Protocol of the Session on January 26, 2006

Wie einige von Ihnen vielleicht wissen, habe ich vor zugegebenermaßen vielen Jahren, als ich Student war, über das Thema „Theatralik in der Politik" promoviert. Die elektronische Fußfessel zur Überwachung von so genannten Hasspredigern zeigt als aktuelles Beispiel, wie problematisch ein solches Verhalten wird, wenn man das in der Praxis, in der Politik täte. Denn mit dem vorgeschlagenen Instrument wird nicht nur ein möglicher Zugewinn an Sicherheit vorgetäuscht, es werden damit auch bewusst und leichtfertig die rechtsstaatlichen Grundsätze unseres Landes über Bord geworfen.

Friedrich Dürrenmatt hat einmal geschrieben: „Ideologie ist Ordnung auf Kosten des Weiterdenkens.“ In diesem Sinne wären elektronische Fußfesseln zur Gefahrenabwehr ideologische Scheuklappen zur Blockade von Denkprozessen.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Darauf sollten und werden wir in Schleswig-Holstein auch weiter verzichten. Dieser Innenminister wird auf der Innenministerkonferenz in GarmischPartenkirchen den entsprechenden Vorstoß ablehnen.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar an den Innen- und Rechtsausschuss. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Damit ist Drucksache 16/506 einstimmig an den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen worden.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 16 auf:

Investitionsprogramm der Bundesregierung

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/507

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Deswegen lasse ich zunächst über den Berichtsantrag abstimmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Mehrheit des Hauses ist offenbar dafür, dass wir den Bericht in dieser Tagung erhalten.

Ich erteile damit dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin den Fraktionen sehr dankbar, dass Sie diesen Antrag gestellt haben, weil es damit gelingt, darauf hinzuweisen, welche großartigen Chancen sich möglicherweise aus zusätzlichen Investitionen, die vom Bund veranlasst werden, ergeben können.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da müssen Sie selber lachen!)

- Ich lache deshalb, weil ich froh darüber bin, dass das Programm, das der Bund aufgelegt hat, in wesentlichen Teilen dem entspricht, was wir mit unserem Schleswig-Holstein-Fonds gemacht haben, und weil man sich immer darüber freut, wenn es gute Ideen gibt, die woanders übernommen werden.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Das 25-Milliarden-€-Investitionsprogramm hat fünf zentrale Bereiche: Förderung von Forschung und Entwicklung, Belebung von Mittelstand und Wirtschaft, Erhöhung der Verkehrsinvestitionen, Haushalte als Arbeitgeber und Förderung der Fami

lien. Davon ist ein Teil, Förderung der Familien, konsumtiv, der restliche Teil investiv.

Wenn man sich die Beträge anguckt, insgesamt 25 Milliarden €, stellt man fest, auf das Land Schleswig-Holstein entfällt eine Größenordnung von etwa 3 bis 4 %, das heißt, 750 Millionen bis 1 Milliarde € verteilt über vier Jahre. Das kann ein Betrag sein, der Impulse in entsprechender Größenordnung auslösen würde. Das gilt aber nur für die Beträge, bei denen es konkret um neue Investitionen geht, weniger um die Ausgaben, die den konsumtiven Bereich betreffen.

Die Bundesregierung hat noch keine konkreten Aussagen darüber gemacht, wie die Maßnahmen im Einzelnen verteilt werden, insbesondere im Bereich der Forschung, für die 6 Milliarden zusätzlich in Anspruch genommen werden können. Bekannt ist, dass aus diesen Mitteln auch das Exzellenzprogramm gestaltet und mitfinanziert wird. Hier hat sich Schleswig-Holstein mit zwei Exzellenzclustern beworben und gute Chancen, was die Regierung, aber wohl auch das ganze Parlament sehr freut. Es zeigt sich, dass die Zusammenarbeit der drei wissenschaftlichen Einrichtungen, die daran beteiligt waren, durchaus Früchte tragen kann. Bei der Zahl der Mitbewerber, die noch verblieben sind, rechne ich mir gute Chancen für das aus, was sich hier tut.

Über die Förderbedingungen für die sonstigen Mittel ist bisher wenig bekannt. Da wird bis zum Sommer 2006 ein Konzept entwickelt. Es ist davon auszugehen, dass vor allem in den Bereichen Nanotechnologie, Humanmedizin und Energieforschung Anknüpfungspunkte da sind.

Der zweite Teil betrifft die Belebung von Mittelstand und Wirtschaft. Wenn man heute die Zeitungen aufschlägt, heißt es: Die wirtschaftliche Stimmung hellt sich weiter auf. „Wirtschaft strotzt vor Optimismus“, schreibt das „Handelsblatt“. Die Binnenkonjunktur kommt auch in Fahrt. Das Wachstum kann stärker ausfallen, als die Bundesregierung gestern gesagt hat.

