Frau Heinold, für mich heißt Bürgernähe etwas ganz anderes. Es bedeutet nicht, dass ich in die nächste Kreisstadt oder sonst wo hin fahren muss. Es bedeutet, im kleinsten Ort, in der kleinsten Gemeinde kann ich mein Anliegen abgeben und bekomme dort eine Antwort wieder. Der Bürger läuft nicht der Verwaltung hinterher, sondern die Verwaltung dient dem Bürger. Er finanziert sie nämlich. So wird ein Schuh daraus.
Insofern, lieber Karl-Martin Hentschel, mein Herz ist immer noch da, wo es hingehört, mein Hirn aber auch.
Um es zusammenfassend zu sagen: Liebe Anke Spoorendonk, das waren nicht die sieben Todsünden der großen Verwaltungsreform, sondern argumentativ war das eher Schneewittchen und die sieben Zwerge.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich frage den Kollegen Hildebrand, ob seine Formulierung „sollte überwiesen werden“ einen Antrag darstellte.
- In Ordnung, damit ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Ich schlage vor, an den Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen worden.
Wir das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Tobias Koch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die finanzielle Situation des Landes SchleswigHolstein ist uns hinreichend bekannt, ich glaube aber, man kann die Zahlen nicht oft genug wiederholen: über 20 Milliarden € Schulden bis Ende 2004 und voraussichtlich 1,7 Milliarden € neue Schulden in diesem Jahr. Genauso dramatisch wie die Haushaltslage ist auch die Situation am Arbeitsmarkt. Trotz leicht rückläufiger Zahlen waren auch im Oktober rund 150.000 Schleswig-Holsteiner ohne Arbeit.
Die politische Herausforderung besteht deshalb im Spagat, wie es unser Finanzminister so treffend formuliert. Einerseits gilt es zu sparen, um den Haushalt zu konsolidieren, und andererseits gilt es zu investieren, um für mehr Wachstum und Beschäftigung zu sorgen.
Öffentlich Private Partnerschaften können hierbei ein wichtiges Instrument sein, mit dem es gelingt, beide Ziele gleichzeitig zu erreichen. Die Erfahrungen aus dem europäischen Ausland, aber auch aus anderen Bundesländern zeigen, dass bei Öffentlich Privaten Partnerschaften Kosteneinsparungen von 10 bis 20 % - bezogen auf den gesamten Lebenszyklus eines Projektes - möglich sind. Indem private Partner ihr Know-how und Kapital einbringen, gelingt es, die Planung, den Bau, den Betrieb und die Finanzierung so optimal aufeinander abzustimmen, dass die genannten Kosteneinsparungen im Vergleich zu einer konventionellen Beschaffung durch die öffentliche Hand erreicht werden können.
Schätzungen zufolge beläuft sich allein der Investitionsstau im Schulbaubereich in Schleswig-Holstein auf rund 400 Millionen €. Allein dieses Beispiel zeigt, über welche Größenordnungen wir sprechen, wenn Kosteneinsparungen von 20% durch Öffentlich Private Partnerschaften möglich sind.
Die CDU Landtagsfraktion hat sich deshalb auf Basis des PPP-Konzeptes der Landesregierung in den vergangenen Monaten sehr intensiv mit dieser Thematik beschäftigt. Im Rahmen des ersten Fördeforum der CDU-Landtagsfraktion diskutierten Experten über Rechts- und Finanzierungsfragen von PPP-Modellen. Der hohe Stellenwert und die Aktualität dieses Themas wurde an der großen Beteiligung von rund 200 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung deutlich. Einen Einblick in die Realisierung vor Ort konnten wir am Beispiel des Schulneubaus der Stadt Reinfeld gewinnen, das bislang einzige in Schleswig
Holstein realisierte PPP-Modell im Schulbaubereich. Neben den Vorteilen eines garantierten Festpreises, einer kurzen Bauzeit von 11 Monaten und einer termingerechten Fertigstellung wurde hierbei eine Kosteneinsparung von 22 % gegenüber den durchschnittlichen Bundesbaukosten und sogar von 33 % gegenüber den abgerechneten Schulbauten des Landkreises Stormarn erzielt. Meine Damen und Herren, Sie sehen, PPP-Projekte machen sich bezahlt!
Die aus unseren Beratungen gewonnenen Erkenntnisse finden heute ihren Niederschlag im vorgelegten Antrag der Fraktionen von CDU und SPD zur Erleichterung Öffentlich Privater Partnerschaften. Durch die Anpassung des Landeshaushaltsordnung und der betreffenden kommunalrechtlichen Vorschriften wollen wir erreichen, dass die derzeit in Schleswig-Holstein noch bestehenden Hemmnisse für Öffentlich Private Partnerschaften aus dem Weg geräumt werden.
