Die Industrie- und Handelskammer hat in der letzten Legislaturperiode dankenswerterweise anerkannt, dass Schleswig-Holstein die schnellsten Genehmigungsverfahren im ganzen Bundesgebiet hat. Die Genehmigung von technischen Anlagen und Betrieben erfolgt ja bekanntlich nicht im Wirtschaftsministerium, sondern in den Staatlichen Umweltämtern, die die technischen Kontrollen durchführen.
Diese Verfahren sind sehr gelobt worden, als die Wirtschaft neulich auf der Diskussion in Neumünster, wo Sie sich einmal alles hätten berichten las
sen und nicht nur in der Zeitung lesen können, interessanterweise ausführlich über Genehmigungsfragen diskutiert hat. Der Vertreter der Industrieund Handelskammer sagte, er befürchte, dass es jetzt wesentlich schlechter werde. Wenn man die Staatlichen Umweltämter auflöse und an die Kommunen gebe, befürchte man einen Qualitätsverlust. Und ein Qualitätsverlust bei den Genehmigungsverfahren bedeute in der Regel, dass die Beamten unsicher seien und alles viel länger dauere. Erstes Beispiel für Bürokratieabbau.
Zweites Beispiel für Bürokratieabbau: Der Umweltminister hat die Hälfte aller Erlasse aufgehoben. Jetzt erzähle ich Ihnen einmal eine Geschichte von der Konferenz des Umweltministeriums mit den Umweltbehörden der Kreise und Städte. Da wurde Folgendes erzählt: Es gibt zunehmend Unsicherheit bei den Beamten vor Ort, nach welchen Richtlinien sie Entscheidungen treffen sollen, weil die Erlasse ja alle aufgehoben worden sind. Empfohlen wurde den Leuten, am besten die alten Erlasse, die früher galten, aufzubewahren, die ja Rechtswirksamkeit besessen hätten. Wenn man sich danach richte, sei man ziemlich sicher, dass es rechtswirksam sei, weil das ja einmal Erlasse gewesen seien. Wenn man danach verfahre, hätte man hinterher keine Probleme. - Das als zweites Beispiel für Bürokratieabbau!
Über den Knickerlass brauchen wir nicht weiter zu reden - was dazu geführt hat, dass wir jetzt elf Knickerlasse auf Kreisebene haben.
Zur Verwaltungsstruktur hat sich mein Vorredner, Herr Garg, schon ausführlich ausgelassen. Die Verwaltungsstrukturreform ist mit einem ungeheuren Bürokratieabbau verbunden, wenn es die Landesregierung tatsächlich schafft, eine neue kommunale Verwaltungsebene aufzubauen. Hurra!
Ich würde mir wünschen, dass der Wirtschaftsminister dazu etwas sagt. Aber er schweigt. Der Erfolg hat natürlich immer viele Väter.
Einer der Erfolge der Wirtschaftspolitik der letzten Regierung war übrigens das Mittelstandsförderungsgesetz. Jetzt frage ich: Wer hat das Mittelstandsförderungsgesetz ins Parlament eingebracht? Erinnern sich noch manche? - Das war die CDU. Als es verabschiedet wurde, hat die CDU gesagt, das sei der größte Erfolg und sie habe mit der Macht der Wirtschaft hier im Lande ein Mittelstandsförderungsgesetz durchgesetzt und die Regie
Aber was lesen wir jetzt in der Zeitung? - Die CDU will Bürokratieabbau machen und will das Mittelstandsförderungsgesetz abschaffen. Na, prost Kuchen! Das ist die neue Wirtschaftspolitik.
Minister Austermann berichtet stolz über das reale Wirtschaftswachstum von 1,3 % im Jahr 2005. Welchen Minister wollte er damit loben?
Etwa den Vorgänger Herrn Rohwer? Die Frage ist nicht: Was wurde erreicht? Die Frage ist doch - und da erwarten wir vom Wirtschaftsminister eine Antwort -: Wie geht es weiter? Welche Vision, welche Konzepte, welche Strategien hat dieser Wirtschaftsminister, um die Wirtschaft dieses Landes weiterzuentwickeln?
Wie wir wissen, wurde der Faktor Arbeit in den letzten Jahren immer produktiver, während die Reallöhne sinken. Das ist Gift für die Binnennachfrage. Woher sollen die Wachstumsimpulse kommen?
