Protocol of the Session on June 28, 2006

(Dr. Johann Wadephul)

fremdlich. Es wäre gut, wenn sich das Parlament von dieser Feierstimmung nicht mitreißen lässt, sondern selbst bewusst entscheidet, ob dieser Staatsvertrag gut für die Medienlandschaft unseres Landes ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Im Sommer 2005 hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, mit Hamburg über eine Fusion der Medienanstalten zu verhandeln. Die neue Anstalt soll bessere Chancen haben, einen medienpolitischen Gegenpart zu den Großen der Branche aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin-Brandenburg zu bilden. Das macht Sinn - ich sage das ausdrücklich -, weil Hamburg und Schleswig-Holstein schon lange ein Kommunikationsraum sind und gemeinsam Chancen besser entwickelt werden können. Als weitere Ziele hat der Landtag die Wahrung der Interessen des Landes Schleswig-Holstein, die speziellen Aktivitäten der ULR sowie der Belange der dänischen und friesischen Volksgruppe genannt.

(Lothar Hay [SPD]: Volksgruppen! Es sind schließlich zwei!)

Die Aufgaben, die die neue Anstalt zu bewältigen hat, sind immens. Wir befinden uns in einem Medienzeitalter, das man getrost als revolutionär bezeichnen kann. Als Stichworte seien hier nur die neue mediale Welt der Digitalisierung, die Anforderungen an die Vermittlung von Medienkompetenz, Medienpädagogik und Jugendschutz, die Folgen der Einführung des Handy-TV und anderer Endgeräte genannt. Wenn die neue Medienanstalt hier mitgestalten will, muss sie gut aufgestellt sein.

Ich will dazu einige Fragen stellen. Erstens. Ist die neue Anstalt so gut aufgestellt, dass sie mehr als ein Begleitinstrument im Konzert der großen Landesmedienanstalten spielen kann? Interessant ist hierzu die Stellungnahme der beiden Landesmedienanstalten zum Entwurf des Staatsvertrages. Dort heißt es: „Mit dem vorliegenden Aufgabenprofil werde die neue Anstalt nicht in der Lage sein, dem Standort Hamburg und Schleswig-Holstein mehr Gewicht zu geben. Dem Entwurf liege das Konzept einer Rumpfanstalt zugrunde, die hauptsächlich Zulassungen verwalte. Es gebe keinerlei Orientierung für eine aufgabenorientierte Finanzausstattung und werde der Digitalisierung und der Konvergenz der Medien nicht gerecht. Insgesamt werde die Chance eines Neuanfangs für eine zeitgemäße Regulierung elektronischer Medien vertan.“ - Eine Anmerkung, die Gewicht hat, weil sie immerhin von denjenigen

getragen wurde, die zukünftig in der neuen Anstalt Verantwortung haben sollen.

Zweitens. Ist die neue Medienanstalt finanziell ausreichend ausgestattet?

Der epd-medien, den wir alle regelmäßig lesen, schreibt am 10. Juni 2006 hierzu:

„Die Medienanstalt wird finanziell schlechter ausgestattet sein als die bisherige Landesmedienanstalt für Schleswig-Holstein. Nach Einschätzung von Experten wird die neue Anstalt Nord künftig über einen Etat von 2,5 Millionen € verfügen.“

An anderer Stelle ist die Zahl 2,8 Millionen € zu lesen.

„Die Medienanstalt wird danach über 18 % des Rundfunkgebührenanteils verfügen, der ursprünglich für die beiden Medienanstalten vorgesehen war. Beide Medienanstalten hätten demnach ein Zehntel des Etats, den zum Beispiel Bayern jährlich verfügbar hat.“

Ob, wenn dies zutrifft, so eine Stärkung zu erreichen ist, muss in der Ausschussberatung noch einmal kritisch hinterfragt werden.

Drittens. Was wird aus den Sockelbeträgen, die jedes Land für seine Anstalt erhielt? Hier besteht die Absicht, dies im nächsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu regeln. Statt dreimaliger Zahlung von zwei Sockelbeträgen sollen diese vier Jahre lang gezahlt werden. Danach wird jährlich um 25 % gekürzt, bis 2015 noch ein Sockelbetrag übrig bleibt. Im Ergebnis - wenn auch mit zeitlicher Verzögerung - werden etwa 520.000 € im Topf fehlen. Nicht vergessen werden darf, dass die Sockelbetragsregelung bisher nur virtuell ist. Sie muss erst beschlossen werden.

