„Der Einsatz von Technik anstelle von Personal ist vielfach günstiger - in Zeiten knapper Mittel der öffentlichen Hand eine Möglichkeit, trotzdem das Sicherheitsniveau zu erhöhen oder Personal anderswo einsetzen zu können.“
Das kommt natürlich ein bisschen Wolfgang Kubickis Argumentation vom „Abbau von Freiheitsrechten zugunsten von Personalkapazität“ wohl unabsichtlich entgegen und ist aus dem Punkt „Kosten und Verwaltungsaufwand“ der Gesetzesbegründung der Beschlussvorlage auch nicht ersichtlich. Daher soll hier noch einmal deutlich gemacht werden, dass durch das Gesetz kein Personalabbau erfolgt und dass die Einschränkung von Freiheitsrechten der Abwehr von Gefahren und nicht der Haushaltsentlastung dient.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Menschenbild - der angebliche Paradigmenwechsel ist eingangs immer wieder kritisiert worden - ist weder das eines isolierten souveränen Individuums noch das Bild des englischen Philosophen Thomas Hobbes, dass der Mensch des Menschen Wolf sei und vor diesem geschützt werden müsse. Wir sehen eher die Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Menschen. Daher ist es für uns vertretbar und im Einzellfall auch geboten, unter strenger Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Rechte auch solcher Personen einschränken zu können, die nicht Störer im Sinne des Polizeirechts sind, um die Rechte anderer zu schützen und zu verteidigen. Das ist übrigens im Gefahrenabwehrrecht nichts Neues; seit einigen Jahren gibt § 220 des Landesverwaltungsgesetzes dafür die Grundlage.
Der Staat hat natürlich eine Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgern, bei deren Ausübung der Grundrechtsschutz des Opfers von Straftaten eben höher zu bewerten ist als der Schutz der Rechte des Täters. Dieser hat es schließlich selbst in der Hand, ob er das Ziel polizeilicher Maßnahmen wird oder nicht. Es zwingt ihn ja niemand dazu.
Doch nun der Reihe nach zu einigen konkreten Punkten des Gesetzentwurfs! Schleierfahndung: Schon heute gibt es - seit 1998 einvernehmlich mit dem Datenschutz abgestimmt - lagebildabhängig Anhalte- und Sichtkontrollen. Im Wesentlichen wird nun die Polizeipraxis auf gesetzlicher Grundlage festgeschrieben. Eine neue Qualität bringt lediglich die Inaugenscheinnahme insbesondere von Kofferräumen und Ladeflächen von Fahrzeugen.
Aber auch die neue Formulierung erlaubt keine willkürlichen Durchsuchungen, wie es manchmal unterstellt wird, sondern bedeutet mehr Rechtssicherheit für Bürger und Polizei.
Videoüberwachung: Die Neuformulierung im Gesetz senkt tatsächlich die Schwelle zum Einsatz dieser Technik, das stimmt. Anders als bisher soll künftig nicht mehr im Einzelfall dafür sprechen, dass Straftaten begangen werden, sondern es wird auf das gefährdete Rechtsgut abgestellt. Schon bei der erstmaligen Gefährdung von Leben, Gesundheit oder Freiheit darf dann eine Videoaufzeichnung erfolgen. Aber erst eine wiederholte Schädigung von Eigentum und sonstigen Rechtsgütern kann dann zur Videokontrolle führen. Also der Schutz der Menschen vor Straftaten wird verbessert. Beim Schutz von Fahrrädern, Hauswänden und Ähnlichem ändert sich im Prinzip so gut wie nichts.
Die Video- und Tonaufzeichnung zur Eigensicherung von Polizeibeamten ist ja eigentlich unstrittig und das ist gut so. Denn es macht an dieser Stelle auch einen Teil der Anerkennung von Polizeiarbeit aus, etwas für die Sicherheit der Sicherheitsbeamten zu tun.
