Nun wird an Kombilohnmodelle in welcher Ausprägung auch immer die Hoffnung geknüpft, man würde preiswertere Arbeitsplätze für geringer qualifizierte Menschen schaffen und es würde ein Sozialhilfesystem etabliert, das irgendwie Arbeitsplätze fördert und gleichzeitig für ein menschenwürdiges Einkommen sorgt. Auf diese Weise soll es regional begrenzt und zeitlich begrenzt für Unternehmen interessant werden, arbeitslose Menschen einzustellen. Man hofft, dass so viele geringer qualifizierte Menschen endlich oder zum ersten Mal Arbeit finden.
Wenn dann das Arbeitseinkommen nicht so hoch ist, dass es als menschenwürdig gilt, dann verfügen diese Menschen trotzdem über ein menschenwürdiges Gesamteinkommen. Das ist ein Ziel, das wir alle auf unterschiedlichen Wegen möglicherweise erreichen wollen. Das wollen viele mit Kombilöhnen erreichen.
Wenn ein Unternehmen einen langzeitarbeitslosen Menschen einstellt - so die Philosophie -, dann soll der Staat einen Zuschuss zahlen, der die Lohnkosten senkt. Ich will ausdrücklich sagen: Das hört sich gut an und das ist mit Sicherheit auch gut gemeint. Ich glaube mittlerweile aber trotzdem, dass es schlecht ist.
Denn Lohnkostenzuschüsse reizen vor allem Unternehmen, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse durch solche mit Kombilöhnen zu ersetzen. Dann nützen alle Beschwörungen nichts. Lieber Wolfgang Baasch, natürlich glaube ich, dass es ein Ziel von Ihnen ist, dies zu vermeiden. Aber das Wollen wird nichts daran ändern, dass sich Unternehmen genau so verhalten werden. Deswegen glaube ich, dass Lohnkostenzuschüsse nicht die Beschäftigung fördern, sondern dass Lohnkostenzu
Unsere Vorstellung ist: Wir wollen keine Löhne kombinieren, sondern wir wollen mittelfristig erreichen, dass Einkommen kombiniert werden. Wir wollen nicht Unternehmen bezuschussen, sondern wir wollen Menschen direkt helfen. Zu Ende gedacht würde ein solches System aus drei Bausteinen bestehen.
Wir müssen es zulassen, dass auf dem Arbeitsmarkt zunächst einmal Angebot und Nachfrage den Lohn bestimmen. Wenn das Einkommen eines Menschen beim Marktlohn niedriger ist als das, das wir als menschenwürdig empfinden, dann stockt der Staat das Markteinkommen mit steuerfinanzierten Zuschüssen auf ein menschenwürdiges Niveau auf.
Kollege Müller, das wird Sie nicht verwundern. Schließlich ist es nichts Neues. Das ist das Konzept einer negativen Einkommensteuer oder eines Bürgergeldes, das seit 50 Jahren in der Diskussion ist. Ich glaube, dass bei der jetzigen Debatte um Kombilöhne der richtige Zeitpunkt gekommen ist, endlich alle unterschiedlichen staatlichen Transferleistungen zu bündeln und zu einer Leistung aus einer Hand zusammenzuführen.
Die Einkommenszuschüsse sollen dann so gestaffelt sein, dass das Gesamteinkommen steigt, wenn das Arbeitseinkommen entsprechend steigt. Auch das passiert heute nicht.
Zu dem Argument - das steht im SSW-Antrag und wohl auch im Antrag von CDU und SPD -, vermehrt Sozialversicherungsabgaben steuerlich zu finanzieren: Da fehlt mir ehrlich gesagt ein Schritt und das ist auch einer der Hauptkritikpunkte, warum ich Kombilohnmodelle mittlerweile ablehne. Es fehlt mir der Zwischenschritt, dass die Sozialversicherungssysteme zunächst einmal grundlegend reformiert werden und dazu gehört die Frage der Leistungskataloge. Das heißt: Was soll in Zukunft in Leistungskatalogen enthalten sein und wie sollen dann in einem zweiten Schritt diese Leistungen finanziert werden?
