Protocol of the Session on September 17, 2009

Lassen Sie mich eines vorwegnehmen: Für die Landesregierung steht es außer Frage, dass gegen Lohndumping und Ausbeutung mit aller Kraft angegangen werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb haben wir auch Gesetzesvorhaben in Berlin unterstützt, die Verzerrungen zielgerichtet entgegenwirken. Es darf allerdings keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn geben. Die Landesregierung ist aus guten Gründen gegen einen solchen Einheitsmindestlohn, und diese Gründe sind auch in dieser Debatte nicht entkräftet worden.

Ich will die drei wichtigsten Punkte noch einmal kurz nennen. Das ordnungspolitische Argument gegen einen gesetzlichen Einheitsmindestlohn ist die Tarifautonomie. Der Staat sollte sich nicht zur Obertarifmacht aufschwingen.

Die Lohnfindung ist Sache der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, und das hat sich über Jahrzehnte bewährt.

(Beifall bei der CDU)

Sie sind die Tarifparteien. Ihnen obliegt, das Lohnniveau auch in den unteren Lohngruppen zu vereinbaren. Wenn sie es gemeinsam wollen, dann kann es bereits jetzt einen Mindestlohn geben, den der Staat dann für verbindlich erklären kann. Das ist in einer Demokratie und in einer sozialen Marktwirtschaft der richtige Weg.

Das ökonomische Argument gegen einen gesetzlichen Einheitsmindestlohn ist die Gefährdung der ohnehin knappen Arbeitsplätze für gering qualifizierte Arbeitnehmer. Die Tarifparteien sind es, die die regionalen und branchenspezifischen Verhältnisse am besten kennen. Nur über die Tarifparteien kommen wir zu differenzierten Lösungen, die wirklich nützen und nicht schaden. Ein zentralistischer Mindestlohn wird einfache Arbeit noch weiter verdrängen, und zwar in Niedriglohnländer, in die Schwarzarbeit oder auf Maschinen. Gern werden Großbritannien, die USA und Frankreich als Beispiele für eine erfolgreiche Mindestlohnpolitik genannt, doch leider taugen diese Länder als Beispiele nicht. Die Arbeitsmärkte in Großbritannien und in den USA sind völlig anders verfasst als bei uns. Die unerträglich hohe Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich hat auch etwas mit dem dort geltenden gesetzlichen Mindestlohn zu tun. Das ist schon gesagt worden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Für uns in Schleswig-Holstein heißt das: Wir sollten alles tun, was Arbeit fördert. Wir sollten alles unterlassen, was Arbeitslosigkeit bewirkt. Dies gilt besonders in einer akuten Weltwirtschaftskrise. Immer und gerade jetzt zählt jeder Arbeitsplatz.

(Beifall bei der CDU)

Es kommen noch beschäftigungs- und sozialpolitische Argumente hinzu, und ich bitte, diese nicht gering zu schätzen. Es sollte schon so sein, dass man davon leben kann, wenn man Tag für Tag von morgens bis abends zur Arbeit geht, aber wir sollten uns nichts vormachen. Es gibt niedrige Qualitätsniveaus, mit denen kein auskömmlicher Lohn zu erwirtschaften ist. Dieses Niveau gibt es zusätzlich zu regionalen und konjunkturellen Unterschieden, die vorübergehend oder auch auf Dauer keinen auskömmlichen Lohn ermöglichen. Wenn der Gesetzgeber hier eingreift, dann mag der Lohn nominell steigen, aber faktisch sinkt er auf Null, weil die Arbeit hier nicht mehr stattfindet.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Das kann nicht unser Ziel sein. Es ist auch für das Selbstwertgefühl besser, wenn Menschen Arbeit haben und wenn der Staat im Bedarfsfall ihren Verdienst je nach familiärer Situation zu einem Aufkommen aufstockt, das die Existenz sichert.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen dazu geeignete Regelungen im Steuer- und Transfersystem, die - und das ist mir ausgesprochen wichtig - die Arbeitsanreize so wenig wie möglich schwächen.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Die Alternative wäre, dass diese Menschen komplett vom Sozialtransfer leben, dass sie nicht mehr im Arbeitsprozess stehen, dass sie nicht einmal mehr die Chance haben, eines Tages auf eigenen Füßen zu stehen. Das ist keine gute Alternative.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Landesregierung unterstützt den Kampf gegen Lohndumping und Ausbeutung. Wir sind dabei, wenn die Waffen gegen sittenwidrige Bezahlung geschärft werden sollen. Grundlegende ökonomische Wirkungsmechanismen können wir aber nicht einfach ignorieren, und das tut leider Ihr Antrag. Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn über alle Branchen und Regionen hinweg halten wir nicht für ein geeignetes Mittel.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch?

Ja, bitte.