Viertens. Sind die schleswig-holsteinischen Interessen im neuen Vertrag ausreichend gewahrt, wie der Landtag es vorgegeben hat? Der zukünftige Standort der neuen Medienanstalt wird Norderstedt sein. Das liegt in Schleswig-Holstein - na ja! Norderstedt ist nun wirklich kein Medienstandort, es ist dagegen gelebtes und gefühltes Hamburg. Ich halte die Wahl für eine Mogelpackung. Wir hatten gehofft - das ist an anderer Stelle hier schon gesagt worden -, dass, wenn die Filmförderung nach Hamburg geht, der Standort der neuen Medienanstalt in Kiel bleibt oder nach Lübeck kommt.

(Beifall)

Fünftens. Sind die Besonderheiten der ULR im Staatsvertrag berücksichtigt? Der Offene Kanal wird zukünftig keine eigenständige Anstalt des öf

(Peter Eichstädt)

fentlichen Rechts sein. Das entsprechende Gesetz behandeln wir heute in erster Lesung ohne Aussprache. Ich halte das Gesetz selbst für eine gute Lösung, weil unser Offener Kanal sich deutlich anders entwickelt hat als zum Beispiel der Bürgerkanal TIDE in Hamburg. Es wäre zu befürchten gewesen, dass die beim Offenen Kanal entwickelte vielfältige Kompetenz ohne Ausgliederung verloren gegangen wäre.

Was wird aus dem Gütesiegel? Hierzu ist leider nichts Konkretes im Vertrag zu finden. Ich habe den Eindruck, dass man sich in der Schlussredaktion offensichtlich von diesem Punkt getrennt hat. Ich finde das bedauerlich.

In seiner Entschließung hat der Landtag eine Berücksichtigung der friesischen und dänischen Kultur und Sprache gefordert. Hiervon ist im Vertrag selbst für die neue Medienanstalt nichts erwähnt. Das ist auf den Offenen Kanal verlagert. Ob das ausreichend ist, müssen wir diskutieren.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Meine Damen und Herren, es bleiben Fragen offen. Es gibt durchaus positive Aspekte, die aber gegenüber nachteiligen abgewogen werden müssen. Ich betone: Ein Zusammenschluss der Anstalten wird von uns weiterhin grundsätzlich befürwortet.

Herr Eichstädt, ich möchte Sie auf die Zeit hinweisen.

Ich komme zu meinem letzten Satz, Frau Präsidentin. - Wenn sich in den Beratungen herausstellt, dass der Vertrag unter dem Strich positiv für die Medienpolitik in Schleswig-Holstein ist, sollten wir ihm zustimmen. Wenn er das nicht ist, sollte das Parlament auch den Mut haben, auf Nachbesserungen zu drängen. Einen Automatismus zur Zustimmung gibt es nur auf Sommerfesten, nicht im Parlament.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Martin Kayen- burg [CDU])

Ich danke Herrn Abgeordneten Eichstädt. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Fraktionsvorsitzende Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich meiner Verärgerung über diesen Vertrag Ausdruck verleihe, möchte ich zunächst einmal als Befürworter des Nordstaates sagen, dass ich grundsätzlich für die Zusammenführung der beiden Landesmedienanstalten bin, das ist keine Frage. Aber was hier vereinbart worden ist, nämlich die Übergabe der Medienförderung zu 90 % an Hamburg, ist inakzeptabel. Unser GuteLaune-Bär hat sich wieder einmal vom Schlitzohr Ole über den Tisch ziehen lassen.

(Zurufe)

Schritt für Schritt gibt Schleswig-Holstein Einfluss an Hamburg ab, ohne etwas dafür zu bekommen. Schon im Metropolregionsvertrag hat SchleswigHolstein wesentlichen Einfluss auf die Kommunalpolitik, Wirtschaftspolitik und Umweltpolitik im Hamburger Umland abgegeben.

(Zurufe)

Umgekehrt hat Hamburg die Zusammenlegung der Oberlandesgerichte hammerhart blockiert, ebenso wie die Zusammenarbeit der Universitäten. Die Abgabe einer Theologischen Fakultät nach Kiel kam natürlich nicht infrage. Ähnliches gilt für die Polizeiakademie. Hamburg baut jetzt eine eigene, weil es für Hamburg natürlich nicht geht, dass man nach Schleswig-Holstein zieht. Deswegen wiederhole ich meine Forderung: Wir können nicht peu à peu in Einzelverträgen mit Hamburg schleswig-holsteinische Interessen verhandeln. Wir müssen einen Masterplan haben, ein Gesamtkonzept, um das Zusammengehen mit Hamburg insgesamt zu verhandeln, und es muss jeweils ein Geben und Nehmen bestehen, es darf nicht nur ein einseitiges Geben sein.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch der Inhalt des Vertrages ist inakzeptabel. Dieser Vertrag gibt qualitative Kriterien für Medienpolitik weitgehend auf. Die Verpflichtung der Medienanstalt, die Meinungsvielfalt zu wahren, fällt weg.

