Protocol of the Session on March 22, 2006

Und wie werden es die Kommunalpolitikerinnen und -politiker empfinden, wenn in den Kommunen weitere Schulden notwendig sind und Landesminister dann über den Schleswig-Holstein-Fonds das Geld verteilen, das ihnen gerade genommen wurde?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, das alles geschieht vor dem Hintergrund einer Steuerschätzung aus dem November des letzten Jahres, die erstmalig seit Jahren positivere Ergebnisse herbeigetragen hat.

Welche Aussagen der Landesregierung gelten denn nun? Was sollen die Menschen von den weiteren Versprechen und Zusagen jetzt noch halten? Was ist die Aussage wert, es werde keine Kündigungen im öffentlichen Dienst geben? Werden diese Versprechen und Aussagen nächstes Jahr wieder einge

sammelt? Steht die Landesregierung noch zum Sozialvertrag mit den Wohlfahrtsverbänden oder wird er demnächst aufgekündigt? Was ist mit der Kompensation der Kürzungen beim Landesblindengeld? Wer soll jetzt noch glauben, dass die Unterrichtsversorgung nicht beeinträchtigt wird?

Sehr geehrte Damen und Herren, ich würde mir wünschen, dass zumindest eine andere Zusage, nämlich die Absage gegenüber einer umfassenden Kreisreform fallen würde. An dieser Stelle gratulieren wir dem Kollegen Kubicki ganz herzlich zu seinem Sinneswandel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Johann Wadephul [CDU]: Du hast neue Freunde!)

Meine Damen und Herren, wir verstehen unsere Oppositionsrolle anders als die CDU. Wie schon beim Haushalt 2006 werden wir nach Vorlage aller Zahlen und Vorschläge wieder die Maßnahmen mittragen, die gerecht, nachhaltig und wirkungsvoll sind. Aber schon heute sage ich Ihnen: Statt bei den Kommunen Geld einzusammeln und damit den schuldenfinanzierten Schleswig-Holstein-Fonds zu finanzieren, sollten Sie lieber zuerst diesen Fonds kürzen, statt Dritten in die Tasche zu greifen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir vermissen schmerzlich die Initiativen, um die Besserverdienenden in unserer Gesellschaft angemessen zu beteiligen. Wenn nicht parallel zu den Sparbeschlüssen auch gleichzeitig die breiten Schultern durch eine deutlich höhere private Erbschaftsteuer oder eine Reform des Ehegattensplittings beteiligt werden, dann kann man nicht von einer sozial ausgewogenen Belastung sprechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bisher hat die Landesregierung kein glaubwürdiges und wirkungsvolles Sparkonzept bis 2010 vorgelegt. Stattdessen hat sie viel Vertrauen innerhalb nur eines Jahres der großen Koalition verspielt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Sauter das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Beantragung der heutigen Aktuellen Stunde thematisieren die Grünen die durch die Landesregierung angekündigten Sparmaßnahmen zum Doppelhaushalt 2007/2008 und erwartungsge

(Klaus Müller)

mäß steht hierbei nicht die katastrophale Ausgangslage des Haushaltes im Mittelpunkt des Interesses mit einer Rekordverschuldung, mit einer Nettoneuverschuldung, die die verfassungsmäßige Grenze um das Dreifache überschreitet, mit einer deutlich zu niedrigen Investitionsquote.

Es geht auch nicht darum, die fast nicht mehr beherrschbaren Zukunftsrisiken zu thematisieren: weiteres Anwachsen der Zinsausgaben, stetiger Anstieg der Pensionsausgaben und vor allem deutliche Bedarfserhöhungen aufgrund des demographischen Wandels, in dem sich unsere Gesellschaft befindet.

Es geht dem Antragsteller vielmehr darum - und das ist vielleicht auch das Recht der Opposition -,

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber nur vielleicht!)

vermeintliche oder tatsächliche Widersprüche zu thematisieren, die zwischen früheren politischen Festlegungen einerseits und dem angekündigten Sparkurs andererseits bestehen.

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Noch vor einem halben Jahr!)

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen - und auch Ihnen, lieber Kollege Müller -: Tatsächlich geht es heute in der Debatte um eine Landesregierung, die die Kraft hat, in einer der größten Krisen unseres Landes unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen.

(Beifall bei der CDU - Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir auch gemacht! Sie haben uns dafür kriti- siert!)

- Ich komme gleich zu Ihrer Leistungsbilanz, Herr Müller. Diese steht in meiner dramaturgischen und dramatischen Aufbereitung nicht so ganz weit vorn.

(Heiterkeit bei der CDU)

Es geht um eine Landesregierung, die die Kraft hat, den ersten großen Schritt eines langen Weges einer schwierigen Haushaltskonsolidierung zu gehen mit dem Ziel, Schleswig-Holstein neue Perspektiven zu erarbeiten. Das, meine Damen und Herren, verdient unseren Respekt und ich hoffe, auch den Respekt der Oppositionsfraktionen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Im Übrigen, niemand anderer in diesem hohen Hause als unser Kollege Hentschel von den Grünen kennt die Situation besser, politische Versprechen nicht einhalten zu können. Mit Erlaubnis des Landtagspräsidenten zitiere ich aus der Plenarsitzung

vom Freitag, dem 1. Juni 2001, den Kollegen Hentschel:

„Der dritte Faktor ist die Neuverschuldung. Ich wurde gefragt, ob wir an dem Ziel, bis zum Jahr 2008 die Neuverschuldung des Landes auf null zu fahren, festhalten wollen. Ich sage: Ja, in der Tat. Das sage ich hier auch offiziell. Wir halten daran fest, weil wir es für falsch halten, immer neue Schulden zu machen.“

(Beifall bei der CDU)

Das war, lieber Kollege Hentschel, mit Sicherheit einer Ihrer starken Auftritte.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

Nur hätte ich Ihnen gewünscht, dass Sie dieses Ziel auch erreichen. Hätten Sie dieses Ziel erreicht - immerhin war Ihre Fraktion damals auch Regierungsfraktion - und hätten Sie Ihre Zusagen eingehalten, lieber Kollege, dann würde dem Land in Zukunft viel erspart bleiben, nicht zuletzt auch die heutige Aktuelle Stunde.

Lassen Sie mich zwei kurze Feststellungen treffen: Erstens, es muss jetzt etwas geschehen und nicht irgendwann. Die Maßnahmen der Landesregierung sind darauf ausgerichtet, dass jetzt etwas geschieht und nicht irgendwann. Ein „Weiter so“ oder „Schauen wir mal“ würde direkt in die Haushaltsnotlage führen. Es macht deshalb auch keinen Sinn, sich auf Teilaspekte zurückzuziehen und damit das Problem im Ganzen aus den Augen zu verlieren. Natürlich ist es eine wichtige Maßnahme, bis 2010 durch Aufgabenverzicht in der Landesverwaltung 2.000 Stellen einzusparen, wie der Herr Oppositionsführer das ja auch in einem Interview mit den „Lübecker Nachrichten“ noch einmal erklärt und vorgeschlagen hat, nur erreichen wir mit einer solchen Maßnahme bis zum Jahr 2010 ein Einsparziel von etwa 70 bis 80 Millionen €. Das ist keine Haushaltskonsolidierung, wenn im gleichen Zeitraum jährlich die Lasten für Zinsen und Pensionen um über 500 Millionen € im Jahr steigen. Herr Kollege Kubicki, wenn wir langsamer sparen, als die Schulden anwachsen, werden wir den Wettlauf verlieren und das kann, darf und wird verantwortungsvolle Politik hier im Land nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU)

Feststellung Nummer zwei.

Aber bitte eine kurze, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Frank Sauter)

Die Feststellung zwei, sehr geehrter Herr Präsident, werde ich dann vielleicht im Verlaufe irgendeiner weiteren Haushaltsdebatte hier nachliefern.

(Heiterkeit - Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Fraktionsvorsitzenden, dem Kollegen Lothar Hay, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Kabinett hat in der letzten Woche beschlossen, jeweils 300 Millionen € aus dem Doppelhaushalt 2007/2008 zu kürzen. Es gibt vonseiten der SPD-Fraktion nichts zu beschönigen. Dieser Haushaltssituation hätten wir uns auch in einer anderen politischen Konstellation, Rot-Grün mit Tolerierung des SSW, stellen müssen. Die Beschlüsse, die wir hätten fassen sollen und müssen, wären wahrscheinlich nur unwesentlich von denen zu unterscheiden gewesen, denn die großen Blöcke des Haushaltes sind so, wie wir sie auch festgestellt haben.

Nun gibt es im Koalitionsvertrag Aussagen, die nicht miteinander kompatibel sind. Das eine ist die Aussage zum Personalbereich und das andere die zur kommunalen Ebene. Das steht im Widerspruch zu dem Ziel der Haushaltskonsolidierung, der Halbierung der Neuverschuldung. Wir gehen im Jahre 2005 durch den Haushalt von circa 530 Millionen € Schulden aus, durch den Nachtragshaushalt werden es fast 1,7 Milliarden € Schulden. Das heißt, wir müssen ein Ziel um 850 Millionen € erreichen. Das ist kein Ziel an sich, sondern wenn wir dieses Ziel nicht erreichen, werden wir sehr schnell in eine Haushaltsnotlage nach Art. 107 und 109 Grundgesetz kommen mit der Konsequenz, dass diejenigen, die uns dann Bundesergänzungszuweisungen in Berlin bewilligen, auch Entscheidungen treffen, die wir nachvollziehen müssen. Das heißt, die Handlungsfähigkeit des Landes wäre am Ende der Legislaturperiode nicht mehr gegeben. Es hilft also nichts, wir müssen jetzt umsteuern und es wird ein schmerzhafter Weg werden.

Ich kann zumindest darauf hinweisen, dass ich in meiner Rede im Dezember zur Verabschiedung des Haushaltes 2006 darauf hingewiesen habe, dass es noch weitere sehr schmerzhafte Einschnitte geben wird. Wir wissen auch, was wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes, aber auch der

kommunalen Familie zumuten. Ich sehe dazu aber keine Alternative. Wir werden allerdings - und das ist, wie wir Politik verstehen - mit den Betroffenen Gespräche führen, nicht in der Hoffnung, dass sie das, was wir vorschlagen werden und umsetzen wollen, akzeptieren, sondern einfach das Gespräch suchen und an der einen oder anderen Stelle kritische Dinge mitnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Ziel muss es sein - ich spreche von Kürzen und nicht von Sparen; Sparen hat einen ganz anderen Hintergrund, ist volkswirtschaftlich auch ganz anders zu betrachten -, wir müssen kürzen, damit der Staat wieder handlungsfähig wird, damit er auch in Notlagensituationen reagieren kann, ohne die Neuverschuldung heraufzusetzen, und damit er auch in Zukunft politisch-gestalterisch dort tätig werden kann, wo das eigentliche Kapital unseres Landes ist - im gesamten Bildungsbereich. Wir müssen nach wie vor in hohem Maße in Bildung investieren, nicht nur wegen der PISA-Ergebnisse. Das ist der Rohstoff unserer Gesellschaft, wenn wir auch in Zukunft zu den führenden Industrieländern der Welt gehören wollen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das ist die Ausgabenseite. Aber wir müssen genauso auch die Einnahmenseite betrachten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)