Eine große Koalition läuft eher Gefahr, tendenziell alles so zu belassen, wie es ist und nur ein bisschen daran herumzudoktern. Das heißt, wer heute Kombilohnmodelle einführt und Lohnzuschüsse auf Sozialversicherungssysteme zahlt, von denen wir alle
wissen, dass sie schon heute nicht mehr funktionieren, der subventioniert letztlich nicht mehr funktionsfähige Sozialversicherungssysteme.
Ich komme zu meinem letzten Satz, Frau Präsidentin. - Ich hoffe, dass wir mittelfristig zu einem System kommen, das nicht Unternehmen subventioniert und Arbeitsplätze wegsubventioniert, sondern das Menschen hilft, ein menschenwürdiges Leben mit einem entsprechenden Einkommen zu führen.
Ich weiß nicht, ob in der Sache abgestimmt wird. Ich würde mich freuen, wenn wir uns über alle drei vorliegenden Anträge noch einmal im Ausschuss unterhalten könnten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Debatten - und leider auch diese Debatte - über Kombilöhne leiden unter einer merkwürdigen Schieflage. Es wird immer wieder suggeriert, dass es erstens in Deutschland noch keinen Niedriglohnsektor gebe und dass zweitens Kombilöhne ein geeignetes Instrument seien, etwas gegen die Arbeitslosigkeit zu tun. Beides halte ich für falsch.
Liebe Kolleginnen und Kollege, Kollege Lars Harms hat schon darauf hingewiesen: Das Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen hat mit einer ganz aktuellen Studie aus dem Januar dieses Jahres nachgewiesen, dass der Niedriglohnanteil in Deutschland bereits im Jahr 2000 erstmals über dem EU-Durchschnitt lag und dass unter Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten und Minijobber im Jahr 2004 mehr als ein Fünftel der Beschäftigten in Deutschland für Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohnschwelle gearbeitet hat. Bei einer Gesamtzahl von rund 31 Millionen abhängig Beschäftigten sind es demnach rund 7 Millionen Menschen in Deutschland, die das betrifft.
Und noch eins oben drauf: Knapp die Hälfte der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland arbeitet sogar für weniger als die Hälfte des nationalen Mindestlohnes, also nach der internationalen Definition des so genannten Armutslohns.
Die Einführung genereller Kombilohnmodelle oder, lieber Kollege Garg, einer negativen Einkommensteuer nach dem Vorbild der USA hätte zur Folge, dass Millionen bereits bestehender Arbeitsplätze gefördert werden müssten.
Insofern hat die Bundeskanzlerin Recht, dass die Einführung zusätzlicher Kombilöhne in Deutschland ohne die gesetzliche Festlegung eines Mindestlohnes für die Steuerzahler ein Fass ohne Boden werden würde.
Ich erinnere daran, dass dieser Diskussionszusammenhang bereits seit Mai vergangenen Jahres im Wirtschaftsausschuss schlummert. Da haben wir als grüne Fraktion Anträge eingebracht und wir hoffen - wenn Kollege Arp da wäre, wüsste er es -, es demnächst diskutieren zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt viele weitere gute Gründe, gegen die Ausweitung beziehungsweise gegen zusätzliche neue Modelle von Kombilöhnen zu sein. Kombilöhne sind extrem teuer. Das Institut zur Zukunft der Arbeit spricht von 40.000 € pro zusätzlichem Arbeitsplatz und Jahr. Professor Wolfgang Franz, Mitglied im Sachverständigenrat und Präsident des ZEW in Mannheim, spricht in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 16. Januar 2006 sogar von 35.000 bis 70.000 € pro Arbeitsplatz. Das ist wesentlich mehr, als Geringverdiener im Jahr verdienen.
Kombilöhne sind eine Gefahr für Arbeitsplätze, weil sie eine inhärente Logik haben, dass es für Unternehmen günstiger ist, jemanden, der einen regulären Arbeitsplatz hat, zu entlassen und zu einem niedrigeren Lohn plus staatlicher Subvention wieder einzustellen. Wenn man dies ausschließen will, dann kommt man zu sehr komplizierten Regelungen, die gleichzeitig an anderer Stelle den Erfolg wieder abschwächen. Kombilöhne haben auch ein soziales Problem, denn sie degradieren Bezieher dahin gehend, dass sie dauerhaft von staatlichen Transfers abhängig sind. Wie gesagt, in der Regel erfordern sie mehr Bürokratie bei der Bundesagentur für Arbeit. An anderer Stelle haben wir dies schon hart kritisiert.
