Protocol of the Session on December 14, 2005

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

- Gut, dann vertagen wir den Punkt. Dann haben wir das ja aus Versehen richtig gemacht.

Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass wir über die Tagesordnungspunkte 15, 27, 31 und 40, zu denen eine Aussprache nicht erfolgen soll, noch nicht abgestimmt haben. - Ich bedanke mich.

Wir treten in die Mittagspause ein. Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:04 bis 15:01 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung wieder. Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, teile ich Ihnen mit, dass Frau Ministerin Erdsiek-Rave wegen einer dienstlichen Verpflichtung auf Bundesebene beurlaubt ist.

Lassen Sie mich auf unserer Besuchertribüne sehr herzlich Mitglieder des CDU-Kreisverbandes Steinburg begrüßen. - Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 a auf:

Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung der Abgeordneten

Bericht des Landtagspräsidenten Drucksache 16/450

Ich erteile Herrn Landtagspräsidenten Martin Kayenburg das Wort.

Martin Kayenburg, Landtagspräsident:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute lege ich Ihnen den Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung und über die Angemessenheit der Aufwandsentschädigung der Abgeordneten vor. Der Landtagspräsident ist nach § 28 Abgeordnetengesetz verpflichtet, jedes Jahr auf der Basis der Daten des 31. Mai einen Bericht vorzulegen. Zugleich wird ein Vorschlag zur Anpassung gemacht, der auch eine Nullanpassung umfassen kann. Den Bericht habe ich Ihnen gestern unter der Drucksachennummer 16/450 vorgelegt. Ich will anmerken, dass seit 2001 kein Bericht erstattet wurde aus nachvollziehbaren Gründen, die ich im Einzelnen in meinem Bericht dargelegt habe.

Eine zweite Anmerkung soll ebenfalls vorweggeschickt werden. Wir haben zum Beginn dieser Wahlperiode, die Anzahl der Wahlkreise verringert

und damit auch die Zahl der Abgeordneten in diesem Plenum deutlich verringert. Diese Verringerung ist im Zusammenhang mit der in den vergangenen Jahren angedachten und heute auch sicherlich notwendigen Diätenstrukturreform zu sehen.

In meinem schriftlichen Bericht habe ich auch den Gesetzesbeschluss zur Änderung des Abgeordnetengesetzes vom 2. April 2003 erwähnt. Ich will gern in Erinnerung rufen, dass dieser Beschluss mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP sowie der Abgeordneten des SSW zustande gekommen ist.

Heute richten wir aber den Blick in die Zukunft. Mein Anliegen ist es, die Kräfte für eine in der Öffentlichkeit vermittelbare Strukturreform zu stärken und ein entsprechendes Signal zu setzen. Dabei hoffe ich auf die Unterstützung aller Fraktionen.

Lassen Sie mich zunächst bitte einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Die Grundentschädigung, die alle Abgeordneten bekommen, soll erstens die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichern, sie soll zweitens während der Dauer der Zugehörigkeit zu diesem Parlament die Existenzgrundlage sowohl für die Abgeordneten wie auch deren Familien darstellen, und zwar eine ausreichende Existenzgrundlage, sie soll drittens der Bedeutung des Amtes gerecht werden, das heißt, angemessen sein, und sie soll der mit dem Amt verbundenen Verantwortung entsprechen. Allerdings ist die Frage der Grundentschädigung auch Gegenstand des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gewesen, das in Sachen thüringisches Abgeordnetengesetz im Juli 2000 ergangen ist. Dort ist noch einmal - deswegen betone ich dies - die zentrale Stellung der Grundentschädigung im System der Abgeordnetenentschädigung bestätigt worden. Das zeigt also, dass die Grundentschädigung für uns die entscheidende Rolle zu spielen hat.

