Ich erteile nunmehr für die Fraktion der CDU deren Vorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist es zunächst ein Anliegen, dem Herrn Präsidenten sehr herzlich für seine Rede heute Morgen zum 9. November zu danken, die ich für sehr angemessen gehalten habe.
Herr Präsident, im Übrigen fand ich Ihre Worte zu etwas mehr Pflichtgefühl von Politikern, gerade angesichts der Ereignisse in der vergangenen Woche in Berlin, mehr als angebracht. Ich kann nur hoffen, dass die Worte, die hier in Kiel an der Förde gesprochen worden sind, in Berlin, aber vielleicht auch in München gehört werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben mit Interesse Ihren Worten zugehört, Frau Kollegin Spoorendonk. Wir sind bei dieser kraftvollen Opposi
tion natürlich immer darauf angewiesen, dass in diesem Haus deutliche Worte gesprochen werden. Nur, wenn Sie anregen,
wir sollten eine Expertenkommission einsetzen, dann muss ich Ihnen sagen, dass das ein ständiger Fehler deutscher Politik und deutscher Parlamente ist. Wir sind das Parlament. Wir entscheiden. Hier sitzen genug Menschen, die von den Bürgerinnen und Bürgern ein Mandat verliehen bekommen haben, die Sachverstand haben, die sich des Sachverstandes der Landesverwaltung und der Kreisverwaltung bedienen können. Nicht immer Verantwortung in Expertenkommissionen ausgliedern, sondern zur eigenen politischen Verantwortung stehen - das ist unser Motto in diesen Tagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir freuen uns, dass seit dem 27. April Peter Harry Carstensen Ministerpräsident ist und schon ein halbes Jahr später ein Zwischenbericht zur Verwaltungsstrukturreform vorliegt. Ganz im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Hentschel, muss ich sagen, dass darin eine ganze Menge steht, und das sollten wir hier auch miteinander diskutieren.
Nein, die Redezeit ist beschränkt. Herr Kollege Harms, ich möchte Sie freundlich bitten, sich danach noch einmal zu äußern.
Herr Kollege Hentschel, der Landesrechnungshof hat in seinem Kommunalbericht 2005 festgestellt, dass - ich darf zitieren - „die inzwischen eingeleiteten Maßnahmen ein wichtiger Schritt für eine zielorientierte Weiterentwicklung der Verwaltung in Städten, Ämtern und Gemeinden“ sind.
Lassen Sie mich daran erinnern: Seit 1994, also seit über zehn Jahren, liegt der Abschlussbericht der Enquetekommission zur Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Verwaltung auf dem Tisch des Hauses, der auf über 200 Seiten konkrete Vorschläge zur Aufgabenreduzierung, Privatisierung und Verwaltungsstrukturreform aufzeigt.
Im Jahr 1996 - vor nicht ganz, aber fast zehn Jahren - haben CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jeweils eigene Konzepte zum Thema „Entbürokratisierung, Verwaltungsstrukturreform und Aufgaben
abbau“ vorgelegt. Das Kostenausgleichsprinzip wurde in der Landesverfassung Schleswig-Holsteins verankert, eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür - das sollten wir den Kommunalpolitikern auch immer wieder sagen -, eine Funktionalreform durchführen zu können, die nicht zulasten der kommunalen Ebene geht. Das bleibt weiterhin Prinzip unserer Politik auf Landesebene.
Eigentlich waren also schon lange Konzepte bekannt, Vorschläge lagen auf dem Tisch. Es ist nichts geschehen. Jetzt geht es endlich los. Die Entschlossenheit des Ministerpräsidenten, trotz Kritik auch in meiner Partei am Kurs der Verwaltungsreform festzuhalten, ist gut und richtig und wird von uns unterstützt. Ihr ist es zu verdanken, dass wir in der Kürze der Zeit bereits so weit gekommen sind und dass sowohl die Leitlinien zur künftigen kommunalen Verwaltungsstruktur als auch ein 55-Punkte-Katalog des Innenministers vorliegen, die - das möchte ich ausdrücklich sagen - in die richtige Richtung zeigen und von uns unterstützt werden.
Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal sagen, dass darauf hingewiesen wird, dass erst nach Abschluss der Aufgabenanalyse und -kritik Ende des Jahres eine konkrete inhaltliche Festlegung erfolgen kann. Auch wenn sich CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, die Verwaltungsstrukturreform mit einer grundlegenden Aufgabenkritik zu beginnen, so ist der nunmehr eingeschlagene Weg, Aufgabenanalyse und Strukturreform parallel zu bearbeiten, durchaus sachgerecht, um möglichst schnelle und sachgerechte Ergebnisse erzielen zu können.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch einmal auf die große Bedeutung einer grundlegenden und gründlichen Aufgabenkritik und -bereinigung hinweisen und an alle Beteiligten appellieren, den Prozess aktiv mitzugestalten. Schließlich ist sie zwingende Voraussetzung dafür zu entscheiden, welche staatlichen Aufgaben weiterhin beim Land verbleiben und welche Aufgaben in kommunale Aufgaben umgewandelt werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Innenminister hat darauf hingewiesen: Dies ist nicht die politische Privatangelegenheit des Staatssekretärs Klaus Schlie. - Es ist vielmehr die Angelegenheit der
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ganz klar: Es darf keine Reform um ihrer selbst willen geben. Es muss am Ende sinnvolle Verwaltungsstrukturen des Reformprozesses geben.
Die Aussage des Steuerzahlerbundes vom 21. Oktober, es müsse nicht nur alles anders, sondern vor allem alles kostengünstiger werden, findet unsere volle Unterstützung. Allerdings teile ich weder die Auffassung des Steuerzahlerbundes, die kommunale Verwaltungsstrukturreform werde zu einer Alibiveranstaltung, noch den Vorwurf, dass trotz umfassender Unterlagen die wahren Zielvorstellungen der Landesregierung im Dunkeln blieben. Sie entbehren jeder Grundlage und sind unberechtigt, da die Aufgabenkritik trotz aller Anstrengungen nun erst einmal am Jahresende abgeschlossen wird und erst dann gesagt werden kann, welche Aufgaben beim Land verbleiben und welche verlagert werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Eile ist geboten, aber nach jahrelangem Stillstand bei dieser Aufgabe ist uns Gründlichkeit wichtiger als das Verkünden vorschneller Ergebnisse. Damit wäre niemandem gedient.
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass das, was der Innenminister am 13. Oktober zur Veranschaulichung unterbreitet hat - Beispiele für Aufgabenwahrnehmung in den neuen Organisationsstrukturen; natürlich mit dem Hinweis, dass bei den Beispielen keinesfalls die noch im Einzelfall zu treffende Entscheidung über die tatsächliche Aufgabenverlagerung vorweggenommen werden soll -, richtig und sinnvoll war. Mit dieser Maßnahme hat der Innenminister dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit einerseits und den anstehenden Entscheidungen der Landesregierung andererseits Rechnung getragen.
Das Verhalten zeigt aber auch das Bestreben der Landesregierung, die Bürgerinnen und Bürger in den Reformprozess mit einzubeziehen und sie frühzeitig zu informieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an der Stelle für meine Fraktion Folgendes festhalten: Erstens. Für uns ist in der Tat das wichtig, was der Innenminister hier betont hat. Eine von oben verordnete Gebietsreform, wie sie noch zu Beginn des Jahres in Schleswig-Holstein politisch aktuell war, ist vom Tisch.
Zweitens. Wir sind für eine engere Zusammenarbeit - auch in dem Sinne, wie es der Innenminister hier geschildert hat - auf der Ebene zwischen den Kreisen und den kreisfreien Städten. Aber, Frau Kollegin Spoorendonk, die Entschlossenheit dieser Koalition, hier zu Veränderungen zu kommen, heißt aus unserer Sicht zweierlei: Es gibt keine verordnete Kreisgebietsreform von oben und es darf auch keine neue Behördenebene geben. Denn wenn wir diese schaffen würden, würden wir von vornherein alle Ziele konterkarieren, und das wird es mit uns an der Stelle nicht geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden diese Reform auch im Bereich der Ämter, der Amtsverwaltungen und der Gemeinden mit Entschlossenheit durchführen. Das verlangt aber auch, dass wir die Kritik, die von dieser kommunalen Ebene geäußert wird, aufnehmen und in unseren Diskussionen berücksichtigen. Denn die Größe einer Verwaltung lässt keine zwingenden Rückschlüsse auf ihre Qualität zu.