Wir halten dagegen ein einfacheres Modell für sinnvoll und angemessen, nämlich eine zielgenaue Absenkung der Lohnnebenkosten. Das Progres
sivmodell ist ein besserer Weg und auch ein erster kohärenter Schritt zu einer generellen Umfinanzierung von Lohnnebenkosten hin zu Steuern.
Im Steuersystem wird als selbstverständlich und gerecht empfunden, was bei den Sozialversicherungsbeiträgen bisher nicht der Fall ist, nämlich dass mit dem Einkommen zunehmend auch eine Veränderung der Höhe der Abgaben erfolgt. Herr Kollege Garg, in der Tat sind wir hier gar nicht so weit entfernt von Bürgergeldmodellen. Wie wir das dann jeweils ändern, ist in der Tat kompatibel. Wer weniger verdient, der muss prozentual auch weniger Sozialabgaben zahlen. Das ist für eine Welt unter demographischen und unter Globalisierungsgesichtspunkten ein richtigerer und ein einfacherer Weg. Eine solche Progression würde die enormen Arbeitsmarkthürden der hohen Lohnnebenkosten gerade für diejenigen senken, die bisher mit wenig Geld nach Hause gegangen sind, schwarzarbeiten oder ganz ohne Job sind. Interessanterweise hat auch der Arbeitsminister, Herr Döring, am Ende seines Gastkommentars vom 29. Dezember 2005 in der „Financial Times Deutschland“ in seinen Überlegungen dieses Modell berücksichtigt.
Leider planen CDU und SPD in Berlin aber genau das Gegenteil. Ihre Ankündigung, die Erhöhung der pauschalen Abgabe auf Minijobs von 25 auf 30 % zu erhöhen, hat in der Wirtschaft zu Recht eine Welle der Empörung ausgelöst. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Einzelhandels, Herr Holger Wenzel, hat in der „FAZ“ vom 16. Januar 2006 prognostiziert, dass die große Koalition auf diesem Weg „den Anteil der Schwarzarbeit erhöhen und zum Abbau von Hunderttausenden legaler Beschäftigungsverhältnisse beitragen wird.“
Herr Ministerpräsident, es wäre schön, wenn Sie bei diesem Thema hier gewesen wären. Ihr Arbeitsminister ist aber da. Hier ist Schleswig-Holsteins Einsatz gefragt, in Berlin diesen Rückschritt zu verhindern und mit einem einfachen und klaren Signal aus Schleswig-Holstein einen positiven Beitrag zu leisten. Wir bitten insofern um Zustimmung zu unserem Antrag oder hilfsweise um die Überweisung unseres Antrages an den Wirtschaftsausschuss, um so zusammen mit den anderen Anträgen zu einem vernünftigen Paket zu kommen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Klaus Müller und erteile für die Landesregierung Herrn Minister Uwe Döring das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch dies ist wieder ein schönes Beispiel dafür, wie uns babylonische Sprachverwirrung an Lösungen hindert. Wir alle wollen eigentlich dasselbe. Jeder versucht aber, den anderen erst einmal durch Begrifflichkeiten in eine Ecke zu stellen. Zu nennen sind hier die Begriffe Kombilohn, negative Einkommensteuer und degressive Sozialversicherungsbeiträge. Dann wird gesagt, das sei Teufelswerk.
- Herr Garg, diese Diskussionen führen leider manchmal dazu, wenn wir das eigentliche, was von uns erwartet wird, nämlich etwas gegen die Arbeitslosigkeit zu tun und die niedrig qualifizierten Menschen in Arbeit zu bringen, die eine Sockelarbeitslosigkeit bilden, einbeziehen. Wenn es tatsächlich Wachstum geben wird, dann werden wir sehen, dass sich der Arbeitsmarkt spaltet und dass wir auf der einen Seite Fachkräftemangel und auf der anderen Seite eine hohe Sockelarbeitslosigkeit von niedrig qualifizierten Menschen haben werden. Diesen Menschen, die ich bundesweit auf 1,8 Millionen schätze, können wir nicht sagen, wir tun nichts oder wir streiten uns nur. Wir müssen feststellen, dass sie aufgrund ihrer vorhandenen Qualifikationen, die man in vielen Fällen nicht beliebig nach oben bringen kann, am Markt nicht das erzielen können, was sie für einen vernünftigen Lebensunterhalt benötigen.