Die Vergabe von Sendefrequenzen erfolgt in Zukunft überwiegend nach finanziellen Gesichtspunkten, nicht aber nach Kriterien wie Qualität und Meinungsvielfalt. Eine Kündigung von Sendern ist kaum noch möglich, dafür aber der vollständige Verkauf eines Senders an Dritte im Verlauf von drei Jahren ohne Einzug der Sendeerlaubnis.

(Peter Eichstädt)

Aber auch die qualitativen Aufgaben der bisherigen Medienanstalten wie Medienforschung und Filmförderung sind zumindest als Aufgaben der Medienanstalt aus dem Aufgabenkatalog gestrichen. Sie tauchen nur noch im Kapitel Geldtransfer in den sonstigen, durch den NDR zu finanzierenden, Aufgaben auf.

Schon fast christlich-fundamentalistisch ist die Abkehr von der Gleichheit aller Religionen in diesem Staatsvertrag, der aus dem Hamburger Vorbild abgeschrieben ist. Der neue Vertrag privilegiert die evangelische, katholische und jüdische Konfession gegenüber den Freikirchen und sonstigen Religionen wie Islam und Buddhismus.

Auch das Recht der Landes- und Bundesregierung auf jederzeitige unverzügliche, kostenlose amtliche Verlautbarungen in allen Sendern mutet in einem modernen Mediengesetz seltsam an. In SchleswigHolstein gab es das bisher nur zum Zwecke der Abwendung einer akuten Gefahr. Herr Kubicki, was das mit Deregulierung zu tun hat, kann ich nicht begreifen.

Dass die Quotierung im Medienrat aufgegeben worden ist, das braucht man bei dieser schwarzen Landesregierung, wo die letzten roten Tupfer langsam verblassen, wohl gar nicht zu erwähnen.

Last but not least: Auch der Standort ist ein Witz. Mein Kollege von der SPD hat Treffendes dazu gesagt. Der Spruch des Ministerpräsidenten, das sei verkehrsgünstig, klingt den Beschäftigten in Kiel wie Hohn in den Ohren.

Mein Fazit: Dieser Gesetzentwurf verabschiedet sich völlig von der einstmals engagierten schleswig-holsteinischen Medienpolitik, wie sie in unserem damaligen rot-grünen Landesrundfunkgesetz manifestiert war. Er übernimmt weitgehend das Hamburger Mediengesetz, das 2003 - damals unter Federführung des „Hasardeur-Senators“ Schill - als ideologischer Pflock gegen heftigen Widerstand verabschiedet worden ist. Für diese Landesregierung ist Rundfunk nur noch eine Ware wie jede andere. Nicht einmal die elementaren Gesetze einer effektiven Monopolkontrolle sind eingebaut. Berlusconi lässt grüßen!

Meine Fraktion fordert die Neuaushandlung des Gesetzes mit Hamburg unter Beteiligung namhafter Medienexperten. Das Gesetz ist nicht das Papier wert, auf das es geschrieben wurde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hentschel. Das Wort für den SSW im Landtag hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorgelegte Medienstaatsvertrag ist der faktische Abschied von einer lebendigen Medienlandschaft in unserem Land. Zwei Anstalten werden fusioniert. Vorher wird aber die ULR erst einmal in der Mitte durchgeteilt, indem ihr die Kompetenz für den Offenen Kanal abgenommen wird. Insgesamt gilt: Die neue Medienanstalt wird Kompetenzen aus Schleswig-Holstein abziehen, Kompetenzen abgeben und Unabhängigkeit verlieren.

Nicht hinnehmbar ist schließlich, dass sich die beiden Landesregierungen wesentliche Möglichkeiten des Einflusses auf die Arbeit der neuen Medienanstalt sichern. So können sie mit unbegrenzter Mitarbeiterzahl an den Sitzungen des Medienrates teilnehmen und müssen dort jederzeit gehört werden.

Auch inhaltlich ist der Vertrag höchst problematisch; soll heißen, dass die Digitalisierung der Medien andere Hör- und Sehgewohnheiten nach sich ziehen wird. Die Bundeskanzlerin hat bereits, so habe ich gehört, darauf reagiert, indem sie regelmäßig ihren eigenen Video-Podcast anbietet.

Das Land Schleswig-Holstein aber verabschiedet sich aus dieser Entwicklung, indem es sich mutwillig zum Wurmfortsatz einer Hamburger Medienpolitik machen lässt.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)