Wir verfügen in Schleswig-Holstein über ein Wahlsystem, das sich bewährt hat und von der Bevölkerung akzeptiert wird.
Der Gesetzentwurf der Grünen sieht einen vollständigen Verzicht auf eine Sperrklausel vor. Dieser Verzicht wird damit begründet, dass die Handlungsfähigkeit der Verwaltung schon durch die Direktwahl der hauptamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie der Landrätinnen und Landräte gewährleistet sei. Dieses ist aus meiner Sicht eine deutliche Vereinfachung in der Sache und lässt auf ein recht eigenartiges Demokratieverständnis schließen, welches ich gerade von den Grünen nicht erwartet hätte.
Für eine erfolgreiche Kommunalpolitik ist doch wohl die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung als demokratisch legitimierter Vertretungskörperschaft, die die Ziele der Verwaltung bestimmt, mindestens ebenso wichtig wie die Sicherstellung der bloßen Verwaltungsabwicklung.
Zur Begründung wird auch ein Vergleich mit anderen Bundesländern herangezogen, die auf eine Sperrklausel verzichtet haben. Doch der bloße Verweis auf das, was andere tun, ist noch lange kein Argument dafür, dass das, was die anderen tun, auch für Schleswig-Holstein verbindlich sein sollte.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Falle PDS contra Landtag Schleswig-Holstein vom 11. März 2003 sagt dazu - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidiums:
ob die Sperrklausel aufrechtzuerhalten sei, ist grundsätzlich nicht von Bedeutung, wie andere Länder die Funktionsfähigkeit ihrer Kommunalvertretungen beurteilen und welche rechtlichen Vorkehrungen sie diesbezüg
lich für erforderlich halten. Der Antragsgegner ist nicht schon deshalb verpflichtet, die Einführung einer Sperrklausel zu unterlassen oder diese aufzuheben, weil andere Länder ohne sie auskommen; bei der Beurteilung der Sperrklausel sind die Verhältnisse im Lande Schleswig-Holstein maßgebend.“
Ein Verweis auf andere Bundesländer dient jedoch dem vorliegenden Gesetzentwurf ebenfalls zur Begründung für eine gänzliche Neustrukturierung des Wahlrechtes. Damit soll die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens einer Vielzahl von Stimmen auf Wahllisten eingeführt werden. Ich räume ein, dass es in Deutschland Regionen gibt, die mit diesem Verfahren durchaus gute Erfahrungen gemacht haben und in denen diese Form der Wahl Tradition hat. Eine solche Tradition gibt es in Schleswig-Holstein und in Norddeutschland nicht.
Vielmehr gibt es eher eine Tradition, die besonderen Wert auf die regionale Verankerung und daher auf die Direktwahl von Kandidaten in den Wahlkreisen legt. Ich denke, dass beide Systeme sich als erfolgreich erwiesen haben, allerdings in dem jeweiligen Umfeld. Für meine Fraktion jedenfalls drängen sich nicht entscheidende Vorteile eines Wahlsystems auf, bei dem Wahlzettel die Handhabbarkeit eines patentgefalteten Stadtplans der Freien und Hansestadt Hamburg haben. Heerscharen von ehrenamtlichen Wahlhelfern sind über Tage mit der Auszählung der Stimmzettel beschäftigt. All dies geschieht vor dem Hintergrund, dass von der eingeräumten Möglichkeit, Stimmen unterschiedlich zu verteilen, eher zurückhaltend Gebrauch gemacht wird.
Hierfür muss auf das System der Wahlkreise und der Direktwahl der dortigen Vertreter verzichtet werden.
(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: In welchem Entwicklungsland haben Sie sich denn erkundigt?)
- Ich verweise hier auf Erfahrungen, die das Land Hessen bei Einführung des Kumulierens und Panaschierens im Wahljahr 2001 gemacht hat. Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern. Die Presse berichtete damals von geringerer Wahlbeteiligung aufgrund des komplizierten Wahlrechts sowie eines dreitägigen Auszählungszeitraums.
Bei einer so weitgehenden Änderung ist auch die Belastung nicht unerheblich, die hierdurch nicht nur
finanziell auf die Kommunen zukommt. Angesichts der finanziellen und organisatorischen Belastungen, die zurzeit aufgrund der laufenden Reformprozesse auf die Kommunen einwirken, müssen wir wohl auch ganz pragmatisch die Frage stellen, wie viele Reformen wir unseren Kommunen derzeit noch zumuten können.
Offen diskutiert werden kann über eine Veränderung des Mandatsverteilungssystems. Vor einer Beschlussfassung hierüber müssen allerdings die verschiedenen Modelle nochmals in ihren konkreten Auswirkungen dargestellt werden.
In den Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss zu diesem Gesetzentwurf können wir auf eine umfangreiche Vorarbeit in den vergangenen Legislaturperioden zurückgreifen und sollten dies auch tun, um zu einer zügigen Beschlussfassung über den vorliegenden Gesetzentwurf zu kommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Wahlrechtsänderungen bezwecken antragstellende Fraktionen regelmäßig eine Verschiebung der politischen Mehrheitsverhältnisse zu ihren Gunsten.
- Zu Ihren Gunsten, Herr Kollege Hentschel - jedenfalls hoffen Sie das -, machen Sie drei Vorschläge, die das Kommunalwahlrecht betreffen: erstens Abschaffung der Fünfprozenthürde, zweitens Einführung des Kumulierens und Panaschierens bei der Stimmabgabe und drittens Stimmenauszählung nicht mehr nach d’Hondt und auch nicht nach Hare/ Niemeyer, sondern nach - der Kollege Hentschel hat mir gestern die Aussprache noch einmal vorgemacht - nach einer noch neueren Methode namens Sainte-Laguë/Schepers. Alle drei Vorschläge zielen darauf ab, kleinere Parteien zu begünstigen. Ohne den Beratungen im Fachausschuss vorgreifen zu wollen, glaube ich allerdings schon heute erklären zu dürfen, dass die größeren Parteien kaum übermäßig geneigt sein werden, sich durch Wahlrechtsmanipulation selbst zu beschneiden.
(Beifall bei SPD und CDU - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! - Lachen des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])
Wir halten die Fünfprozentklausel weiterhin nicht nur für geeignet, sondern für erforderlich, um die Handlungsfähigkeit der kommunalen Vertretungskörperschaften sicherzustellen,
um der Zersplitterung unserer Kommunalparlamente in allzu viele miteinander nicht koalitionsfähige Kleingruppen vorzubeugen, aber auch und nicht zuletzt, um möglichst auf Dauer unsere kommunale Demokratie vor undemokratischen linksoder rechtsextremistischen Splittertruppen zu schützen.
Ein grundlegendes Missverständnis des Systems unserer kommunalen Selbstverwaltung offenbaren die Grünen, wenn sie - Herr Kollege Wengler hat bereits darauf hingewiesen - zur weiteren Begründung für die Abschaffung der Fünfprozentklausel in ihr Antragspapier hineinschreiben - ich zitiere -:
„Durch die Einführung der Direktwahl der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie der Landrätinnen und Landräte in SchleswigHolstein ist die Handlungsfähigkeit der Verwaltung ohnehin auch dann sichergestellt, wenn es keine klaren Mehrheiten in den Gemeinde- und Stadtvertretungen oder Kreistagen gibt.“
Dass direkt gewählte Bürgermeister und Landräte bei unklaren Mehrheitsverhältnissen an die Stelle der gewählten Vertretungen treten und eigenmächtig Entscheidungen treffen, zu denen nur die Vertretungen befugt und berechtigt sind? - Ich versichere Ihnen, dass ein derart grün-autoritäres Grundverständnis von kommunaler Demokratie mit uns nicht in die Kommunalverfassung Einkehr halten wird.
Die von den Grünen für Gemeinde- und Kreiswahlen vorgeschlagene Einführung des Kumulierens und des Panaschierens und die Stimmenauszählmethode nach Sainte-Laguë/Schepers lehnen wir ab, weil dadurch das Wahlverfahren erheblich kom
plizierter würde - das ist so, Herr Kollege Hentschel; Sie haben dem widersprochen - und weil wir damit bei denen, von denen wir mit möglichst hoher Wahlbeteiligung gewählt werden wollen, mit Sicherheit nicht für zusätzliche Attraktivität sorgen würden.
Ich zitiere, was nach dem Willen der Grünen Gesetzestext werden soll und was so „verdammt unkompliziert und einfach“ ist. Nach dem Vorschlag der Grünen zur Stimmenabgabe lautet § 32 Abs. 3:
1. Die Wählerin bzw. der Wähler hat so viele Stimmen, wie Vertreterinnen und Vertreter zu wählen sind.