Diese Lücke müssen wir durch Maßnahmen schießen. Wir können nun darüber streiten, ob dies Kombilohn ist, ob dies kein Kombilohn ist oder ob dies irgendetwas anderes ist. Sicher ist gerade in diesem Bereich, in dem wir direkte Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber zahlen, die Gefahr sehr groß, dass es Mitnahmeeffekte gibt und dass eine Abwärtsspirale einsetzt. Deswegen wird dies auch nicht der richtige Weg sein. Es wird auch nicht der richtige Weg sein, wie es zu Beginn diskutiert worden ist, den Kombilohn für alle diejenigen im Niedriglohnsektor einzuführen, die jetzt Arbeit haben. Dies ist unbezahlbar. Das wissen wir. Die verschiedenen Modelle wurden durchgerechnet. Das funktioniert nicht.
Deshalb habe ich auch immer dann, wenn ich vom Kombilohn gesprochen habe, gesagt, dass Kombilohn etwas sei, bei dem wir für den Arbeitnehmer Zusatzleistungen zu seinem Verdienst brauchen. Man kann sich darüber unterhalten, ob dies der Weg ist oder ob es einen anderen Weg gibt. Vielleicht ist es auch der Weg, der beispielsweise in Großbritannien gegangen wird. Dort sagt man, es gibt degressive Zuschüsse zu den Löhnen, die am Arbeitsmarkt erzielt werden. Diese werden hinterher wieder abgeschmolzen. Ich muss auf jeden Fall verhindern, Stufen einzubauen, denn an diesen Stufen staut sich die Arbeitslosigkeit immer. Das müssen wir verhindern und ich denke, darüber sind wir uns auch einig.
Wir müssen diese Diskussion schnell führen und wir müssen sie zu Ende führen. Wir haben schon einige Modelle gehabt. Das Elmshorner Modell war nicht so schlecht. Die Frage ist nur, ob man es unter heutigen Gesichtspunkten ausdehnen könnte. Unter den vorhandenen Modellen war es jedenfalls das erfolgreichste Modell.
Wenn ich gesagt habe, dass wir das in SchleswigHolstein einmal ausprobieren können, dann meine ich damit, dass wir hier einen Arbeitsmarkt haben, der dies in seiner Vielfalt widerspiegelt. Wir haben einerseits das Hamburger Umland mit einer relativ hohen Beschäftigung. Andererseits haben wir die Westküste mit hoher Arbeitslosigkeit und den Norden mit der Grenzlandproblematik. Im Grunde haben wir hier das, was wir auch sonst haben, in einer Laborzusammenstellung. Wir könnten hier so etwas also einmal erproben und müssten nicht gleich in die Fläche gehen. Das waren mein Ansatz und mein Grundgedanke dabei.
Ich will nicht missverstanden werden: Wenn ich mich dafür ausgesprochen habe, dann geht es nicht darum, flächendeckend etwas einzuführen. Es geht nicht darum, mehr Leute in ein Lohndumping hineinzutreiben. Es geht nicht darum, direkt Unternehmen zu fördern. Wir werden auch dieses Modell, das ich eben vorgestellt habe, branchenbezogen durchführen müssen. Wir werden sehen, wo das am Notwendigsten ist. Hier wird es Unterschiede geben.
Wir sind in den vergangenen Jahren dem großen Irrtum erlegen anzunehmen, wir hätten eine Blaupause gegen Arbeitslosigkeit. Wir haben festgestellt, dass es die nicht gibt. Es gibt keinen Masterplan. Der letzte Masterplan war der von Peter Hartz. Das war eben kein Masterplan, auch wenn er
uns einen Funken weiter gebracht hat. Er hat aber nicht das gebracht, was erwartet worden ist. Deswegen warne ich davor, in der Bundespolitik vonseiten der großen Koalition - aber auch von anderer Seite - zu sagen: Wir haben jetzt den Kombilohn und alles wird gut. Es wird dadurch überhaupt nicht gut. Der Kombilohn ist keine Wunderwaffe, aber er ist eine Möglichkeit die Menschen vielleicht auf den richtigen Weg zu bringen.