Ein solches Hemmnis ergibt sich beim Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen Öffentlich Privater Partnerschaft und konventioneller Beschaffung. Wenn ein privater Partner Risiken übernimmt, die ansonsten von der öffentlichen Hand zu tragen wären, dann wird er dies in seiner Kalkulation in Form einer Risikoprämie berücksichtigen und dem öffentlichen Auftraggeber in Rechnung stellen. Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich, der in einem solchen Fall allein auf die Kosten abstellt, ohne dabei den finanziellen Wert des erfolgten Risikotransfers einzubeziehen, führt zu keinem sachgerechten Ergebnis und behindert dadurch eine positive Entscheidung für PPP-Modelle. Ein weiteres Hemmnis ergibt sich dadurch, dass nach bestehender Rechtslage die öffentliche Hand Vermögensgegenstände nur dann veräußern darf, wenn sie zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe auf absehbare Zeit nicht mehr benötigt werden. Wenn aber ein privater Partner eigenes Kapital investieren soll, dann wird er das im Regelfall nur dann tun, wenn ihm auch die Eigentumsrechte an der zugrunde liegenden Sache übertragen werden. Hilfskonstruktionen sind hier zwar möglich, bedeuten aber gleichwohl eine Behinderung von Öffentlich Privaten Partnerschaften.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diese Hürden einreißen. Um den Spagat zwischen Sparen und Investieren zu meistern, brauchen wir mehr Freiheiten für Öffentlich Private Partnerschaften.
Nur auf diese Weise können wir mit unseren begrenzten Mitteln ein Maximum an Investitionen auslösen und damit für Wachstum und Beschäftigung in unserem Land sorgen. Deshalb bitte ich Sie um Zustim
Ich erteile nunmehr für die Fraktion der SPD der finanzpolitischen Sprecherin, Frau Abgeordneter Birgit Herdejürgen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Betrachtung eines öffentlichen Bauvorhabens stellte der Berliner Bausenator - so berichtete „Die Zeit“ - Anfang 2000 die Frage, ob es denn wirklich die Rolle des Staates sei, Toiletten zu bauen. Vielleicht braucht es Schlüsselerlebnisse, um eingefahrene Wege öffentlicher Leistungserbringung zu verlassen. Letztlich haben wir schon beim vorherigen Tagesordnungspunkt die grundsätzlichen Fragen aufgeworfen, die im Prozess der Aufgabenkritik zentral sind: Muss eine Aufgabe zwingend von der öffentlichen Hand erledigt werden und wer kann die Leistung am professionellsten und am wirtschaftlichsten erbringen?
Genau dieser Ansatz ist Grundlage für die Weiterentwicklung des Instruments Öffentlich Privater Partnerschaften. Selbstverständlich bleibt der Staat verantwortlich für Leistungen der Daseinsvorsorge. Allerdings findet zurzeit ein Umdenken statt: Der Staat muss Leistungen nicht zwingend selbst erbringen, sondern er ist Garant für die Bereitstellung von Leistungen. Diese Bereitstellung kann eben auch durch private Anbieter stattfinden.
Eine aktuelle Untersuchung des deutschen Instituts für Urbanistik hat ergeben, dass in mehr als drei Viertel der Kommunen bis heute keine derartigen Projekte durchgeführt werden. Das ist aus durchaus nachvollziehbaren Gründen so. Die Transaktionskosten machen kleinere Projekte unwirtschaftlich. Somit ist es auch kaum verwunderlich, dass in erster Linie größere Städte beziehungsweise dann eben die nächst höheren Ebenen von dem Instrument ÖPP Gebrauch machen. Es wäre zu prüfen, ob durch standardisierte Verfahren und andere Hilfen auch kleinere Projekte angeschoben werden können. Das wäre sicherlich hilfreich.
Obwohl ÖPP schon vor Verabschiedung des Beschleunigungsgesetzes des Bundes im September möglich waren, haben Benachteiligungen privater Anbieter - der Kollege Koch hat das angesprochen - bisher wenn auch nicht verhindernd, so zumindest stark hemmend gewirkt. In Deutschland ist ÖPP bisher noch keine etablierte Alternative zu konventionell
finanzierten Projekten. Es geht aber auch nicht darum, Privatunternehmen in jedem Fall den Vorzug vor öffentlicher Leistungserbringung zu geben. Der Landesrechnungshof weist in seiner Stellungnahme zum Haushaltsentwurf 2006 darauf hin, dass die Grundprobleme des Haushalts durch ÖPP nicht zu lösen sind. Das ist völlig richtig. Vor jeder Entscheidung für privates Engagement steht selbstverständlich die Bewertung der Wirtschaftlichkeit; es gibt da keinen Automatismus.