Es gibt gerade in den unteren Einkommensschichten zu wenig Nachfragevolumen. Dazu kommt die ständige Angst, Arbeitsplätze zu verlieren. Die einkommensstarken Schichten verstärken ihre Sparquote und stürzen sich ebenfalls nicht in die Nachfrage.
Und was macht jetzt Ihre große Partner-Koalition in Berlin? - Sie erhöht die Mehrwertsteuer, und zwar ohne die Lohnnebenkosten zu senken. Es ist genau das Gegenteil von dem, was wir immer gesagt haben: Wenn die Mehrwertsteuer erhöht wird, dann muss sie im Verhältnis eins zu eins in die Senkung der Lohnnebenkosten eingehen.
Aber was macht diese Bundesregierung? - Sie macht genau das Gegenteil. Das ist eine Konsumbremse sondergleichen, die - wie immer - die Kleinverdiener, Rentner und Arbeitslose am meisten trifft. So haben wir uns das nicht vorgestellt.
Der Wirtschaftsminister verweist angesichts des schwachen privaten Konsums auf den hohen Ölpreis. Der Ölpreis wird weiter steigen; das wissen wir alle. Zu dem Knappheitspreis, den wir seit Jah
ren erleben, kommt die Mehrwertsteuer hinzu. Was ich nicht sehe, ist, dass die Landesregierung energisch eine Politik weg vom Öl betreibt. Gerade Schleswig-Holstein ist doch prädestiniert für eine zukunftsfähige Energiepolitik durch regenerative Energien. Wir haben in diesem Bereich sogar eine Spitzenstellung. Sonne, Wind, Biomasse, Geothermie, das sind alles Zukunftstechnologien, sind Zukunftsvisionen, die Schleswig-Holstein eine große Chance bieten. Wo ist die Vision des Wirtschaftsministers in diesem Bereich? - Fehlanzeige!
Die grüne Wirtschaftspolitik setzt auf einen Dreiklang: erstens Innovationen, zweitens Ökologie, drittens Marktwirtschaft.
Zukunftstechnologien müssen ressourcenund energiesparend sein. Sie können sicher sein: Keine Technologie, die nicht ressourcen- und energiesparend ist, wird in den nächsten 50 Jahren eine Chance haben, sich auf den Weltmarkt durchzusetzen. Nur Technologien, die es schaffen, der Knappheit der Rohstoffe und der Ressourcen zu entsprechen, werden in der Zukunft Erfolg haben. Wer nach China, Indien und so weiter guckt, weiß: Nur Technologien, die wenig Emissionen in die Umwelt bringen, die technisch und ökologisch sauber sind, werden in der Zukunft eine Chance haben. Das ist eine Strategie, für die Schleswig-Holstein gute Chancen hat. Aber dazu braucht man Strategien. Dazu muss etwas genannt werden.
Wir sind in einer Wissensgesellschaft. Wir wissen, dass Know-how, Bildung, Technologien eine immer größere Rolle spielen. In einem Industrieland und Hochpreisland wie Deutschland werden nur solche Technologien eine Chance haben, die dem entsprechen.
Ich habe seit Jahren dem früheren Wirtschaftsminister immer gesagt - meine Fraktionskollegen wissen das,
meine ehemaligen Koalitionspartner aus der SPD wissen das -: Wir haben schon seit langem zu viel Geld für Altes ausgegeben und zu wenig Geld für Neues. Wir geben zu viel Geld für Landwirtschaft, Straßenbau, Werftenhilfe, Regionalförderung, Kurpromenaden aus. Dahin gehen 95 % der gesamten Wirtschaftsförderung dieses Landes. Der Anteil der technologischen Innovationen liegt weit unter 5 %. Das ist eine falsche Schwerpunktsetzung. Sie muss Schritt für Schritt verändert werden. Ich frage: Wo bleibt die Strategie der Landesregierung? Wo bleibt ihre Vision?
Ich war erstaunt, dass die WTSH, die Wirtschaftsförderung Technologietransfer GmbH, überhaupt nur an drei Stellen dieses Berichts genannt wird: im Bereich der Außenwirtschaft, bei der Life-science und bei der Ansiedlungspolitik. Wo bleibt der hochwertige Technologietransfer, für den jahrelang die TTZ stand? Oder hat das Vergraulen des ehemaligen TTZ-Direktors Franz Gelbke nach Indonesien eine Lücke gerissen, die nicht mehr zu schließen ist?