Zunächst zur Angemessenheit. Seit 1. Januar 2001 ist die Grundentschädigung unverändert. Das Einkommen der Abgeordneten, die keine Funktionszulage haben - das zu versteuernde Jahreseinkommen –, ist damit 47.120 €. Seit dem 1. Januar 2001 hat es keine Veränderung mehr gegeben. Das heißt, in den Folgejahren haben Nullrunden stattgefunden. Mit den Nullrunden war allerdings nicht eine Abkopplung von der allgemeinen Einkommensentwicklung beabsichtigt. Insofern müssen wir bei der Prüfung der Angemessenheit natürlich die allgemeine Einkommensentwicklung in dem Zeitraum 2001 bis 2005 einschließlich berücksichtigen. Wir müssen allerdings auch vergleichbare Einkom

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

menssituationen in anderen Bereichen bei der Beurteilung der Angemessenheit prüfen und schließlich sollten wir die Entwicklung der Lebenshaltungskosten in dieser Zeit nicht außer Acht lassen.

Zu der letzten Entwicklung eine Zahl. Die Lebenshaltungskosten sind in den letzten fünf Jahren um 7,9 % gestiegen. Das heißt, wir haben damit eine Realeinkommenseinbuße im Bereich der Abgeordneten um eben diesen Prozentsatz, additiv 7,9 %, festzustellen. Damit ist natürlich die Frage der Angemessenheit schon in Zweifel zu ziehen. Wir haben dann in diesen Jahren im öffentlichen Dienst bei den Beamten eine Erhöhung gehabt, bei den Angestellten eine Erhöhung gehabt, aber wir haben auch Tarifsteigerungen in der gewerblichen Wirtschaft. Die Zahlen stellen sich wie folgt dar: Bei den Beamten gab es in dieser Zeit eine Steigerung um 8,67 %, bei den Angestellten um 9,23 % und in der freien Wirtschaft um etwa 12,25 %. Wenn man diese Erhöhungen berücksichtigen würde, müsste das Einkommen, die Grundentschädigung der Abgeordneten, um etwa 10 % - der Durchschnitt über alles - oder, wenn man nur den öffentlichen Dienst sieht, um etwa 9 %, genau 8,95 %, höher liegen. Wir haben also auf der einen Seite festzustellen, dass die Abgeordneten nicht an der allgemeinen Entwicklung teilgenommen haben, und wir haben festzustellen, dass wir eine Realeinkommenseinbuße haben.

Dennoch bin ich der Meinung, dass wir bei der Grundentschädigung auch Vergleiche zu anderen ziehen müssen. Diese Vergleiche stellen sich wie folgt dar. Ich hatte eben gesagt: 47.120 €. Diese Größenordnung entspricht etwa der Größenordnung A 12 bis A 13 im öffentlichen Dienst. Das ist - um Ihnen Beispiele zu nennen - bei A 12 beispielsweise der Rektor einer Hauptschule mit 80 Schülern oder A 13 der Rektor einer Hauptschule mit 360 Schülern. Das Einkommen, das unter A 13 liegt, liegt auch unter dem Einkommen eines Realschullehrers, und wir können andere Bereiche wie Polizei oder Bundeswehr und vergleichbare dazunehmen.

Was vielleicht aber noch ein bisschen griffiger ist: Wenn wir einmal die kommunalen Wahlbeamten und Wahlbeamtinnen als Vergleich nehmen, so ist festzustellen, dass das Anfangseinkommen eines Bürgermeisters in einer Gemeinde mit bis zu 4.000 Einwohnern über der Grundentschädigung der Abgeordneten liegt.

Ich habe also Zweifel daran, ob diese Grundentschädigung in der bisherigen Höhe noch dem verfassungsrechtlichen Erfordernis der Bedeutung des

Amtes gerecht wird. Ich habe auch gewisse Zweifel, ob die Unabhängigkeit der Abgeordneten noch sichergestellt ist. Denn auch dies ist eine verfassungsrechtliche Forderung: Die Abgeordneten müssen die mit ihrem Mandat und Amt verbundenen Rechte und Pflichten in Freiheit wahrnehmen können. Unabhängigkeit und Entschließungsfreiheit sind also sicherzustellen.