Ich begrüße sehr, dass man erstmals bei den Prognosen, die die Regierung macht, die andere machen, von der pessimistischen Variante ausgeht, um nicht hinterher wieder Enttäuschungen bei den Bürgern, bei der Wirtschaft zu erreichen. Es ist gut, Optimismus zu haben, aber die Betrachtung immer in die Richtung zu gestalten, dass es sich auch anders entwickeln könnte.

Wir werden sorgfältig und zeitnah prüfen, welche Elemente der ebenfalls dazugehörenden Exportoffensive bei uns umgesetzt werden können. Wir haben im letzten Jahr bereits eine entsprechende In

itiative gestartet. Es gibt also auch hier Anknüpfungspunkte.

Bei dem Programm zur Ankurbelung der Wirtschaftspolitik, also einer besseren Politik für Mittelstand und Wirtschaft, geht es vor allem um drei Momente: erstens die Anhebung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, zweitens die Anhebung der Umsatzgrenzen bei der Umsetzbesteuerung, also der Ist-Besteuerung, drittens die Vergünstigung von Bauhandwerkerleistungen durch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten bei der Auftragsvergabe für Handwerkerleistungen.

Ich sage hier ausdrücklich: Ich freue mich darüber, dass viele Kreditinstitute in Schleswig-Holstein im jeweiligen Regionalbereich besonders günstige Konditionen für Kredite für Handwerkerleistungen angeboten haben. Wenn man all das mit den Möglichkeiten kombiniert, die der Bund jetzt bietet, dann kann sich daraus ein durchaus erfolgreiches und profitables Programm für die Bauwirtschaft in unserem Land entwickeln. Manch einer befürchtet, dass dies mit Steuermindereinnahmen verbunden sein könnte. Ich sehe diese Gefahr nicht, weil all das, was wir an zusätzlichen Aufträgen an Handwerker vergeben, positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben kann.

Als weiteren Punkt möchte ich das CO2-Gebäudemodernisierungsprogramm erwähnen. Auch hier sehe ich breite Anknüpfungspunkte, die zu zusätzlichen Auftragsvergaben führen können. Auch wenn die Programme noch nicht rechtskräftig beschlossen sind, so denke ich, dass man sich bereits heute darauf einstellen und entsprechende Maßnahmen gestalten kann.

Die Verkehrsinvestitionen sind ein weiterer Bereich. Hier ist es wichtig, dass wir erreichen, dass viele längst durchgeplante Maßnahmen, die bei uns bereits auf dem Programm stehen, wie zum Beispiel die Ortsumgehungen in Schlutup und Bad Bramstedt sowie laufende Neubauprojekte bei der A 20 und der A 21, die bisher nicht finanziert sind, auch zeitgerecht finanziert werden können.

(Zuruf des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

- Herr Abgeordneter Ritzek, ich denke vor allem an Bundesstraßen, die der Bund finanziert. Ich denke weniger an den Kreisel im Dorf. Ich hoffe auch, dass die Mittel, die man der Bahn weggenommen hat, jetzt nicht aus dem Topf zurückgezahlt werden müssen, sodass sich etwas daraus ergibt.

Als zusätzliche Information nenne ich noch die folgenden Bereiche: Eisenbahnprojekte, Haushalte als Arbeitgeber und Förderung von Familien. Alle diese Bereiche machen ein reichhaltiges Programm aus. Ich glaube, dass es gut ist, dass wir uns mit unserer Wirtschaft darauf einstellen. Hier gibt es zusätzliche Impulse. Jeder sollte sich bemühen, rechtzeitig damit anzufangen, das Ganze umzusetzen, damit auf dem schleswig-holsteinischen Arbeitsmarkt und vor allem bei den Familien und in der Forschung viel zu spüren sein wird.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ziele und die Modelle aus Kiel und aus Berlin ähneln sich weitgehend. Der Minister hat es gesagt. Daher könnte man meinen, die Bundesregierung habe bei der Landesregierung in Kiel abgeschrieben, denn wir haben mit der Zielsetzung, neue Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu geben, nach erheblichen Sparanstrengungen einen Schleswig-Holstein-Fonds geschaffen, um ein zusätzliches Investitionsprogramm auf den Weg zu bringen. Wir begrüßen es, dass unser Ansatz mit dem 25-Milliarden-€-Investitionspaket aus Berlin zusätzliche Impulse erfährt. Damit können sich auch die Rahmenbedingungen für die mittelständischen Unternehmen in Schleswig-Holstein verbessern.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir erwarten aber auch, dass diese Zielsetzungen und dieses Programm mit den einzelnen Modalitäten zügig umgesetzt werden, weil wir auf diesem Weg einfach keine Zeit verlieren dürfen. Vorgesehen ist unter anderem, dass bis 2009 insgesamt 6 Milliarden € mehr Geld in Forschung und Entwicklung fließen. Gerade für den Forschungsbereich wollen wir in Schleswig-Holstein versuchen, möglichst viel Geld aus diesem Topf für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in unser Land zu holen. Auch die Bereitstellung von zusätzlichen 4,3 Milliarden € für Verkehrsinvestitionen kann dazu beitragen, dass für unser Land wichtige Infrastrukturprojekte schneller ausgebaut werden.

