Protocol of the Session on June 29, 2006

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um nicht nur dem Kollegen Astrup, sondern allen, die danach fragen, die Recherche zu ersparen: In der Tat, mein Fraktionsvorsitzender war zu Besuch in der Stadt Kappeln. Ich finde es etwas merkwürdig, dass es, wenn man sich die Sorgen und Nöte vor Ort anhört, dann, wenn daraus parlamentarische Initiativen gemacht werden, Menschen gibt, die sich darüber lustig machen.

(Beifall bei der FDP)

Ich will eine zweite Vorbemerkung - die meine ich ganz ernst - vorwegschicken. Anbieter von medizinischen Leistungen, die sie mit touristischen Einrichtungen verbunden haben, sollten, wenn sie in einem paralympischen Zentrum eine Konkurrenz sehen, sich vielleicht etwas mehr mit der paralympischen Idee auseinander setzen, bevor sie solche Sorgen äußern.

(Beifall bei der FDP)

Bei den 12. Paralympics in Athen konnten die deutschen Paralympioniken 2004 insgesamt 79 Medaillen erringen; das ist ein tolles Ergebnis. Würde man die Medaillen zusammenzählen, dann wäre das Rang fünf im Medaillenspiegel. Bei den 9. WinterParalympics 2006 in Turin konnten wir uns über einen tollen zweiten Platz hinter Russland in der Nationenwertung freuen.

Die Mehrzahl der Athleten aus den Paralympics-Erfolgsnationen trainieren unter nahezu professionellen Bedingungen. Bei uns ist das leider nicht so. In Deutschland kann man die Sportler mit Behinderung immer noch an einer Hand abzählen, die sich professionell in ihren jeweiligen Disziplinen vorbereiten können.

Bei uns ist es mehr oder weniger dem Zufall überlassen, dass junge Menschen überhaupt zum Behindertenleistungssport finden. Und Zufälle sind in der Nachwuchsarbeit des Behindertensports in Deutschland deshalb so wichtig, weil es eine flächendeckende, gut strukturierte Talentsuche und Talentförderung so gut wie gar nicht gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in vielen jungen Menschen mit Behinderung schlummert Talent und wir meinen, dass dieses Talent professionell entdeckt und gefördert werden soll.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit eine solche Förderung künftig nicht mehr dem Zufall überlassen wird, brauchen wir eine entsprechende Infrastruktur, ein entsprechendes An

gebot. Wir sind der Auffassung, dass hier eine Chance für Schleswig-Holstein besteht, und zwar in mehreren Punkten:

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schleswig-Holstein wird durch die Errichtung eines barrierefreien Paralympic-, Tourismus-, Sport- und Freizeitzentrums in Kappeln-Ellenberg Zentrum des Behindertensports, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern europaweit.

(Beifall bei FDP und CDU)

Denn bis heute gibt es in Europa so gut wie keine vollständig barrierefreien Sportstätten, die den aktiven Sportlern des Breiten- und Spitzensports mit Handikap wettkampftaugliche Bedingungen bieten. Das holländische Paralympische Komitee hat bereits jetzt angekündigt, diesen Trainingsstandort nutzen zu wollen.

Die Zusage des Internationalen Paralympischen Komitees und des Deutschen Behindertensportverbandes, nicht nur dort Veranstaltungen durchzuführen, sondern eine paralympische Akademie in Kappeln-Ellenberg zu gründen, wird SchleswigHolstein zu einem Sportzentrum mit europaweiten Ruf machen.

(Beifall bei FDP, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Der Tourismusstandort Schleswig-Holstein erhält durch die Erschließung neuer Kundenpotenziale weitere Impulse. Denn gut 40 % der rund 6,6 Millionen in Deutschland lebenden Menschen mit Behinderung machen derzeit gar keinen Urlaub, weil sie in ihrer Freizeit nicht die gewünschten sportlichen, kommunikativen und erlebnisorientierten Aktivitäten durchführen können.

Diese Nachfrage kann nur befriedigt werden, wenn neben barrierefreien Unterbringungsmöglichkeiten zusätzliche Sport-, Freizeit- und Kulturangebote vorgehalten werden. Genau diese Aspekte werden in dem vorliegenden Projekt berücksichtigt. Gleichzeitig würde nicht nur die kürzlich von der Landesregierung vorgestellte Initiative zum barrierefreien Tourismus, sondern auch der Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein durch solch ein Angebot weiter gestärkt.

