Protocol of the Session on July 23, 2009

„Klassen viel zu groß: Notstand an den Schulen“

„Deutscher Meister nur im Sitzenbleiben“

Frau Ministerin, ich möchte aus einem Kommentar von Susanne Peyronnet in den „Lübecker Nachrichten“ vom 18. November 2008 zitieren:

„Tatsächlich ist die Lage schwer bis unerträglich. Erschöpfte Lehrer, aufgedrehte, unkonzentrierter Kinder - nach sechs oder mehr Stunden Unterricht sind alle geschafft. Lehrermangel, fehlende oder mangelnde Ausstattung, lange Schulwege: Ein Wunder, was Kinder so alles aushalten. Im Kieler Bildungsministerium ist offenbar lange niemand mehr einen ganzen Vormittag über in einer Schule gewesen. Sonst würde man dort die Situation weniger gelassen sehen.“

Die Realschule als erfolgreichste Schulform in Schleswig-Holstein fällt fort. Junge Lehrer, die mit Elf-Monats-Verträgen versehen werden, um anschließend in die Arbeitslosigkeit entlassen zu werden, die dann nicht Arbeitslosengeld empfangen können, sondern Hartz-IV-Empfänger werden, und die Feststellung, dass nirgendwo sonst in Deutschland der Schulabschluss so sehr vom Einkommen der Eltern abhängt wie in Schleswig-Holstein. Das nach 21 Jahren sozialdemokratischer Bildungspolitik ist kein guter Leistungserfolg.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden heute als FDP-Fraktion die Vertrauensfrage des Ministerpräsidenten mit Nein beantworten - nicht, weil es um die Frage eines persönlichen Vertrauens geht, sondern weil die Vertrauensfrage eine Frage an das Parlament ist, ob die Regierung noch über eine parlamentarische Mehrheit verfügt. Das hat sie mit Sicherheit nicht mehr, denn der Kollege Stegner hat heute eindrucksvoll erwiesen, auch mit seinem Redebeitrag, dass alles das, was der Herr Ministerpräsident beschrieben hat, wahrhaftig ist und deshalb kein Vertrauen mehr in die Fortsetzung der Großen Koalition gegeben ist.

Ich will Ihnen aber auch gleichzeitig erklären, warum die FDP in Schleswig-Holstein darüber hinaus kein Vertrauen in diese Regierung hat. Dass die HSH-Nordbank-Krise schlecht gemanagt worden ist, ist offenkundig; ich muss das nicht weiter betonen. Dass die beiden Großkoalitionäre miteinander umgegangen sind wie die Kesselflicker und wir schon deshalb vor geraumer Zeit beantragt haben,

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und wir, diesem Treiben ein Ende zu bereiten, weiß jeder in diesem Haus. Es ist ja nicht so, dass die Koalitionskrise neu entstanden ist,

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

denn seit 2007 beschäftigen wir uns regelmäßig mit der Frage eines Endes der Koalition. Ich habe in der Vergangenheit mehrfach Journalisten gesagt: Mir fällt nichts mehr ein, wie ich das kommentieren soll. Das Land hat Besseres verdient als diese Auseinandersetzung von zwei Partnern, die nicht zusammengehören.

Auch die Behauptung, man habe einen gemeinsamen Wählerauftrag, ist unzutreffend. Es gibt keinen Wählerauftrag für die Große Koalition.

(Beifall bei der FDP)

Zur Wahl standen 2005 ein Bündnis aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Unterstützung des SSW und als Alternative ein Bündnis aus CDU und FDP. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW erhielten eine knappe Mehrheit. Trotzdem waren sie nicht in der Lage, diese Mehrheit durch die Wahl einer Ministerpräsidentin umzusetzen. Das war die Geburtstunde der Großen Koalition. Diese Große Koalition hat sich auch nicht darauf verständigt, ein gemeinsames Projekt zu entwickeln, eine gemeinsame Grundlage zu schaffen. Es war ungefähr so wie ein Ehepaar, bei dem der eine die Küste, das Meer nicht mag und lieber in die Berge will, und der andere die Berge nicht mag und lieber ans Meer will und man sich schließlich darauf verständigt, dass man eine Städtereise macht, wobei der eine Teil noch sagt: Die Stadt Berlin liegt näher am Meer als an den Bergen, also habe ich mich durchgesetzt.