Neben diesen direkt fließenden Finanzmitteln sind es aber auch die indirekten Mittel, die beispielsweise durch Änderungen im Steuerrecht positiv bei den

(Minister Dietrich Austermann)

mittelständischen Unternehmen ankommen. Die Anhebung der degressiven Abschreibung bei beweglichen Wirtschaftsgütern wird bis zur Umsetzung einer Unternehmensteuerreform im Jahr 2008 die Liquidität und damit auch die Rendite der Unternehmen im Land positiv beeinflussen. Dies kann einen Konjunkturanschub auslösen. Die Liquidität kleinerer und mittlerer Unternehmen wird durch die Anhebung der Umsatzgrenzen bei der Umsatzbesteuerung, der so genannten Ist-Besteuerung, zusätzlich verbessert.

Von dem neuen CO2-Gebäudesanierungsprogramm des Bundes erhofft sich gerade die Bauwirtschaft zusätzliche Aufträge. Dies wurde kürzlich bei einem Gespräch mit der Kreishandwerkerschaft Schleswig deutlich.

Dort wurde auch die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen begrüßt, weil auch dies zu einer zusätzlichen Nachfrage gerade aus dem privaten Bereich und von privaten Auftraggebern führen wird. Der Zentralverband des deutschen Handwerks erhofft sich von diesem Wachstumspaket der Bundesregierung jedenfalls einen Auftrags- und Beschäftigungsschub. Es wird erwartet, dass bei Umsetzung dieser Konjunkturimpulse im Handwerk bundesweit mindestens 60.000 Arbeitsplätze entstehen beziehungsweise gesichert werden. Viele davon werden hoffentlich im schleswig-holsteinischen Handwerk sein.

Das Investitionsprogramm der Bundesregierung kann unter dem Strich auch in Schleswig-Holstein zu mehr Forschung und Infrastruktur und zu mehr Arbeit und Beschäftigung beitragen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Austermann, vielen Dank für den ausführlichen Bericht zum 25-Milliarden-€-Investitionsprogramm der Bundesregierung und darüber, was das für SchleswigHolstein bringen kann und wie solide das letzten Endes ist. Manchmal kann man es kaum glauben, wie schnell die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ziele konkretisiert und umsetzt. Es ist eine Dynamik entstanden, die sich auch in den Wirtschaftsdaten widerspiegelt. Wirt

schaftsforschungsinstitute, Banken und Verbände blicken positiv in die Zukunft. Ganz neu ist, dass manche sogar positiver in die Zukunft blicken als die Bundesregierung selbst. Es ist nicht vermessen zu behaupten, dass die politische Arbeit der letzten Jahre jetzt Früchte trägt und ein gutes Fundament für die Arbeit der Bundesregierung ist.

Der beginnende Aufschwung muss gestützt werden. Investitionen und Innovationen stehen im Blickpunkt der Bundesregierung. Für den Zeitraum von 2006 bis 2009 werden in einem Zukunftsfonds zusätzlich 25 Millionen € zur Verfügung gestellt. Gut, manche fordern noch mehr Geld und vielleicht wird dies auch erforderlich werden, falls Risiken - wie zum Beispiel die Rohstoffpreiserhöhungen - eintreten. Das ist ziemlich wahrscheinlich.

Die Finanzierung des Programms soll ohne neue Schulden gelingen. Hier wird es ein wenig schwierig. Bundesbankgewinn, Privatisierungserlöse oder die Neuordnung des ERP-Vermögens sollen dazu beitragen.

Herr Austermann hat weitere Maßnahmen angedeutet. An dieser Stelle sollten wir deutlich Position beziehen. Es spricht nichts gegen die Umwidmung von Finanzmitteln, wenn diese effektiver eingesetzt werden können. Es wäre aber absurd, sinnvolle und erfolgreiche Fördermaßnahmen - beispielsweise die Mittelstandsförderung aus dem ERP - zugunsten des Zukunftsfonds einzustellen, um die Vorhaben des Fonds zu finanzieren.

Zu den genannten 25 Milliarden € sollen noch etwa 12 Milliarden € von den Ländern und Kommunen hinzukommen. Der letzte Betrag muss uns natürlich besonders interessieren, weshalb wir diesen Bericht auch federführend im Wirtschafts- und mitberatend im Finanzausschuss beraten sollten. Die einzelnen Maßnahmen und ihre Finanzierung müssen weiter unsere Themen bleiben.