idee, an der Herr Schlie hauptsächlich mitgewirkt hat.

Meine Damen und Herren, wer innerhalb von 17 Monaten Regierungszeit angesichts der vollmundigen Ankündigungen so wenig auf den Weg bringt, der hat kein Lob verdient.

(Beifall bei FDP, SSW und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Klaus-Peter Puls)

Was wird in dem Gesetz geregelt? - Die Berichtspflicht der Landesregierung über die Durchführung des Gleichstellungsgesetzes wird abgeschafft, es bedarf keiner Genehmigung zur Führung des Landeswappens mehr, die Dienstplakette des Landes darf künftig auch privat genutzt werden. - Hört, hört.

Die Jubiläumszuwendung für Beamte wird gestrichen, allerdings nicht für Ehrenbeamte wie zum Beispiel Kommunalpolitiker, und es wird Änderungen im Jagdrecht, im Sprengstoffrecht und beispielsweise in der Gemeindeordnung geben, um nur noch einige Gesetze zu nennen.

Insgesamt können wir heute bereits folgende Ersparnis aus der Gesetzesvorlage ableiten: Es werden beim Land insgesamt 0,4 Stellen eingespart. Für die Streichung der Jubiläumszulage werden beim Land und bei den Kommunen 900.000 € eingespart - selbstverständlich natürlich wieder bei den Beamten, die nach Willen der Landesregierung künftig schon größtenteils auf ihre Sonderzahlungen verzichten müssen. Ob die dann dafür Verständnis haben, dass künftig der Ministerpräsident mehr Orden verteilen darf, darf bezweifelt werden.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Der Ansatz für Orden und Ehrenzeichen wurde nämlich im Haushaltsentwurf von 7.000 auf 15.000 € erhöht. Sogar ein neuer Landesorden soll geschaffen werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wider den tieri- schen Ernst!)

Man muss eben die richtigen Prioritäten setzen!

Ansonsten sparen die Kommunen durch die Änderung der Bestimmungen zum Vorverfahren bei Wildschadensfällen im Landesjagdgesetz voraussichtlich 100.000 €.

Fazit von 17 Monaten großkoalitionärer Regierungszeit: Es wird insgesamt ein Einsparvolumen von 0,4 Stellen und circa 1 Million € erreicht, von denen 900.000 € durch Kürzungen bei der finanziellen Ausstattung der Beamten erbracht werden. Nur zum Vergleich: Die Abteilung Schlie mit seinen Mitarbeitern kostet per annum sicherlich nicht einen unerheblichen Eurobetrag.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: 2,5 Millionen € mindestens!)

- 2,5 Millionen €, sagt Kollege Kubicki.

Nebenbei, allein die Abschaffung der Bestellungspflicht hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter

im kommunalen Bereich ergibt bei ehrenamtlicher oder zeitlich begrenzter Arbeit Einsparmöglichkeiten für die Kommunen in erheblich größerem Umfang.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wenn Sie schon für dieses Gesetz den Begriff „Verwaltungsmodernisierungsgesetz“ verwenden, ist das ein Zeichen dafür, dass Ihre Ansprüche an Deregulierung und Entbürokratisierung gegen null gegangen sind.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Aber wenn dieses das erste Modernisierungsgesetz ist, gibt es ja - das ist eben schon gesagt worden möglicherweise noch ein zweites, drittes, viertes oder fünftes.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber erst nach 2010!)