(Zurufe von der SPD)

Darauf lag von Anfang an kein Segen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns mit der Frage der HSH Nordbank beschäftigen, dann müssen wir uns auch mit der Rolle des Fraktionsvorsitzenden der SPD bei der HSH Nordbank beschäftigen. Ich komme auf die Frage des Schreibens zurück.

In den Jahren 2003/04/05 - so ist uns berichtet worden - sind die Grundlagen für Geschäfte gelegt worden, bei denen mehr als die Hälfte - wie festgestellt - der Verluste generiert worden sind, die uns heute belasten. Das Schnellankaufverfahren ist im Jahre 2004 - so hat der NDR berichtet - dem Risi

(Wolfgang Kubicki)

koausschuss der HSH Nordbank vorgelegt worden, und es ist von ihm gebilligt worden. Dem Risikoausschuss der HSH Nordbank gehörte Dr. Ralf Stegner im Jahr 2004 als Mitglied an. Er war gleichzeitig Finanzminister und damit der Interessenvertreter des Landes Schleswig-Holstein in dieser Bank.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Wenn das zutreffend ist, müssen wir feststellen, dass die Interessen des Landes Schleswig-Holstein von Ihnen nicht ordnungsgemäß gewahrt worden sind.

Ich erinnere daran, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die HSH Nordbank in den Jahren 2003 und 2004 in Steueroasen die Zweckgesellschaften gegründet hat, unter denen die HSH Nordbank noch heute leidet. Im Aufsichtsrat saß Dr. Stegner, der die Interessen des Landes Schleswig-Holstein vertreten sollte. All dies, glaube ich, macht ihn nicht mehr tauglich als denjenigen, der anderen hier im Haus Ratschläge und Belehrungen erteilen sollte, wie man mit der HSH Nordbank umgehen sollte.

(Unruhe)

Die Herren Journalisten müssen nicht zwingend jede Lektüre fotografieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun komme ich zu dem, was der Kollege Dr. Stegner in Bezug auf das Schreiben des Ministerpräsidenten vom 10. Juli 2009 an den Landtag gesagt hat, das nun klassifiziert und gleichgestellt wird mit der Falschaussage von Björn Engholm im Untersuchungsausschuss der Jahre 1993 bis 1995.

Konnte denn der Ministerpräsident in diesem Schreiben überhaupt eine Lüge begehen? Konnte er überhaupt täuschen? - Dieses Schreiben ist gerichtet an den Präsidenten des Landtags mit der Bitte, den Fraktionen und dem SSW vom Inhalt dieses Schreibens Kenntnis zu geben. Das bedeutet - es ist auch sofort zugestellt worden -, Herr Kollege Stegner und Herr Kollege Wadephul konnten nicht getäuscht werden über den Inhalt dieses Schreibens, weil sie den wahren Sachverhalt kannten. Für wie dumm muss man eigentlich einen Ministerpräsidenten halten, der wissen müsste, dass innerhalb von zwei Tagen das, was er hier schreibt, widerlegt werden wird und am letzten Mittwoch auch widerlegt worden ist, beispielsweise auch hier in der De

batte von Herrn Dr. Stegner und Herrn Dr. Wadephul? Für wie dumm muss man einen Ministerpräsidenten halten, wenn man ihm hier Lüge und taktisches Fehlverhalten unterstellt? - Nein, wir haben es als das klassifiziert, was es wahrscheinlich auch war: schlicht und ergreifend eine Panne. Es war der Dilettantismus der Staatskanzlei, nicht ordnungsgemäß mit Vorlagen aus Hamburg umzugehen, was wir in der Vergangenheit schon häufiger erlebt haben.

