Protocol of the Session on May 26, 2005

prüfen und möglicherweise vorhandene naturschutzfachliche Beurteilungsspielräume zu nutzen. Dies gilt auch für bereits gemeldete Gebiete, soweit es das EU-Recht zulässt.“

Diese Passage stammt aus dem Koalitionsvertrag. Es ist im Übrigen auch der Text unseres Antrages, über den wir alternativ zum FDP-Antrag abzustimmen bitten.

Meine Damen und Herren, wir gehen davon aus, dass der Umweltminister dem Kabinett nach entsprechender Überprüfung ein umfassendes Konzept vorlegen wird, über das wir mit Ihnen hier im Hause dann auch gern diskutieren wollen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Nabel.

Wir begrüßen auf der Tribüne nunmehr Schülerinnen und Schüler der Realschule Heikendorf und der Verwaltungsakademie Bordesholm mit ihren Lehrkräften. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Nun erteile ich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Kollegen Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 1972 beschloss die Europäische Union die Vogelschutzrichtlinie mit Zustimmung des deutschen Ministers Baum. Er war Mitglied der FDP. 1992 beschloss die Europäische Union die FFHRichtlinie mit Zustimmung des deutschen Ministers Töpfer. Er war Mitglied der CDU.

Die Zustimmung hatte einen Grund. Die Vielfalt der Arten ist das bedeutendste Erbe dieser Erde. Zurzeit verläuft das Artensterben tausendmal so schnell wie bei einem natürlichen Evolutionsprozess. Tag für Tag geht uns ein Teil unseres biologischen Erbes verloren. Deswegen hat die Europäische Union beschlossen, unter dem Namen NATURA 2000 ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten zu schaffen, das bis zum Jahr 2000 vollendet werden sollte. Ich bin überzeugt, dass dieses Vorhaben im Interesse aller Menschen dieses Landes ist.

Der Naturschutz - im letzten Jahr gab es eine Umfrage über die Landespolitik - hat unter allen Politikgebieten in diesem Lande die größte Zustimmung gefunden. Das muss man feststellen. Das bezieht sich

(Karl-Martin Hentschel)

nicht speziell auf Eiderstedt, wie ich zugebe. In keinem anderen Politikbereich war die Zustimmungsrate der Menschen in diesem Lande - sie betrug über 60 % - so hoch wie beim Naturschutz. Es gab einige, die versucht haben, die Akzeptanz des Naturschutzes kaputtzumachen. Das haben wir erlebt. Das ist übrigens nicht ein Spezifikum Schleswig-Holsteins.

Die Ausweisung von NATURA-2000-Gebieten hat nicht nur auf der Halbinsel Eiderstedt zu Protesten geführt. Es gab auch in Bayern, Baden-Württemberg und anderen von der Union regierten Ländern Proteste. Es hat allerdings nirgends ein so intensives Beteiligungsverfahren wie in Schleswig-Holstein gegeben. Nirgends hat es so viele Gespräche mit dem Ministerium, mit dem Minister, mit der grünen Landtagsfraktion, mit Fachverbänden und so weiter gegeben. In keinem Gebiet sind so viele Änderungsvorschläge, Änderungsanträge und Anregungen berücksichtigt und letztlich in das Endergebnis eingearbeitet worden wie im Falle Eiderstedt.

Die jetzige Ausweisung ist das Ergebnis von jahrelangen fachlichen Untersuchungen und sie ist sogar noch durch neue Untersuchungen aus der Region nachdrücklich bestätigt worden. Wenn jetzt suggeriert wird, das könnte alles wieder aufgehoben werden, haben Sie Ihren eigenen Leuten etwas vorgemacht. Es ist kein Wunder, dass Sie dann jetzt wieder langsam zurückrudern müssen. Die Seifenblase Ihrer Behauptung ist ja bereits vor zwei Wochen im Umweltausschuss geplatzt, als festgestellt wurde, dass die flächendeckende Überprüfung von Gebieten gar nicht möglich ist, dass die gemeldeten Gebiete gar nicht mehr überprüft werden können, sondern dass Sie, wie Sie gesagt haben, jetzt das ganz normale Monitoringverfahren, das in den nächsten fünf Jahren sowieso im Rahmen von NATURA 2000 stattfindet, durchführen wollen. So wäre aber in jedem Fall verfahren worden. Das ist nichts Besonderes.