Das Regionalprogramm 2000 läuft aus. Die EUStrukturfördermittel für die Periode 2007 bis 2013 werden vom Land in ein Zukunftsprogramm Schleswig-Holstein eingebracht. Nach dem arbeitsmarktpolitischen Programm wird es das Zukunftsprogramm Wirtschaft geben. Jetzt kommt es darauf an, dass wir neue Konstellationen für die künftige Einsetzung der Fördermittel haben. Wir müssen wissen, in welche Richtungen es geht und in welche Strukturen die Mittel eingebracht werden.
Meine Redezeit geht zu Ende. Daher fasse ich jetzt zusammen. Ich hätte Ihnen aber noch einige Geschichten erzählen können.
Sie schwelgen im Wachstum von 1,3 %. Selbst wenn das Ihr Erfolg wäre, fragt sich doch: Wie soll es in Zukunft weitergehen? Was sind Ihre Konzepte für die Wissensgesellschaft? Was sind Ihre Konzepte für die Technologieförderung? Was sind Ihre Konzepte für bessere Qualifikation? Und was sind Ihre Konzepte, um Schleswig-Holstein attraktiv für junge, kreative Leute zu machen, damit sie hierher kommen und kleine Betriebe gründen? Ich glaube, das sind die entscheidenden Fragen, um die wir uns in den nächsten Jahren kümmern müssen. Wir müssen Konzepte entwickeln und hier im Landtag darüber diskutieren. Darüber werden wir auch reden, wenn wir den Bericht im Wirtschaftsausschuss weiter behandeln werden. Bisher habe ich zu keiner dieser Fragen etwas Überzeugendes gehört.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich erst einmal bei den Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums für den aus
führlichen und informativen Bericht bedanken, der trotz sicherlich unterschiedlicher Bewertung eine gute Grundlage für die heutige Debatte ist.
Wir diskutieren heute den Wirtschaftsbericht 2006 der Landesregierung vor dem Hintergrund einer anziehenden Konjunktur in Deutschland, die auch in Schleswig-Holstein zu positiven Akzenten führen kann. Darüber sollten wir uns erst einmal alle gemeinsam freuen, weil uns die Probleme einer stagnierenden Wirtschaft und des damit zusammenhängenden starken Anstiegs der Arbeitslosigkeit hier im Lande schwer zu schaffen macht.
Für 2006 prognostizieren die verschiedenen Wirtschaftsinstitute ein Wachstum in Deutschland von 1,6 bis 2,0 %. Es sieht also so aus, als sei die Talsohle der vergangenen Jahre erst einmal überwunden. Dass Schleswig-Holstein wie im Jahr 2005 wieder überproportional von diesem Anstieg profitiert, dafür sieht es in unserem Land in diesem Jahr gut aus. Denn im Jahr 2005 lag das reale Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein mit 1,3 % über dem Bundesdurchschnitt. Wir erzielten damit das dritthöchste Wachstum aller Bundesländer.
Unter dem Motto „Aufbruch im Norden“ wird die Landesregierung, besonders der Wirtschaftsminister, diesen wirtschaftlichen Aufschwung im Bericht für sich allein verbuchen. Man muss aber klar sagen, dass die Grundlage für diesen beginnenden Aufschwung auch schon unter der rot-grünen Regierung in Kiel und in Berlin gelegt wurde. Denn für das Wachstum im Jahr 2005 kann nicht nur die neue Landesregierung verantwortlich sein, die erst seit Mai 2005 in Amt und Würden ist. Das hat der Wirtschaftsminister dankenswerterweise eben schon zugegeben.
Wie schon in der Vergangenheit hat die bisherige Wirtschaftsbelebung leider nicht zu einer entscheidenden Trendwende am Arbeitsmarkt geführt. 2005 waren in Schleswig-Holstein im Jahresdurchschnitt immer noch 161.000 Menschen zu viel arbeitslos. Das waren 11,6 % der Bevölkerung.
Daran werden auch die guten wirtschaftlichen Aussichten für dieses Frühjahr nichts Entscheidendes ändern können. Wir brauchen noch ein viel höheres Wachstum, um die Arbeitslosigkeit massiv abbauen zu können. Auch wenn durch das regionale Bündnis für Ausbildung die Ausbildungssituation in Schleswig-Holstein besser ist als im Bundesdurchschnitt, so muss die Landesregierung doch gerade im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit ihre Anstrengungen in Zukunft noch vergrößern. Ziel muss es sein, dass alle Jugendlichen der geburtenstarken