KFZ-Kennzeichen-Scanning: Das automatische KFZ-Kennzeichen-Lesesystem ist tatsächlich eine Idee der CDU aus dem Koalitionsvertrag und trotz, vielleicht auch gerade wegen der Regelung im SPD-FDP-regierten Rheinland-Pfalz. Die nun vorgeschlagene Regelung ist tatsächlich ein Eingriff wenn auch nur ein minimaler - in das informationelle Selbstbestimmungsrecht unbeteiligter Personen. Jedoch werden deren Daten unverzüglich wieder gelöscht - ein Vorgang, den wir von den LKWMautstationen kennen. Das Ganze soll auch nicht anlasslos, wie vom ULD befürchtet, sondern bei konkreten Fahndungen zum Abgleich mit dem Fahndungsbestand genutzt werden. Gut ist auch, dass dieser Versuch eben nur ein Versuch ist, der auf zwei Jahre befristet ist und automatisch wieder außer Kraft tritt. Erst dann wird letztlich eine Bewertung der Maßnahme erfolgen können.
Wohnraumüberwachung: Die Änderung der Befugnis zur Wohnraumüberwachung setzt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur strafprozessualen Wohnraumüberwachung um. Die Angleichung der Verfahrensvoraussetzungen an die Regelungen im Strafverfahrensrecht, die Stärkung der Rolle des anordnenden Richters, das Verbot der Ausspähung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, das grundsätzliche Verbot der Überwachung von Berufsgeheimnisträgern und die Einschaltung der Gerichte bei der nachträglichen Benachrichtigung des Überwachten sind nur zu begrü
ßen. Den strittigen Begriff der „Gesundheit“, der Eingang ins Gesetz gefunden hat, statt die bisherige Formulierung „Leib und Leben“ können wir im weiteren Verfahren klären. Das ULD hat dazu schon Stellung bezogen. Dass dadurch eine Entwertung des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung erfolgt, wie es das ULD im neuesten Jahresbericht angibt, kann ich nicht nachvollziehen.
Telekommunikationsüberwachung: Ebenso umgesetzt werden im Bereich der Telekommunikationsüberwachung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die denen in Bezug auf die Wohnraumüberwachung weitgehend entsprechen. Künftig soll es für die Polizei auch zur Abwehr von Gefahren möglich sein, den Telefon-, SMS- und EMail-Verkehr zu überwachen. Gegen einen Missbrauch dieser Möglichkeiten wird uns weiterhin unser parlamentarisches Kontrollverfahren schützen.
Weitere Punkte werden wir trotz der einen Minute mehr, die ich habe, wahrscheinlich besser im Ausschuss erörtern können.
Festhalten möchte ich abschließend: Der Innenminister ist ein Mann mit Ecken und Kanten; er hat einen Gesetzentwurf mit Ecken und Kanten vorgelegt. Einige dieser Kanten sind im ersten Anhörungsverfahren gerundet worden. Das Gesetz ist damit vor allen Dingen näher an die praktische Aufgabenerfüllung durch die Polizeivollzugsbeamten herangerückt, als es im allerersten Entwurf der Fall war. Das ist wichtig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Polizei müssen für ihre verantwortungsvolle und gefährliche Arbeit und auch zu ihrem eigenen Schutz vernünftige rechtliche und technische Handlungsmöglichkeiten gegeben werden. Die Polizei ist damit bislang sehr gut umgegangen und genießt ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Aber die Kriminalität des 21. Jahrhunderts lässt sich natürlich nicht wirkungsvoll und rechtssicher mit Gesetzen und Maßnahmen aus dem 20. Jahrhundert bekämpfen. Das müssen wir leider feststellen. Mit dem Gesetz werden keine verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten, sondern der Verfassungsrahmen wird in konkrete Eingriffsbefugnisse umgesetzt. Das Land hat eine Garantiefunktion für die Sicherheit und Freiheit seiner Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen. Geringfügige Eingriffe in die persönlichen Datenschutzrechte sind hinzunehmen, wenn dadurch mit Augenmaß die Bedrohung durch Straftaten gemindert werden kann. Das schafft noch lange keinen Überwachungsstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen, und auf jeden Fall werden wir wohl eine spannende Ausschussberatung haben.