Es gibt für mich einen weiteren Grund zu fragen, ob diese Grundentschädigung noch angemessen ist. Ich stelle die Frage, ob wir die langfristige Leistungsfähigkeit des Parlaments bei der Höhe dieser Grundentschädigung überhaupt noch gewährleisten können. Denn wir wollen eine pluralistische Zusammensetzung des Parlaments, das heißt, möglichst alle Volksgruppen sollen vertreten sein. Es stellt sich schon die Frage, ob es zumutbar ist, dass bestimmte Amtsträger, bestimmte Berufsgruppen, bestimmte Bereiche der Wirtschaft nicht mehr im Parlament vertreten sind, weil sie Einkommenseinbußen hinnehmen müssten. Damit wird natürlich der Wechsel von anderen Berufen in das Mandat erschwert. Die langfristige Leistungsfähigkeit des Parlaments ist also ein wichtiger Parameter für die Festlegung der Grundentschädigung. – So weit zu diesem Bereich.

Ich habe nicht die gleichen Bedenken, was die Entschädigung der Kolleginnen und Kollegen anlangt, die eine Funktionszulage bekommen; jedenfalls habe ich diese Bedenken nicht in dem gleichen Maße. Ich stelle fest, dass 44 von 69 Abgeordneten eine Funktionszulage bekommen, davon allerdings 26 eine Funktionszulage als Ausschuss-, Fraktionsoder Arbeitskreisvorsitzender in einer Größenordnung von 20 %. Das zu versteuernde Jahreseinkommen dieser Kolleginnen und Kollegen beläuft sich auf 55.820 €. Das entspricht - um es in den Zahlen des öffentlichen Dienstes zu sagen - etwa einem Einkommen von A 14, also dem Einkommen eines Realschulrektors oder eines Oberstudienrats.

Wichtig für mich ist aber, dass die Vielzahl der Funktionszulagen, auch wenn 25 Abgeordnete eine solche nicht haben und 26 Abgeordnete in dem genannten Bereich von Realschulrektor oder Oberstudienrat liegen, nicht verfassungskonform ist. Die Funktionszulagen sollen ja nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für zahlenmäßig begrenzte Spitzenpositionen im Parlament gewährt werden. Insofern bedarf nach meiner Meinung unser Abgeordnetengesetz einer grundlegenden Überarbeitung, um die Funktionszulagen entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu verändern.

(Landtagspräsident Martin Kayenburg)

Deswegen komme ich zu folgendem Ergebnis. Wegen der notwendigen Diätenstrukturreform schlage ich derzeit keine Erhöhung der Grundentschädigung vor. Denn die Anhebung des Basisbetrags allein würde auf Dauer dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht werden. Deswegen müssen wir uns nach meiner Auffassung mit dieser Strukturreform auseinander setzen.

In diesem Rahmen muss natürlich auch erörtert werden - das soll überhaupt nicht unter den Tisch fallen –, wie die Kostenpauschale, das Tagegeld, das Übernachtungsgeld und die Fahrtkosten zu behandeln sind. Ich bin der Auffassung, dass auch diese bis zu einer Neuregelung unverändert bleiben sollten.

Allerdings kann sich die Diätenstrukturreform nicht auf eine Reduzierung der Funktionszulagen beschränken. Nach meiner Meinung gehört vielmehr genauso dazu die Altersversorgung und die Krankenversicherung der Kolleginnen und Kollegen. Bei der Altersversorgung sollten wir von dem Alimentationsprinzip wegkommen. Jeder Abgeordnete sollte auf Dauer für seine Altersversorgung selbst sorgen, genauso wie er selber für seine Krankenversicherung aufkommen sollte. Wenn wir dies bewegen können, werden wir auch Belastungen zukünftiger Generationen ein Stück weit mindern.

Deswegen meine ich, dass wir auf der Basis der Empfehlung der Länderkommission und auf der Basis dessen, was die Fraktionen in diesem Hause schon einmal erarbeitet haben, aber auch auf der Grundlage der Entwicklung in Nordrhein-Westfalen - dort hat es ein entsprechendes Gesetz gegeben - die Diätenstrukturreform im Frühjahr nächsten Jahres vorsehen müssen. Ich schlage deshalb heute insoweit keine Veränderungen vor.

Ich gehe davon aus, dass die Fraktionen in der Lage sind, die angedeuteten Änderungen im nächsten Frühjahr, das heißt bis zur Aufstellung des Doppelhaushalts 2007/08, gemeinsam zu entwickeln. Ich beabsichtige, die Fraktionsvorsitzenden zu einem entsprechenden vorbereitenden Gespräch und zur Begleitung einzuladen. Ich glaube, dass wir die Lösung gemeinsam auf den Weg bringen müssen.