Deswegen nehme ich den Hinweis des SchleswigHolsteinischen Gemeindetages schon sehr ernst, der einmal auf die Größenordnungen hingewiesen hat und die werden auch Maßstab für das weitere Gesetzgebungsverfahren unsererseits sein. Denn wir reden hier und haben große Diskussionen landesweit darüber, dass wir eine Reform der Ämter und Amtsverwaltungen wollen. Wir reden über insgesamt 115 Amtsverwaltungen, in denen sage und schreibe 2.900 Mitarbeiter beschäftigt sind. Allein in der Landeshauptstadt Kiel werden 4.000 Mitarbeiter, in der Hansestadt Lübeck 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, so hart und entschlossen, wie wir bei den Amtsverwaltungen vorgehen - das sage ich mit gleicher Klarheit und Härte -, müssen wir bei den kreisfreien Städten, bei den Kreisverwaltungen und den hauptamtlich verwalteten Städten darauf drängen, dass auch dort Effizienz und eine Überwachung der Kosten zum Tragen kommen. An der Stelle müssen wir mit der gleichen Härte und Stringenz vorgehen, wie wir jetzt auch bei den Amtsverwaltungen vorgehen. Das ist sehr wichtig.
Es war wichtig - das möchte ich abschließend sagen -, dass der Innenminister deutlich gemacht hat, welche attraktiven Vorteile größere Verwaltungseinheiten mit sich bringen können. Er hat darauf hingewiesen, dass ab einer Größenordnung von 18.000 bis 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern die Wahr
nehmung bauaufsichtlicher Aufgaben oder die Verkehrsaufsicht und auch Angelegenheiten des fließenden Verkehrs in Betracht kommen. Insofern habe ich die Hoffnung und Erwartung, dass die kommunale Ebene jetzt aus ihrer Verweigerungshaltung, aus ihrer teilweise festzustellenden Passivität herauskommt und die neuen Aufgaben sieht, die angepackt werden können.
Abschließend ein Wort des neu gewählten Bundestagspräsidenten zur Aufgabe des Parlaments, Frau Kollegin Spoorendonk, das wir mit großer Gelassenheit und Selbstbewusstsein auch für unser Haus gelten lassen sollten: Das Parlament ist nicht Vollzugsorgan, sondern Auftraggeber der Regierung. - Das gilt auch in diesem Vorhaben.
Für die Fraktion der SPD erteile ich deren innenpolitischem Sprecher, Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Landtagswahl jagen wir mit verstärkter Intensität einen Begriffselefanten durch den Behördendschungel und der heißt Verwaltungsstrukturreform. Wir hatten ihn schon häufiger im landespolitischen Visier. Es gibt Expertisen, Gutachten, Kommissionsberichte und Sonderausschussprotokolle darüber, wie man am besten an ihn herankommt. Jetzt soll es ernst werden. Die SPD-Landtagsfraktion wird die Landesregierung auf ihrem Weg zu einer wirksamen Verwaltungsstrukturreform in Schleswig-Holstein konstruktiv begleiten und unterstützen.
Der Kommunalbericht 2005 des Landesrechnungshofs beschreibt einmal mehr eindrucksvoll die kommunale Wirklichkeit und den politischen Handlungsbedarf in kleineren Ämtern und Gemeinden. Einnahmeausfälle und Kostensteigerungen führen zu Haushaltsbelastungen, die nur noch mit strukturellen Maßnahmen in den Griff zu bekommen sind. In einer Bestandsaufnahme und Bewertung zu Verwaltungsstrukturen und zur Zusammenarbeit hat der Landesrechnungshof schon im November 2003 sehr dezidiert die Forderungen nach einer notfalls landesgesetzlich zu regelnden kommunalen Verwaltungsstrukturreform erhoben. Ich finde, liebe Kollegin Spoorendonk, auf Analysen unseres Landesrechnungshofes zurückzugreifen kann man kaum als Todsünde bezeichnen; das finde ich ein bisschen daneben.