Wirtschaftlichkeit bedeutet bei der Betrachtung Öffentlich Privater Projekte - auch das wurde bereits gesagt -, den gesamten Lebenszyklus einer Maßnahme zu betrachten, bei der Bauplanung beispielsweise bereits die Optimierung der Betriebskosten zu berücksichtigen, da diese in die Kalkulation und letztendlich in die Bewertung einfließen. Das Thema Risikotransfer ist hier auch schon angesprochen worden; dazu muss ich nichts mehr sagen.
Der Kommentar des Landesrechnungshofes zielt in erster Linie darauf ab, ÖPP als Instrument zur Beseitigung von Finanzierungsengpässen der öffentlichen Hand zu betrachten. Die schon zitierte Umfrage zeigt sehr deutlich, dass die Erwartungen an erhöhte Effizienz und beschleunigte Abwicklung von Projekten eine weit größere Rolle spielen. Zwar spielt der Bedarf nach privatem Kapital durchaus eine Rolle, es ist aber nicht so, dass finanzschwache Kommunen sich häufiger für ÖPP entscheiden als finanzstarke Kommunen.
Die Erwartungen an Effizienzsteigerungen sind bei den abgefragten Projekten fast durchgehend erfüllt worden. Voraussetzung für einen zufrieden stellenden Projektverlauf ist eine vorausschauende Vorbereitung und umfangreiche vertragliche Festlegung, bezogen auf Nutzungsrechte, Kontrollrechte, Qualitätsanforderungen und Preise. Wichtig sind auch ein optimiertes Schnittstellenmanagement und gestraffte Verfahrensabläufe, eine Bündelung der Kräfte von privater Seite und öffentlicher Hand, um Verzögerungen zum Beispiel bei Genehmigungsverfahren weitgehend zu vermeiden.
In Schleswig-Holstein bietet das Kompetenzzentrum der Investitionsbank Hilfestellung und Unterstützung im gesamten Verfahren. Aus meiner Sicht ist auch das Engagement der HSH-Nordbank im Ostseeraum erfreulich. Auch auf die dort gewonnenen Erfahrungen können wir in Schleswig-Holstein zurückgreifen. Orientierungshilfen und standardisierte Verfahren werden sowohl von öffentlicher Seite als auch von Seiten der Privatwirtschaft nachgefragt. Wir sind in Schleswig-Holstein, denke ich, gut darauf vorbereitet. In jedem Fall muss jedoch sichergestellt werden,
dass landes- und kommunalrechtliche Bestimmungen die Entwicklung nicht unnötig behindern. Deshalb bitten wir die Landesregierung, uns möglichst kurzfristig einen Vorschlag zur Erleichterung von Öffentlich Privaten Projekten in Schleswig-Holstein zu unterbreiten.
Auf der Tribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte der Jörgensby-Skolen aus Flensburg sowie Auszubildende der Stadtverwaltung Kappeln. - Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In der Bundesrepublik besteht ein erheblicher Bedarf an öffentlichen Investitionen und so leiten die Antragsteller ihren Antrag dann auch ein. Das stimmt, allerdings ist das aus unserer Sicht etwas zu eng gefasst, vor allem braucht Deutschland nämlich überhaupt wieder mehr Investitionen. Die am weitesten entwickelten Staaten auf der Erde sind Mitglieder der OECD und von den OECD-Staaten investiert Deutschland am wenigsten. Das ist eine der wichtigsten Ursachen der deutschen Wachstumsschwäche. Gerade noch 3 % seines Nettoinlandsprodukts investierten Deutschland 2003 in neues Sachkapital. Die OECD-Staaten und die alten 15 EU-Staaten investieren 2003 knapp 8 % netto in neues Sachkapital, zweieinhalbmal mehr als Deutschland.
Die Bereitschaft, an einem Standort zu investieren, ist einer der besten Maßstäbe für dessen Ansehen und damit für das Vertrauen, das die Investoren in diesen Standort hegen. Gemessen daran ist Deutschland in der so genannten ersten Welt bedauerlicherweise momentan ganz unten. Es ist offensichtlich, wir werden die gesellschaftliche Strukturkrise Deutschlands nur bewältigen können, wenn in Deutschland auch wieder mehr investiert wird.
Investoren borgen sich für ihre Investitionen das notwendige Kapital bei Sparern. Sie bekommen es aber nur, wenn sie den Sparern für deren Dienstleistung genug bezahlen. Das Geld, mit dem die Investoren die Sparer bezahlen, wollen sie mit den Investitionen verdienen. Erwarten die Investoren, ein Investitions
projekt werfe während seiner Laufzeit nicht genügend ab, um die Sparer und die Investoren angemessen entlohnen zu können, dann verzichten sie auf diese Investitionen.