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Thomas Rother und erteile das Wort dem Herrn Oppositionsführer Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem hier heute vorgelegten Gesetzentwurf geht es um mehr als die reine Verschärfung des schleswig-holsteinischen Polizeirechts. Es geht - der Kollege Rother hat darauf schon Bezug genommen um einen Paradigmenwechsel in der schleswig-holsteinischen Innenpolitik, es geht nach meiner Auffassung auch um den Verlust der sozialdemokratisch geprägten liberalen Innen- und Rechtspolitik, die wir als Liberale in diesem Haus immer unterstützt haben. Ich will außerdem sagen, mir klingt immer noch ein Zitat der ersten Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Frau Jutta Limbach, eine gestandene Sozialdemokratin, von einer Veranstaltung nach den Anschlägen des 11. September 2001 auf einer Tagung des Deutschen Anwaltvereins im Ohr, welches da lautet:
„Auch in einer stabilen Demokratie bedarf es treuer Wächter, die der Politik Paroli bieten, wenn diese in Zeiten der Krise versucht ist, den liberalen Rechtsstaat in seinem Kernbereich einzuengen.“
Ich empfehle auch den Sozialdemokraten, vielleicht noch einmal die Rede von Jutta Limbach anlässlich des deutschen Anwaltstages nachzulesen.
Wenn die SPD-Fraktion dem Gesetzespaket, das hier und heute von der Landesregierung vorgelegt worden ist, zustimmt, dann hat sie diese Wächterfunktion aufgegeben. Sie dokumentiert, dass auf sie in Fragen des freiheitlichen Rechtsstaates kein Verlass mehr ist.
Dabei lassen Sie mich zunächst etwas grundsätzlicher zu diesem Gesetz und dem Verhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit Stellung nehmen, Herr Innenminister. Ich habe in Strande bereits gesagt: „Nicht alles, was wir nicht teilen, ist auch verfassungswidrig.“ Es gibt aber in dem von Ihnen vorgelegten Paket zwei Paragraphen, die wir für verfassungswidrig halten, nämlich die jetzige Formulierung der §§ 185 und 185 a LVwG. Aber vielleicht kommen wir darauf noch einmal zurück. Das andere, das Sie vorschlagen, ist aus unserer Sicht nicht verfassungswidrig, nur aus meiner Sicht äußerst bedenklich.
Die Innere Sicherheit und der Schutz vor Terrorismus und Kriminalität sind wichtige Ziele. Sie stehen aber in einem klassischen Spannungsverhältnis zur Rechtsstaatlichkeit liberaler, klassischer Prägung. Damit sind vornehmlich die Freiheitsrechte des Beschuldigten wie das Gebot des fairen Verfahrens, die Unschuldsvermutung, das strenge Beweisrecht, aber auch der Respekt der Intim- und Privatsphäre gemeint.
Herr Kollege Lehnert, wenn es immer so einfach wäre, dass wir bereits am Anfang eines Verfahrens wissen, wer Täter ist. Dann bräuchten wir die Justiz nicht mehr, dann würde die polizeiliche Verfolgung ausreichen. Wer Täter ist, wissen wir immer erst am Ende eines Verfahrens und nicht an dessen Beginn.
Diese rechtsstaatlichen Garantien schützen den in Verdacht geratenen. Nur darum geht es. Sie leuchten Konservativen leider weniger ein, als das Bedürfnis nach schlagkräftigen und frühzeitigen staatlichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Stellen Sie sich einmal vor, Herr Lehnert, Sie werden mit einer unzulässigen Anzeige wegen sexueller Nötigung von Kindern überzogen und geraten in Verdacht, und man würde versuchen, auf dieser Grundlage Ihr gesamtes Umfeld in den Griff zu bekommen. Sie würden doch sofort sagen: Ich möchte meine Rechte gern wahrnehmen und verhindern, dass durch diese Maßnahmen der staatlichen Verfolgung ein solcher Schaden angerichtet wird, der nicht wieder gutzumachen ist. Ich kann Ihnen einige andere Beispiele aus meiner Verteidigerpraxis nennen, wo anschließend das persönliche Lebensumfeld des davon Betroffenen nicht mehr in den Griff zu bekommen war, allein aufgrund von Verfolgungen.