Herr Kollege Dr. Stegner, Sie selbst haben die Öffentlichkeit belogen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes belogen. Denn in Ihrer Pressemitteilung vom 11. Juli 2009 schreiben Sie, von einer Zustimmung der SPD-Fraktion kann keine Rede sein. Jetzt kommt das Zitat:

„Gleiches gilt für die stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Schleswig-Holstein, Ute Erdsiek-Rave, und Innenminister Lothar Hay.“

Herr Kollege Dr. Stegner, Sie sollten vielleicht das Plenarprotokoll vom letzten Donnerstag noch einmal zur Hand nehmen, in dem in einer sehr ehrenhaften Erklärung des Kollegen -

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wir können auch was verstehen, Herr Kollege, nicht nur Sie!)

- Ich verstehe das, ich verstehe das sehr gut. Wir können das auch noch genauer ausführen.

„In dem Telefonat habe ich Herrn Wiegand als Aufsichtsratsmitglied mein grundsätzliches Einvernehmen zu dieser Vorgehensweise mitgeteilt. Ich habe mich davon leiten lassen, dass die gefundene Lösung die kostengünstigere ist....

Das Verhalten von Herrn Professor Nonnenmacher halte ich persönlich für unmoralisch und instinktlos. Trotzdem habe ich mich aus den unter Punkt 5 genannten Gründen für diese Lösung entschieden - zum Wohle der Bank und zum Wohle des Anteilseigners, des Landes Schleswig-Holstein.“

Er hat damit zugestimmt. Ihre Erklärung - Sie wussten es vorher; er hat es Ihnen vorher mitgeteilt vom 11. Juli 2009 an die Bevölkerung war damit wirklich falsch.

Lieber Herr Kollege Dr. Stegner, ich will versuchen, Ihnen zu erklären, warum Sie jetzt nachlassen sollten, den Eindruck zu erwecken, aus der FDP heraus gebe es Unterstützung für welche Politiker auch immer einer von Ihnen geführten SPD.

(Wolfgang Kubicki)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es wird von Abgeordneten der FDP-Fraktion jetzt und im kommenden Landtag keine Stimme geben, die Herrn Stegner zum Ministerpräsidenten wählt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir werden auch keine Gespräche mit einer SPD führen, der Herr Dr. Stegner vorsitzt. Ich werde versuchen, es kurz zu erklären.

(Rolf Fischer [SPD]: Aus persönlichen Grün- den jetzt?)

- Das hat mit persönlichen Gründen etwas zu tun. Meine Kolleginnen und Kollegen sind gefragt worden, Herr Kollege Fischer, und sie haben unisono gesagt, mit einem solchen Menschen, der provoziert, spaltet und mit Halb- und Unwahrheiten arbeitet, reden wir schlicht und ergreifend nicht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Zuruf von der SPD)

Fangen wir doch einmal mit der ersten Unwahrheit oder Halbwahrheit an, dieser Koalitionsbruch und das Ende dieser Koalition sei entstanden, weil der Ministerpräsident und Schwarz-Gelb - so haben Sie es formuliert - das Ergebnis des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses fürchten. Wir hofften, uns damit ein lästiges Problem vom Hals zu schaffen, und im Übrigen, was Krümmel angeht, einer Debatte um Krümmel ausweichen wollten.

Herr Dr. Stegner, Sie wissen, dass Frau Kollegin Heinold und ich wie niemand sonst in diesem Haus den Spuren des Fehlverhaltens bei der HSH Nordbank auf der Spur sind. Ich habe es im Landtag mehrfach erklärt, dass es, egal was passiert, einen neuen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben wird mit dem gleichen Untersuchungsauftrag, vielleicht etwas erweitert.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Dr. Stegner, ich bin davon ausgegangen, dass Sie immer noch glauben, dass Sie die Mehrheit der Abgeordneten bekommen. Denn die würde ausreichen, aus eigener Kraft einen neuen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dazu brauchten Sie ansonsten niemand anderen.

Aber auch Ihre heutige Behauptung, der Untersuchungsausschuss würde aufgelöst, hat sich ja als falsch herausgestellt. Er tagt weiter, er wird die Beweisaufnahme durchführen bis zur Einsetzung eines neuen Untersuchungsausschusses eines neuen Landtags.

(Beifall bei FDP und CDU)