Was in Schleswig-Holstein allerdings anders ist und was ich an der Politik der Union und des neuen Ministers auch empörend finde, ist der Umgang mit den betroffenen Bauern.

(Zuruf von der CDU: Das müsst ihr gerade sagen!)

Der vorige Umweltminister hat den Bauern sein Wort gegeben, dass sie einen Ausgleich für NATURA2000-Gebiete bekommen. Dazu gehören die beschleunigte Erhöhung der Gründlandprämie auf 124 € pro Hektar, die Ausgleichsprämie für NATURA2000-Gebiete in Höhe von 77 € pro Hektar und weitere Prämien für Vertragsnaturschutzgebiete. Diese Erhöhung von Prämien in Schleswig-Holstein ist einmalig im Bundesgebiet, weil die betroffenen Bau

ern einen Ausgleich für die Ausweisung von NATURA-2000-Gebieten bekommen sollten.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die neue Regierung hat diese Ausgleichsmaßnahmen jetzt gestrichen.

(Lars Harms [SSW]: So ist es!)

Die Grünlandprämie soll nicht erhöht werden. Die zusätzliche Prämie - 77 € pro Hektar -, die aus der Oberflächenwasserabgabe bezahlt wird, kann nicht mehr bezahlt werden, weil die Oberflächenwasserabgabe in Zukunft nicht mehr für Umweltschutzmaßnahmen verwendet werden soll. Ich glaube, dass Sie damit den Bauern einen absoluten Schaden zufügen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird sich noch rächen, Herr von Boetticher. Es ist schon perfide, dass ausgerechnet diejenigen, die die Union im Wahlkampf am härtesten unterstützt haben, bis in die letzten Minuten, die Leidtragenden sind und als Erste die Ausgleichsmaßnahmen gestrichen bekommen.

Es ist auch eine schlimme Maßnahme gegen den Vertragsnaturschutz und gegen das Vertrauen der Menschen in diesem Land, wenn man Naturschutz so bestraft. Ich hoffe, Sie überlegen sich das noch einmal.

Ich erteile nunmehr für die Abgeordneten des SSW dem Kollegen Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Betrachtet man die beiden vorliegenden Anträge, so scheint es, als ob da gar nicht so viel Unterschied sei. Dann hätten allerdings die Regierungsparteien auch dem ursprünglichen FDP-Antrag zustimmen können.

(Zuruf von der CDU: Der ging uns nicht weit genug!)

Also muss da doch mehr dahinter stecken, Frau Tengler, wenn eine Regierung etwas Selbstverständliches wie die Einlösung eines vor der Wahl gegebenen Versprechens nicht auch mit ihren Stimmen unter

(Lars Harms)

stützen möchte und stattdessen einen windelweichen Ersatzantrag stellt.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP] - Thomas Stritzl [CDU]: Der ist hervorragend!)

Der FDP-Antrag sagt klar aus, dass die Gebietskulisse Eiderstedt überprüft werden soll und dass das Meldeverfahren bis zum Zeitpunkt der endgültigen Gebietsausweisung auszusetzen ist.

(Ursula Sassen [CDU]: Das ist doch selbst- verständlich!)

Damit würde man für die Betroffenen vor Ort natürlich immer noch jedwede Klagemöglichkeit aufrechterhalten. Dies ist im Übrigen etwas, was sogar der bisherige grüne Umweltminister ermöglichen wollte.

(Thomas Stritzl [CDU]: Was?)

Im Antrag der CDU und der SPD ist davon nun nicht mehr die Rede. Stattdessen ist dort nebulös zu lesen, dass es „möglicherweise“ Beurteilungsspielräume geben könnte, obwohl man genau weiß, dass es sie gibt. Man braucht diese nur zu nutzen. Dann wäre allen schon geholfen. Das hat die CDU vor der Wahl übrigens auch immer verkündet.

Allein der Wille fehlt bei CDU und SPD.

(Thomas Stritzl [CDU]: Na, na!)

Um das zu kaschieren, wird im Antrag auch noch hinzugefügt, dass auch bei bereits gemeldeten Gebieten der „möglicherweise“ vorhandene Beurteilungsspielraum genutzt werden solle. Dies, obwohl der Umweltminister im Umweltausschuss schon gesagt hat, dass eine Rücknahme der gemeldeten Gebiete nach EU-Recht nicht möglich sei und man lediglich in das durch die EU-Richtlinie ohnehin vorgeschriebene Monitoringverfahren einsteigen wolle. Wer dies im Übrigen noch einmal schriftlich haben will, kann dies auch in der Antwort auf meine diesbezügliche Kleine Anfrage noch einmal nachlesen. Hier wird also im CDU/SPD-Antrag den Betroffenen noch einmal Sand in die Augen gestreut, um zu überdecken, dass die CDU gegebene Versprechen gar nicht halten kann und sie dies vor der Wahl auch schon gewusst hat. Dies hat mit Politik für die Bürgerinnen und mit den Bürgerinnen und Bürgern nichts mehr zu tun.

(Zuruf der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

Was war eigentlich bisher gewollt? Bisher war gewollt, dass man den Betroffenen in den NATURA2000-Gebieten finanziell so gut wie möglich unter die Arme greift, damit die möglichen Nachteile nicht zu groß werden. Deshalb sollte eine besondere Grün

landerhaltungsprämie aus Modulationsmitteln gezahlt werden. Diese Prämie hätte gerade auch Landwirten in den großen Vogelschutzgebieten helfen können. Diese soll nun nach Aussage des Umweltministers im Umweltausschuss wieder rückgängig gemacht werden. Das kann man auch bei euch im Koalitionsvertrag nachlesen.

Wir wollten weiter, dass betroffenen Landwirten durch ein Flurbereinigungsverfahren der Ausstieg und anderen der konzeptionelle Umstieg leichter gemacht wird. Davon ist im Koalitionsvertrag nun nichts mehr zu lesen.

Außerdem wollten wir bisher, dass Naturschutzmittel vornehmlich in geschützten Gebieten eingesetzt werden. Das heißt, dort, wo es einen Schutzstatus gibt, fließen die Mittel hin. Das hätte den Betroffenen direkt geholfen und dazu geführt, dass die Ausweisung von Schutzgebieten auch eine gewisse Attraktivität für die Regionen und den Naturschutz hätte haben können. Von alledem ist nun nichts mehr zu hören.

(Zuruf der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

Wir wollten, dass in den jetzigen Gerichtsverfahren die Ausweisungen überprüft und später von unabhängigen Gutachtern ein Vorschlag für die Neuschneidung der betroffenen Gebiete ausgearbeitet wird. Dafür hätte man ohne Schwierigkeiten schnell und einfach auf das bestehende Gutachtenmaterial zurückgreifen können. Von diesem konkreten Weg zur Verbesserung der Situation ist Schwarz-Rot nun ganz abgewichen und spricht nur noch von „möglichen“ Beurteilungsspielräumen. Ich sage Ihnen noch einmal: Die Beurteilungsspielräume sind da und die Zahlen, Daten und Fakten sind auch schon da. Sie brauchen nur noch im Sinne der Menschen handeln und Ihre Versprechungen von vor der Wahl auch einhalten.

Wir wollten weiterhin, dass auf jeden Fall die Klagemöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger von der Landesregierung gewährleistet wird. Deshalb sind wir auch dankbar, dass die FDP in ihrem Antrag noch einmal deutlich macht, dass dies ein wichtiger Baustein im Umgang miteinander ist. Im schwarz-roten Antrag ist davon nichts mehr zu lesen. Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass die Landesregierung schon jetzt die Klagewelle aus Eiderstedt fürchtet. Man hat seinerzeit den Unmut massiv geschürt und den Menschen Hoffnungen gemacht, dass der gesamte Gebietsvorschlag Eiderstedt zurückgenommen wird, wenn nur erst einmal die CDU regiert, obwohl man

(Lars Harms)

genau wusste, dass Teile von Eiderstedt ausgewiesen werden müssen.