Immer wieder hört man im Rahmen dieser Diskussion Sätze gedanklich eher schlichten Ursprungs wie: „Der rechtschaffene Bürger braucht staatliche Interventionsmaßnahmen nicht zu fürchten“, oder die Schranken der rechtsstaatlichen Strafrechtspflege werden als formale Spitzfindigkeit gering geschätzt, die lediglich dazu geeignet ist, den prompten Zugriff des Staates auf die Straftäter zu behindern. Dem ist nicht so. Die rechtsstaatlichen Garantien verfolgen Zweierlei: Erstens den Schuldigen zu bestrafen und zweitens - und das ist wichtig in einer freiheitlichen Demokratie -, den Unschuldigen oder unschuldig in Verdacht geratenen gegen willkürliche oder ungerechtfertigte Maßnahmen staatlicher Gewalt zu schützen.
In den Bereichen der Sicherheitsgesetzgebung ist schon seit Jahren ein Paradigmenwechsel zu beobachten. So wurde erst vor kurzem das Luftsicherheitsgesetz vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Seit kurzer Zeit gibt es die neuen biometrischen Ausweispapiere. Flugzeugpassagierdaten werden an ausländische Geheimdienste weiter gegeben.
Herr Minister, ich kann Ihnen einen Fall berichten von einer Journalistin, der die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigert wurde mit dem Hinweis darauf, sie sei in einem Datensatz der deutschen Polizeibehörden enthalten, wovon sie gar nichts wusste und worauf sie keine Antwort geben konnte. Die schlichte Erklärung deutscher Behörden, wie man dem entgehen könne, lautete: Reisen Sie doch über Kanada ein. - Das kann doch nicht der Sinn dieser Veranstaltung sein.
Auf europäischer Ebene haben wir jetzt eine Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikationsverbindungen, die mit den deutschen Grundrechten nicht in Einklang steht, und ein Land, in dem die FDP Regierungsbeteiligung hat - das sage ich ausdrücklich, habe ich früher schon gesagt -, ist bereits mit einem Versuch zur Einführung der präventiven Telefonüberwachung am Bundesverfassungsgericht gescheitert. Meine sehr verehrten Kollegen haben sich da nicht mit Ruhm bekleckert.
Mir sind seit dem Auslaufen der Kronzeugenregelung keine Beispiele bekannt, wo ein sicherheitsrelevantes Gesetz wieder abgeschafft worden ist. Wir haben festgestellt, Rasterfahndung brachte nichts, trotzdem haben wir es verlängert. So wird es auch mit dem Modellversuch mit dem KFZ-Scanning sein. Es bringt zwar nichts, wir verlängern es aber trotzdem, weil die Zurücknahme irgendwie nicht gerechtfertigt werden könnte.
Es entsteht also ein Gesamtbild mit immer mehr Sicherheitsgesetzen, immer mehr staatlichen Befugnissen und immer mehr Kontrolle, ohne dass die kontrollierte Person einen Anlass für ein Fehlverhalten gegeben hat.
Wir sollten aus diesem sich darbietenden Gesamtbild etwas lernen. Bisher hat Schleswig-Holstein in weiten Bereichen widerstanden und ist nicht dem Ruf der Hardliner gefolgt. Dies ist auch ein Verdienst - das sage ich ausdrücklich - sozialdemokratisch geführter Regierungen, und dies erkennen wir ausdrücklich an. Dies scheint nun aber vorbei zu sein. Zwar hat der Innenminister recht, wenn er feststellt, dass durch den heutigen Gesetzentwurf nicht der volle Wunschzettel der CDU verwirklicht worden ist. Wo kämen wir da auch hin! Die CDU
Was genau hat die Landesregierung vor? - Es geht, wie gesagt, um Gefahrenabwehr und nicht um Strafverfolgung. Es sollen im neuen Polizeirecht die Videoüberwachung im öffentlichen Raum ausgeweitet werden, KFZ-Kennzeichenüberwachung KFZ-Scanning - eingeführt werden, die präventive Telekommunikationsüberwachung eingeführt werden, die Erweiterung der Schleierfahndung und die Identitätsfeststellung verankert werden und die Aufhebung der Zweckbindung von Steuerdaten beschlossen werden. Dabei muss man dem Innenminister zugute halten, dass er zumindest den ursprünglich geplanten verdeckten Lauschangriff auf öffentlichen Plätzen nicht mehr verfolgt und auch die Voraussetzungen für den verdeckten Einsatz der Videoüberwachung enger gefasst sind.