Herr Minister, können Sie bestätigen, dass in SchleswigHolstein Jahr für Jahr 170 Millionen € aus Steuermitteln ausgegeben werden, um den Niedriglohnsektor zu finanzieren, und dass man dieses Geld vielleicht besser für Arbeitsförderung einsetzen könnte?

(Beifall bei der SPD)

- Entschuldigen Sie, ich habe die Frage nicht richtig verstanden.

(Minister Dr. Jörn Biel)

Können Sie bestätigen, dass in Schleswig-Holstein Jahr für Jahr 170 Millionen € als Unterstützungsmittel für die Förderung des Niedriglohnsektors ausgegeben werden und dass dieses Geld eventuell besser anders - zum Beispiel für die Arbeitsmarktförderung - ausgegeben werden könnte?

- Das kann ich nicht bestätigen, aber ich glaube, das hat mit diesem Thema auch nichts zu tun.

(Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zurufe)

- Genau, das ist gut erkannt. Gewerkschaftssekretär aus einer Branche, in der Mindestlöhne bereits existieren, einer Branche, in der Mindestlöhne nicht dazu geführt haben, dass Arbeitsplätze abgebaut wurden. Vielleicht haben wir daher auch ein bisschen mehr Einblick in Tarifautonomie.

(Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

- Ja, darüber können wir auch gern diskutieren. Die Tarifautonomie wurde hier des Öfteren angesprochen. Es wurde davon gesprochen, dass Mindestlöhne dazu führen würden, dass die Tarifautonomie eingeschränkt sei beziehungsweise ausgehebelt werde. Wenn wir nun zwei ausgewiesene Arbeitsexperten hier vor uns haben, dann frage ich Sie -

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki ist ja auch einer. Ich frage Sie, wo Mindestlöhne die Tarifautonomie aushebeln. Das geht nämlich gar nicht, weil Tariflöhne immer höher sein sollten als Mindestlöhne. Mindestlöhne sind nur eine Deckelung nach unten und sollten nicht Tariflöhne werden. Vor mir aus können wir gern das österreichische Modell einführen. Wenn Sie dabei sind, dann habe ich damit gar kein Problem. In Österreich ist es so, dass Tariflöhne von Gewerkschaften und Arbeitsgebern ausgehandelt

werden und dann für allgemeinverbindlich erklärt werden. Damit kann ich sehr gut leben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wenn Sie so viel Wert auf Tarifautonomie legen, dann bin ich gern dabei. Diese haben wir in Deutschland nicht. Das war mein erster Punkt.

Zweitens. Wenn Sie schon die IG BCE nennen, dann hätten Sie vielleicht auch einmal zum Gewerkschaftstag der IG BAU gehen können. Er findet in dieser Woche statt und läuft auch heute und morgen noch. Vielleicht sollten Sie einmal einen Vertreter der CDU dort hinschicken. Dann wüssten Sie das ebenso wie der Wirtschaftsminister, der sagt, es gebe heute schon Mindestlöhne. Damit sei alles gut. Im Gebäudereinigerhandwerk gibt es einen Mindestlohn. Dieser Mindestlohn steht gerade davor, von Arbeitgeberseite her aufgelöst zu werden. Dann wird man dort keine Mindestlöhne mehr haben.

Wer sich in letzter Zeit die Zeitungen angesehen hat, der weiß, dass es trotz der Mindestlöhne sittenwidrige Verträge gab. Es gab die Fälle, dass Gebäudereinigerrinnen für 3 € oder 3,50 € arbeiten mussten. Insofern besteht hier schon ein Handlungsbedarf. Wenn wir sagen, flächendeckende Mindestlöhne sollen dort eingesetzt werden, wo tarifliche Mindestlöhne nicht gelten, weil es keine Tarifverträge gibt, dann ist dies kein Mittel dazu, Arbeitsplätze abzubauen, sondern es trägt dazu bei, dass die soziale und gesellschaftliche Verantwortung von Arbeitgebern endlich in diesem Land ernst genommen wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/1565, ist vom Antragsteller zurückgenommen worden.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag „Existenzsichernde Arbeit gewährleisten Mindestlohn einführen“, Drucksache 16/2827 (neu). Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/2879, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich

(Minister Dr. Jörn Biel)

1 Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt als Anlage bei

um sein Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag -

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Johann Wadephul [CDU])

Ich habe bei der Union einige Kollegen gesehen und das als pars pro toto genommen. Bitte, Herr Fraktionsvorsitzender!

Herr Präsident, Sie haben mich gerade etwas irritiert. Ich wollte beantragen, dass wir abschnittsweise über den Antrag der FDP abstimmen, nämlich zuerst über die Nummern 1 und 2 und dann über die Nummer 3. Ich bitte das Hohe Haus darum, die Abstimmung gegebenenfalls zu wiederholen.