(Beifall bei FDP, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Alles in allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, bietet sich die einmalige Chance, auf dem Gelände der ehemaligen Marinewaffenschule in KappelnEllenberg ein barrierefreies Paralympic-, Touris

mus-, Sport- und Freizeitzentrum zu realisieren. Das Projekt passt unserer Auffassung nach ausgezeichnet in die örtlich vorhandenen Gegebenheiten. Es wird vor Ort durch die Stadt Kappeln ebenfalls maßgeblich unterstützt.

Gleichzeitig zeigen die Bekundungen des Deutschen Behinderten Sportverbandes, des Internationalen und Nationalen Paralympischen Komitees, dass für die Realisierung eines solchen Zentrums nicht nur Interesse, sondern auch der tatsächliche Bedarf besteht.

(Beifall bei der FDP)

Es ist deshalb notwendig, dieses Projekt nicht nur in der Halbzeitbewertung des schleswig-holsteinischen LEADER+ Programms aufzulisten. Vielmehr hat es dieses Projekt verdient, dass es Rückenwind vom gesamten Landtag bekommt. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir erreichen.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke Herrn Abgeordneten Garg. - Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Heike Franzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben und gegebenenfalls sogar noch etwas dazulernen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gott sei Dank!)

So hat der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion den schönen Kreis Schleswig-Flensburg bereist

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ärgert euch!)

und konnte lernen, welche vielfältigen Aktivitäten man dort an einem einzigen Tag kennen lernen kann und plötzlich interessiert sich die FDP für den Kreis und für die Belange in Schleswig-Flensburg.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir folgten einer Bitte der dortigen CDU! Mehr haben wir nicht getan!)

- Wunderbar. - So wird seit geraumer Zeit an dem Projekt eines barrierefreien paralympischen Tourismus-, Sport- und Freizeitzentrums gearbeitet, was die FDP nun unterstützen will.

Meine Damen und Herren, ich begleite die Entwicklung dieses Projektes in Kappeln jetzt seit gut einem Jahr

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber geräusch- los!)

und kann ihnen sagen, dass der Minister Austermann, der Ministerpräsident und in der letzten Woche auch der Chef der Staatskanzlei schon vor Herrn Kubicki in Kappeln gewesen sind

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, nicht vor mir!)

und ihre Unterstützung zugesagt und umgesetzt haben. Nun hat auch Herr Kubicki den Weg nach Kappeln gefunden. Ich kann nur sagen: Herzlich willkommen im Club!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist schon ein bisschen her!)

Der Antrag der FDP-Fraktion hat sich längst überholt

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was?)

und ich bin der Landesregierung außerordentlich dankbar, dass sie die von der Auflösung von Bundeswehrstandorten außerordentlich stark betroffene Region Kappeln nach Kräften unterstützen will.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie sind nur sauer, dass Sie den Antrag nicht gestellt haben!)

- Herr Garg, wir hatten es gar nicht nötig, den Antrag zu stellen. Denn das, was darin steht, passiert schon längst.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2003 waren 6,6 Millionen. Menschen in Deutschland von einer Behinderung betroffen; das entspricht rund 8% der Gesamtbevölkerung. Aus Studien allerdings wissen wir, dass 30 bis 35 % der Bevölkerung von einer Mobilitätsbeziehungsweise Aktivitätsbeschränkung betroffen sind und die sportlichen und touristischen Angebote für diese Menschen sind äußerst begrenzt und eine Kombination aus beiden Bereichen gibt es schon gar nicht.

Bei der Organisation gerade von Sportwettkämpfen für Athleten mit Behinderung ist die barrierefreie Unterbringung der Sportler die größte Herausforderung. Oftmals sind kilometerweite Anfahrten zu den Wettkampfstätten notwendig, weil sich in der unmittelbaren Nähe nicht genügend barrierefreie Unterkünfte befinden.

Die Anlage in Kappeln wäre einmalig in Europa und würde beste Rahmenbedingungen für sowohl nationale als auch internationale Wettkämpfe des Behindertenbreiten- und -spitzensports in fast allen Sportarten bieten. Schleswig-Holstein hat mit dem barrierefreien paralympischen Tourismus-, Sport

(Dr. Heiner Garg)

und Freizeitzentrum eine einmalige Chance, sich im Sport über die Landesgrenzen hinaus einen guten Namen zu machen.