Der aus unserer Sicht wesentliche Knackpunkt eines an sich schlechten Gesetzes ist die neue präventive Telefonüberwachung. Künftig soll die präventive Überwachung der Telekommunikation in den Fällen möglich sein, in denen Tatsachen dafür sprechen, dass ein Schaden für Leben und Gesundheit - ein neuer Begriff im Polizeirecht - zu erwarten ist und die Aufklärung des Sachverhaltes zum Zweck der Verhütung des Schadens auf andere Weise nicht möglich ist. Die Formulierung, dass „Tatsachen dafür sprechen“ lässt dem Anwender einen breiten Rechtsraum, denn sie knüpft nicht an den klassischen Gefahrenbegriff an, sondern bewegt sich im Gefahrenvorfeld. Das heißt, es muss nicht mehr eine Gefahr unmittelbar drohen, sondern es muss nur noch möglich sein, dass es zu einer Gefährdungssituation kommen könnte.
Für den Bereich des Gefahrenvorfeldes hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27. Juli 2005 klare Vorgaben aufgestellt. Für diesen Bereich verlangt das Bundesverfassungsgericht, dass
„die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben sind, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist.“
Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist.
Genauso wie bei der verfassungswidrigen niedersächsischen Regelung sieht der Gesetzentwurf weder bezüglich der möglichen Anhaltspunkte und des Grades der Wahrscheinlichkeit des Kausalverlaufes noch in zeitlicher Hinsicht irgendeine Beschränkung vor. Dem Gesetz fehlen die vom Verfassungsgericht geforderten eingriffsbeschränkenden Maßnahmen. Möglich ist der Eingriff bereits, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass ein Schaden für die Gesundheit drohen könnte.
- Das ist nicht schlicht falsch, Herr Kollege Dr. Wadephul. Vielleicht lesen Sie einmal, was dazu bereits an Stellungnahmen vorliegt. Tatbestandlich wäre ein Schaden für die Gesundheit, der drohen könnte, bereits eine Ohrfeige oder ein abgeschnittenes Haar. Es gibt eine sehr niedrige Eingriffsschwelle. Wenn Sie das nicht wollen, Herr Kollege Dr. Wadephul, dann müssen Sie das im Gesetz verankern und das nicht einfach der Praxis überlassen.
Wir halten diese Vorschrift für verfassungsrechtlich bedenklich, für verfassungswidrig. Wir werden das im Ausschuss noch näher erläutern.
Es muss einem Innenminister und den regierungstragenden Parteien auch zu denken geben, wenn gerade diejenigen, die von diesem Gesetz angeblich profitieren sollen, so weite Eingriffsbefugnisse gar nicht haben wollen. So gehen der Gewerkschaft der Polizei die Möglichkeiten zur Kontrolle der Bevölkerung bei der Videoüberwachung und dem KFZScanning deutlich zu weit.
„Wie erwähnt, handelt es ich bei dieser polizeilichen Tätigkeit um einen gleichzeitig einhergehenden Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung vieler unbeteiligter Verkehrsteilnehmer. Gerade im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss ein solcher Eingriff tatsächlich auch den gleichzeitigen Anspruch auf Sicherheit der Bürger rechtfertigen. Dies ist keinesfalls bei Bagatelldelikten oder Straftaten geringerer Bedeutung gegeben. … Eine so genannte ‚Schleppnetzfahndung’ mit geringer Eingriffsschwelle wird die Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel aufwerfen, in der sich der Staat, insbesondere Justiz und Polizei, gegenüber Bürgern zu rechtfertigen haben.“