Sollte allerdings - auch das will ich hier in aller Offenheit deutlich machen - die Neuordnung der Diätenstruktur nicht gelingen, sollte also kein neues Modell der Abgeordnetenentschädigung gemeinsam auf den Weg gebracht werden können, bin ich - auch aus verfassungsrechtlichen Gründen - gehalten, Konsequenzen aus der Nichteinigung zu ziehen. Das heißt, ich müsste aufgrund der eingangs

dargestellten Einkommensentwicklung - das betrifft also die eigene Einkommensentwicklung, diejenige im öffentlichen Bereich, die in der allgemeinen Wirtschaft, die Gesamtentwicklung der Lebenshaltungskosten und die sozialpolitische Lage in Deutschland; dies ist ein großer Datenkranz, der von Erhöhungen im Bereich der Renten über Hartz IV bis zu der allgemeinen Entwicklung und der Haushaltslage reicht - für Schleswig-Holstein einen Vorschlag unterbreiten, der die Angemessenheit möglichst wiederherstellt. Denn nach meiner Meinung kann man, wenn man eine relative Verminderung von 8 % im Laufe der Jahre sieht und festgestellt hat, dass die Erhöhung 2001 und die Festlegung 2001 angemessen war, heute von Angemessenheit nicht mehr reden. Ich müsste also unter Berücksichtigung der dann festzustellenden Angemessenheit einen Vorschlag machen. Diesen Vorschlag würde ich den Fraktionen natürlich vor der Aufstellung des Doppelhaushalts 2007/08 unterbreiten.

Ein weiteres Zuwarten wäre mir dann wegen des verfassungsrechtlichen Erfordernisses, dass die Grundentschädigung der Bedeutung des Amtes entsprechen muss und der damit verbundenen Belastung und Verantwortung gerecht werden muss, dann nicht mehr möglich. Es wäre auch unangemessen, länger zu warten. Deswegen der eingangs unterstrichene Appell, dass wir gemeinsam versuchen, die Neuregelung auf den Weg zu bringen, damit es nicht zu einer losgelösten und auf Dauer sicherlich nicht vertretbaren Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung, das heißt der Grundentschädigung, kommen muss.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke dem Herrn Landtagspräsidenten. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Ich schlage vor, durch Beschluss von dem Bericht Kenntnis zu nehmen. Wer so votieren will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Reform kommunaler Verwaltungsstrukturen (Erstes Verwaltungsstrukturreformgesetz)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/407

(Landtagspräsident Martin Kayenburg)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteile das Wort für die Landesregierung Herrn Innenminister Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die kommunale Verwaltungsstrukturreform ist neben Arbeit, Bildung und Haushaltskonsolidierung der vierte Eckpfeiler der Politik dieser Landesregierung. Die Landesregierung beabsichtigt, die Verwaltung in Schleswig-Holstein auf Landes-, Kreis- und der Ebene der Städte und Gemeinden sowie Ämter und Zweckverbände professioneller, bürgernäher und wirtschaftlicher zu gestalten. Hierbei sind nicht mehr hinreichend leistungsfähige Verwaltungen auch unter finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten abzubauen oder zusammenzulegen. Durch Abbau von Doppelzuständigkeiten auf Landes- und kommunaler Ebene sollen Synergien geschöpft werden.

Im kreisangehörigen Bereich halten wir Kommunalverwaltungen nur dann für zukunftsfähig, wenn sie mindestens 8.000 Einwohnerinnen und Einwohner betreuen. Das gilt sowohl für Ämter als auch für amtsfreie Gemeinden. Die Mindestgröße von 8.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist nach Überzeugung aller Fachleute erforderlich, um Aufgaben professionell und wirtschaftlich wahrnehmen zu können. Unabhängig davon bleibt es Ämtern und amtsfreien Gemeinden unbenommen, auf freiwilliger Basis Verwaltungskooperationen und Fusionen zu vereinbaren, die deutlich über 8.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegen.